Wie viele EU-Gelder sind nach Griechenland für den Bereich Migration geflossen?

Seit dem Jahr 2015 hat die Europäische Union Griechenland insgesamt 3,38€ Milliarden für die Bewältigung von Migrations- und Grenzaufgaben zur Verfügung gestellt. 2,53€ Milliarden wurden bisher von Griechenland abgerufen. 

Die Unterstützung Griechenlands durch die Europäische Union erfolgt durch drei Töpfe: den Asylum, Migration and Integration Fund (AMIF), der Internal Security Fund (ISF) und das  Emergency Support Instrument (ESI). Der größte Topf ist der AMIF über den insgesamt 328,3€ Milliarden zur Verfügung gestellt wurden. Über diesen Haushaltsposten werden EU-Mitgliedstaaten unterstützt zum Zweck des effizienten Managements von Migration und der Implementierung und Stärkung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Der ISF stellt Geld für das Management von Visum und Einreise, Kontrolle der Außengrenzen, aber auch Rückführungen, beispielsweise durch Frontex, bereit. Hier wurde Griechenland 320€ Millionen bereitgestellt. Das ESI dient der Unterstützung für Notlagen und gibt Geld für humanitäre Hilfe, der Anteil betrug 668,9€ Millionen. Der Großteil der regulären Gelder aus AMIF, ISF und ESI fließt an die nationalen Behörden, also an die griechischen Behörden, die sich mit Migration und Asyl befassen, so beispielsweise das griechische Ministerium für Migration und Asyl. 


Neben den regulär vorgesehenen Bedarfen können zusätzlich für weitere kurzfristige Notfallbedarfe (“Emergency Assistance”) Gelder aus AMIF und ISF mobilisiert werden. Die geflossenen Gelder aus der Emergency Assistance stellen im Fall von Griechenland die größte Summe alle geflossenen Gelder, insgesamt 1,54€ Milliarden. Zwei Drittel aller Gelder der Emergency Assistance sind an internationale Organisationen geflossen, das letzte Drittel an die griechischen Behörden. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass insgesamt 2,06€ Milliarden bereitgestellt worden, Griechenland aber nicht alles abgerufen hat.

Politischer Wille für eine gute Versorgung fehlt

Tatsächlich erhielten die griechischen Behörden 2,53€ Milliarden, um die erhöhten Ankunftszahlen der letzten Jahre zu bewältigen. Dabei ist es besonders wichtig, anzumerken, dass 3,38€ Milliarden zugesprochen wurden, aber ein Großteil davon nicht ausgegeben wurde. Dies zeigt deutlich, dass die Gelder vorhanden sind, um die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und auf dem Festland angemessen und würdig zu versorgen, jedoch der politische Wille fehlt, dies auch so umzusetzen. 

Noch werden in Griechenland grundlegende Anforderungen der EU-Aufnahmerichtlinie nicht eingehalten wie zum Beispiel das Recht auf Bildung der Kinder. Auch die Essensversorgung ist nach wie vor problematisch und ungenügend. Genug Geld wäre tatsächlich da, um die Probleme nachhaltig zu lösen. Selbst der Europäische Rechnungshof als EU-eigene Behörde kam in seinem Jahresbericht 2019 zu ähnlichen Schlussfolgerungen, ohne sie explizit so zu benennen. Es kam nicht zu expliziten Veruntreuungen der Gelder, jedoch wurden einige Gelder aus der Emergency Assistance für längerfristige Projekte und Strukturen zweckentfremdet, obwohl diese nur flexibel für kurzfristige Notfallbedarfe eingesetzt werden dürfen. Außerdem bemängelte der Rechnungshof die ineffiziente Nutzung der Gelder und somit die Diskrepanz zwischen den EU-Zielen und den tatsächlichen Ergebnissen – sprich das Fehlen des politischen Willens. Nun fließen die Gelder aber nicht nur an die griechischen Behörden, sondern auch an internationale Organisationen. Aber auch mehr Gelder an internationale Organisationen sind nicht zwingend hilfreich, wenn die griechische Regierung deren Arbeit blockiert und kriminalisiert, wie es vor allem auf den griechischen Inseln der Fall ist. 

Wer sich genauer mit den veranschlagten und geflossenen Geldern befassen möchte, findet hier eine Übersicht von der Europäischen Kommission. Sie stellt auch dar, wie viele Gelder an die unterschiedlichen internationalen Organisation sowie an welche griechischen Behörden sie geflossen sind. 

Eine Betrachtung der Zahlen macht eines nochmal sehr deutlich. Die staatlichen Behörden und Organisationen haben eigentlich genügend Mittel, um Menschen würdig zu behandeln. Aber es scheint politisch nicht gewünscht zu sein.

So hilft die EU in der Ukraine  

Seit dem Einmarsch der russischen Truppen in der  Ukraine hat die  EU ihre finanzielle Unterstützung für das Land erheblich hochgefahren und rund 4,2 Mrd. EUR mobilisiert. Durch Budgethilfe, Makrofinanzhilfe, Soforthilfe, Krisenreaktion und humanitärer Hilfe soll die allgemeine wirtschaftliche, soziale und finanzielle Widerstandsfähigkeit der Ukraine aufrecht erhalten werden. Im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität wurden außerdem militärische Hilfsmaßnahmen bereitgestellt, darüber können Mitgliedstaaten für ihre militärische Sachhilfe an die Ukraine entschädigt werden.

