Europaparlament stärkt Schutz der Presse

In einer der letzten Sitzungen des Europäischen Parlaments vor der Europawahl, haben wir das „Europäische Gesetz über die Medienfreiheit“ (European Media Freedom Act, EMFA) angenommen. Wir Grünen haben uns seit langem für ein robustes europäisches Gesetz eingesetzt, das die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien und nationaler Regulierungsbehörden garantiert und eine faire Verteilung staatlicher Mittel sicherstellt. Das Gesetz soll dafür sorgen, dass es erschwert wird, politisch Druck auf Journalist:innen auszüben. Der Quellenschutz wird gestärkt. Die Vergabe von Anzeigen durch staatliche Akteure soll transparent und fair ablaufen. Das ist ein klarer Erfolg für die Demokratie und gegen Autokraten wie Orbán.

Erstmals wird in EU-Recht festgelegt, dass Regierungen oder private Interessen nicht in die Abläufe und redaktionellen Entscheidungen der Medien eingreifen dürfen. Die Vergabe staatlicher Werbung, die manchmal als Mittel zur Austrocknung bestimmter Medien und zur Bevorzugung anderer verwendet wird, muss nun transparent und fair sein. Auch staatliche Anteile an Medienhäusern und möglicher Einfluss müssen offengelegt werden.

Der EMFA fordert Transparenz der Eigentumsverhältnisse von Medien, Unabhängigkeit redaktioneller Entscheidungen

Ein wichtiger Erfolg ist der Ausschluss der Möglichkeit, Journalisten zum Schutz „nationaler Sicherheit“ auszuspionieren. Diese Möglichkeit wurde mehrfach, vor allem in Griechenland, missbraucht. Das ist ein Sieg für die Pressefreiheit und Demokratie. Die Verordnung wird 15 Monate nach Beschluss angewendet, wobei bestimmte Artikel zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Kraft treten.

Zu den Verhandlungserfolgen der Grünen gehören die erweiterte Definitionen von Medienanbietern, stärkere Unabhängigkeit öffentlicher Medien und Transparenzvorschriften für Medieneigentum. Einige schwierige Punkte bleiben, insbesondere Artikel 17, der eine bevorzugte Behandlung bestimmter Medien vorsieht. Insgesamt können wir mit der Verordnung aber zufrieden sein. Hoffentlich trägt sie dazu bei, dass Angriffe auf die Pressefreiheit wie in Ungarn oder Griechenland in Zukunft nicht mehr so einfach möglich sind.

Das erste KI-Gesetz der Welt: Warum es insbesondere Menschen auf der Flucht schützen muss

Einigung für das erste Gesetz zur Regulierung künstlicher Intelligenz

Im Rahmen ihrer Digitalstrategie hat die Europäische Kommission einen Rechtsakt zur Regulierung der künstlichen Intelligenz (englisch: AI Act) vorgeschlagen, um bessere Bedingungen für die Entwicklung und Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) in Europa zu gewährleisten und Gefahren vorzubeugen. Das Ziel der Gesetzgeber war es, die Vorteile und Chancen von KI mit dem Schutz der Grundrechte und der Gefahrenabwehr in Einklang zu bringen.

Nach langen und komplizierten Verhandlungen haben wir als Parlament im Dezember 2023 eine Einigung mit dem Rat der EU (also den Mitgliedstaaten) erzielt. Damit wird die erste Verordnung zur Regulierung von KI überhaupt geschaffen, was ein großer Erfolg ist. Auch wenn viele Anwendungsbereiche der künstlichen Intelligenz noch erforscht werden, ist bereits jetzt klar, dass es in Zukunft weitere Regulierungen braucht. Auch wir Grüne hätten uns weitergehende Regelungen gewünscht, insbesondere mit Fokus auf den Schutz von Grundrechten und vulnerablen Gruppen. Denn beispielsweise besteht weiterhin die Gefahr, dass Vorurteile und Diskriminierung durch KI verstärkt werden. Welche Risiken das digitale Zeitalter und künstliche Intelligenz für die Rechte von Asylsuchenden bedeuten, zeigt Amnesty International auch in einem ausführlichen Bericht auf.

Die Gefahren von Künstlicher Intelligenz am Beispiel der Migrationssteuerungssteuerung

Beim Grenzschutz ist es leider nicht gelungen, die Regulierung von Echtzeitüberwachung und anderen Maßnahmen ebenso einzuschränken, wie in anderen Bereichen. Außerdem besteht beim Einsatz künstlicher Intelligenz die große Gefahr, dass die Rechte marginalisierter Personengruppen, zum Beispiel von Asylsuchenden oder Migrant:innen, verletzt werden. Dies kann beispielsweise durch Profiling, automatisierte “Risikobewertungen” und allgegenwärtige Überwachungspraktiken passieren. EU-Regierungen setzen zunehmend KI-gestützte Überwachungssysteme an den Grenzen ein. Diese Systeme nutzen Algorithmen, um Daten von Kameras, Drohnen und Sensoren zu analysieren und Grenzschutzbeamte bei ihren Entscheidungen in Echtzeit zu unterstützen. Auch in Asylverfahren soll KI eingesetzt werden, etwa bei der Bearbeitung von Asylanträgen. Dabei kann es zu relevanten Fehleinschätzungen und komplizierten, bürokratischen Verfahren kommen. Der AI-Act wird nur begrenzt dazu beitragen, solche Gefahren zu verhindern.

Bestimmte KI-Anwendungen werfen erhebliche ethische und rechtliche Bedenken auf, wie zum Beispiel Lügendetektoren und biometrische Erkennungssysteme. Der AI-Act setzt hier an und reguliert solche Überwachungsmöglichkeiten. Allerdings konnten wir Grünen uns nicht an allen Stellen durchsetzen, sodass beispielsweise weiterhin Missbrauch der Technologie bei der Grenzüberwachung droht. Es gibt derzeit einen deutlichen Mangel an verlässlichen Daten über die Fehleranfälligkeit solcher Technologien, insbesondere bei der Gesichtserkennung. Solche Systeme bergen das Risiko, grundlegende Menschenrechte zu verletzen, wie das Recht auf Privatsphäre und das Nichtzurückweisungsgebot, das verbietet, Menschen in Gebiete zurückzuweisen, in denen ihnen eine unmittelbare Gefahr droht.

