Unser Vorschlag für ein gerechtes und effizientes Asylsystem in Europa

Mit diesem Papier präsentieren wir, die Grünen/EFA-Fraktion in Europäischen Parlament, unseren Vorschlag für das zukünftige Gemeinsame Europäische Asylsystem. 

Das halten wir für notwendig, weil wir in Europa Geflüchtete derzeit nicht mir der Würde behandeln, die ihnen zusteht.

Es darf nicht sein, dass die griechischen Inseln weiterhin für ein Hotspotsystem missbraucht werden, das zwangsläufig in eine humanitäre Katastrophe führt. Und es darf auch nicht sein, dass Menschen dort Jahre verbringen müssen, ehe über ihren Asylantrag entschieden wird. Wir brauchen stattdessen schnelle, faire und geordnete Verfahren an den EU-Außengrenzen.

So stellen wir uns ein gemeinsames und solidarisches europäisches Asylsystem vor:

Geflüchtete werden in gemeinsamen und offenen Zentren registriert und durchlaufen dort auch Sicherheitskontrollen. Asylanträge werden in einer gemeinsamen europäischen Datenbank registriert und bearbeitet.

Kurz nach ihrer Ankunft werden Asylsuchende angehört, um spezifische Bedürfnisse zu ermitteln und um den Aufnahme-Mitgliedstaat zu bestimmen. Die persönlichen Verbindungen und Präferenzen der Asylsuchenden sollen bei der Verteilung berücksichtigt werden.

Eine EU-Agentur für Asylfragen ist für die endgültige Entscheidung über die Verteilung auf andere Mitgliedstaaten und die Verwaltung des Verteilmechanismus zuständig.

Die Verteilung der Asylsuchenden soll nicht weiter auf dem Prinzips der Ersteinreise basieren, bei dem immer der Staat für Asylverfahren zuständig ist, in dem die Menschen das erste mal europäischen Boden betreten. Dieses System ist gescheitert.  

Freiwillige und verpflichtende Solidarität

Um Asylsuchende gerecht zu verteilen, möchten wir stattdessen ein zweistufiges System mit positiven Anreizen zur Stärkung der Solidarität schaffen.

Die erste Stufe beruht auf freiwilliger Solidarität. Sie stützt sich auf die Bereitschaft von Städten und Regionen, Geflüchtete aufzunehmen. Alleine in Deutschland haben sich über 150 Städte, Gemeinden und Kommunen zu sicheren Häfen erklärt. Die EU soll eine solche Aufnahmebereitschaft durch die Übernahme von Kosten weiter fördern.

Die zweite Stufe beruht auf verpflichtender Solidarität von allen EU-Mitgliedsstaaten: Falls die freiwillige Aufnahme an ihre Grenzen gerät, schaffen die Mitgliedstaaten neue Aufnahmeplätze oder leisten einen finanziellen Beitrag zu den Gesamtkosten für die Aufnahme. Falls auch das nicht ausreicht, löst die EU-Kommission mit einer Gelben Karte ein Warnsystem aus und ergreift, wenn nötig, weitere Maßnahmen.

Wer nicht helfen will, muss zahlen

Die Kommission sorgt mit einem transparenten Überwachungsmechanismus dafür, dass sich alle Mitgliedstaaten an die Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems halten und Asylsuchende überall anständige Bedingungen nach gemeinsamen Mindeststandards vorfinden.

Wir brauchen ein Asylsystem, das Solidarität belohnt und fördert und nicht bestraft. Die Zeiten, in denen sich Staaten dafür schämen, dass sie Menschen in Not helfen, müssen vorbei sein. Die Europäischen Werte werden abgeschafft, wenn es sich für EU-Mitglieder weiterhin lohnt, jede Solidarität zu verweigern. Wer helfen will, muss unterstützt werden. Wer nicht helfen will, soll dafür bezahlen.

