Europaparlament fordert Seenotrettungsmission im Mittelmeer

Endlich! Das EU-Parlament hat sich in einer Resolution klar für eine EU-Seenotrettungsmission ausgesprochen. Außerdem fordern wir unter anderem, dass Informationen über Seenotrettungsfälle sofort geteilt werden, dass die Kriminalisierung von Seenotrettungsorganisationen unterlassen wird und Schiffe nach Seenotrettungen in den nächsten sicheren Hafen gelassen werden.
Ich habe die Resolution für unsere Fraktion verhandelt und auch wenn wir die Mitgliedstaaten nicht sofort zwingen können, die Maßnahmen umzusetzen, ist es ein klares Zeichen, wo die Mehrheit in Europa steht.

Das Sterben im Mittelmeer darf nicht weiter hingenommen werden.

Das Titelfoto habe ich auf einer Seenotrettungsmission gemacht, nachdem wir den Menschen Schwimmwesten gegeben haben. Oft sieht man auf den überfüllten Schlauchbooten kaum ein Stück Boot – nur dutzende Menschen in akuter Lebensgefahr. Diese Realität, dass jeden Tag über Leben oder Tod von vielen Menschen an unseren Außengrenzen entschieden wird und die Entscheidung allzu oft ist, dass Menschen im Zweifelsfall eben sterben müssen, das darf nie normal werden. Doch es ist normal geworden und das müssen wir wieder ändern. Mit der Entscheidung des Parlaments ist leider keine konkrete Veränderung verbunden, da das Parlament nicht über Einsätze entscheiden kann und in diesem Bereich nur sehr begrenzte Kompetenzen hat. Es erhöht aber den Druck auf die Staats- und Regierungschefs und setzt ein klares Signal gegen rechten Populismus.

Hier sind einige der Forderungen aus der Resolution

  • Wir fordern eine EU-Seenotrettungsmission.
  • Die Mitgliedstaaten und die EU sollen sich endlich an geltendes internationales Recht halten und Menschen in Seenot zur Hilfe kommen.
  • Wir fordern, dass die Kommission ein neuen, verlässlichen und nachhaltigen Ansatz schafft, der Seenotrettung gewährleistet und wir nicht mehr ständig auf ad-hoc Lösungen angewiesen sind. Die Kommission sollte dafür materielle, finanzielle und operative Unterstützung leisten.
  • Die Mitgliedstaaten und Frontex sollen proaktiv Such- und Rettungsmissionen betreiben und alle notwendigen und verfügbaren Boote und Ausrüstung bereitstellen bzw. einsetzen, um Menschenleben zu retten.
  • Alle Mittelmeeranrainerstaaten und Frontex sollten Informationen über Seenotfälle miteinander teilen bzw. bereitstellen um eine Rettung gewährleisten zu können.
  • Gerettete sollen den nächsten sicheren Hafen zugewiesen bekommen.
  • Die Kommission soll eine Seenotrettungs-Kontaktgruppe einsetzen, um Missionen von Frontex und Mitgliedstaaten miteinander koordinieren zu können und das Parlament regelmäßig darüber informieren.
  • Frontex soll Informationen über seine Einsätze teilen und ebenso wie die Mitgliedstaaten das Unionsrecht einhalten.
  • Die Kommission muss sicherstellen, dass Frontex und die Mitgliedstaaten nach der Rettung nur sichere Häfen anlaufen und Asylbewerber:innen keinen Gefahren aussetzen.
  • Die Toten von Pylos sollen geborgen, identifiziert, ihre Angehörigen informiert und nach weiteren Leichen gesucht werden. Die Überlebenden müssen solidarisch in der EU verteilt werden.
  • Wir sprechen uns dafür aus, dass sichere Fluchtwege der beste Weg zur Vermeidung von Toten sind und fordern daher humanitäre Korridore.

Hier findet ihr den vollständigen Text auf deutsch und englisch.

Ausstellung: “1000 Dreams”- Geflüchtete portraitieren Geflüchtete 

Zu Beginn der Juli-Plenarwoche habe ich in Kooperation mit Witness Change und der Heinrich Böll Stiftung Thessaloniki im Parlament eine Fotoausstellung zu individuellen Geschichten von Geflüchteten eröffnet. 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten über die Reform des Asylsystems der EU ist es wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass hinter technischen Diskussion über Geflüchtetenzahlen, Verteilmechanismen und Grenzverfahren einzelne Menschen stehen, die von diesen Entscheidungen direkt betroffen sein werden. Viele Menschen in Europa kommen kaum mit Geflüchteten in Kontakt. Unsere Ansichten über sie bilden sich oft daraus, was wir von anderen hören, lesen oder sehen, sowie aus der medialen Berichterstattung und Social Media. Dabei müssen wir uns bemühen, Geflüchteten zuzuhören. 