Worauf bei der Weiterentwicklung entsprechender Gesetzgebung geachtet werden muss

Für die Weiterentwicklung ist es wichtig, auf wesentliche Schwachstellen des AI Act hinzuweisen, auch wenn es grundsätzlich ein großer Erfolg ist, dass es einen europaweiten Einstieg in die Regulierung von KI gibt. Der im AI Act gefundene Kompromiss besteht darin, bestimmte Formen künstlicher Intelligenz zu verbieten, die als gefährlich eingestuft werden, während andere KI-Funktionen als hochriskant eingestuft werden, die eine strenge Überwachung und die Einhaltung strikter Regulierungsstandards erfordern. 

Trotz erheblicher Zugeständnisse, die wir als Grüne machen mussten, wie das fehlende Verbot biometrischer Überwachung, erhebliche Mängel beim Klassifizierungssystem für Hochrisiko-KI und breite Ausnahmen für den Einsatz von KI in der Strafverfolgung, sind wir als Fraktion mit dem Verhandlungsergebnis zufrieden. Die Zukunft wird zeigen, wie robust und zukunftssicher diese Verordnung angesichts der rasanten technologischen Entwicklung um KI sein wird. Vermutlich wird es zeitnah Anpassungen geben müssen.

Zu den wichtigsten Erfolgen für unsere Fraktion gehören:

  • Der Anwendungsbereich der KI-Verordnung, der nun auch allgemeine KI umfasst.
  • Definitionen von KI-Systemen, die mit internationalen Standards und den OECD-Prinzipien übereinstimmen.
  • Verbot von Echtzeit-Fernbiometrie-Identifikation etc. in öffentlich zugänglichen Räumen.
  • Kategorisierung von Hochrisiko-KI-Systemen und damit verbundene Verpflichtungen bzw. Einschränkungen.
  • Eine grundlegende Grundrechtsfolgenabschätzung vor der Einführung eines Hochrisiko-Systems.
  • Verpflichtungen für allgemeine KI-Modelle, einschließlich technischer Dokumentation und Transparenz.
  • Umweltverpflichtungen, die einen neuen Schwerpunkt im Gesetz darstellen
  • Ein neues „KI-Büro“ der Kommission, das die Bestimmungen für allgemeine KI-Modelle überwacht und durchsetzt.
  • Transparenzregeln für Deepfakes und regulatorische Sandkästen, um Start-ups und KMU bei der Entwicklung von KI zu unterstützen, die vollständig mit der Verordnung konform ist.

Studie: Beyond borders, beyond boundaries

Meine niederländische Kollegin Tineke Strik und Ich haben für die grüne Europafraktion eine kritische Analyse der finanziellen Unterstützung der EU für Grenzregime in Tunesien und Libyen in Auftrag gegeben.

Die gesamte Studie findet ihr hier auf Deutsch, Englisch und Französisch.

Eine zweiseitige Zusammenfassung gibt es auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Arabisch.

Klare Versäumnisse der Kommission 

Bei den von der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten mitfinanzierten Grenzschutzmaßnahmen kommt es regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehören der Einsatz von physischer Gewalt oder absichtlichen Kollisionen durch die tunesische Küstenwache bzw. das Abfangen und Freiheitsentzug von Migrant*innen, Versklavung, Zwangsarbeit, Inhaftierung, Erpressung und Schmuggel durch die libysche Küstenwache. 

Es handelt sich dabei um enorme Summen, jeweils über 70 Mio € für Libyen und Tunesien für die Zeiträume von 2018 -2022, eine detaillierte Übersicht findet sich im ersten Kapitel der Studie.

Bei der Zuweisung von Mitteln wird das Risiko von Menschenrechtsverstößen nicht hinreichend beachtet, trotz entsprechender Bestimmungen u.a. in der Verordnung des NDICI, worüber die meisten Maßnahmen seit 2021 finanziert werden. Auch während der Projektlaufzeit ist unklar, wie die Projekte überwacht werden, da die Europäische Kommission unter Berufung auf Vertraulichkeit keine Dokumente zur Verfügung stellt.

Nächste Schritte

Gelder sollten nur dann ausgezahlt werden, wenn sichergestellt werden kann, dass damit keine Maßnahmen unterstützt werden, die mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Eine menschenrechtliche Folgenabschätzung muss nicht lediglich am Anfang des Projekts durchgeführt werden, auch während der Laufzeit müssen Programme überprüft und ggf. angepasst oder unterbrochen werden. Dafür ist es wichtig, dass dem Europäischen Parlament ausreichend Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Auch der Zivilgesellschaft kommt dabei eine wichtige Rolle zu, es ist wichtig, dass zivilgesellschaftliche Organisationen bei Finanzierungsentscheidungen mit konsultiert werden.

Weiterführende Informationen

Um die Studie vorzustellen, haben wir am gleichen Tag in einer Veranstaltung mit Seawatch, den Autorinnen der Studie und DG NEAR besonders die menschenrechtlichen Aspekte diskutiert, auf Anfrage kann eine Aufzeichnung der Veranstaltung zur Verfügung gestellt werden.

Ihr könnt die Zusammenfassung (EN/DE/FR/IT/AR) und die gesamte Studie (DE/EN/FR) hier herunterladen. Die SZ hat ebenfalls berichtet.

Veranstaltung: Jenseits der Mauern: Wie die EU-Asylpolitik Menschen außerhalb Europas entrechtet

Liebe alle,

am 22. Februar um 19 Uhr findet meine Veranstaltung zur Auslagerung von EU-Asylpolitik statt. Der Fokus wird auf der Externalisierung (Auslagerung) der Verantwortung in Drittstaaten und dem Alltag an Europas Grenzen liegen:

Menschen werden in der Wüste ausgesetzt, EU-finanzierte Milizen schießen auf Rettungsboote, Seenot-Überlebende werden auf Sklavenmärkten verkauft: Die Liste der Horrormeldungen zum Umgang mit Geflüchteten in Europas Nachbarländern ließe sich endlos fortsetzen. Und auch innerhalb Europas erleben wir eine zunehmende Entrechtung von Schutzsuchenden – beispielsweise durch die Reform des GEAS. Immer stärker versucht man, den Zugang zu Asyl in Europa zu beschränken, immer offensichtlicher werden dabei grundlegende Menschenrechte missachtet.

Wie ist die Lage in Europas Nachbarstaaten? Wer ist verantwortlich für diese unmenschliche Politik? Warum lagern EU-Regierungen die Asylpolitik immer weiter aus? Und was können wir dagegen tun? Auf diese und weitere Fragen wollen wir während der Veranstaltung eingehen und dann gemeinsam mit dem Publikum diskutieren.