Humanitäre Hilfe und EU-Katastrophenschutzverfahren seit 2014

Die Europäische Union ist nicht erst seit Beginn der aktuellen Krise vor Ort engagiert. Seit 2014 – dem Jahr der Annexion der Krim durch Russland und der Eskalation in der Ostukraine –  ist das EU-Katastrophenschutzverfahren aktiviert, außerdem wird humanitäre Hilfe geleistet. Es wird davon ausgegangen, dass seit Februar über 12 Mio. Menschen ihre Häuser verlassen mussten und davon ca. 5 Mio. Menschen außerhalb der Ukraine Zuflucht gesucht haben. Laut UNOCHA, dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten sind momentan 15,7 Mio. Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen – jedoch ist der Zugang für Hilfsorganisationen in den nicht von der Regierung kontrollierten Gebieten zum Teil sehr schwierig. Seit Anfang des Jahres beläuft sich die Summe, die die EU und ihre Mitgliedsstaaten für humanitäre Hilfe aufgebracht haben auf  348 Mio. €, davon sind 13 Mio. € an die Republik Moldau geflossen, um unter anderem die Aufnahme von Geflüchteten zu unterstützen. Die Kommission warnt davor, dass um die Grundversorgung in der Ukraine aufrecht zu erhalten dieses Jahr noch ca. 1,4 Mrd. € benötigt werden könnten. 

Funktion des EU Civil Protection Mechanism

Mit dem EU-Katastrophenschutzverfahren (EU Civil Protection Mechanism) kann auf natürliche oder menschengemachte Katastrophen reagiert werden, wenn das betroffene Land um Hilfe bittet. Durch das Verfahren soll die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und den 6 zusätzlich teilnehmenden Ländern in der Katastrophenhilfe verbessert werden, die Kommission übernimmt eine Schlüsselrolle bei der Koordinierung und Finanzierung. 

Die Reaktion auf den Krieg in der Ukraine ist die bislang größte Operation über das Katastrophenschutzverfahren seit seiner Schaffung im Jahr 2001, Millionen von Hilfsgütern wie Fahrzeuge, Generatoren, Schlafsäcke etc. wurden bislang geliefert. Die Koordinierung läuft dabei über das  Koordinationszentrum für Notfallmaßnahmen (Emergency Response Coordination Centre) in Brüssel, bei der Verteilung der Hilfsgüter kommt den neugeschaffenen logistischen Zentren in Polen, Rumänien und der Slowakei eine bedeutende Rolle zu. Über RescEU, die europäische Katastrophenschutzreserve, wurden außerdem medizinische Geräte geliefert. Die EU koordiniert außerdem die Evakuierung von schwerstkranken Patient*innen in Krankenhäuser innerhalb der EU.

Internationale Geberkonferenz im Mai 2022

In einer Sondersitzung des Rats Ende Mai stellten die Mitgliedstaaten fest, dass ein Teil der Unterstützung für die Ukraine auch weiterhin durch humanitäre Hilfe geleistet werden soll, dabei bezogen sie sich auch auf die Ergebnisse der hochrangigen internationalen Geberkonferenz, die von Polen und Schweden gemeinsam mit den Präsidenten des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission ausgerichtet wurde und ca. 6,5 Mrd. € Spenden zugesichert wurden. Die Kommission hat dabei zugesagt 200 Mio. EUR aus dem für 2022 verfügbaren NDICI-Global Europe-Polster (“cushion”) zu mobilisieren, um die ukrainische Regierung bei der Versorgung von Binnenvertriebenen (IDPs) zu unterstützen und um die Mittel für humanitäre Hilfe aufzustocken.

Meine Einordnung

Fakt ist, die Solidarität der EU gegenüber der Ukraine zeigt sich nicht nur bei der Aufnahme von Geflüchteten und durch die Aktivierung der “Massenzustrom”-Richtlinie sondern auch in der Unterstützung durch Katastrophen- und humanitäre Hilfe. Leider sind die Mittel, die dabei im EU Budget zur Verfügung stehen, begrenzt. Wir dürfen andere Krisen, die weniger im Fokus stehen deswegen nicht vergessen. Insbesondere für die sich abzeichnende Nahrungsmittelkrise werden wir neben einer Langzeitstrategie auch auf kurzfristige, flexibel einsetzbare Mittel angewiesen sein und müssen diese bereithalten. Auch für die Ukraine ist wichtig, dass bereits jetzt ein Wiederaufbau geplant wird – der nächste Schritt dahin ist die Wiederaufbaukonferenz in Lugano Anfang Juli. Um genügend Ressourcen für diese Maßnahmen zu mobilisieren wird auch eine Anpassung des Mehrjährigen Finanzrahmens nötig sein.   

Frontex – EU-Parlament verweigert Haushaltsentlastung

Das EU-Parlament hat heute die Haushaltsentlastung 2020 für die Europäische Grenzschutzagentur Frontex verweigert und die Abstimmung verschoben. Fabrice Leggeri ist nach der Aufdeckung diverser Skandale, darunter der Beteiligung illegaler Pushbacks durch Frontex, von seinem Amt als Direktor der Agentur zurückgetreten. Die Agentur hat noch immer nicht die Forderungen des vorherigen Entlastungsberichts des EU-Parlaments erfüllt und hat weiter illegale Pushbacks unterstützt und interne Skandale nicht aufgearbeitet.

