Anfrage: Gefängnis für Solidarität mit Geflüchteten

Domenico Lucano wurde aus fadenscheinigen Gründen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er als Bürgermeister Geflüchtete willkommen geheißen hat. Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten meiner Fraktion habe ich die EU-Kommission gefragt, wie die EU-Kommission mit der Verurteilung des ehemaligen Bürgermeisters Domenico Lucano für seine Aufnahme von Schutzsuchenden und generell mit der zunehmenden Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivist:innen unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Schleuser-Kriminalität umgeht. Wie gewohnt geht die Antwort der Kommission nicht auf unsere konkreten Fragen ein, sondern betont allgemeine hehre Grundsätze – ohne aktiv zu werden, wenn diese Grundsätze verletzt werden.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Umsetzung der Schleuser-Richtlinie und humanitäre Hilfe

Domenico Lucano, ehemaliger Bürgermeister von Riace, einer Stadt in der süditalienischen Region Kalabrien, wurde wegen Beihilfe zur irregulären Migration und wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei der Betreuung von Asylbewerbern zu mehr als 13 Jahren Haft verurteilt.

Während seiner Amtszeit als Bürgermeister erlangte Riace wegen der mustergültigen Aufnahme und Integration von Migranten Berühmtheit. Das Gerichtsurteil ist schockierend, da dabei das von den Staatsanwälten geforderte Strafmaß von sieben Jahren und elf Monaten fast verdoppelt wurde. Dies ist ein weiteres Beispiel für die mangelnde Einheitlichkeit bei der Umsetzung der Schleuser-Richtlinie in den EU-Mitgliedstaaten und für die besorgniserregende Kriminalisierung der humanitären Hilfe.

  1. Wie gedenkt die Kommission vor diesem Hintergrund sicherzustellen, dass der Fall Lucano und ähnliche Fälle von Strafverfolgung und Schuldsprüchen nicht gegen den Geist der Schleuser-Richtlinie verstoßen?
  2. Wie wird die Kommission dafür sorgen, dass die jüngsten Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Schleuser-Richtlinie befolgt werden?
  3. Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um sicherzustellen, dass private Akteure gerettete Migranten an Land bringen können, ohne befürchten zu müssen, strafrechtlich verfolgt zu werden?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021)

In den Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Schleuser-Richtlinie wird klargestellt, dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe niemals unter Strafe gestellt werden darf, und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, falls noch nicht geschehen, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, zwischen (nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Handlungen mit dem Ziel der humanitären Unterstützung und Handlungen mit dem Ziel der Beihilfe zur unerlaubten Einreise oder Durchreise zu unterscheiden und erstere von der Kriminalisierung auszunehmen.

Ein Jahr nach der Annahme der Leitlinien wird im Rahmen des erneuerten EU-Aktionsplans gegen die Schleusung von Migranten die Überwachung der Umsetzung der Schleuser-Richtlinie intensiviert. Bei Verstößen gegen das EU-Recht behält sich die Kommission das Recht vor, von ihren Befugnissen gemäß den Verträgen Gebrauch zu machen, um Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die Kommission wird 2023 über die Umsetzung des Schleuser-Pakets und der Leitlinien von 2020 Bericht erstatten und erforderlichenfalls eine Überarbeitung vorschlagen, um sicherzustellen, dass die EU angemessen gerüstet ist, um auf die sich wandelnden Herausforderungen in diesem Bereich zu reagieren.

Die Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; die Kommission hat diesbezüglich keine operativen Aufgaben. Dennoch hat die Kommission wiederholt alle beteiligten Akteure aufgefordert, den einschlägigen Rechtsrahmen einzuhalten, und im Zusammenhang mit dem neuen Migrations- und Asylpaket ein besser koordiniertes EU-Konzept für Such- und Rettungseinsätze vorgeschlagen, einschließlich der Einsetzung der ersten Europäischen Kontaktgruppe zu diesem Thema.