Als ReferentInnen konnten wir die Journalistin Franziska Grillmeier und den Fotografen Vincent Haiges gewinnen, die über die Situation für geflüchtete Menschen an verschiedenen Grenzorten, Einschränkung von Berichterstattung und Fluchtwegen außerhalb Europas an Beispielen und Fotos berichten.

Außerdem werde ich – Erik Marquardt – danach von der Externalisierungspolitik der EU, der Rolle des Parlaments und den politischen Hintergründen berichten. Außerdem werde ich in diesem Kontext auch Ergebnisse unserer Studie vorstellen: „Beyond borders, beyond boundaries – Grenzüberschreitungen hinter den Außengrenzen“. Die Studie beleuchtet die finanzielle Unterstützung der EU für Grenzregime in Tunesien und Libyen. Falls du Lust hast, kannst du gerne hier schon mal einen Blick reinwerfen.

zu den ReferentInnen: 

Franziska Grillmeier ist freie Journalistin mit dem Schwerpunkt Flucht und Migration. Dafür reiste sie mit Vincent Haiges in Länder wie Bulgarien, Niger, Bosnien und Herzegowina. Die vergangenen fünf Jahre verbrachte sie auf der Insel Lesbos in Griechenland. Dort berichtete sie u.a. für ZEIT Online, taz, BBC, WDR und die Wochenzeitung. Ihr Buch “Die Insel. Ein Bericht vom Ausnahmezustand an den Rändern Europas” erschien 2023 bei C.H.Beck.

Vincent Haiges berichtet als freier Dokumentarfotograf international über Konflikte und Menschenrechtsverletzungen. Unter anderem aus der Ukraine, Afghanistan und dem Irak für Die Zeit, The Guardian, Foreign Policy, NZZ, Republik. Außerdem arbeitet er an einem Langzeitprojekt zur Gewalt an den europäischen Außengrenzen.

Erik Marquardt ist seit 2019 Abgeordneter im Europäischen Parlament. Dort beschäftigt er sich mit Asyl, Migration und Menschenrechten. Er war selbst oft an den Außengrenzen und auf Seenotrettungsmissionen im Mittelmeer. Im Parlament begleitete er beispielsweise die Verhandlungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) als Schattenberichterstatter.

Für Getränke und Snacks ist gesorgt.

Ort der Veranstaltung: 

aquarium Südblock – narrativ e.V.
Skalitzer Str. 6
10999 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

22.02.2024 

19:00 – 20:30 Uhr 

Anmeldung für vor Ort Teilnahme: 

Leider haben wir unsere maximale Kapazität für Gäste vor Ort erreicht. Falls ihr trotzdem dabei sein möchtet, gibt es noch die Möglichkeit über unseren Stream online zuzuhören.

ACHTUNG! Nach der Anmeldung gibt es KEINE Bestätigungsmail. Die Anmeldung kommt trotzdem bei uns an. Am Tag vor der Veranstaltung bekommt ihr nochmal eine Erinnerungsmail mit allen Details zugesendet. 

Anmeldung für Online Teilnahme

Für alle Menschen, die nicht vor Ort teilnehmen können, wird es eine Möglichkeit geben, über einen Live-Stream zuzuhören. Bitte meldet euch über das hier hinterlegte Formular an. Link für den Stream werdet ihr vor Veranstaltungsbeginn per Mail erhalten.

https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZwucOqoqD8vHNSISnV-7io08q7M1V-IFFUl

Liebe Grüße,

Erik

Disclaimer: Auf der Veranstaltung werden Film- und Tonaufnahmen sowie Fotos gemacht, mit deren auch späteren Verwendung Sie sich durch den Besuch der Veranstaltung einverstanden erklären.

Parlament verurteilt Angriffe auf Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit in Griechenland

Wir Mitglieder des Europäischen Parlaments haben heute (Mittwoch, 7. Februar) für eine Resolution zu Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Griechenland gestimmt. Die Christdemokraten hatten gemeinsam mit den Rechtsextremen versucht, die Abstimmung und klare Forderungen zu Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit zu verhindern. Das genaue Abstimmungsverhalten findet ihr hier. In Griechenland häufen sich Fälle der Bespitzelung und Schikane von Journalistinnen und Journalisten, Politikerinnen und Politikern der Opposition und von Beamtinnen und Beamten sowie Versuche der Einschüchterung unabhängiger Medien durch gezielte strategische Klagen. Im vergangenen Jahr verweigerten der christdemokratische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und Mitglieder der griechischen Regierung einer offiziellen Delegation des Europäischen Parlaments ein Treffen.

Schlusslicht bei der Pressefreiheit

Alle Regierungen, auch konservative, müssen sich an Recht und Gesetz und an die Menschenrechte halten. In Griechenland gehören Attacken auf Demokratie, Grundrechte und Medienfreiheit zum Alltag. Bei der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Griechenland auf Rang 107 absolutes Schlusslicht in der EU und schneidet selbst schlechter ab als Katar. Die Kriminalisierung und Einschüchterung von Schutzsuchenden, von Menschen, die Geflüchteten Hilfe anbieten, und von Journalistinnen und Journalisten, die über Flucht berichten, ist beschämend und muss ein Ende haben.

Der mangelnde Willen der griechischen Regierung an Aufklärung des Schiffsunglücks von Pylos mit über 600 Toten ist bezeichnend für eine Politik, die die EU verurteilen muss. Es darf nicht sein, dass die griechische Regierung mit offensichtlichen Rechtsbrüchen davonkommt, weil sie von ihren konservativen Parteifreunden gedeckt wird. Es ist wichtig, dass das Europäische Parlament heute eine klare Position bezogen hat, auch wenn die konservativen und rechten Fraktionen versucht haben, die Realität in Griechenland mit ihren Anträgen weiter zu verschleiern.

Was steht in der Resolution

In der Entschließung des Europäischen Parlaments werden erhebliche Bedenken hinsichtlich der Pressefreiheit in Griechenland geäußert. Es wird auf die Bedrohungen durch physische Angriffe, verbale Attacken, einschließlich solcher von hochrangigen Politikern und Ministern, die Verletzung ihrer Privatsphäre durch Spyware und strategische Klagen (SLAPPs) hingewiesen. Die griechische Regierung wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und wieder eine sichere Umgebung für alle Journalisten zu schaffen.