1000 Dreams

Hier setzt das Projekt “1000 Dreams” von Witness Change an. Geflüchtete sollen zu Wort kommen und ihre Geschichten erzählen. Geflüchtete sollten nicht als eine homogene Gruppe betrachtet werden, sondern als Individuen mit Talenten, Träumen und Bedürfnissen. Über 50 Storyteller mit Fluchthintergrund haben bereits an Workshops unter anderem in Athen, auf Lesbos und in London teilgenommen. In Workshops üben sie, Porträts aufzunehmen und Interviews zu führen. Alle Fotoaufnahmen und Interviews, die 1000 Dreams ausmachen,  werden also von Geflüchteten mit Geflüchteten geführt und erstellt. Über 800 Beiträge und Porträts sind so bisher entstanden. Es sollen 1000 werden. In Straßburg haben wir 20 ausgestellt. 

Ausstellung Straßburg

Für die Eröffnung sind die Storyteller Zahra Mojahed, Elsayed Elsehamy Abdelhamid und Mirza Durakovic nach Straßburg gekommen und haben mit uns ihre persönliche Lebensgeschichte geteilt und über ihre Arbeit an dem Projekt berichtet. Für Witness Change waren Gründer Robin Hammond und William Lounsbury als Leiter des 1000 Dreams Projekts anwesend, um gemeinsam mit Neda Noraie-Kia und Chrysiis Katsea von der Heinrich-Böll-Stiftung Thessaloniki und mir die Ausstellung zu eröffnen. 

Allen Gästen und Anwesenden bot sich nach der offiziellen Eröffnung die Möglichkeit, die einzelnen Porträts und Geschichten hinter den Fotografien, sowie die Storyteller und Projektinitiatoren näher kennenzulernen. 

Neben der Ausstellung im Parlament werden die 20 Portraits außerdem auch noch einige Wochen im Rathaus von Straßburg ausgestellt werden.

Studie: Rechtsfreier Raum – Kriminalisierung von Geflüchteten in Griechenland

Die Studie ist in deutscher, englischer und griechischer Sprache verfügbar.

Die von mir bei Borderline Europe in Auftrag gegebene Studie analysiert die Kriminalisierung von Geflüchteten als mutmaßliche Schleuser in Griechenland. 

Die Gerichtsverfahren dauern im Schnitt 37 Minuten, wobei die durchschnittliche Gefängnisstrafe bei 46 Jahren liegt. Die meisten Personen werden auf Grundlage der Aussage einer Person aus Polizei oder Küstenwache verurteilt, die in 68 Prozent der Fälle nicht einmal während des Verfahrens anwesend ist. Personen, die wegen Schleusung verurteilt wurden, bilden die zweitgrößte Gruppe in griechischen Gefängnissen. Die Betroffenen werden in der Regel unmittelbar nach ihrer Ankunft verhaftet, monatelang in Untersuchungshaft genommen, und haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich zu verteidigen

Die Justiz wird politisch instrumentalisiert

Diese Urteile sind unverhältnismäßig und stehen in keinerlei nachvollziehbaren Zusammenhang zu der Tat, derer die Menschen beschuldigt werden. Die griechische Justiz wird politisch instrumentalisiert, um Menschen von der Flucht abzuschrecken.

Die Menschen, die das Boot fahren, bekommen Preisnachlässe bei den Schleppern, sie sind meistens nicht selbst Schlepper. Die Verfahren, in denen diese Anschuldigungen verhandelt werden, sind sehr kurz und verstoßen gegen grundlegende Standards des Rechtsstaats. Das ist eine infame Kriminalisierung, gegen die die EU-Kommission und Mitgliedstaaten wie Deutschland vorgehen sollten. 

Es wäre die Aufgabe der EU-Kommission Druck auf Griechenland auszuüben, damit dort wieder rechtsstaatliche Standards eingehalten werden. Leider hat die Kommission sich bislang auf die Seite Griechenlands gestellt. Sie unterstützt die Abschreckungs- und Abschottungspolitik der Außengrenzstaaten und schaut weg, wenn dort Menschen misshandelt und ihrer Grundrechte beraubt werden. 