Mein Kommentar als Asylpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament dazu ist:

„Frontex hat sich systematisch an schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Die Weigerung der Haushaltsentlastung ist ein wichtiger Aufruf zur Reform der Grenzschutzagentur. Verbrechen an den Außengrenzen müssen in der EU endlich wieder Konsequenzen haben. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen die Verbrechen an den Außengrenzen und die Pushbacks sofort beenden. Die EU-Kommission hat Jahre lang zugeschaut, wie Mitgliedstaaten EU-Recht brechen und Frontex die Verbrechen verschleiert. Leider unterstützt die EU-Kommission die Menschenrechtsverletzungen durch ihre Tatenlosigkeit. Frontex sollte Rechtsstaatlichkeit einhalten und die Grundrechte von Menschen auf der Flucht schützen, aber nach allem was bekannt ist, unterstützt die Agentur in den vergangenen Jahren die systematische Abschaffung der Rechtsdurchsetzung an den EU-Außengrenzen auf Kosten der Menschenwürde.”

Kommission ignoriert Dienstanweisung für Pushbacks in Kroatien

Die kroatische Polizei hat von offizieller Stelle Dienstanweisungen für Pushbacks erhalten. In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen. In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Dort wo es Probleme gibt, erklärt sich die Kommission einfach für nicht zuständig. Die Kommission verschließt also weiterhin die Augen vor den systematischen Menschenrechtsverletzungen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier

Unsere Anfrage

Betrifft: Pushbacks durch die kroatische Polizei

Wie das kroatische Portal Index.hr berichtet, erhalten kroatische Grenzbeamte Dienstanweisungen für Pushbacks. Sie befolgen also Befehle und führen die Pushbacks nicht nach eigenem Ermessen durch, wie die kroatische Regierung bislang behauptete. Die entsprechende Anweisung ist eine Reaktion auf ein vom Spiegel und der ARD im Oktober veröffentlichtes Video, in dem kroatische Grenzbeamte bei gewaltvollen Pushbacks gefilmt wurden. Auf die Antwort der Kommission auf meine Anfrage bezüglich der Videos warte ich seit fast vier Monaten.

In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen.

1. Wie gedenkt die Kommission diese staatlich angeordneten Pushbacks zu untersuchen, und welche Bedeutung gedenkt sie den Ergebnissen dieser Untersuchung im Hinblick auf das Verfahren des Beitritts Kroatiens zum Schengen-Raum beizumessen?

2. Erwartet die Kommission Änderungen am „unabhängigen Überwachungsmechanismus“ an der Außengrenze, nachdem die kroatische Regierung offensichtlich kein Interesse daran, hat Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die sie selbst verantwortet?

3. Hält die Kommission die Ausführungen des kroatischen Innenministeriums für glaubwürdig, laut denen die kroatische Regierung nichts mit den Pushbacks zu tun habe und es sich um das Fehlverhalten einzelner Beamter handele?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 29.4.2022

1. Die Untersuchung von mutmaßlichen strafbaren Handlungen nationaler Behörden liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Die Kommission hat die kroatischen Behörden immer wieder aufgefordert, mutmaßliche Misshandlungen von Migranten zu untersuchen. Der vollumfängliche Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen erfordert einen einstimmigen Beschluss des Rates, dessen Annahme noch aussteht. Der Rat (Justiz und Inneres) hat auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021 festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt. Die Kommission ist der Auffassung, dass Kroatien die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für die Anwendung
des Schengen-Besitzstands
erfüllt sind und erfüllt bleiben.

2. Auch wenn die Kommissionsdienststellen in Zusammenarbeit mit den kroatischen Behörden sicherzustellen suchen, dass der „unabhängige Überwachungsmechanismus“ Kroatiens wirksam funktioniert, bleiben die Einrichtung des Mechanismus und insbesondere seine Zusammensetzung doch in kroatischer Hand. Im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus wurde im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher Halbjahres-(Zwischen-)Bericht erstellt. Die kroatischen Behörden teilten der Kommission und dem Parlament mit, wie sie die ersten Empfehlungen umsetzen. Der Beratende Ausschuss – dem die Kommission und einschlägige Interessenträger angehören (und der nicht Bestandteil des Mechanismus ist) – wird Empfehlungen abgeben, wie die Funktionsweise des Mechanismus für die unabhängige Überwachung verbessert werden kann. Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin darüber wachen, dass geltendes EU-Recht eingehalten wird.

3. Die Kommission vermag die Glaubwürdigkeit der Ausführungen, auf die der Herr Abgeordnete Bezug nimmt, nicht zu beurteilen. Die Haltung der Kommission in Sachen Grundrechte ist jedoch klar: Jegliche Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten das unbefugte Überschreiten der EU-Außengrenzen verhindern oder davor abschrecken wollen, müssen voll und ganz mit dem einschlägigen EU-Recht, insbesondere auch mit der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union
in Einklang stehen. Jegliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist rechtswidrig. Von daher sollte jedes Fehlverhalten einzelner Grenzschutzbeamter Gegenstand einer Untersuchung durch die zuständigen Behörden sein und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden.