Systematische Pushbacks

Bezüglich der systematischen Pushbacks und der Behandlung von Geflüchteten und Asylsuchenden drückt das Europäische Parlament seine schwere Besorgnis aus. Es wird der Mangel an Fortschritten bei der Untersuchung des Schiffsunglücks vom 14. Juni 2023 hervorgehoben, bei dem ein Fischerboot in der Ionischen See vor der Küste von Pylos, sank und mehr als 600 Personen an Bord ums Leben kamen. Die Entschließung verurteilt systematische Pushbacks und Gewalt gegen Schutzsuchende, ihre willkürliche Inhaftierung und den Diebstahl ihrer Habseligkeiten. Es wird Kritik an den Bedingungen in den Aufnahmezentren ausgedrückt, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Individuen vor Verbrechen und den Zugang zu grundlegender sanitärer Versorgung.

Kommission soll Recht durchsetzen

Das Parlament fordert die Kommission auf, die Einhaltung des EU-Rechts bei der Überwachung der Grenzen und der Finanzierung durch die EU zu bewerten und verurteilt das dramatische Versagen der Kommission, EU-Gesetze hinsichtlich der Aufnahmebedingungen, Pushbacks und Menschenrechte durchzusetzen. Statt Griechenland zu loben, sollte die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Wir fordern die Europäische Kommission auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die europäischen Werte und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren.

Hintergrund

Von mir in Auftrag gegebene Studie: „Ein rechtsfreier Raum – die systematische Kriminalisierung von Geflüchtete für das Steuern eines Bootes oder Autos nach Griechenland

Die Plenardebatte „Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Griechenland” mit Redebeitrag von mir fand bereits in der Plenarsitzung im Januar statt und kann hier nachverfolgt werden.

Europa Brunch zu Rechtsextremismus mit Erik Marquardt und Natascha Strobl am 27. Januar 2024

Der 27. Januar steht im Zeichen des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, und daher möchten wir diese Veranstaltung diesem wichtigen Anlass widmen. 

In Zeiten wo sich Rechtsextreme Treffen um gemeinsam “Remigrations-Pläne” auszurarbeiten, Bedarf es einer klaren Haltung gegen Rechts und eine Kollektive Erinnerung an die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg.  Welche Bedeutung hat die Leitidee „Nie wieder“, und wie können wir sie im Kontext von immer stärkerem Rechtsruck verstehen? Welche Bedeutung und Auswirkungen hat dies auf die Migrations- und Asyldebatten?

Ich, Erik Marquardt bin Sprecher der Grünen Europafraktion für die Themen Flucht, Migration und Menschenrechte. In meiner Funktion als Schattenberichterstatter und Mitverhandler beim europäischen Asylpakt (GEAS) werde ich euch Einblicke in meine Erfahrungen bei den Verhandlungen zum Pakt vermitteln. Zudem werden wir analysieren, wie die Dominanz rechter Narrative in der Debatte über Migration und Asyl den Verlauf dieser Verhandlungen beeinflusst hat.

Hierfür haben wir Natascha Strobl eingeladen. Als angesehene Politikwissenschaftlerin und Expertin für Rechtsextremismus wird Natascha uns durch ihre Analyse des radikalisierten Konservatismus führen, wie sie in ihrem gleichnamigen Buch detailliert darlegt. Gemeinsam werden wir die Methoden und Strategien, die sie beschreibt, in der aktuellen politischen Landschaft beleuchten und uns darauf konzentrieren, wie die Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg in den aktuellen politischen Ereignissen ihre Relevanz abermals bestärken. 

Gemeinsam werden Natascha und ich beleuchten, wie entscheidend jene Radikalisierung von vermeintlich Konservativen zu einem Abbau von Rechten für Schutzsuchende beiträgt. 

Wir freuen uns darauf, mit euch in einen anregenden Austausch zu treten.

Ort der Veranstaltung: 

Kin Za, Krausnickstraße 23, 10115 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

27.01.2024 

10 – 12 Uhr 

Anmeldung für vor Ort Teilnahme: 

Leider haben wir unsere maximale Kapazität für Gäste vor Ort erreicht. Falls ihr trotzdem dabei sein möchtet, gibt es noch die Möglichkeit über unseren Stream Online zuzuhören. 🥐☕ 

ACHTUNG! Nach der Anmeldung gibt es KEINE Bestätigungsmail. Die Anmeldung kommt trotzdem an. Am Tag vor der Veranstaltung bekommt ihr nochmal eine Erinnerungsmail mit allen Veranstaltungs-Details zugesendet. 

Anmeldung für Online Teilnahme

Für alle Menschen, die nicht vor Ort teilnehmen können, wird es eine Möglichkeit geben, über einen Live-Stream zuzuhören. Bitte meldet euch über das hier hinterlegte Formular an. Link für den Stream werdet ihr vor Veranstaltungsbeginn per Mail erhalten.

https://us02web.zoom.us/meeting/register/tZUkde-vrj0uHNaMLWj0AcTpIXgN0T6-hEhA#/registration

Humanitäre Hilfe für Syrien

Seit 2011 herrscht in Syrien Bürgerkrieg, fast drei Viertel der Bevölkerung sind in der Folge auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lage hat sich in diesem Jahr nach dem verheerenden Erdbeben im Februar, von dem knapp 8,8 Millionen Menschen betroffen waren, noch weiter verschlechtert. Auch der Konflikt dauert an. Erst im Oktober hat die syrische Regierung erneut Luftangriffe gegen Idlib und West-Aleppo verübt, die zu 50 Toten und über 70.000 Vertreibungen geführt und erhebliche Infrastrukturschäden verursacht haben.  Die Europäische Kommission stellt über DG ECHO relevante Summen für humanitäre Hilfe in Syrien bereit. Allerdings gibt es immer wieder Zweifel daran, ob die Hilfslieferungen tatsächlich bei den Menschen ankommen, die sie am dringendsten benötigen oder vielmehr Assad und seinen Truppen in die Hände spielen und welche Rolle Sanktionen dabei spielen.

Weltweit höchste Anzahl an Geflüchteten

Der Bürgerkrieg in Syrien hat zu einer der größten Fluchtbewegungen weltweit geführt: 6,8 Mio Syrer:innen haben das Land verlassen, meist in die Nachbarstaaten. Weitere 6,7 Mio sind in den vergangenen zwölf Jahren Bürgerkrieg innerhalb des Landes vertrieben worden. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung befindet sich also auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung, eine sichere Rückkehr ist weiterhin nicht denkbar. Der Anteil der Syrer:innen an der globalen Anzahl Geflüchteter beträgt 20%.