81 Verfahren beobachtet

Die Betroffenen werden in der Regel unmittelbar nach ihrer Ankunft verhaftet, monatelang in Untersuchungshaft gehalten und haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich zu verteidigen und Unterstützung zu erhalten. Die Prozesse, in denen diese Anschuldigungen verhandelt werden, sind sehr kurz und verstoßen gegen grundlegende Standards der Fairness.

In dem Bericht werden insgesamt 81 Verfahren gegen 95 Personen untersucht, die in Griechenland an acht verschiedenen Orten, nämlich in Komotini, Thessaloniki, Rhodos, Samos, Lesbos, Kreta, Syros und Kalamata, festgenommen und wegen Schleusung vor Gericht gestellt wurden.

Die veranstaltung zur Vorstellung der Studie findet ihr hier.

Einführung digitaler Schengen-Visa

Der Innenausschuss hat in einer Abstimmung die mit dem Rat erreichten Verhandlungsergebnisse zur Einführung digitaler Schengen-Visa bestätigt und somit angenommen.

Geplant ist, ähnlich zum ESTA-System der USA einen QR-Code einzuführen, der den herkömmlichen Sticker im Reisepass ersetzen soll. Es wird eine gemeinsame Antragsplattform der EU eingerichtet, um die Beantragung und Bearbeitung online zugänglich zu machen.

Als Schattenberichterstatter meiner Fraktion habe ich mich vor allem dafür eingesetzt, dass auch Menschen mit geringen Digitalkenntnissen und Antragsteller:innen aus Region mit instabilen Internetverbindungen Zugang zum digitalen Visumantragsverfahren haben. Außerdem war es mir wichtig, dass die persönlichen Daten der Antragsteller:innen unter starkem Schutz stehen.


Kein Hunger bis 2030?

Am 02.06.2023 haben wir uns in Berlin getroffen um den Stand der Ernährungssicherheit weltweit, sowie die Rolle der EU darin zu diskutieren. Denn seit drei Jahren steigt die Zahl der Menschen, die weltweit an Hunger und Mangelernährung leiden, wieder dramatisch an. Betroffen sind derzeit 828 Millionen Menschen, 10% der Weltbevölkerung. Obwohl weltweit genug Lebensmittel zur Verfügung stehen, führen zahlreiche Faktoren dazu, dass das Recht auf Nahrung momentan in vielen Ländern nicht gewährt werden kann. 

Gemeinsam mit meinem Kollege Martin Häusling (Agrarpolitischer Sprecher für die Grünen/EFA) wollten wir das Thema wieder mehr auf die Agenda setzen und haben zu einem spannenden Austausch eingeladen. Mit dabei auf dem Podium waren Sigrid Müller, Stellvertretende Direktorin beim World Food Program Global Office in Deutschland und Tobias Reichert, Referent für Agrarpolitik und Welthandel bei Germanwatch.

Die beiden Inputs unserer Gäste, sowie die gesamte Diskussion könnt ihr euch hier anschauen.

Wir bedanken uns auch bei allen Gästen die vor Ort waren für den spannenden Austausch.

Veranstaltung zum Thema „Kein Hunger bis 2030?“

Seit drei Jahren steigt die Zahl der Menschen, die weltweit an Hunger und Mangelernährung leiden, wieder dramatisch an. Betroffen sind derzeit 828 Millionen Menschen, 10% der Weltbevölkerung. Obwohl weltweit genug Lebensmittel zur Verfügung stehen, führen zahlreiche Faktoren dazu, dass das Recht auf Nahrung momentan in vielen Ländern nicht gewährt werden kann. Dazu gehören der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und daraus resultierende gestörte Handelsketten und Preisanstiege; die gravierenden Folgen des Klimawandels, wie Dürre oder schwere Unwetter und daraus resultierende Ernteausfälle; und nicht zuletzt gewaltsame Konflikte. Betroffen sind vor allem die Länder des globalen Südens. Schädliche Praktiken wie Nahrungsmittelspekulationen feuern die globale Ernährungsunsicherheit zusätzlich an. Die Umsetzung langfristiger Strategien in Partnerländern, Unterstützung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken aber auch die Bereitstellung von ausreichend Ressourcen für Nothilfe in Krisenregionen können hierbei entscheidende Hebel sein bei der Bewältigung des globalen Hungers. 

