Kommission hält griechische Bearbeitung von Asylanträgen für europarechtswidrig
Griechenland lehnt Asylanträge mit der Begründung ab, die Türkei sei ein „sicherer Drittstaat“, doch die Türkei lässt diese nicht einreisen. Aus einer Anfrage von mir geht nun hervor, dass die EU-Kommission dieses Vorgehen als europarechtswidrig einstuft. Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“ Die Kommission informiert in ihrer Antwort an mich auch darüber, dass sie der griechischen Regierung bereits erklärt haben, „dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.“
Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.
Meine Anfrage
Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“
1. Wie viele Folgeanträge wurden von Personen gestellt, deren ursprünglicher Asylantrag auf der Grundlage abgelehnt wurde, die Türkei sei für sie ein sicherer Drittstaat?
2. In wie vielen dieser Fälle brachte Griechenland Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie zur Anwendung? Ist Artikel 23 des griechischen Gesetzes 4825/2021, dem zufolge für die Einreichung eines zweiten Antrags eine Gebühr von 100 EUR entsteht, mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar?
3. Ist es mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar, solche Folgeanträge mit der Begründung als unzulässig abzulehnen, der Antragsteller habe keine neuen Elemente in Bezug auf die Türkei als sicheren Drittstaat geltend gemacht?
Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 25.1.2022
1. Die Kommissionsdienststellen leiteten die Frage des Herrn Abgeordneten zur Beantwortung an die nationalen Behörden weiter, die ihm die Antwort wird so bald wie möglich übermitteln werden.
2. Gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie „müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird“. Obschon in Kapitel II der Asylverfahrensrichtlinie die Gebührenfrage nicht geregelt ist, hat die Kommission die griechischen Behörden darauf hingewiesen, dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.
3. Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie ist, dass der Drittstaat dem Antragsteller die Einreise in sein Hoheitsgebiet nicht erlaubt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Zugang zu einem Verfahren in der Sache gewährt wird. Sie dürfen den Folgeantrag auf der Grundlage des Konzepts des sicheren Drittstaats daher nicht als unzulässig ablehnen.