„Partnerschaft auf Augenhöhe“ bei EU-Afrika-Gipfel in weiter Ferne

Am 17 und 18. Februar fand der sechste und coronabedingt lang erwartete EU-Afrika-Gipfel statt, bei dem sich die Spitzen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union alle drei Jahre abwechselnd in Europa und Afrika treffen. Organisiert war der Gipfel um sieben verschiedene “Roundtables”. Doch die meisten Ergebnisse wurden bereits vorher hinter verschlossenen Türen festgelegt, ohne wesentliche Beratung mit Zivilgesellschaft oder Einbindung der parlamentarischen Ebene. Das ist umso besorgniserregender, weil diese Beschlüsse weitreichende Folgen haben. Hier bewerte ich, was der Gipfel für Fragen der Migration, globalen Impfgerechtigkeit und Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas bedeutet.

Welche Fragen wurden verhandelt?

Die offizielle Liste der Themen erstreckt sich über Wachstumsfinanzierung, Impfstoffherstellung, Landwirtschaft, Bildung, Kultur, Klimawandel, Digitalisierung und vieles mehr: Überall sollen die Staaten Afrikas gefördert werden, um auf Augenhöhe und als “engste Partner und Nachbarn” gemeinsam Richtung “Solidarität, Sicherheit, Frieden und Nachhaltigkeit” zu marschieren – soweit vollmundige Anspruch. Aber eine wirkliche Partnerschaft auf Augenhöhe gibt es leider nicht. Ich möchte zur Beurteilung ein Schlaglicht auf zwei zentrale Punkte des Gipfels werfen:

Spenden statt Selbstbestimmung: Absage an Globale Impfgerechtigkeit

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie hätte eine historische Chance geboten, mit alten Mustern der Abhängigkeit zu brechen. Schon jetzt hat die Pandemie globale Ungleichheiten massiv verschärft. Diese Spaltung wird weiter zunehmen: Während die Impfquote in Europa bei rund 70% liegt, und auch deutlich höher sein könnte, wenn es eine ausreichende Impfbereitschaft gebe, hatten in der Afrikanischen Union erst 12% der Menschen Zugang zu Impfstoffen. Es wird wahrscheinlich Jahre dauern diese Lücke zu schließen. Eine Freigabe der Impfpatente wäre ein Wendepunkt: Der Aufbau unabhängiger Impfstoffproduktion ist nach der erteilten Freigabe eine Frage von Monaten, nicht Jahren.  Entsprechend vehement wurde die Patent-Freigabe von den afrikanischen Staaten eingefordert. Die EU lehnt das jedoch weiter kategorisch ab und verteilt stattdessen Almosen: Bis Mitte 2022 sollen 450 Millionen Dosen ausgeliefert werden, dazu gibt es Unterstützungszahlungen für die Verteilung und Verabreichung der Impfdosen in der Bevölkerung. Die Abhängigkeit der Staaten der AU von Europa, und von internationalen Pharmakonzernen, wird damit weiter zementiert.

Europäische Grenzen in Afrika: Migrationsbekämpfung wird ausgebaut

Auch im Bereich Flucht und Migration liegt eine “Partnerschaft auf Augenhöhe” in weiter Ferne. Tatsächlich geht es in aktuellen Abkommen mit afrikanischen Staaten nur sehr abstrakt um Fluchtursachenbekämpfung, aber sehr konkret um die Bekämpfung von Flucht und Migration selbst. Es gibt Versuche, diese noch stärker an die Vergabe von Geldern zu knüpfen. Damit werden Staaten in Afrika gezwungen, sich zu Komplizen zu machen beim von der EU vorangetriebenen Bau von Grenzen und dem Begrenzen der globalen Freizügigkeit. Inzwischen wird immer offener über einen Einsatz von Frontex in Afrika nachgedacht und verhandelt, obwohl die europäische Grenzschutzagentur es derzeit auch in Europa nicht schafft, geltendes Recht anzuwenden. 

Insgesamt fehlt es in der EU seit Langem an einem umfassenden Ansatz, der über das Schlagwort “Fluchtursachenbekämpfung” hinausgeht. Zunehmende Fluchtursachen lassen sich nicht dauerhaft mit höheren Zäunen und restriktiveren Abkommen kompensieren, und schon gar nicht lässt sich diese Politik in Einklang bringen mit Europäischen Werten und grundlegenden Menschenrechten. 