Angesichts der anhaltenden Krisen, mit denen das globale Ernährungssystem konfrontiert ist, ist der Beitrag der EU zur Förderung der Ernährungssicherheit wichtiger denn je. Aber wie übernimmt Europa globale Verantwortung für die Welternährung? Welche Herausforderungen und Konflikte stehen einer globalen grünen und gerechten Zukunft ohne Hunger im Weg? Und wie können wir Einflüsse durch Lebensmittelspekulationen auf eine bereits angespannte Lage reduzieren? 

Um auf diese Fragen Antworten zu suchen, wollen wir uns am 02. Juni dem aktuellen Stand der Ernährungssicherheit, den Herausforderungen für das globale Ernährungssystem und der Rolle der politischen Entscheidungsträger in der EU bei der Bewältigung dieser Herausforderungen widmen. 

Programm: 

17:00 – 18:30

  • Begrüßung durch MdEP Martin Häusling (Agrarpolitischer Sprecher für die Grünen/EFA) und MdEP Erik Marquardt (Vizevorsitzender des Entwicklungsausschusses)
  • Input von Tobias Reichert – Germanwatch: Einfluss von Lebensmittelspekulation auf Ernährungssicherheit
  • Input von Sigrid Müller – World Food Programme: Wie weit bis zum Ziel Kein Hunger bis 2030?
  • Diskussion und Austausch mit dem Publikum

18:30 – 19:00

  • Ausklang bei kleinem Empfang

Moderation: Susan Zare, Moderatorin, Journalistin & Sprecherin

Ort der Veranstaltung: 

Spielfeld Digital Hub, Skalitzer Straße 85/86 – 10997 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

02.06.2023 

17 – 19 Uhr 

Anmeldung: 

ANMELDUNG GESCHLOSSEN

Für alle Menschen, die nicht vor Ort teilnehmen können, wird es eine Möglichkeit geben, über einen Live-Stream zuzuhören. Den Link werdet ihr kurz vor Veranstaltungsbeginn per Mail erhalten.

Fit for 55

Heute haben wir im Europaparlament einen wesentlichen Schritt für die Europäische Klimapolitik getan. Auch wenn ich mir mehr gewünscht hätte, ist das ein guter Tag für das Klima. Die EU hat es sich zum Ziel gesetzt, die Netto-Treibhausgase um 55 Prozent bis 2030 zu senken und das Parlament hat dafür eine Dekarbonisierung durch eine CO2-Ausgleichssteuer, einen höheren Preis für CO2-Zertifikate und einen Klimasozialfonds beschlossen. Erklärungen für die einzelnen Maßnahmen, findet ihr auf diesen Schaubildern:

Europabrunch

Am 22. April veranstalte ich –  Erik Marquardt (MdEP) – mit Unterstützung der LAG Europa in Berlin einen Europabrunch. Dort informieren wir über die aktuellen Entwicklungen der europäischen Asylpolitik. Außerdem  werfen wir anlässlich des Earth Days einen Blick auf die europäische Klimapolitik. 

Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr und soll drei Stunden dauern, damit genügend Zeit für einen ausgiebigen Brunch bleibt. Im ersten Teil wird Erik Marquardt über die aktuellen Entwicklungen der Europäischen Asylpolitik informieren und anschließende Fragen diskutieren.

Auch in diesem Jahr sind bereits über 500 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers gestorben. Gleichzeitig werden die Methoden, mit denen Seenotrettung verhindert wird, immer unwürdiger. Auf Notrufe wird oft nicht mehr reagiert, zivile Rettungsschiffe werden auf tagelange Irrfahrten geschickt und Milizen in Bürgerkriegsländern werden zur Flüchtlingsabwehr bezahlt. Es steht schlecht um die Menschenrechte an den EU-Außengrenzen. Wie ist die Lage, was müsste passieren und welche Chancen oder Gefahren bietet die aktuell diskutierte Reform des Europäischen Asylsystems? Darüber werden wir im ersten Teil des Brunches reden.