So funktioniert die Regelung, mit der die EU Geflüchtete aus der Ukraine aufnimmt

Alle 27 EU-Staaten sind bereit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Nach einem Treffen der EU-Innenminister:innen am 03. März 2022 wurde bekannt gegeben, dass die EU eine Richtlinie aktivieren wird, die Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz in der EU garantiert – ohne aufwendige Asylverfahren. Es ist großartig, dass Europa bei der Aufnahme von Geflüchteten endlich zusammenhält. Durch die Aktivierung der Richtlinie wird den Geflüchteten aus der Ukraine unbürokratisch Schutz und Perspektive geboten. Die Richtlinie sagt auch klar, dass die Geflüchteten ein Recht darauf haben zu arbeiten und sich selbstständig zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass die Geflüchteten entweder eine angemessene Unterkunft erhalten oder Mittel bekommen, um sich selbst um so eine Unterkunft zu kümmern. Auch medizinische Versorgung und der Zugang zum Bildungssystem müssen gewährleistet werden. 

Aktuelle Fluchtbewegungen aus der Ukraine

Polen, Ungarn, die Slowakei und Rumänien haben ihre Grenzen geöffnet und lassen alle Menschen aus der Ukraine einreisen. Dafür brauchen die Flüchtenden auch keinen Reisepass, den viele Ukrainer:innen nicht haben. Auch das Nicht-EU-Land Republik Moldau lässt Flüchtende einreisen. Aufgrund der Generalmobilmachung können aber ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren in den meisten Fällen nicht aus der Ukraine ausreisen. Bislang sind laut UNHCR (Stand 11.03.2022) über 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, hinzukommen noch mehr als eine Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine. Putins Angriffskrieg hat zur größten Fluchtbewegung seit dem Ende des zweiten Weltkriegs in Europa geführt.

Die rechtliche Grundlage 

Die rechtliche Grundlage für dieses Handeln ist die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG. Dänemark ist der einzige EU-Staat, der sich außerhalb des Geltungsbereichs der Direktive befindet. Die Richtlinie bietet einen Mechanismus für die EU-weit koordinierte Aufnahme einer großen Zahl von Geflüchteten jenseits des individuellen Asylverfahrens und jenseits des Dublin-Systems. Zuständig dafür, einen “Massenzustrom” festzustellen, ist der Rat der Europäischen Union. Das Parlament wird nur über die Entscheidung informiert, darf sich aber nicht vorab dazu äußern. 

Entstanden ist dieses Gesetz zur Schutzgewährung nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, kam aber bislang nicht zum Einsatz. 2015 wurde es nicht angewendet, weil nicht absehbar war, ob der notwendige EU-Beschluss zustanden kommen würde.

Wie geht es jetzt weiter?

Grundsätzlich steht in der Richtlinie erstmal ein Jahr als Mindestdauer, aber diese kann verlängert werden. Die konkrete Umsetzung der Richtlinie liegt bei den Mitgliedstaaten. Diese müssen nun Zusagen darüber machen, wie viele Geflüchtete sie konkret aufnehmen wollen. Die ukrainischen Geflüchteten können sich selbst einen EU-Mitgliedsstaat aussuchen in dem sie Schutz nach dieser Richtlinie erhalten.

Dabei lässt die Richtlinie leider einen wichtigen Punkt offen, den  Umgang mit Drittstaatsangehörigen. Deutschland will alle Geflüchteten aus der Ukraine unabhängig von ihrer Nationalität aufnehmen. Eine Obergrenze werde es auch nicht geben, sagte Innenministerin Faeser.

Herausforderungen 

Aktuell stehen die Mitgliedsstaaten, vor allem jene an der Grenze zur Ukraine, vor sehr großen Herausforderungen. Bislang gibt es nicht ausreichend Angebote für vulnerable Gruppen wie beispielsweise Kinder. Die Lage an den Grenzen und die Erstaufnahme ist nicht gut und muss schnell besser werden. Wichtig ist auch, dass der Zugang zu staatlichen Leistungen – Schulbildung, medizinische Versorgung – schnell und unkompliziert gewährleistet wird.  

Meine Forderungen und Vorschläge 

Es ist wichtig, dass die Kommission nun koordiniert, dass Geflüchtete, die kein konkretes Zielland haben, Mitgliedstaaten zugeordnet werden, damit wir zu einer fairen Verteilung kommen. Mitgliedstaaten, die viele Geflüchtete aufnehmen, sollten dabei von der EU finanzielle Unterstützung erhalten. Das wichtigste ist aber, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie offen und angemessen umsetzen und dabei auch Drittstaatsangehörigen Zugang gewähren und nicht jene Menschen aussortieren, die zwar aus der Ukraine fliehen mussten, aber keine ukrainischen Staatsbürger:innen sind.  

In den vergangenen Jahren wurden Geflüchtete aus Kriegsgebieten immer wieder zurückgewiesen, obwohl das verboten und unmenschlich war. Man kann nur hoffen, dass die aktuelle Krise dazu beiträgt, dass sich die EU-Staaten an das geltende Recht halten und den heutigen Beschluss schnell umsetzen. Unabhängig von der Richtlinie und den festgelegten Kriterien haben alle Schutzsuchenden das Recht auf einen Zugang zum Asylverfahren. Zurückweisungen darf es nicht geben.