Fazit des Gipfels: Alte Abhängigkeiten statt “New Deals”

Die schönen Worte der gemeinsamen Abschlusserklärung können kaum verbergen, dass hinter der Fassade des Aufbruchs in eine gemeinsame und gleichberechtigte Zukunft wenig steckt, was diesem Anspruch gerecht werden kann: In vielen Fällen werden angebliche neue Investitionssummen lediglich aus bereits gemachten Zusagen umgewidmet. An anderen Stellen werden verheißungsvolle Vorzeigeprojekte präsentiert, die allerdings kaum in der Breite wirken können. Während in der Schlusserklärung durchaus begrüßenswerte Passagen unter anderem zur Bildungsfinanzierung und der Übertragung zu Sonderziehungsrechten zu finden sind – die Umsetzung bleibt abzuwarten – gibt es andere Abschnitte, die deutlich kritischer zu sehen sind und deshalb obenstehend näher beleuchtet wurden. Auch wenn es also punktuelle Verbesserungen gibt: In der Summe ist das Ergebnis statt des bemühten “New Deals” leider an vielen Stellen ein Festschreiben alter Abhängigkeiten und Ungleichheiten. Es wird leider noch lange dauern, bis “Solidarität, Gleichheit und Frieden” ihren Weg von blumigen Abschlusserklärungen in die reale Welt finden.

Kommission weigert sich auf Pushbacks durch Kroatien zu reagieren

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion habe ich am 11. Oktober 2021 eine Anfrage an die Kommission eingereicht, in der es um die systematischen Pushbacks durch kroatische Polizeibeamte geht. Hintergrund der Anfrage ist, dass Spiegel und Tagesschau Videomaterial veröffentlichten, auf denen zu sehen ist, wie kroatische Grenzbeamte Schutzsuchende mit brachialer Gewalt illegal abschieben. Schutzsuchende werden in dem Video dazu aufgefordert loszurennen und dann im Lauf mit Schlagstöcken verprügelt. Aus den Beiträgen geht auch hervor, dass diese Praxis auf Anordnung des kroatischen Innenministeriums geschieht. Systematische Gewalt gegen Geflüchtete ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat. Inzwischen wissen wir auch, dass kroatische Grenzbeamte eine dienstliche Anweisung erhalten haben, Schutzsuchende weiterhin illegal abzuschieben, dabei aber darauf achten sollen, sich nicht mehr dabei filmen zu lassen. Von den vier Polizisten, die auf dem Videos zu erkennen sind, wurden drei kurzfristig suspendiert, sind jetzt aber wieder im Dienst.

In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Die Kommission will kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Kroatien einleiten und weist darauf hin, dass sie Kroatien wiederholt aufgefordert hat die Vorwürfe zu untersuchen und dass Kroatien einen Überwachungsmechanismus für solche Fälle eingerichtet hat. Diese Haltung ist zynisch, weil die kroatische Regierung und die kroatischen Behörden sich selber kontrollieren sollen, wobei sie es doch sind, die für die systematischen Pushbacks verantwortlich sind. Der Überwachungsmechanismus ist nicht unabhängig und er funktioniert offensichtlich nicht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Gewaltsame Zurückschiebungen und Prügelattacken an den Außengrenzen Kroatiens

Am 6. Oktober 2021 veröffentlichten mehrere Medien, darunter der Spiegel, die ARD und RTL Croatia, die Ergebnisse ihrer Recherchen über die rechtswidrigen und mit brachialer Gewalt durchgeführten Zurückschiebungen an den kroatischen Außengrenzen, die auf das Konto von Polizeibeamten des Landes gehen sollen, die auf Anordnung des Innenministeriums handeln. Systematische Gewalt gegen Flüchtlinge ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat.

1. Wie wird die Kommission die vom Staat angeordneten Zurückschiebungen untersuchen, und welche Rolle werden die Ergebnisse der Untersuchung beim Weg Kroatiens zur Schengen-Mitgliedschaft spielen, der kürzlich von der Kommission unterstützt wurde?

2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus ergriffen, den Kroatien mit EU-Mitteln an seiner Grenze eingerichtet hat, und wie gedenkt die Kommission, die Überwachung transparenter und wirksamer zu gestalten und glaubwürdige Akteure einzubeziehen, wie es in den Pariser Grundsätzen verankert ist?

3. Welchen Zeitplan sieht die Kommission für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Kroatien wegen der Praktiken des Landes an seinen Außengrenzen vor, die unter anderem gegen den Besitzstand der EU im Asylbereich verstoßen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.2.2022

Nach einer fast vierjährigen Evaluierung der Umsetzung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das Land alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands nachhaltig erfüllt werden. Am 22. Oktober 2019 erließ die Kommission eine Mitteilung[1], in der dies bestätigt wurde, was am 2. Juni 2021 in der Mitteilung über die Schengen-Strategie[2] erneut bekräftigt wurde. Ferner hat der Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021[3] festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt.

Was die Vorwürfe der Misshandlung von Migranten betrifft, so hat die Kommission die kroatischen Behörden wiederholt aufgefordert, diesbezüglich Untersuchungen durchzuführen. In Kroatien wurde ein unabhängiger Überwachungsmechanismus eingerichtet, in dessen Rahmen im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher halbjährlicher (Zwischen-)Bericht und anschließend ein Aktionsplan zur Umsetzung der ursprünglichen Empfehlungen veröffentlicht wurde. Während die Kommission dabei Unterstützung geleistet hat, liegt die Zuständigkeit für die Einrichtung des Mechanismus, einschließlich der Zusammensetzung des betreffenden Gremiums, bei den kroatischen Behörden. Der Abschlussbericht des Mechanismus soll im Juni 2022 vorgelegt werden. Der Beratende Ausschuss, der sich aus Vertretern der Kommission und von Interessenträgern im Bereich der Grundrechte zusammensetzt, wird Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise des Mechanismus abgeben. Kroatien hat auch sein internes Untersuchungssystem ausgebaut.

Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin die Einhaltung des EU-Besitzstands überwachen.

Für Fälle mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Mitteln ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung zuständig. Bei hinreichendem Verdacht auf Betrug oder Missbrauch von EU-Mitteln kann das Amt Untersuchungen einleiten. Die Kroatien aus den drei einschlägigen EU-Instrumenten in den letzten vier Jahren bereitgestellte Finanzierung wurde im Rahmen unabhängiger Audits geprüft und nicht beanstandet.


[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der vollständigen Anwendung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien (COM(2019) 497 final vom 22.10.2019).

[2] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Strategie für einen reibungslos funktionierenden und resilienten Schengen-Raum“ (COM(2021) 277 final vom 2.6.2021).

[3] Ratsdokument 14883/21 vom 9.12.2021.

Kommission hält griechische Bearbeitung von Asylanträgen für europarechtswidrig

Griechenland lehnt Asylanträge mit der Begründung ab, die Türkei sei ein „sicherer Drittstaat“, doch die Türkei lässt diese nicht einreisen. Aus einer Anfrage von mir geht nun hervor, dass die EU-Kommission dieses Vorgehen als europarechtswidrig einstuft. Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“ Die Kommission informiert in ihrer Antwort an mich auch darüber, dass sie der griechischen Regierung bereits erklärt haben, „dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.“

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“

1. Wie viele Folgeanträge wurden von Personen gestellt, deren ursprünglicher Asylantrag auf der Grundlage abgelehnt wurde, die Türkei sei für sie ein sicherer Drittstaat?

2. In wie vielen dieser Fälle brachte Griechenland Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie zur Anwendung? Ist Artikel 23 des griechischen Gesetzes 4825/2021, dem zufolge für die Einreichung eines zweiten Antrags eine Gebühr von 100 EUR entsteht, mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar?

3. Ist es mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar, solche Folgeanträge mit der Begründung als unzulässig abzulehnen, der Antragsteller habe keine neuen Elemente in Bezug auf die Türkei als sicheren Drittstaat geltend gemacht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 25.1.2022

1. Die Kommissionsdienststellen leiteten die Frage des Herrn Abgeordneten zur Beantwortung an die nationalen Behörden weiter, die ihm die Antwort wird so bald wie möglich übermitteln werden.

2. Gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie „müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird“. Obschon in Kapitel II der Asylverfahrensrichtlinie die Gebührenfrage nicht geregelt ist, hat die Kommission die griechischen Behörden darauf hingewiesen, dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.

3. Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie ist, dass der Drittstaat dem Antragsteller die Einreise in sein Hoheitsgebiet nicht erlaubt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Zugang zu einem Verfahren in der Sache gewährt wird. Sie dürfen den Folgeantrag auf der Grundlage des Konzepts des sicheren Drittstaats daher nicht als unzulässig ablehnen.

Anfrage: Griechisches Gesetz zu Rückführungsverfahren

Die griechische Regierung treibt die Abschottung Europas weiter voran und verabschiedete im September ein Gesetz, das Seenotrettung und generell die Einhaltung von Menschenrechten weiter erschwert und daher im Widerspruch zu europäischem Recht steht. Gemeinsam mit Abgeordneten meiner Fraktion, Linken und Sozialdemokraten haben wir die EU-Kommission dazu befragt – die Kommission weicht in ihrer Antwort allerdings allen Fragen aus und verweigert eine Bewertung der Gesetze. Man muss diese „Antwort“ daher als Billigung des griechischen Vorgehens gegen Schutzsuchende interpretieren.

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Unsere Anfrage

Betrifft: Neues Gesetz über Ausweisungen und Rückführungsverfahren in Griechenland

Am 3. September 2021 verabschiedete das griechische Parlament ein Reformgesetz über Ausweisungen und Verfahren zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen, das ausschließlich von einer Mehrheit der Regierungspartei verabschiedet wurde.

In der Entwurfsphase äußerte die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, ernsthafte Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf und forderte gewissermaßen dessen Rücknahme, da er „nicht im Einklang mit den Menschenrechtsnormen steht“ und dadurch „die lebensrettende Tätigkeit nichtstaatlicher Organisationen und ihre Fähigkeit zur Überwachung der Menschenrechte in der Ägäis ernsthaft behindern würden“.

1. Ist die Kommission der Auffassung, dass dieses neue Gesetz und insbesondere dessen Paragraph 40, mit dem Beschränkungen eingeführt werden, die im Wesentlichen nichtstaatlichen Organisationen verbieten, Rettungsmaßnahmen auf See durchzuführen oder zu unterstützen, und diese unter Strafe stellen, mit der Verpflichtung der griechischen Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte und den einschlägigen Leitlinien der Kommission vereinbar ist?