Nach einer Pause kommen wir dann zum zweiten thematischen Block:

Jedoch nicht nur im Bereich Migration gibt es aktuell große Veränderungen, sondern auch im Bereich Energie und Klimapolitik. Deswegen freue ich mich, dass wir für die 2. Hälfte der Veranstaltung meinen Kollegen aus dem Europaparlament Michael Bloss begrüßen dürfen. Der European Green Deal ist das ambitionierteste Klimaschutzvorhaben das wir in Europa je hatten. Für die Umsetzung und Verteidigung dieser Klimaziele setzt sich Michael im Europäischen Parlament ein. Darunter fallen Verhandlungen zu CO2-Preisen, genauso wie das Ende des Verbrennermotors. Dank dieses Einsatzes konnten wir trotz eines kurzen Schluckaufs, dann endlich Ende März das Verbrenner-Aus feiern. Trotzdem müssen wir weiterhin für eine klimagerechte Zukunft der EU kämpfen, denn die Diskussionen zeigen, wie schwierig es ist, in klimapolitischen Fragen voranzukommen. Die Frage bleibt: Wie können wir Lösungen für ein klimagerechtes Europa schaffen?

Um die aktuellen Geschehnisse einzuordnen und über unsere Arbeit als Abgeordnete zu berichten, lade ich hiermit gemeinsam mit der LAG Europa zum Europabrunch am 22. April um 10 Uhr in Berlin ein. 

Das Programm: 

  1. Vortrag Erik Marquardt zur aktuelle Asyl- und Migrationspolitik – wo stehen wir, was wird gerade entschieden und was steht noch an 
  2. Anlässlich des Earth Days: Panel zur Europäischen Klimapolitik mit Michael Bloss und Helena Marschall von Fridays For Future

Ort der Veranstaltung: 

Kin Za, Krausnickstraße 23, 10115 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

22.04.2023 

10 – 13 Uhr 

Anmeldung: 

Bitte meldet euch bis zum 20. April für eine vor Ort Teilnahme an. ANMELDUNG GESCHLOSSEN

Humanitärer Hilfe für die Ukraine aus der Sicht lokaler NGOs 

Zusammen mit meinem Kollegen Barry Andrews (Renew) und der NGO ActionAid habe ich am Dienstag einen Austausch zu den Herausforderungen und Chancen für die humanitäre Hilfe der EU in der Ukraine anhand der Erfahrungen von lokalen NGOs veranstaltet. Mit dabei waren die Organisationen DEIS Rumänien, ROMNI Moldawien und NGO Girls Ukraine sowie Allesandro Valdambrini von der Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission (DG ECHO). 

Die Vertreter:innen der drei NGOs haben von ihren Erfahrungen in der Bereitstellung von humanitärer Hilfe an die Geflüchteten aus der Ukraine und den Menschen vor Ort berichtet und mit welchen Herausforderungen sie als Frauen in von Frauen und/oder Jugendlichen geführten Organisationen konfrontiert sind. Zusätzlich zu diesen persönlichen Erfahrungen stellte Action Aid ihren Bericht “Standing up for our Rights: Feminist Insights from the Ukraine Response” vor, in dem ebenfalls auf diese Herausforderungen vor allem aber auch auf die wichtige Rolle dieser Organisationen für die Krisenbewältigung eingegangen wird.  Sie befürworten allesamt einen feministischen Ansatz in der humanitären Hilfe, wobei lokale Organisationen gezielter gefördert werden sollen. 

Finanzierung lokaler NGOs

Darauf erwiderte Herr Valdambrini, dass ihre Zielvorgabe ist, 25% der humanitären Hilfe an lokale Partner.innen zu geben. Dies kann aber wegen des EU-Mandats nicht auf direktem Wege passieren und muss über internationale Organisationen kanalisiert werden. Somit liege die Verantwortung am Ende auch bei den internationalen Organisationen, den Schwellenwert der 25% einzuhalten. Hier muss sich die Kommission bemühen, zusätzliche Wege zu finden, um die  finanzielle Unterstützung von lokalen NGOs zu gewährleisten. 

Es ist wichtig, dass die Europäische Kommission in der Bereitstellung von humanitärer Hilfe auch von den Erfahrungen der lokalen NGOs lernt, dafür braucht es Plattformen für einen regelmäßigen Austausch. Ich unterstütze den feministischen Ansatz in der humanitären Hilfe um strukturelle Ungleichheiten zu beseitigen und den Stimmen von FLINTA* in Krisensituationen Gehör zu schaffen. Darauf sollte auch die EU zusammen mit ihren internationalen Partner:innen mehr Augenmerk legen.