Als Schattenberichterstatter setze ich mich für eine Verbesserung der Handlungsräume zivilgesellschaftlicher Organisationen ein

Zivilgesellschaftliche Organisationen spielen für die Demokratie und die Entwicklung der Zivilgesellschaft eine zentrale Rolle. Sie können aber nur dann ihre Arbeit effektiv ausführen, wenn es keine unangemessene Einmischung, Einschüchterung oder Kriminalisierung gibt. Leider wurden die Räume für viele NGOs in den vergangenen Jahren kleiner. 37 % der lokalen oder regionalen Organisationen in der EU haben angegeben, dass sich die Situation für sie in 2020 verschlechtert oder sogar maßgeblich verschlechtert hat. Leider werden in vielen EU-Staaten Versuche unternommen, Geflüchteten und Menschen, die Geflüchteten helfen wollen, das Leben schwer zu machen, auch durch Festnahmen oder den Missbrauch von bestehenden Gesetzen.  Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Gerichtsprozess in Griechenland gegen Seán Binder & Sarah Mardini und 22 weitere Personen, denen bis zu 25 Jahre Haft drohen. Die Vorwürfe sind fadenscheinig und es geht einfach nur darum, Menschen, die andere Menschen vor dem Ertrinken gerettet haben, zu bestrafen, um andere abzuschrecken.

Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments hat einen sogenannten Initiativbericht (INI) beantragt, an dem ich als Schattenberichterstatter gearbeitet habe. Ich möchte erreichen, dass durch unseren Bericht die Handlungsräume für zivilgesellschaftliche Organisationen in der EU besser geschützt und geregelt werden. Der INI wurde mit großer Mehrheit in der Plenarsitzung dieser Woche angenommen. 

Unsere Forderungen an die Kommission

  • Eine verständliche und konkrete Strategie für den Schutz und die Entwicklung der Zivilgesellschaft und ihrer Organisationen. Konkret eine Implementierung der bereits existierenden Instrumente, Einführung eines Überwachungsmechanismus, die Beseitigung juristischer Lücken und eine echte politische Anerkennung der Rolle von zivilgesellschaftlichen Organisationen.
  • Schaffung eines EU-Alarmmechanismus, worüber zivilgesellschaftliche Organisationen Gefahren melden und dementsprechend die notwendigen Schritte eingeleitet werden können. 
  • Festlegung von klaren Kriterien für Handlungsräume zivilgesellschaftlicher Organisationen und deren Bedeutung. Diese Kriterien sollen verhindern, dass Gesetze erlassen werden können, welche die Handlungsräume einschränken. 
  • Überwachung der Implementierung von EU-Recht und dessen konforme Anwendung und Auslegung. Wenn EU-Staaten dagegen verstoßen, soll ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. 
  • Sicherstellung der Förderung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, damit diese die ihnen zugewiesenen Rollen und Aufgaben in den verschiedenen  sektoriellen Politiken umsetzen können. 
  • Eine EU-weite Notfallförderung für gefährdete zivilgesellschaftliche Organisationen.
  • Aktive Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen bezüglich der Ausarbeitung  von Arbeitsprogrammen und Fördermechanismen, um Transparenz, Flexibilität und Benutzer:innenfreundlichkeit zu sichern 
  • Stärkere Einbeziehung und Fortbildung von zivilgesellschaftlichen Organisationen bezüglich des Monitorings der Ausgaben über EU-Fonds auf Ebene der Mitgliedstaaten. 
  • Sicherstellung, dass zivilgesellschaftliche Organisationen  bei der Umsetzung und dem Monitoring des nationalen Aufbauplans und anderer Fonds unter geteiltem Management eingebunden sind und Überprüfung, ob nationale Aufbaupläne den Bedarf für zivilgesellschaftliche Organisationen erfüllen. 
  • Sicherung, dass GONGOs, also stark von bestimmten Staaten und ihren Interessen geleitete “NGOs”, nicht von der EU finanziert werden. 
  • Erlassen eines Regelwerks zu grenzüberschreitenden Spenden & Harmonisierung.  
  • EP-Präsidentin soll ein:e Vize-Präsident:in für den Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen ernennen. 

Die Handlungsräume von zivilgesellschaftlichen Organisationen müssen besser geschützt werden. Unser INI wurde vom Innenausschuss angenommen und wird nun an die Kommission weitergegeben. Ich halte euch hier auf dem Laufenden, sobald es Neuigkeiten zu dem Thema gibt.

„Partnerschaft auf Augenhöhe“ bei EU-Afrika-Gipfel in weiter Ferne

Am 17 und 18. Februar fand der sechste und coronabedingt lang erwartete EU-Afrika-Gipfel statt, bei dem sich die Spitzen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union alle drei Jahre abwechselnd in Europa und Afrika treffen. Organisiert war der Gipfel um sieben verschiedene “Roundtables”. Doch die meisten Ergebnisse wurden bereits vorher hinter verschlossenen Türen festgelegt, ohne wesentliche Beratung mit Zivilgesellschaft oder Einbindung der parlamentarischen Ebene. Das ist umso besorgniserregender, weil diese Beschlüsse weitreichende Folgen haben. Hier bewerte ich, was der Gipfel für Fragen der Migration, globalen Impfgerechtigkeit und Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas bedeutet.

Welche Fragen wurden verhandelt?