2. Billigt die Kommission die tendenziöse Methode, mit der Paragraph 40 nach Ablauf des Zeitraums der öffentlichen Konsultation eingeführt wurde?

3. Ist die Kommission der Auffassung, dass die griechische Regierung durch die Einschränkung aller maßgeblichen Tätigkeiten nichtstaatlicher Organisationen das Recht auf Asyl, die Gewährleistung eines Rechtswegs für alle Rückführungsverfahren, die Nichtzurückweisung und die Unterbindung einer automatischen, rechtswidrigen Masseninhaftierung beschneidet?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 6.1.2022

Die Kommission erkennt die aufrichtigen Bemühungen nichtstaatlicher Organisationen (NGO) zur Rettung von Menschenleben auf See an und fordert die Mitgliedstaaten und andere beteiligte Akteure unablässig auf, den einschlägigen rechtlichen Rahmen und humanitäre Grundsätze einzuhalten.

In Hinblick auf eine mögliche Sanktionierung nichtstaatlicher Organisationen, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, weist die Kommission darauf hin, dass die Hilfeleistung für Personen oder Schiffe, die sich in Seenot befinden, eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt und dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe nicht unter Strafe gestellt werden kann. Gleichzeitig obliegt es den Behörden der Mitgliedstaaten, Such- und Rettungseinsätze im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des internationalen Seerechts und der internationalen Menschenrechtsnormen zu koordinieren. Es ist wichtig, dass NGO, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten.

Die Kommission hat wiederholt die Schlüsselrolle gewürdigt, die der Zivilgesellschaft bei der Wahrung der gemeinsamen Werte und der Grundrechte zukommt. Während es die Aktivitäten privatrechtlicher Einrichtungen, auch diejenigen nichtstaatlicher Organisationen, zu regulieren gilt, um volle Transparenz zu gewährleisten, müssen alle als Voraussetzung für ein Tätigwerden in Griechenland auferlegten Beschränkungen notwendig, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Umsetzung und Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über Asyl und Rückkehr weiterhin überwachen. Die Kommission bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten in vollem Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des Völkerrechts und des EU-Rechts, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, handeln müssen.

Anfrage: Gefängnis für Solidarität mit Geflüchteten

Domenico Lucano wurde aus fadenscheinigen Gründen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er als Bürgermeister Geflüchtete willkommen geheißen hat. Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten meiner Fraktion habe ich die EU-Kommission gefragt, wie die EU-Kommission mit der Verurteilung des ehemaligen Bürgermeisters Domenico Lucano für seine Aufnahme von Schutzsuchenden und generell mit der zunehmenden Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivist:innen unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Schleuser-Kriminalität umgeht. Wie gewohnt geht die Antwort der Kommission nicht auf unsere konkreten Fragen ein, sondern betont allgemeine hehre Grundsätze – ohne aktiv zu werden, wenn diese Grundsätze verletzt werden.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Umsetzung der Schleuser-Richtlinie und humanitäre Hilfe

Domenico Lucano, ehemaliger Bürgermeister von Riace, einer Stadt in der süditalienischen Region Kalabrien, wurde wegen Beihilfe zur irregulären Migration und wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei der Betreuung von Asylbewerbern zu mehr als 13 Jahren Haft verurteilt.

Während seiner Amtszeit als Bürgermeister erlangte Riace wegen der mustergültigen Aufnahme und Integration von Migranten Berühmtheit. Das Gerichtsurteil ist schockierend, da dabei das von den Staatsanwälten geforderte Strafmaß von sieben Jahren und elf Monaten fast verdoppelt wurde. Dies ist ein weiteres Beispiel für die mangelnde Einheitlichkeit bei der Umsetzung der Schleuser-Richtlinie in den EU-Mitgliedstaaten und für die besorgniserregende Kriminalisierung der humanitären Hilfe.

  1. Wie gedenkt die Kommission vor diesem Hintergrund sicherzustellen, dass der Fall Lucano und ähnliche Fälle von Strafverfolgung und Schuldsprüchen nicht gegen den Geist der Schleuser-Richtlinie verstoßen?
  2. Wie wird die Kommission dafür sorgen, dass die jüngsten Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Schleuser-Richtlinie befolgt werden?
  3. Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um sicherzustellen, dass private Akteure gerettete Migranten an Land bringen können, ohne befürchten zu müssen, strafrechtlich verfolgt zu werden?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021)

In den Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Schleuser-Richtlinie wird klargestellt, dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe niemals unter Strafe gestellt werden darf, und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, falls noch nicht geschehen, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, zwischen (nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Handlungen mit dem Ziel der humanitären Unterstützung und Handlungen mit dem Ziel der Beihilfe zur unerlaubten Einreise oder Durchreise zu unterscheiden und erstere von der Kriminalisierung auszunehmen.