Abstimmung über das Gemeinsame Europäische Asylsystem

Heute stimmten wir Mitglieder des Innenausschusses über die Parlamentspositionen zu vier Dossiers des im September 2020 von der Kommission vorgestellten Migrations- und Asylpakts ab. Alle vier wurden im Ausschuss angenommen. Konkret geht es um die Position des Europäischen Parlaments zur Screening-Verordnung, der geänderten Asylverfahrensverordnung, der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und der Krisenverordnung. 

Die Verhandlungen waren langwierig und haben gezeigt, dass die aufgeheizte Debatte zu Migrationsthemen eine Einigung auf lösungsorientierte Positionen erschwert. Leider gibt es keinen Anlass zu glauben, dass radikale Asylrechtsverschärfungen die Situation für Schutzsuchende oder die Mitgliedstaaten und Kommunen verbessern. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Asylreform zu einer überbordenden Bürokratie, menschenrechtswidrigen Prozessen und einer stärkeren Überlastung der Aufnahmesysteme führt, als das aktuelle System.

Die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems war eines der zentralen Projekte von Ursula von der Leyens bei ihrer Bewerbung zur Kommissionspräsidentin 2019. Damals habe ich diese Einschätzung des Paktes abgegeben. 

1 Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMMR)

Die Kommission schlägt in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement vor, das derzeitige Dublin-System zu ersetzen und einen neuen Mechanismus zur Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen. Ein Schwerpunkt des Vorschlags liegt auf einer Steigerung der Rückführungen. Das zentrale Problem des Dublin-Systems soll nicht gelöst werden – das Ersteinreiseland soll weiterhin für die Asylverfahren zuständig sein. Für diese Verordnung hat Berichterstatter Thomas Tobé (EVP) seinen Berichtsentwurf im Oktober vergangenen Jahres im Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments vorgestellt. 

Der Standpunkt des Parlaments enthält viele positive Elemente und erhebliche Verbesserungen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag – und wenn er wie vom Parlament vorgeschlagen umgesetzt wird, auch deutliche Verbesserungen gegenüber dem Status quo. 

Nach der Ankunft und Registrierung wird festgelegt, welcher Mitgliedstaat für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist. Bei dieser  Zuweisung gibt es neue, zusätzliche Kriterien, durch welche die Staaten an den Außengrenzen entlastet werden sollen. Außerdem soll es ein verpflichtendes Solidaritätssystem geben, bei dem sich alle Staaten beteiligen. Die Kommission hat hier verschiedene Formen der “Solidarität” vorgeschlagen. Beim Solidaritätssystem in der Parlamentsversion werden Verbesserungen geschaffen, die dafür sorgen, dass eine Umsiedlung – also eine Aufnahme durch ein anderes EU-Land – als priorisiertes Verfahren angesehen wird.

Das wäre deutlich verlässlicher und effizienter als die Ad-hoc-Solidarität, die in den vergangenen Jahren wiederholt weitgehend scheiterte. Für uns Grüne ist die Forderung des Parlaments nach einer sofortigen Umverteilung der aus Seenot geretteten Menschen ein großer Erfolg. Dies könnte dazu beitragen, dass die grausame Verzögerung von Seenotrettung und Hafenblockaden beendet werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die AMMR die grundlegenden Probleme des Europäischen Asylsystems nicht ernsthaft löst, da es nach den Erfahrungen der letzten Jahre leider unrealistisch ist, dass EU-Staaten in der Asylpolitik Europa-, Menschen- oder Grundrechte so implementieren, dass man von einer schnellen Rückkehr zur Rechtstaatlichkeit ausgehen kann. Eine Implementierung des Parlamentsvorschlags zur AMMR würde aber zumindest einige praktische Verbesserungen bieten und hätte keine Nachteile. Deswegen habe ich dafür gestimmt. 

2. Asylverfahrensverordnung (APR)

2016 hat die Kommission einen Vorschlag für die Asylverfahrensverordnung veröffentlicht und obwohl das Parlament in 2018 seinen Bericht vorlegte, haben die Mitgliedstaaten keine Einigung erzielen können. Die 2020 vorgelegten Änderungen in der Asylverfahrensverordnung zielen nun darauf ab, die Mitgliedstaaten zur Anwendung von Grenzverfahren zu verpflichten und den Anwendungsbereich der Richtlinie deutlich zu erweitern. 