Die offizielle Liste der Themen erstreckt sich über Wachstumsfinanzierung, Impfstoffherstellung, Landwirtschaft, Bildung, Kultur, Klimawandel, Digitalisierung und vieles mehr: Überall sollen die Staaten Afrikas gefördert werden, um auf Augenhöhe und als “engste Partner und Nachbarn” gemeinsam Richtung “Solidarität, Sicherheit, Frieden und Nachhaltigkeit” zu marschieren – soweit vollmundige Anspruch. Aber eine wirkliche Partnerschaft auf Augenhöhe gibt es leider nicht. Ich möchte zur Beurteilung ein Schlaglicht auf zwei zentrale Punkte des Gipfels werfen:

Spenden statt Selbstbestimmung: Absage an Globale Impfgerechtigkeit

Die Bekämpfung der Corona-Pandemie hätte eine historische Chance geboten, mit alten Mustern der Abhängigkeit zu brechen. Schon jetzt hat die Pandemie globale Ungleichheiten massiv verschärft. Diese Spaltung wird weiter zunehmen: Während die Impfquote in Europa bei rund 70% liegt, und auch deutlich höher sein könnte, wenn es eine ausreichende Impfbereitschaft gebe, hatten in der Afrikanischen Union erst 12% der Menschen Zugang zu Impfstoffen. Es wird wahrscheinlich Jahre dauern diese Lücke zu schließen. Eine Freigabe der Impfpatente wäre ein Wendepunkt: Der Aufbau unabhängiger Impfstoffproduktion ist nach der erteilten Freigabe eine Frage von Monaten, nicht Jahren.  Entsprechend vehement wurde die Patent-Freigabe von den afrikanischen Staaten eingefordert. Die EU lehnt das jedoch weiter kategorisch ab und verteilt stattdessen Almosen: Bis Mitte 2022 sollen 450 Millionen Dosen ausgeliefert werden, dazu gibt es Unterstützungszahlungen für die Verteilung und Verabreichung der Impfdosen in der Bevölkerung. Die Abhängigkeit der Staaten der AU von Europa, und von internationalen Pharmakonzernen, wird damit weiter zementiert.

Europäische Grenzen in Afrika: Migrationsbekämpfung wird ausgebaut

Auch im Bereich Flucht und Migration liegt eine “Partnerschaft auf Augenhöhe” in weiter Ferne. Tatsächlich geht es in aktuellen Abkommen mit afrikanischen Staaten nur sehr abstrakt um Fluchtursachenbekämpfung, aber sehr konkret um die Bekämpfung von Flucht und Migration selbst. Es gibt Versuche, diese noch stärker an die Vergabe von Geldern zu knüpfen. Damit werden Staaten in Afrika gezwungen, sich zu Komplizen zu machen beim von der EU vorangetriebenen Bau von Grenzen und dem Begrenzen der globalen Freizügigkeit. Inzwischen wird immer offener über einen Einsatz von Frontex in Afrika nachgedacht und verhandelt, obwohl die europäische Grenzschutzagentur es derzeit auch in Europa nicht schafft, geltendes Recht anzuwenden. 

Insgesamt fehlt es in der EU seit Langem an einem umfassenden Ansatz, der über das Schlagwort “Fluchtursachenbekämpfung” hinausgeht. Zunehmende Fluchtursachen lassen sich nicht dauerhaft mit höheren Zäunen und restriktiveren Abkommen kompensieren, und schon gar nicht lässt sich diese Politik in Einklang bringen mit Europäischen Werten und grundlegenden Menschenrechten. 

Fazit des Gipfels: Alte Abhängigkeiten statt “New Deals”

Die schönen Worte der gemeinsamen Abschlusserklärung können kaum verbergen, dass hinter der Fassade des Aufbruchs in eine gemeinsame und gleichberechtigte Zukunft wenig steckt, was diesem Anspruch gerecht werden kann: In vielen Fällen werden angebliche neue Investitionssummen lediglich aus bereits gemachten Zusagen umgewidmet. An anderen Stellen werden verheißungsvolle Vorzeigeprojekte präsentiert, die allerdings kaum in der Breite wirken können. Während in der Schlusserklärung durchaus begrüßenswerte Passagen unter anderem zur Bildungsfinanzierung und der Übertragung zu Sonderziehungsrechten zu finden sind – die Umsetzung bleibt abzuwarten – gibt es andere Abschnitte, die deutlich kritischer zu sehen sind und deshalb obenstehend näher beleuchtet wurden. Auch wenn es also punktuelle Verbesserungen gibt: In der Summe ist das Ergebnis statt des bemühten “New Deals” leider an vielen Stellen ein Festschreiben alter Abhängigkeiten und Ungleichheiten. Es wird leider noch lange dauern, bis “Solidarität, Gleichheit und Frieden” ihren Weg von blumigen Abschlusserklärungen in die reale Welt finden.

Kommission weigert sich auf Pushbacks durch Kroatien zu reagieren

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion habe ich am 11. Oktober 2021 eine Anfrage an die Kommission eingereicht, in der es um die systematischen Pushbacks durch kroatische Polizeibeamte geht. Hintergrund der Anfrage ist, dass Spiegel und Tagesschau Videomaterial veröffentlichten, auf denen zu sehen ist, wie kroatische Grenzbeamte Schutzsuchende mit brachialer Gewalt illegal abschieben. Schutzsuchende werden in dem Video dazu aufgefordert loszurennen und dann im Lauf mit Schlagstöcken verprügelt. Aus den Beiträgen geht auch hervor, dass diese Praxis auf Anordnung des kroatischen Innenministeriums geschieht. Systematische Gewalt gegen Geflüchtete ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat. Inzwischen wissen wir auch, dass kroatische Grenzbeamte eine dienstliche Anweisung erhalten haben, Schutzsuchende weiterhin illegal abzuschieben, dabei aber darauf achten sollen, sich nicht mehr dabei filmen zu lassen. Von den vier Polizisten, die auf dem Videos zu erkennen sind, wurden drei kurzfristig suspendiert, sind jetzt aber wieder im Dienst.