Ein Jahr nach der Annahme der Leitlinien wird im Rahmen des erneuerten EU-Aktionsplans gegen die Schleusung von Migranten die Überwachung der Umsetzung der Schleuser-Richtlinie intensiviert. Bei Verstößen gegen das EU-Recht behält sich die Kommission das Recht vor, von ihren Befugnissen gemäß den Verträgen Gebrauch zu machen, um Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die Kommission wird 2023 über die Umsetzung des Schleuser-Pakets und der Leitlinien von 2020 Bericht erstatten und erforderlichenfalls eine Überarbeitung vorschlagen, um sicherzustellen, dass die EU angemessen gerüstet ist, um auf die sich wandelnden Herausforderungen in diesem Bereich zu reagieren.

Die Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; die Kommission hat diesbezüglich keine operativen Aufgaben. Dennoch hat die Kommission wiederholt alle beteiligten Akteure aufgefordert, den einschlägigen Rechtsrahmen einzuhalten, und im Zusammenhang mit dem neuen Migrations- und Asylpaket ein besser koordiniertes EU-Konzept für Such- und Rettungseinsätze vorgeschlagen, einschließlich der Einsetzung der ersten Europäischen Kontaktgruppe zu diesem Thema.

Anfrage: Unrechtmäßige Rückführung von Geflüchteten nach Libyen

Dass Libyen kein sicherer Ort für Menschen ist, haben Studien und Gerichtsurteile immer wieder bestätigt. Diese Tatsache ignoriert die EU-Kommission seit Jahren und unterstützt die Libysche Küstenwache dabei, Menschen auf der Flucht nach Libyen zurückzuführen. In ihrer Antwort auf eine gemeinsame Anfrage mehrerer Abgeordneter verweigert die EU-Kommission konkrete Schritte und betont allgemeine Grundsätze – die allerdings im Konflikt mit dem tatsächlichen Vorgehen stehen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Urteil eines Gerichts von Neapel zur Rückführung von Migranten nach Libyen

Libyen ist kein sicherer Einreiseort für Menschen. Zu diesem Schluss kam ein Gericht von Neapel in seinem Urteil und verurteilte einen italienischen Schiffskapitän zu einem Jahr in Haft, weil er 101 gerettete Migranten mithilfe der libyschen Küstenwache (LCG) zurück nach Libyen gebracht hatte. Dies sollte ein klarer Hinweis sein, dass die Rückführung von Migranten nach Libyen nicht annehmbar ist, und zwar nicht nur für gewerbliche Schiffe, die im zentralen Mittelmeer tätig sind, sondern auch für Mitgliedstaaten, deren Such- und Rettungsstrategie auf der Zusammenarbeit mit der sogenannten LCG aufbaut. Trotz eindeutiger Beweise für menschenunwürdige Behandlung und für die Gefahren für Migranten in Libyen wurden Unionsmittel für die Ausbildung und Ausstattung der LCG zugewiesen, und die EU hat Libyen darin unterstützt, eine unverhältnismäßig große Such- und Rettungszone auszuweisen, was zahlreiche Todesopfer zur Folge hatte.

1. Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um die Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten mit Libyen zu kontrollieren und die Unterstützung der EU für eine Zusammenarbeit, die zur Zwangsrückführung von Menschen führt, zurückzuziehen?

2. Wie trägt die Kommission gemeinsam mit dem Verwaltungsrat von Frontex dafür Sorge, dass die Agentur nicht mehr zu Zwangsrückführungen beiträgt, indem die LCG an Rettungsmissionen beteiligt wird?

3. In wie vielen Fällen hat Frontex die LCG über ein Boot mit Migranten oder ein Boot in Seenot informiert, was dann zur Rückführungen nach Libyen führte, und werden diese Fälle rückwirkend untersucht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021:

Bei der Zusammenarbeit mit Libyen setzt die EU u. a. folgende Prioritäten: Förderung wirksamer Such‐ und Rettungseinsätze unter Einhaltung von Menschenrechtsnormen; Bemühungen um Beendigung willkürlicher Festnahmen von Migranten; Unterstützung der Internationalen Organisation für Migration bei der freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung und des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen bei der Evakuierung schutzbedürftiger Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Hafteinrichtungen in Libyen. Zum diesem Zweck finanziert die EU Projekte, von denen manche von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die Kommission überprüft ihre eigenen Maßnahmen in Libyen regelmäßig, indem sie die Berichte ihrer Durchführungspartner überwacht und gezielte Prüfungen durchführt. Angesichts der besonderen Herausforderungen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen in Libyen hat die Kommission zudem eine Überwachung der Maßnahmen in Libyen durch Dritte im Rahmen des EU-Treuhandfonds für Afrika eingerichtet.