Humanitäre Situation

Am 14. und 15. Juni 2023 hat die 7. Brüsseler Konferenz zur Unterstützung Syriens und der Region stattgefunden. An dieser haben neben der UN die EU-Institutionen, 57 Länder und über 30 internationale Organisationen teilgenommen. Insgesamt wurden dabei 4,6 Milliarden € für 2023 und weine weitere Milliarde € für 2024 zugesagt. Die Konferenz ist die wichtigste Geberkonferenz für Syrien und die Region. Die EU und ihre Mitgliedstaaten sind seit Ausbruch des Bürgerkrieges 2011 mit fast 30 Mrd. € die größten Geber für Syrien und die Region.

9 von 10 Syrer:innen leben in Armut, 12,4 Millionen Menschen sind von Nahrungsmittelinstabilität betroffen. Menschen können sich selbst Grundnahrungsmittel kaum noch leisten, weil in den letzten zwei Jahren die Preise um 800% angestiegen sind. Der Norden Syriens leidet zudem unter massivem Trinkwassermangel und -verunreinigung. Dafür gibt es vielfältige Gründe. So haben durch den Klimawandel begünstigte Dürren zu historischen Wassertiefständen des Euphrat und anderer Flüsse geführt und Brunnen sind ausgetrocknet. Außerdem behindern teilweise bewaffnete Truppen den Zugang zu Quellen. Schlechtes Abwassermanagement führt zu Trinkwasserverschmutzung und Choleraausbrüchen

Grenzübergänge in Nordwest-Syrien

Ein grundlegendes Problem in Syrien ist der Zugang zu den Regionen, die nicht unter der Kontrolle des Assad-Regimes stehen, insbesondere im Norden des Landes. Durch ein Abkommen mit der syrischen Regierung konnten im September diesen Jahres Hilfslieferungen für den Nordwesten Syriens über den Grenzübergang Bab al-Hawa wieder aufgenommen werden. Zuvor hatte Russland die Verlängerung der Öffnung des Grenzposten zur Türkei am 11. Juli 2023 mit einem Veto im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen blockiert. Der Grenzposten wurde 2014 durch den Sicherheitsrat etabliert und muss seitdem alle 6 Monate verlängert werden. In dem von Rebellen beherrschten Gebiet sind 90% der 4,5 Millionen Einwohner:innen auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Daher ist der Übergang essentiell für die Versorgung der Bevölkerung im Nordwesten Syriens, unter anderem mit Nahrung und Medikamenten. Neben dem Grenzübergang Bab al-Hawa wurden auch die Öffnungen der Übergänge in Bab al-Salam and Al-Ra’ee, welche in Folge des Erdbebens im Februar erneut genutzt werden konnten, verlängert. Über die letzteren gelangen jedoch nur etwa 20 % der Hilfskonvois in die Region. Assads Verbündeter Russland versucht über die wiederholten Blockaden im Sicherheitsrat Druck auf die Rebellengebiete auszuüben und Assads Einfluss zu vergrößern. Die EU hat sich zu diesem Vorgehen in der Vergangenheit zu Recht kritisch geäußert,  da es die Bereitstellung humanitärer Hilfe für die vielen bedürftigen Menschen massiv einschränkt.

Annäherung von Erdogan und Arabischer Liga an Assad

Die Türkei und Syrien nähern sich seit dem Winter 2022 langsam wieder an. Gleichzeitig setzt die Türkei Luftangriffe auf kurdische Ziele im Norden Syriens fort, wobei auch die zivile Infrastruktur zerstört wird. Eine schnelle Normalisierung der Beziehungen gilt als eher unwahrscheinlich, da die zentralen Zielsetzungen nicht miteinander vereinbar erscheinen. Die Türkei bzw. Erdogan möchte, dass mehr syrische Geflüchtete nach Syrien zurückkehren, Assad verwehrt sich dem. Er möchte möglichst alle noch von Rebellen gehaltenen Gebiete zurückerobern, wohingegen die Türkei ihren Einfluss im Norden Syriens nicht verlieren will und bei einer Regime-Offensive neue Migrationsbewegungen befürchtet. 

Vor kurzem wurde Assad nach zwölf Jahren wieder in die Arabische Liga aufgenommen und hat im Mai an deren Gipfeltreffen in Saudi-Arabien teilgenommen. Die Mitgliedstaaten der Arabischen Liga erhoffen sich von der Wiederaufnahme eine größere Stabilität in der Region. Gleichzeitig ist davon die Rede, dass Assads Wiederaufnahme an Bedingungen geknüpft sei, die jedoch nicht öffentlich sind. Aus informellen Kreisen ist zu hören, dass Assad Investitionen der arabischen Staaten in den Wiederaufbau Syriens versprochen wurden, wenn er im Gegenzug viele der geflüchteten Syrer:innen wieder in Syrien leben lasse, einen Versöhnungsprozess einleite und die Produktion der Droge  “Captagon” einstelle. Dagegen hatte auch die EU im April 2023 Sanktionsmaßnahmen verhängt. Im Gegensatz zu anderen Staatenbunden sieht die EU keine ausreichenden Beweggründe für eine Normalisierung der Beziehungen mit Syrien. Das heißt auch, dass die Entwicklungszusammenarbeit weiterhin ausgesetzt ist.

Missbrauch Humanitärer Hilfe in Syrien

Der Großteil der Gelder, die die EU für Syrien bereitstellt, fließt direkt an UN-Organisationen, die vor Ort tätig sind. Nach dem verheerenden Erdbeben von Anfang Februar gab es erstmals Informationen, dass die UN möglicherweise ein Büro in dem von Rebellen gehaltenen Nordwesten Syriens eröffnen könnten, dies ist bislang jedoch nicht passiert. Stattdessen wird die Hilfe bisher über Büros in Gebieten unter Kontrolle des syrischen Regimes oder in der Türkei koordiniert. In der Vergangenheit gab es immer wieder Vorwürfe, dass das Assad-Regime UN-Organisationen vorschreibt, wo Hilfe geleistet werden darf, unter Androhung sonst Visa zu entziehen. Vorwürfe gegenüber den Vereinten Nationen gab es auch im Februar, als die Hilfe für die am stärksten vom Erdbeben betroffenen Gebiete nur sehr langsam anlief und die Bevölkerung tagelang auf sich gestellt war. Assad und sein Regime hatten wiederholt den Zugang zu Rebellengebieten verhindert, um die Bevölkerung auszuhungern und die Rebellen zur Aufgabe zu zwingen.