In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Die Kommission will kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Kroatien einleiten und weist darauf hin, dass sie Kroatien wiederholt aufgefordert hat die Vorwürfe zu untersuchen und dass Kroatien einen Überwachungsmechanismus für solche Fälle eingerichtet hat. Diese Haltung ist zynisch, weil die kroatische Regierung und die kroatischen Behörden sich selber kontrollieren sollen, wobei sie es doch sind, die für die systematischen Pushbacks verantwortlich sind. Der Überwachungsmechanismus ist nicht unabhängig und er funktioniert offensichtlich nicht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Gewaltsame Zurückschiebungen und Prügelattacken an den Außengrenzen Kroatiens

Am 6. Oktober 2021 veröffentlichten mehrere Medien, darunter der Spiegel, die ARD und RTL Croatia, die Ergebnisse ihrer Recherchen über die rechtswidrigen und mit brachialer Gewalt durchgeführten Zurückschiebungen an den kroatischen Außengrenzen, die auf das Konto von Polizeibeamten des Landes gehen sollen, die auf Anordnung des Innenministeriums handeln. Systematische Gewalt gegen Flüchtlinge ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat.

1. Wie wird die Kommission die vom Staat angeordneten Zurückschiebungen untersuchen, und welche Rolle werden die Ergebnisse der Untersuchung beim Weg Kroatiens zur Schengen-Mitgliedschaft spielen, der kürzlich von der Kommission unterstützt wurde?

2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus ergriffen, den Kroatien mit EU-Mitteln an seiner Grenze eingerichtet hat, und wie gedenkt die Kommission, die Überwachung transparenter und wirksamer zu gestalten und glaubwürdige Akteure einzubeziehen, wie es in den Pariser Grundsätzen verankert ist?

3. Welchen Zeitplan sieht die Kommission für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Kroatien wegen der Praktiken des Landes an seinen Außengrenzen vor, die unter anderem gegen den Besitzstand der EU im Asylbereich verstoßen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.2.2022

Nach einer fast vierjährigen Evaluierung der Umsetzung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das Land alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands nachhaltig erfüllt werden. Am 22. Oktober 2019 erließ die Kommission eine Mitteilung[1], in der dies bestätigt wurde, was am 2. Juni 2021 in der Mitteilung über die Schengen-Strategie[2] erneut bekräftigt wurde. Ferner hat der Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021[3] festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt.

Was die Vorwürfe der Misshandlung von Migranten betrifft, so hat die Kommission die kroatischen Behörden wiederholt aufgefordert, diesbezüglich Untersuchungen durchzuführen. In Kroatien wurde ein unabhängiger Überwachungsmechanismus eingerichtet, in dessen Rahmen im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher halbjährlicher (Zwischen-)Bericht und anschließend ein Aktionsplan zur Umsetzung der ursprünglichen Empfehlungen veröffentlicht wurde. Während die Kommission dabei Unterstützung geleistet hat, liegt die Zuständigkeit für die Einrichtung des Mechanismus, einschließlich der Zusammensetzung des betreffenden Gremiums, bei den kroatischen Behörden. Der Abschlussbericht des Mechanismus soll im Juni 2022 vorgelegt werden. Der Beratende Ausschuss, der sich aus Vertretern der Kommission und von Interessenträgern im Bereich der Grundrechte zusammensetzt, wird Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise des Mechanismus abgeben. Kroatien hat auch sein internes Untersuchungssystem ausgebaut.

Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin die Einhaltung des EU-Besitzstands überwachen.

Für Fälle mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Mitteln ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung zuständig. Bei hinreichendem Verdacht auf Betrug oder Missbrauch von EU-Mitteln kann das Amt Untersuchungen einleiten. Die Kroatien aus den drei einschlägigen EU-Instrumenten in den letzten vier Jahren bereitgestellte Finanzierung wurde im Rahmen unabhängiger Audits geprüft und nicht beanstandet.


[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der vollständigen Anwendung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien (COM(2019) 497 final vom 22.10.2019).

[2] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Strategie für einen reibungslos funktionierenden und resilienten Schengen-Raum“ (COM(2021) 277 final vom 2.6.2021).

[3] Ratsdokument 14883/21 vom 9.12.2021.

Kommission hält griechische Bearbeitung von Asylanträgen für europarechtswidrig

Griechenland lehnt Asylanträge mit der Begründung ab, die Türkei sei ein „sicherer Drittstaat“, doch die Türkei lässt diese nicht einreisen. Aus einer Anfrage von mir geht nun hervor, dass die EU-Kommission dieses Vorgehen als europarechtswidrig einstuft. Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“ Die Kommission informiert in ihrer Antwort an mich auch darüber, dass sie der griechischen Regierung bereits erklärt haben, „dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.“

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“

1. Wie viele Folgeanträge wurden von Personen gestellt, deren ursprünglicher Asylantrag auf der Grundlage abgelehnt wurde, die Türkei sei für sie ein sicherer Drittstaat?