Die Rettung des Lebens von Menschen an Bord von Schiffen in Seenot ist eine absolute Priorität und die Übermittlung von Informationen an die zuständige Seenotrettungsleitstelle (MRCC) stellt eine völkerrechtliche Verpflichtung dar. Wie jede andere Organisation (einschließlich Nichtregierungsorganisationen) meldet die Europäische Agentur für die Grenz‐ und Küstenwache (Frontex) Vorfälle, die einen Such‐ und Rettungseinsatz auf See erforderlich machen, an die international anerkannte libysche Seenotrettungsleitstelle, wenn ein Flugzeug eine Notlage auf See in der libyschen Such‐ und Rettungszone entdeckt. Um Leben in unmittelbarer Gefahr zu retten, ist es zwar notwendig, die zuständige MRCC zu benachrichtigen, doch müssen gemäß den Einsatzplänen von Frontex alle Schiffe den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 656/2014 einhalten. Bisher ist keine Ausschiffung durch ein Frontex-Schiff in Libyen durchgeführt worden.

Die Kommission hat Frontex gebeten, die dritte Frage der Damen und Herren Abgeordneten zu beantworten. Die Kommission wird den Damen und Herren Abgeordneten die Antwort der Agentur so rasch wie möglich zukommen lassen.

Anfrage: Ablehnung von Asylanträgen syrischer Staatsangehöriger in Griechenland

Griechenland lehnt Asylanträge syrischer Geflüchteter mit der Begründung ab, sie könnten ja zurück in die Türkei gehen, weil die Türkei ein sicherer Drittstaat sei. In der Realität akzeptiert die Türkei aber schon länger keine Rückführungen mehr, die Betroffenen sitzen also fest und können weder vor noch zurück. Dessen ungeachtet will Griechenland diese Praxis nun auf weitere Herkunftsländer ausweiten. Gemeinsam mit Abgeordneten mehrerer Fraktionen haben wir die EU-Kommission gefragt, wie sie sicherstellen will, dass die Betroffenen erneut einen Antrag stellen können, der die reale Situation in die Beurteilung einbezieht. Die Kommission weigert sich in ihrer Antwort nun, konkrete Schritte dafür zu gehen. Tatsächlich weiß sie nicht einmal, ob und wie viele abgelehnte Antragsteller:innen einen erneuten Antrag stellen können. Die Kommission antwortet, dass sie die Auffassung vertritt, dass syrische Antragsteller, deren Anträge für unzulässig erklärt und nicht in die Türkei abgeschoben wurden, erneut einen Antrag stellen können sollten. Allerdings scheint die Kommission auch keinerlei Konsequenzen ziehen zu wollen, wenn Griechenland das nicht macht. Außerdem betont die Kommission, dass sie sich eine Wiederaufnahme von Rückführungen in die Türkei wünscht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Unzulässigkeit von Asylanträgen syrischer Staatsangehöriger in Griechenland

In ihrem Schreiben vom 26. Juli 2021 erklärte die Kommission, dass syrische Staatsangehörige, deren Asylanträge mit der Begründung für unzulässig erklärt worden seien, dass die Türkei als sicheres Drittland angesehen werde, und die jedoch nicht wieder in die Türkei einreisen dürfen, in Griechenland erneut Asyl beantragen können sollten.

Im März 2020 setzte die Türkei alle Rückübernahmen aus Griechenland aus. Ungeachtet dessen werden seitdem auch weiterhin Asylanträge syrischer Staatsangehöriger endgültig abgelehnt, mit der Begründung, dass die Türkei als sicheres Drittland gelte.

  • Haben alle syrischen Staatsangehörigen auf den griechischen Inseln, deren Anträge für unzulässig erklärt wurden, die Möglichkeit erhalten, erneut Asyl zu beantragen? Wenn nicht: Welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, um sicherzustellen, dass sie diese Möglichkeit erhalten?
  • Am 7. Juni 2021 schlug die griechische Regierung vor, die Türkei zum sicheren Drittland für Asylbewerber aus Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia zu erklären, was bedeuten würde, dass auch deren Anträge als unzulässig betrachtet würden.
  • Wie wird die Kommission sicherstellen, dass Asylanträge dieser Staatsangehörigen nicht unter der falschen Annahme für unzulässig erklärt werden, dass die Antragsteller von der Türkei zurückgenommen werden können? Welche Schritte wird die Kommission ergreifen, um sicherzustellen, dass die griechische Regierung die Asylverfahrensrichtlinie in dieser Hinsicht einhält?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021

Die Kommission hat in ihrer Antwort auf die schriftliche Anfrage P-000604/2021 betont, dass die griechischen Behörden gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie sicherstellen sollten, dass syrische Antragsteller, deren Anträge für unzulässig erklärt und nicht in die Türkei abgeschoben wurden, erneut einen Antrag stellen können. Die Kommissionsdienststellen haben die griechischen Behörden um die entsprechenden Daten zu Asylanträgen syrischer Staatsangehöriger ersucht, die den Abgeordneten so bald wie möglich übermittelt werden.

Nach der Annahme des Gemeinsamen Ministerbeschlusses vom 7. Juni 2021 betrachtet Griechenland die Türkei als sicheren Drittstaat für Personen, die internationalen Schutz beantragen und aus Syrien, Afghanistan, Bangladesch, Pakistan und Somalia stammen. Soweit unzulässige Antragsteller nicht in die Türkei einreisen dürfen, sollte nach Auffassung der Kommission auch Artikel 38 Absatz 4 der Richtlinie auf diese Anträge angewandt werden und der Zugang zum Asylverfahren auf der Grundlage ihrer Begründetheit gewährt werden.