Assad kontrolliert Hilfe

Assad und Putin haben seit dem Erdbeben immer wieder internationale Sanktionen als Haupthindernis für humanitäre Hilfe dargestellt, dabei ist diese explizit von sämtlichen Sanktionsregimes ausgenommen. Nach einer  umfassenden Studie von Natasha Hall, hat das Assad-Regime die Hilfsstrukturen so aufgebaut, dass sie unter seiner alleinigen Kontrolle stehen. Nahezu alle internationalen Organisationen und Hilfseinrichtungen müssen unter Aufsicht des “Syrischen Arabischen Roten Halbmondes” und der “Syria Trust for Development” stehen. Das Regime kann somit flächendeckend Hilfsorganisationen und den Fluss von Hilfsgütern kontrollieren und zweckentfremden. Darüber hinaus missbraucht das Regime immer wieder den Wechselkursmechanismus und verändert ihn so, dass es sich große Teile finanzieller Hilfe in die eigene Tasche stecken oder loyalen Unterstützer:innen zuweisen kann.

Handlungsempfehlungen Humanitäre Hilfe in Syrien

Ein großer Teil der Menschen in Syrien ist auf Unterstützung über humanitäre Hilfe angewiesen. Hilfsgüter und finanzielle Hilfen dürfen jedoch nicht mit Vertragspartnern nach Syrien gebracht oder in Syrien verteilt werden, die bisher schon an Zweckentfremdungen beteiligt waren oder unter direkter Kontrolle des Assad-Regimes stehen. Darüber hinaus müsste die Zivilgesellschaft stärker in den Prozess der Allokation von humanitärer Hilfe eingebunden werden. Unabhängige und lokale zivilgesellschaftliche Organisationen müssen in größerem Umfang finanziell und technisch unterstützt werden. Der Einbezug von Refugee-led-organisations (RLOs) kann dazu einen großen Beitrag leisten. 

Hilfe an Bedingungen knüpfen

Auch “early recovery”, also, humanitäre Hilfe, die auch auf längerfristige Strategien setzt, um die Situation vor Ort zu verbessern, ist ein sinnvoller Ansatz in einem langjährigen Konflikt. Jedoch ist wichtig, dass dies mit strikten Bedingungen verknüpft ist. Dazu gehören ein prinzipienfester und konfliktsensibler Ansatz, fortlaufende, unabhängige Kontrolle und Rechenschaftspflicht, lokale Eigenverantwortung und ein „Gesamt-Syrien-Ansatz“.

Um Situationen wie im Geflüchtetenlager Rukban (Nord-West Syrien, Provinz Daraa) zu begegnen, wo tausende Syrer:innen seit Jahren ohne Zugang zu medizinischer Versorgung und humanitärer Hilfe in der Wüste an der jordanischen Grenze ausharren, muss Hilfe dauerhaft, ohne Zustimmung des Regimes oder UN-Mandat und ohne Unsicherheit über die Öffnung von Grenzübergängen geleistet werden können. Auch dafür muss sich die EU mit allen diplomatischen Mitteln einsetzen.

Meine 8 Ziele in der Entwicklungszusammenarbeit

Als stellvertretender Vorsitzender des Entwicklungsausschusses im Europäischen Parlament liegt ein Schwerpunkt meiner Arbeit auf der europäischen Entwicklungszusammenarbeit sowie der humanitären Hilfe, welche, anders als im Bundestag, ebenfalls dem Entwicklungsausschuss untergeordnet ist. 

Hierbei setze ich mich für eine EU ein, die globale Ungleichheiten bekämpft, auf Augenhöhe mit ihren Partner:innen agiert, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit fördert und darüber hinaus auch offen ist für Menschen, die vor Krieg und Verfolgung aber auch wegen Armut und den Folgen der Klimakrise nach Europa fliehen müssen. Auch wenn im Bereich der Kooperation mit dem Globalen Süden mehr Konsens als in anderen Politikfeldern der Europäischen Union herrscht, gibt es doch einige Punkte, mit denen ich unzufrieden bin oder bei denen ich als Teil der Grünen Fraktion mehr erreichen möchte

1: Stopp der Externalisierung und Konditionalisierung

Oberstes Ziel der Entwicklungszusammenarbeit der EU ist die Bekämpfung von Armut, dies ist so auch primärrechtlich (Art.21 (2) d) EUV)  festgelegt. Jedoch werden immer mehr Gelder, die eigentlich für diesen Zweck verwendet werden sollten, für die Externalisierung der europäischen Außengrenzen aufgewendet beziehungsweise an die Kooperation der Drittstaaten beim Migrationsmanagement geknüpft. Dies bedeutet, dass man Staaten, meist autokratischen Regimen, Gelder zur Verfügung stellt oder andere Vorteile wie beispielsweise Zollfreiheit gewährt, wofür die Regierungen im Gegenzug dafür sorgen sollen, dass weniger Menschen nach Europa gelangen. Beispiele dafür sind aktuell die Absichterklärung mit Tunesien zu Migrationsmaßnahmen oder auch die langjährige Finanzierung der libyschen Küstenwache. 

Mit dem NDICI-Global Europe Instrument für externe Ausgaben der EU wurden Anfang dieser Legislaturperiode verschiedene Instrumente der EU-Außenpolitik gebündelt und ein neues Regelwerk verfasst. Gegen den Willen der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) und des Rates konnten wir erwirken, dass nur etwa 10% der Gesamtausgaben für Migrationszwecke eingesetzt werden sollen. Wir haben ebenso dafür gekämpft, dass der Migrationsbegriff weit gefasst ist und auch die “Bekämpfung von Fluchtursachen” oder die Förderung legaler Migrationswege beinhaltet.

Trotzdem sehen wir, dass die Gelder aus dem NDICI vornehmlich für Migrationsmanagement verwendet werden. Menschen sollen also möglichst effektiv an der Flucht gehindert werden, anstatt dass wirksam Ursachen bekämpft werden. Dies führt nicht dazu, dass sich weniger Menschen auf den Weg nach Europa machen, aber dass mehr Menschen auf dem Weg Richtung Mittelmeer umkommen, als im Mittelmeer selbst. 

Auch wird zunehmend der Erfolg von entwicklungspolitischen Projekten daran gemessen, wie sich die Migrationsbewegungen Richtung Europa verändern. Auch hier geraten eigentliche Kernthemen wie Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung für Menschen vor Ort, etc. aus dem Visier und der Fokus und Bewertungsrahmen verschiebt sich. 