Anfrage: Lage an der Grenze zwischen der Türkei und der EU

Um als Europaabgeordneter meine parlamentarische Kontrollfunktion ausüben zu können, habe ich die Möglichkeit, Anfragen an die EU-Kommission stellen. Die Kommission muss diese Fragen beantworten.
Am 04.03.2020 habe ich der Kommission folgende Fragen gestellt:

Anfrage mit Vorrang zur schriftlichen Beantwortung P-001313/2020 an die Kommission

Betrifft: Lage an der Grenze zwischen der Türkei und der EU

Seit der Entscheidung der Türkei, ihre Grenzen am Freitag, dem 28. Februar, zu öffnen, verschlechtert sich die Situation an der Grenze zwischen der Türkei und der EU. Offizielle Stelle haben mitgeteilt, dass ein vierjähriger syrischer Junge in den Gewässern vor Lesbos starb, und Journalisten berichten, dass ein syrischer Flüchtling von Grenzschutzbeamten erschossen wurde. Darüber hinaus hat die griechische Regierung einen Beschluss verkündet, dem zufolge die Abschreckung an der Grenze zu erhöhen und neue Asylanträge einen Monat lang zu blockieren seien. Das UNHCR schätzt, dass am 1. und 2. März etwa 1200 Personen auf den Ostägäischen Inseln angekommen sind.

Die – wenn auch vorübergehende – Aussetzung des Rechts auf die Beantragung von Asyl und jede Verletzung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung sind nach der Genfer Konvention, der Charta der Grundrechte und dem Vertrag über die Europäische Union rechtswidrig.

1.    Was wird die Kommission tun, um zu gewährleisten, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten dem internationalen Asylrecht und dem Asylrecht der EU Rechnung tragen?

2.    Wird sie sich mit der mutmaßlichen Anwendung von Gewalt an der Grenze zwischen der EU und Griechenland befassen, einschließlich des Einsatzes von Tränengas und der exzessiven Anwendung von physischer Gewalt durch Grenzschutzbeamte gegen Asylsuchende?

3.    Welche Maßnahmen wird die EU in Abstimmung mit internationalen Organisationen, einschließlich des UNHCR und der IOM, ergreifen, um den Druck auf die Mitgliedstaaten der ersten Einreise zu mindern?

P-001313/2020

Antwort von Kommissarin Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission:

Nach Artikel 4 des Schengener Grenzkodexes[1] müssen die Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Grenzkontrollen unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften der Union im Zusammenhang mit dem Zugang zu internationalem Schutz und des Grundsatzes der Nichtzurückweisung handeln.

Die Kommission nimmt alle Vorwürfe über den Einsatz von Gewalt an den EU-Außengrenzen ernst und geht davon aus, dass die griechischen Behörden in sämtlichen Fällen Ermittlungen einleiten. Obgleich die Mitgliedstaaten dafür zuständig sind, zu bestimmen, welche Maßnahmen zur Verhinderung unbefugter Grenzübertritte geeignet sind, muss die Anwendung von körperlicher Gewalt gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. Die Kommission unterstützt die griechischen Behörden dabei, Spannungen zu deeskalieren sowie Ruhe und Ordnung an der Grenze wiederherzustellen.

Am 4. März 2020 hat die Kommission einen Aktionsplan für Sofortmaßnahmen zur Unterstützung Griechenlands[2] vorgelegt. Zu den jüngsten Erfolgen der Initiative zählen die koordinierte Umsiedlung von rund 1600 unbegleiteten Minderjährigen aus Griechenland in andere Mitgliedstaaten und die im Rahmen der Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des COVID-19-Virus erfolgte Verlegung von 1000 schutzbedürftigen Migranten von Hotspots in lokale Hotels. Darüber hinaus wird der neue Migrations- und Asylpakt Vorschläge für eine weitreichende Solidarität mit den Mitgliedstaaten der ersten Einreise beinhalten. Die Kommission arbeitet in dieser Hinsicht auch weiterhin eng mit internationalen Organisationen zusammen, insbesondere mit der Internationalen Organisation für Migration und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, die nach wie vor eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der EU-Hilfsmaßnahmen für Migranten und Flüchtlinge innehaben.