Die EU setzt sich weiterhin für die vollständige Umsetzung der Erklärung EU-Türkei aus dem Jahr 2016 ein, die den wichtigsten Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei in Migrationsfragen darstellt. Diese Partnerschaft beruht auf gegenseitigem Vertrauen und Handeln, das Engagement und kontinuierliche Anstrengungen von allen Seiten erfordert. Die Kommission hat wiederholt die Wiederaufnahme der Rückführungen aus Griechenland in die Türkei gefordert.

Anfrage: Vorläufige Maßnahmen zu Asylbewerbern in Polen, Lettland und Litauen

Gemeinsam mit sieben anderen Abgeordneten aus unserer Fraktion haben ich die Kommission am 1. Oktober 2021 gefragt, ob sie das Verhängen eines Ausnahmezustandes durch Polen und die Weigerung Asylverfahren an der Grenze zu ermöglichen, für kompatibel mit EU-Recht hält. Außerdem fragten wir, welche Maßnahmen die Kommission bezüglich illegaler Pushbacks ergreift und ob sie prüfe, ob der Einsatz von EU-Agenturen in Lettland und Litauen mit dem Rechtsrahmen vereinbar sind. Die Kommission antwortet, dass sie das Vorgehen Belarus verurteile, was aber gar nicht in Frage stand. Außerdem erklärt die Kommission, dass sich die Mitgliedsstaaten natürlich an EU-Recht halten müssten, die Kommission aber nicht befugt sei, bei Verstößen gewisse Maßnahmen auch durchzusetzen. Eine Verurteilung der klaren Menschenrechtsverstoße durch Mitgliedsstaaten durch die Kommission findet nicht statt, aber zumindest erklärt Frau Johansson, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung gilt, auch wenn nicht ausgesprochen wird, dass Staaten wie Polen sich offensichtlich nicht daran halten.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Vorläufige Maßnahmen in Bezug auf die Lage der Asylbewerber in Polen, Lettland und Litauen

Nach einer Reihe von Gesetzesänderungen in Polen, Lettland und Litauen haben die dortigen Sicherheitskräfte Berichten zufolge Dutzende von Asylsuchenden an der EU-Grenze zu Belarus daran gehindert, in diese Länder einzureisen und Asylanträge zu stellen, was zu mehreren Todesfällen geführt hat. Am 8. September 2021 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine vorläufige Entscheidung, in dem Litauen aufgefordert wurde, fünf afghanische Asylbewerber nicht nach Belarus zurückzuführen. Laut Reuters wurde gegen diese Entscheidung am 9. September 2021 verstoßen. Am 27. September 2021 weitete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine vorangegangenen einstweiligen Anordnungen aus, indem Polen und Lettland verpflichtet wurden, den betroffenen Personen Nahrung, Betreuung und eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen sowie ihnen den Zugang zu Rechtsanwälten zu ermöglichen.

1.    Ist die Kommission der Auffassung, dass der in den jeweiligen Ländern verhängte Ausnahmezustand, die Gesetzesänderungen und die anschließenden von Polen, Lettland und Litauen ergriffenen Maßnahmen mit dem Schengen-Besitzstand und dem EU-Asylrecht und insbesondere mit den Bestimmungen in Einklang stehen, nach denen die Mitgliedstaaten auch an der Grenze Zugang zu Asylverfahren gewähren müssen?

2.    Welche Maßnahmen hat die Kommission im Anschluss an die einstweiligen Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Zurückschiebung von Personen durch die litauischen Behörden am 9. September 2021, ergriffen?

3.    Hat die Kommission geprüft, ob die Präsenz von EU-Agenturen in Lettland und Litauen mit den Rechtsrahmen vereinbar ist, denen gemäß die Agenturen tätig sein müssen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 3.12.2021:

Die Kommission verurteilt aufs Schärfste die Instrumentalisierung von Migranten für politische Zwecke durch Belarus. Sie steht im kontinuierlichen Dialog mit den nationalen Behörden Litauens, Lettlands und Polens, unter anderem über die nationalen Notstandsgesetze und deren Vereinbarkeit mit dem EU-Recht.

Der Kommission sind verschiedene einstweilige Maßnahmen bekannt, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit der außergewöhnlichen Lage an der Grenze zu Belarus in mehreren Fällen gegen Litauen, Lettland und Polen erlassen hat.

Die Kommission ist nicht befugt, einstweilige Maßnahmen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durchzusetzen. Beim Management der Außengrenzen und bei der Anwendung der Bestimmungen des Schengener Grenzkodexes[1] sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Recht auf Zugang zu einem Verfahren des internationalen Schutzes zu gewährleisten und den Grundsatz der Nichtzurückweisung im Einklang mit dem Besitzstand der Union im Asylbereich und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu achten.