2: Fokus wieder verstärkt auf Bekämpfung von Armut richten

Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (official development aid, ODA) darf nicht vordergründig für geopolitische Zwecke der EU verwendet werden, beziehungsweise an die Umsetzung von Maßnahmen, mit denen Eigeninteressen verfolgt werden, geknüpft werden.  Der Fokus sollte grundsätzlich auf den eigentlichen Zielen der Entwicklungszusammenarbeit liegen sowie auf langfristigen strukturellen Transformationen, die zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele notwendig sind. Das sind primär Armutsreduktion, Investitionen in Gesundheitssysteme und Bildung, Klimaanpassung, Geschlechtergerechtigkeit und andere notwendige Aufgaben. Auch Ernährungssicherheit ist ein Thema, wo wir uns bei der Erreichung der SDG-Ziele leider auf keinem guten Weg befinden. Neben einer ausreichenden Finanzierung ist hier vor allem wichtig, dass die richtigen Maßnahmen getroffen werden, um Länder des Globalen Südens weniger von Nahrungsmitteleinfuhren abhängig zu machen und  eine höhere Resilienz in Hinblick auf den Klimawandel zu entwickeln, beispielsweise durch die Förderung von agroökologischen Verfahren.

Auch wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten weltweit die größten Geldgeber sind, liegen die Ausgaben für ODA weiterhin deutlich unter dem gesetzten Ziel von 0,7% des Bruttoinlandsprodukt oder werden nur erreicht, wenn auch im Inland für Geflüchtete verwendete Gelder mit abgerechnet werden, was zu der absurden Situation führt, dass die EU-Mitgliedsstaaten der größte Empfänger von EU-Entwicklungsgeldern ist. Die Gelder müssen vorrangig dort eingesetzt werden, wo sie am dringendsten benötigt werden, also in den am wenigsten entwickelten Ländern (least developed countries, LDCs) –  nicht dort, wo die EU die meisten Interessen verfolgt. 

3: Ambitionierte, nachhaltige und transparente Entwicklungsfinanzierung

Es gibt sehr viele verschiedene Akteure der Entwicklungsfinanzierung innerhalb der EU. Zur Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung kommen noch etliche nationale Entwicklungsbanken, in Deutschland beispielsweise die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) . 2019 gab es einen ambitionierten Vorstoß,  die externen Entwicklungsaktivitäten der EU über eine neu geschaffene Bank zu bündeln und europäische Prioritäten besser umsetzen zu können. Dieser Versuch scheiterte vornehmlich an den Mitgliedsstaaten, jedoch wurde ein neuer Zweig der Europäischen Investitionsbank, EIB Global, geschaffen, worüber Investitionen in Drittländern getätigt werden sollen. Hier sollte die Chance genutzt werden, dass bei der Finanzierung von Projekten mit hoher sozialer Rendite höhere Risiken eingegangen werden und das Expert*innen aus den Partnerländern bei der Projektplanung und -implementierung besser eingebunden werden. Dies gilt auch bei der Finanzierung von Global Gateway Projekten. Dabei muss sichergestellt werden, dass  diese Infrastrukturprojekte auch tatsächlich der lokalen Bevölkerung nutzen, es eine transparente Geldervergabe gibt und Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden.  

4: Kontroll- und Mitwirkungsrechte des Europäischen Parlaments

Mit dem Inkrafttreten von NDICI-Global Europe ging der Europäische Entwicklungsfond (EEF), das bis dato wichtigste Finanzinstrument der Entwicklungszusammenarbeit auf europäischer Ebene in das EU-Budget über, wodurch dem Europäischen Parlament – zumindest in der Theorie – mehr Kontroll- und Mitwirkungsrechte zugesprochen wurden. Leider ist dies in der Umsetzung nicht unbedingt der Fall. 

Es ist extrem mühsam und oft nur durch die Unterstützung durch die Zivilgesellschaft möglich, einen Überblick über die einzelnen finanziellen Maßnahmen in Drittstaaten zu gewinnen, vor allem bei migrationsbezogenen Projekten. Hier brauchen wir mehr Transparenz.

Ich setze mich außerdem für einen besseren Respekt der menschenrechtlichen Komponente bei der EU-Finanzierung in Drittstaaten ein. Dazu gehören beispielsweise die Durchführung einer im Voraus durchgeführten menschenrechtlichen Folgenabschätzung – wie in der Verodnung verankert. Ebenso muss es ein fortlaufendes menschenrechtliches Monitoring bei Projekten zum Migrationsmanagement geben und die Ergebnisse davon dem Europäischen Parlament gegenüber offengelegt werden. 

5. Kohärenz, damit privatwirtschaftliche und geopolitische Interessen nicht weiter entwicklungspolitischen Interessen entgegensten

Oftmals stehen leider Handels- und geopolitische Interessen vor entwicklungspolitischen Zielen. So profitieren die Menschen in Staaten des globalen Südens oftmals nicht im gleichen Maße von Freihandelsabkommen und werden ausgebeutet, um günstig an Ressourcen und Arbeitskraft zu kommen. Hier gibt es innerhalb der EU theoretisch den Anspruch, Kohärenz zwischen den verschiedenen Gesetzen und Initiativen herzustellen. Jedoch fehlt in der Praxis leider oft der politische Wille, hier an einem Strang zu ziehen und wirkliche Arbeit zu machen, die ärmeren Ländern nachhaltig hilft. Es lassen sich hier zahlreiche weitere Beispiele nennen, wie in etwa der Export von in Europa nicht zugelassenen Pestiziden in den Globalen Süden oder die Förderung von kritischen Rohstoffen für den internen Markt ohne die Achtung des Rechts auf Konsultation und freier, vorheriger und informierter Zustimmung von indigenen Völkern. 

6. Den Fokus nicht zu sehr auf Public-Private Partnership lenken

Bei Public-Private Partnerships sollen Projekte von privaten Firmen umgesetzt und durch öffentliche Gelder unterstützt sowie das Risiko verringert werden – sogenanntes de-risking. Das Problem hierbei ist, dass gerade in den Regionen, wo Investitionen am nötigsten wären, diese Form der Umsetzung oft nicht funktioniert, da trotz der öffentlichen Unterstützung das Risiko zu hoch ist und damit unattraktiv für Privatinvestoren bleibt. Dies führt dazu, dass nur Projekte in bereits besser entwickelten Regionen umgesetzt werden und der Aspekt der Armutsreduktion für Menschen, die am meisten bedürftig sind, nicht umgesetzt werden kann.