Der Kern des Vorschlags ist, dass ein großer Teil der Asylsuchenden für die Bearbeitung der Asylanträge in sogenannten Grenzverfahren an der Grenze bleiben soll. Diese Grenzverfahren sind keine Asylverfahren im eigentlichen Sinne. Dies kann, wie damals in Moria, zu Massenlagern an den Außengrenzen oder zur Schaffung von Haftzentren führen, wie sie in Griechenland auf den Inseln bereits als Pilotprojekte in Betrieb genommen wurden. 

Als Berichterstatter für Grenzverfahren habe ich einen Umsetzungsbericht für das Europäische Parlament geschrieben. Dabei wird deutlich, dass Grenzverfahren die Grund- und Verfahrensrechte von Asylsuchenden stark beschneiden und die angestrebten Ziele in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Die Berichterstatterin für die Asylverfahrensverordnung, Fabienne Keller von den Liberalen hat ihre Position zur APR im Oktober 2021 im Innenausschuss vorgestellt. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Linken haben wir Grüne uns zu Beginn der parlamentarischen Beratungen klar gegen obligatorische Grenzverfahren ausgesprochen.

Der Standpunkt des Parlaments stellt zwar eine Verbesserung gegenüber dem Vorschlag der Kommission dar, enthält aber weiterhin Elemente, welche die Lage von Schutzsuchenden massiv verschlechtern würden. Vor allem die Anwendung einer Regelung zu Grenzverfahren könnte dazu führen, dass viele Menschen ohne angemessene Prüfung ihres Antrags an den Außengrenzen abgefertigt und zurückgeschickt werden. Ein aktuelles Beispiel aus Deutschland für die Problematik solcher Grenzverfahren ist der Fall des 35- Jährigen Mohammad D.,der aus Frankfurt am Main in den Iran abgeschoben wurde, obwohl man derzeit eigentlich nicht in den Iran abschieben darf.


Außerdem ist es schlicht nicht nachvollziehbar, wie so ein System vermeiden will, dass es zu einer Überlastung von Außengrenzstaaten kommt. Die Folge einer Umsetzung der Ausweitung von Grenzverfahren und Einführung zusätzlicher Verfahren würde deswegen dazu beitragen, dass die Außengrenzstaaten sich vom GEAS abwenden und vermutlich wieder zu Menschenrechtsverletzungen und anderen Abschreckungsmaßnahmen greifen.

Die Position des Parlaments widerspricht außerdem der Charta der Grundrechte und dem EuGH-Urteil in Fall Gnandi, da sie keine automatische aufschiebende Wirkung für erstinstanzliche Rechtsbehelfe vorsieht. Konkret besteht hier die Gefahr, dass Menschen in Drittländer abgeschoben werden, bevor ihr negativer Asylbescheid von einem Gericht geprüft wird. Damit besteht auch das Risiko, gegen den Grundsatz des Non-Refoulement zu verstoßen. Deswegen habe ich gegen die Asylverfahrensverordnung gestimmt. Zu beachten ist, dass ein Großteil des Verhandlungsmandats gegenüber dem Rat aus der Parlamentsposition von 2018 stammt. Damals haben wir für diese Position gestimmt.

3. Screening-Verordnung

Mit der Screening-Verordnung möchte die Kommission einen zusätzlichen Schritt für Asylsuchende einführen, bevor sie Zugang zum Asylsystem erhalten. Das Screening-Verfahren würde Mitgliedstaaten verpflichten, in einem kurzen Verfahren die Registrierung, Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen durchzuführen. Außerdem sollte die Entscheidung am Ende des Screening-Verfahrens laut Kommissionsvorschlag nicht juristisch angefochten werden können, was der willkürlichen und ungerechten Behandlung von Schutzsuchenden Vorschub leisten würde. Mit dem oben beschriebenen Grenzverfahren in der Asylverfahrensverordnung bestünde die Gefahr, dass Schutzsuchende lange in einem rechtlichen Niemandsland gehalten und auch lange eingesperrt bleiben. 

Die Screening-Verordnung ist das einzige Dossier des Pakts, das zum Schengen-Besitzstand gehört, aber mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem verbunden ist. Das Parlament befasst sich mit dem Dossier, seitdem die Berichterstatterin Birgit Sippel von der S&D ihren Bericht im November 2021 im Innenausschuss vorgestellt hat. Der Rat hat eine Position zum Screening verabschiedet und ist bereit, in die interinstitutionellen Verhandlungen einzutreten.