2. In wie vielen dieser Fälle brachte Griechenland Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie zur Anwendung? Ist Artikel 23 des griechischen Gesetzes 4825/2021, dem zufolge für die Einreichung eines zweiten Antrags eine Gebühr von 100 EUR entsteht, mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar?

3. Ist es mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar, solche Folgeanträge mit der Begründung als unzulässig abzulehnen, der Antragsteller habe keine neuen Elemente in Bezug auf die Türkei als sicheren Drittstaat geltend gemacht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 25.1.2022

1. Die Kommissionsdienststellen leiteten die Frage des Herrn Abgeordneten zur Beantwortung an die nationalen Behörden weiter, die ihm die Antwort wird so bald wie möglich übermitteln werden.

2. Gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie „müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird“. Obschon in Kapitel II der Asylverfahrensrichtlinie die Gebührenfrage nicht geregelt ist, hat die Kommission die griechischen Behörden darauf hingewiesen, dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.

3. Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie ist, dass der Drittstaat dem Antragsteller die Einreise in sein Hoheitsgebiet nicht erlaubt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Zugang zu einem Verfahren in der Sache gewährt wird. Sie dürfen den Folgeantrag auf der Grundlage des Konzepts des sicheren Drittstaats daher nicht als unzulässig ablehnen.

Anfrage: Griechisches Gesetz zu Rückführungsverfahren

Die griechische Regierung treibt die Abschottung Europas weiter voran und verabschiedete im September ein Gesetz, das Seenotrettung und generell die Einhaltung von Menschenrechten weiter erschwert und daher im Widerspruch zu europäischem Recht steht. Gemeinsam mit Abgeordneten meiner Fraktion, Linken und Sozialdemokraten haben wir die EU-Kommission dazu befragt – die Kommission weicht in ihrer Antwort allerdings allen Fragen aus und verweigert eine Bewertung der Gesetze. Man muss diese „Antwort“ daher als Billigung des griechischen Vorgehens gegen Schutzsuchende interpretieren.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Neues Gesetz über Ausweisungen und Rückführungsverfahren in Griechenland

Am 3. September 2021 verabschiedete das griechische Parlament ein Reformgesetz über Ausweisungen und Verfahren zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen, das ausschließlich von einer Mehrheit der Regierungspartei verabschiedet wurde.

In der Entwurfsphase äußerte die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, ernsthafte Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf und forderte gewissermaßen dessen Rücknahme, da er „nicht im Einklang mit den Menschenrechtsnormen steht“ und dadurch „die lebensrettende Tätigkeit nichtstaatlicher Organisationen und ihre Fähigkeit zur Überwachung der Menschenrechte in der Ägäis ernsthaft behindern würden“.

1. Ist die Kommission der Auffassung, dass dieses neue Gesetz und insbesondere dessen Paragraph 40, mit dem Beschränkungen eingeführt werden, die im Wesentlichen nichtstaatlichen Organisationen verbieten, Rettungsmaßnahmen auf See durchzuführen oder zu unterstützen, und diese unter Strafe stellen, mit der Verpflichtung der griechischen Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte und den einschlägigen Leitlinien der Kommission vereinbar ist?

2. Billigt die Kommission die tendenziöse Methode, mit der Paragraph 40 nach Ablauf des Zeitraums der öffentlichen Konsultation eingeführt wurde?

3. Ist die Kommission der Auffassung, dass die griechische Regierung durch die Einschränkung aller maßgeblichen Tätigkeiten nichtstaatlicher Organisationen das Recht auf Asyl, die Gewährleistung eines Rechtswegs für alle Rückführungsverfahren, die Nichtzurückweisung und die Unterbindung einer automatischen, rechtswidrigen Masseninhaftierung beschneidet?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 6.1.2022

Die Kommission erkennt die aufrichtigen Bemühungen nichtstaatlicher Organisationen (NGO) zur Rettung von Menschenleben auf See an und fordert die Mitgliedstaaten und andere beteiligte Akteure unablässig auf, den einschlägigen rechtlichen Rahmen und humanitäre Grundsätze einzuhalten.

In Hinblick auf eine mögliche Sanktionierung nichtstaatlicher Organisationen, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, weist die Kommission darauf hin, dass die Hilfeleistung für Personen oder Schiffe, die sich in Seenot befinden, eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt und dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe nicht unter Strafe gestellt werden kann. Gleichzeitig obliegt es den Behörden der Mitgliedstaaten, Such- und Rettungseinsätze im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des internationalen Seerechts und der internationalen Menschenrechtsnormen zu koordinieren. Es ist wichtig, dass NGO, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten.

Die Kommission hat wiederholt die Schlüsselrolle gewürdigt, die der Zivilgesellschaft bei der Wahrung der gemeinsamen Werte und der Grundrechte zukommt. Während es die Aktivitäten privatrechtlicher Einrichtungen, auch diejenigen nichtstaatlicher Organisationen, zu regulieren gilt, um volle Transparenz zu gewährleisten, müssen alle als Voraussetzung für ein Tätigwerden in Griechenland auferlegten Beschränkungen notwendig, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Umsetzung und Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über Asyl und Rückkehr weiterhin überwachen. Die Kommission bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten in vollem Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des Völkerrechts und des EU-Rechts, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, handeln müssen.

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