Die Kommission steht zudem in engem Kontakt mit internationalen Menschenrechtsorganisationen und den EU-Agenturen, um sicherzustellen, dass jede Agentur im Rahmen ihres jeweiligen Mandats den betroffenen Mitgliedstaaten die erforderliche Unterstützung leistet.


[1] Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

Brief an die EU-Kommission zu Überwachung in griechischen Camps

Gemeinsam mit meiner Fraktionskollegin Alexandra Geese habe ich einen Brief an die Kommission geschrieben, in dem wir ausführen, wie Geflüchtete in den neuen Lagern auf den griechischen Inseln rund um die Uhr überwacht und wie Schwerverbrecher eingesperrt werden. Die Situation ist mit großer Sicherheit EU-rechtswidrig, trotzdem werden die Lager mit 37 Millionen € aus dem Corona-Wiederaufbaufonds finanziert, die nicht dafür vorgesehen sind. 

Lest hier den Brief von Alexandra Geese und mir an die EU-Kommission, den mehr als 40 Europaabgeordnete mitunterzeichnet haben. Als Greens/EFA-Fraktion im Europaparlament wollen wir die unverhältnismäßigen Überwachungsmethoden im Dezember im Plenum zum Thema machen.

Anfrage: Sicherheitslage in Afghanistan

Gemeinsam mit der Sozialdemokratin Bettina Vollath und der Linken Clare Daly habe ich bereits am 30. Juni, sechs Wochen vor dem Einmarsch der Taliban in Kabul, eine Anfrage zum Vormarsch der Islamisten an die Kommission gestellt. Die Kommission hat leider mehr als 10 Wochen gebraucht um unsere Anfrage zu beantworten. Diese und andere Anfragen findet ihr komplett auf der Homepage des Europaparlaments.

Unsere Anfrage

Seit dem Rückzug der Truppen der USA und der NATO nehmen Gewaltakte und Auseinandersetzungen stetig zu. Infolgedessen haben ausländische Botschaften damit begonnen, ihr Personal abzuziehen und ihre Büros zu schließen. Trotz der sich verschlechternden Sicherheitslage haben die Kommission und Afghanistan im April 2021 die Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit im Bereich Migration unterzeichnet. Was ihren Inhalt und ihren Zweck betrifft, wird darin jedoch überhaupt nicht auf die jüngsten Entwicklungen eingegangen, und es ist darin auch nur eine begrenzte Prüfung der aktuellen Sicherheitslage vorgesehen.

1. Wird die Kommission das Parlament in künftige Beschlüsse in Bezug auf diese Gemeinsame Erklärung einbeziehen und über die Ergebnisse der Überwachung der Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung Bericht erstatten?

2. Wie schätzt die Kommission die Sicherheitslage in Afghanistan angesichts der eskalierenden Gewalt ein und welche Konsequenzen hat diese Einschätzung für Rückführungen nach Afghanistan?

3. Wie gedenkt die Kommission, Afghanen, insbesondere dem lokalen Personal der NATO-Truppen, angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage in Afghanistan zu ermöglichen, auf legalem Wege Zuflucht in der EU zu suchen?

Antwort der Kommission

In ihrer Antwort erkennt die Kommission an, dass die Mitgliedsstaaten derzeit nicht beabsichtigen Ruckführungen durchzuführen. Ausführungen dazu machte die zuständige Kommissarin Ylva Johansson aber erst drei Tage nachdem die Taliban Kabul eroberten, obwohl schon lange davor klar war, dass Afghanistan nicht sicher genug ist, um dorthin abzuschieben. Konkret steht in der Antwort der Kommission:

„Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament regelmäßig Bericht über den Stand der Verhandlungen über Rückübernahmeabkommen und ‐vereinbarungen der EU. Bei der letzten Sitzung, die am 23. März 2021 stattfand, wurden auch die Rückführungen nach Afghanistan und die bevorstehende Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit Afghanistans und der EU im Bereich Migration erörtert.

Angesichts der sich rasch verschlechternden Sicherheitslage und des Sturzes der afghanischen Regierung ist die Kommission der Auffassung, dass die derzeitige Lage in Afghanistan eindeutig keine Garantien für die Achtung der Grundrechte und die Sicherheit von Rückkehrern bietet. Weitere Einzelheiten sind der Erklärung von Kommissarin Johansson zur Lage in Afghanistan vom 18. August 2021 zu entnehmen. Die Kommission erkennt an, dass die Mitgliedstaaten nicht beabsichtigen, Rückführungen nach Afghanistan durchzuführen.

Die Vereinigten Staaten sowie einige Länder, die NATO-Truppen entsenden, setzen Programme um, um die afghanischen Ortskräfte, die mit ihnen zusammengearbeitet haben und nach dem Abzug ausländischer Streitkräfte Schutz vor möglichen Repressalien der Taliban suchen, unter anderem mittels Umsiedlungen zu unterstützen. Konkrete Maßnahmen in diesem Zusammenhang werden für örtliche Bedienstete durchgeführt, die in der EU-Delegation und in der Außenstelle des Europäischen Amts für Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe (ECHO) in Kabul beschäftigt sind.“

DE