Screening beinhaltet den Vorschlag eines Grundrechts-Monitoring-Mechanismus an der Außengrenze, was sehr wichtig ist, um die aktuellen systematischen Verletzungen der Menschenrechte von Menschen auf der Flucht zu verhindern. 

Die Mitgliedstaaten wären verpflichtet, die an den Außengrenzen ankommenden Personen zu überprüfen und auch besonders vulnerable Personen darunter ausfindig zu machen, um diese angemessen zu unterstützen. 

In Verbindung mit einem Überwachungsmechanismus mit einem breiten Anwendungsbereich und hohen Unabhängigkeitsstandards würde dieses Verfahren zu weniger Chaos und weniger Menschenrechtsverletzungen, aber auch zu mehr Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit an den Außengrenzen führen. Außerdem sollen Prüfungen stattfinden, um potentielle Gefahren für Geflüchtete zu vermeiden und zum Beispiel gegen Menschenhandel und organisierte Kriminalität vorzugehen.

Ein effektives Screening-System würde dabei helfen, Schutzsuchende schnell zu registrieren, schnell zu verteilen und die aktuellen Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks oder Verschwindenlassen zu bekämpfen. 

Der Standpunkt des Parlaments zum Screening stellt unter dem Strich eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission dar und würde, wenn er wie vom Parlament vorgesehen umgesetzt wird, zu einer schnelleren Registrierung, kürzeren Inhaftierungen und besseren Standards an den Außengrenzen führen. Außerdem würde die Verordnung aus meiner Sicht eine wichtige Antwort auf die systematischen Verbrechen an den Außengrenzen liefern. Deswegen habe ich zugestimmt, meine Fraktion hat sich enthalten. 

4. Krisenverordnung 

Dank der Richtlinie zur temporären Aufnahme (sog. “Massenzustromrichtlinie” / TPD) haben wir ein EU-Instrument, das sich bei der Aufnahme von Millionen Ukrainer:innen in der EU seit der russischen Invasion in der Ukraine weitgehend bewährt hat. Der Vorschlag der Kommission in der  Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt sieht vor, eben diese Richtlinie zur temporären Aufnahme abzuschaffen, was in der momentanen Situation massive Komplikationen mit sich brächte.

Aber auch sonst ist diese Verordnung problematisch, weil die Kommission damit erreichen möchte, dass in Krisensituationen verschiedene Abweichungen von den Mindeststandards möglich sind, mit denen das Asylrecht weiter ausgehöhlt werden würde. Dabei müsste ein Mitgliedstaat die Kommission darum bitten, festzustellen, dass eine solche Krisensituation vorliegt. Wann eine Krise bestehen könnte, wird nicht näher definiert, aber in den einleitenden Bemerkungen wird die Lage an der türkisch-griechischen Grenze im März 2020 wie auch die Corona-Pandemie genannt. Durch die unklare Definition besteht die Gefahr, dass Mitgliedstaaten die Verordnung instrumentalisieren könnten, um das Asylrecht zu beschneiden.

Seit der Berichterstatter Juan Fernando López Aguilar (S&D) seine Position zu der Krisenverordnung dem Innenausschuss im November 2021 vorgelegt hat, fanden viele Diskussionen statt, um ein Gleichgewicht zwischen Maßnahmen zur Stärkung der Solidarität in Krisensituationen (für uns Grüne vorrangig) und Ausnahmen von den Regeln des EU-Asylsystems unter normalen Umständen sicherzustellen.

Dank der Arbeit der progressiven Fraktionen finden sich in der Position des Parlaments einige gute Elemente: die verpflichtende Umverteilung von Schutzsuchenden im Krisenfall, die Beibehaltung der TPD, ein neues System der schnellen Anerkennung (prima-facie-Ansatz) für diejenigen, die mit klarem Schutzbedarf ankommen (wie Syrer:innen in den Jahren 2015-2016) und die zentrale Rolle für die Kommission bei der Einstufung als Krisensituation.

Im Standpunkt des Parlaments wurden jedoch auch schwerwiegende Ausnahmeregelungen von den Vorschriften festgelegt, die in einer Krisensituation eine lange Inhaftierung an der Außengrenze ermöglichen und die Situation der Asylbewerber:innen weiter verschlechtern. Obwohl ich die positiven Elemente sehe, habe ich mich der Stimme enthalten, weil die Ausnahmeregelungen meiner Meinung nach keine Lösung der jetzigen Situation an den EU-Außengrenzen darstellen, sondern das Problem verschlimmern.

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