7: Partnerschaft auf Augenhöhe – auf die Zivilgesselschaft im globalen Süden hören

Die Zivilgesellschaft und lokale Behörden im globalen Süden erhalten oftmals zu wenig Gehör und werden nur mangelhaft oder gar nicht in die Projekte einbezogen. Es muss vermehrt mit lokalen Vertreter:innen vor Ort gearbeitet werden, da die Beteiligung der Menschen vor Ort essentiell für einen langfristigen Erfolg von Entwicklungsprojekten ist. Wir brauchen mehr bottom-up Herangehensweisen, anstatt in neo-koloniale Muster zu verfallen.

Wichtig ist außerdem, dass genügend Gelder für Projekte zur Verfügung stehen, die zivilgesellschaftliche Organisationen, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit unterstützen, außerdem müssen bürokratische Hürden verringert werden, damit auch kleinere lokale Organisationen von EU- Finanzierung profitieren können.

8. Geschlechtergerechtigkeit auf allen Ebenen fördern

Ziel 5 der nachhaltigen Entwicklungsziele für 2030 (SDGs) ist es, eine Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung zu befähigen. Auch hier hat es vor allem während der Zeit der Coronapandemie weltweite Rückschritte gegeben. Einer unserer Verhandlungserfolge zu NDICI-Global Europe, war die Festlegung eines 85% Ziels aller neuer Maßnahmen, um zu Geschlechtergerechtigkeit beizutragen, bei 5 % soll dieses Ziel an erster Stelle stehen. Hier muss die Kommission sicherstellen, dass dies keine reine Pflichtübung darstellt, sondern konkrete Ergebnisse hervorbringt. Darüber hinaus muss der Gender Action Plan III vollständig implementiert werden und zusätzliche Investitionen getätigt werden, um gegen den Rückschritt bei der Anerkennung und dem Schutz von reproduktiver Gesundheit und reproduktiven Rechten (SRHR) anzukommen.

Ich suche Verstärkung für mein Team!

Zur Unterstützung meiner parlamentarischen Arbeit im Europäischen Parlament suche ich für mein Berliner Büro zum nächstmöglichen Zeitpunkt eine:n

Lokale Assistent:in (m/f/d) für Social Media und Öffentlichkeitsarbeit

Aufgaben

  • Unterstützung bei der Aufbereitung meiner parlamentarischen Arbeit für Social-Media
  • Unterstützung beim Erstellen von Inhalten für Social-Media-Kanäle (Instagram, Twitter, Facebook) sowie für die Homepage
  • Beobachtung der Nachrichtenlage und Trends zu relevanten Themen
  • Konzeption von Kommunikationsstrategien, Kampagnen und Social-Media-Formaten
  • Unterstützung bei der Organisation verschiedener Veranstaltungen
  • ggf. Begleitung bei Terminen und Veranstaltungen

Erforderliche Fähigkeiten

  • Erfahrung in der Content-Produktion für reichweitenstärkere Accounts
  • (Berufs-)Erfahrung in der Politik, gerne in einem politischen Büro oder politischen Verband
  • Die Fähigkeit, komplizierte politische Sachverhalte anschaulich und verständlich aufzubereiten und zu formulieren
  • Erfahrung, Kreativität und Freude an digitalem Storytelling
  • gute Kenntnisse in Bild- und Videobearbeitung
  • Gespür für unterschiedliche Kommunikationskanäle, Trends und Fettnäpfchen
  • Gute Organisationsfähigkeiten, strukturierte Arbeitsweise, Teamfähigkeit und Flexibilität
  • Politisches Urteilsvermögen, Interesse und Identifikation mit Zielen und Werten Grüner Politik
  • Interesse und Kenntnisse bezüglich europäischer Politik
  • Sehr gute schriftliche und mündliche Ausdrucksfähigkeit
  • Verhandlungssicher Deutsch und Englisch, weitere europäische Sprachen sind von Vorteil

Stellenumfang

  • Es handelt sich um eine befristete Teilzeitstelle (15-25 Stunden pro Woche) bis zum Ende der aktuellen 9. Wahlperiode (Juli 2024)
  • Hauptarbeitsort ist Berlin, Dienstreisen innerhalb Deutschlands sowie nach Brüssel oder Straßburg erforderlich
  • Mobiles Arbeiten ist für einen Teil der Arbeitszeit möglich

Bewerbungsverfahren

Sende deine Unterlagen –  maximal eine Seite Motivationsschreiben und maximal zwei Seiten Lebenslauf (beides in einem einzigen PDF-Dokument) – an erik.marquardt@europarl.europa.eu.
Gehaltsvorstellungen können gerne mit angegeben werden.
Bitte als E-Mail-Betreff „Bewerbung Social-Media“ angeben.


Bewerbungsschluss ist der Sonntag, 26. November.

Bewerbungen von Frauen*, Personen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung sind ausdrücklich erwünscht.

Ich freue mich auf deine Bewerbung!

Einführung digitaler Schengen-Visa

Das EU-Parlament hat das Gesetz zur Einführung digitaler Schengen Visa am 18. Oktober verabschiedet. Zuvor hatte bereits im Juli der Innenausschuss in einer Abstimmung die mit dem Rat erreichten Verhandlungsergebnisse zur Einführung digitaler Schengen-Visa bestätigt und somit angenommen. Meine Rede zur Debatte im Plenum des Europäischen Parlaments findet ihr hier.

Geplant ist, ähnlich zum ESTA-System der USA einen QR-Code einzuführen, der den herkömmlichen Sticker im Reisepass ersetzen soll. Es wird eine gemeinsame Antragsplattform der EU eingerichtet, um die Beantragung und Bearbeitung online zugänglich zu machen. Somit wird die Antragstellung für 104 Länder vereinfacht und ermöglicht so einer großen Anzahl von Menschen eine erleichterten Zugang zu einem Schengen Visa und eine Entlastung der Auslandsvertretungen. Ein wichtiger Schritt um den Schengenraum fit für die Zukunft zu machen.

Als Schattenberichterstatter meiner Fraktion habe ich mich vor allem dafür eingesetzt, dass auch Menschen mit geringen Digitalkenntnissen und Antragsteller:innen aus Region mit instabilen Internetverbindungen Zugang zum digitalen Visumantragsverfahren haben. Außerdem war es mir wichtig, dass die persönlichen Daten der Antragsteller:innen unter starkem Schutz stehen. Den beschlossenen Text könnt ihr hier finden.

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