Anfrage: Unrechtmäßige Rückführung von Geflüchteten nach Libyen

Dass Libyen kein sicherer Ort für Menschen ist, haben Studien und Gerichtsurteile immer wieder bestätigt. Diese Tatsache ignoriert die EU-Kommission seit Jahren und unterstützt die Libysche Küstenwache dabei, Menschen auf der Flucht nach Libyen zurückzuführen. In ihrer Antwort auf eine gemeinsame Anfrage mehrerer Abgeordneter verweigert die EU-Kommission konkrete Schritte und betont allgemeine Grundsätze – die allerdings im Konflikt mit dem tatsächlichen Vorgehen stehen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Urteil eines Gerichts von Neapel zur Rückführung von Migranten nach Libyen

Libyen ist kein sicherer Einreiseort für Menschen. Zu diesem Schluss kam ein Gericht von Neapel in seinem Urteil und verurteilte einen italienischen Schiffskapitän zu einem Jahr in Haft, weil er 101 gerettete Migranten mithilfe der libyschen Küstenwache (LCG) zurück nach Libyen gebracht hatte. Dies sollte ein klarer Hinweis sein, dass die Rückführung von Migranten nach Libyen nicht annehmbar ist, und zwar nicht nur für gewerbliche Schiffe, die im zentralen Mittelmeer tätig sind, sondern auch für Mitgliedstaaten, deren Such- und Rettungsstrategie auf der Zusammenarbeit mit der sogenannten LCG aufbaut. Trotz eindeutiger Beweise für menschenunwürdige Behandlung und für die Gefahren für Migranten in Libyen wurden Unionsmittel für die Ausbildung und Ausstattung der LCG zugewiesen, und die EU hat Libyen darin unterstützt, eine unverhältnismäßig große Such- und Rettungszone auszuweisen, was zahlreiche Todesopfer zur Folge hatte.

1. Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um die Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten mit Libyen zu kontrollieren und die Unterstützung der EU für eine Zusammenarbeit, die zur Zwangsrückführung von Menschen führt, zurückzuziehen?

2. Wie trägt die Kommission gemeinsam mit dem Verwaltungsrat von Frontex dafür Sorge, dass die Agentur nicht mehr zu Zwangsrückführungen beiträgt, indem die LCG an Rettungsmissionen beteiligt wird?

3. In wie vielen Fällen hat Frontex die LCG über ein Boot mit Migranten oder ein Boot in Seenot informiert, was dann zur Rückführungen nach Libyen führte, und werden diese Fälle rückwirkend untersucht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021:

Bei der Zusammenarbeit mit Libyen setzt die EU u. a. folgende Prioritäten: Förderung wirksamer Such‐ und Rettungseinsätze unter Einhaltung von Menschenrechtsnormen; Bemühungen um Beendigung willkürlicher Festnahmen von Migranten; Unterstützung der Internationalen Organisation für Migration bei der freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung und des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen bei der Evakuierung schutzbedürftiger Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Hafteinrichtungen in Libyen. Zum diesem Zweck finanziert die EU Projekte, von denen manche von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die Kommission überprüft ihre eigenen Maßnahmen in Libyen regelmäßig, indem sie die Berichte ihrer Durchführungspartner überwacht und gezielte Prüfungen durchführt. Angesichts der besonderen Herausforderungen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen in Libyen hat die Kommission zudem eine Überwachung der Maßnahmen in Libyen durch Dritte im Rahmen des EU-Treuhandfonds für Afrika eingerichtet.

Die Rettung des Lebens von Menschen an Bord von Schiffen in Seenot ist eine absolute Priorität und die Übermittlung von Informationen an die zuständige Seenotrettungsleitstelle (MRCC) stellt eine völkerrechtliche Verpflichtung dar. Wie jede andere Organisation (einschließlich Nichtregierungsorganisationen) meldet die Europäische Agentur für die Grenz‐ und Küstenwache (Frontex) Vorfälle, die einen Such‐ und Rettungseinsatz auf See erforderlich machen, an die international anerkannte libysche Seenotrettungsleitstelle, wenn ein Flugzeug eine Notlage auf See in der libyschen Such‐ und Rettungszone entdeckt. Um Leben in unmittelbarer Gefahr zu retten, ist es zwar notwendig, die zuständige MRCC zu benachrichtigen, doch müssen gemäß den Einsatzplänen von Frontex alle Schiffe den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 656/2014 einhalten. Bisher ist keine Ausschiffung durch ein Frontex-Schiff in Libyen durchgeführt worden.

Die Kommission hat Frontex gebeten, die dritte Frage der Damen und Herren Abgeordneten zu beantworten. Die Kommission wird den Damen und Herren Abgeordneten die Antwort der Agentur so rasch wie möglich zukommen lassen.