[1] Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex)

[2] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_20_384

#LeaveNoOneBehind – So könnt ihr helfen

Mich erreichen viele Nachfragen von Menschen, die sich fragen, wie sie in der gegenwärtigen Situation helfen können. Ich freue mich sehr über die große Hilfsbereitschaft und habe deswegen ein paar Ideen für euch zusammen getragen, was ihr jetzt tun könnt.


Bei der #LeaveNoOneBehind-Kampagne mitmachen

Schließt euch mehr als 330.000 Menschen an und unterstützt die Kampagne Leave No One Behind. Auf der Homepage findet ihr verschiedene Optionen zum Engagement. Weil #LeaveNoOneBehind ein gesamteuropäisches Projekt ist, haben wir die Petition in zwölf Sprachen übersetzt.


Spenden

Ihr könnt für #LeaveNoOneBehind spenden. Diese Spenden gehen zu 100% über einen Stiftungsfonds an Projekte, die Geflüchtete vor Ort unterstützen. Die Initiativen und Organisationen können für ihre Projekte unbürokratisch Mittel beantragen, so dass die Spenden direkt dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Allerdings kostet auch die Organisation der Kampagne etwas Geld. Wir würden gerne weiter machen und auf die Probleme aufmerksam machen, damit politischer Druck entsteht. Die Kampagnenkosten werden aber unabhängig vom Stiftungsfonds gesammelt. Wenn ihr für die Kampagnenkosten spenden wollt, könnt ihr das unter civilfleet.org/spenden tun. Wenn ihr eine Organisation seid, die Unterstützung benötigt, könnt ihr an kontakt@leavenoonebehind.de schreiben.

Bei der Aktion Scheiß auf Egoismus könnt ihr auch zu Wucherpreisen eine Rolle Klopapier bekommen.


Schreibe deinen Bundestagsabgeordneten

Mit diesem Link könnt ihr schnell und unkompliziert dem/der Bundestagsabgeordneten aus eurem Wahlkreis schreiben. Schreibt auch gerne in die Nachricht, was eure Beweggründe sind und warum ihr glaubt, dass man Geflüchteten jetzt helfen muss. Stellt ruhig Fragen, die euch interessieren. Oft gibt es Standardantworten, aber da kann man immer nochmal nachfragen.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man viel Einfluss entwickeln kann, wenn man vernünftige Mails an Abgeordnete schreibt und den Fraktionen klar wird, dass sich viele Menschen für ein Thema interessieren. Leider bekommt man viele Nachrichten von Rechten und wenige von vernünftigen Leuten. Ich kann euch nur empfehlen, ein bisschen Zeit zu investieren und den Abgeordneten zu schreiben. Ihr müsst natürlich nicht nur den Bundestagsabgeordneten schreiben, sondern könnt auch den Europaabgeordneten und Landtagsabgeordneten schreiben.

Beschwerde bei der Europäischen Kommission

Dir fällt auf, dass man sich bei dir zuhause nicht an europäisches Recht hält? Hier kannst du dich bei der Europäischen Kommission beschweren. Einfach ein paar Fragen beantworten, dann bekommst du Kontakt zur zuständigen Stelle.

Europäische Bürgerinitiative

Falls ihr es dann ganz groß aufziehen wollt, geht es hier zur europäischen Bürgerinitiative (EBI). Eine EBI ist eine Petition, die von einer Million Menschen aus mindestens 7 EU-Mitgliedstaaten unterschrieben werden muss. Ist die EBI erfolgreich eingereicht, muss sich das Europäische Parlament damit befassen.


Teilen, liken, kommentieren!

Rechtspopulistische Thesen, Inhalte und Meinungen sind in den sozialen Medien (besonders bei Facebook und Twitter) viel präsenter als in der analogen Welt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die Rechten gezielt versuchen, den Eindruck zu erwecken, dass sie in der Mehrheit sind. Dem müssen wir uns auch online entgegenstellen. Das könnt ihr machen, indem ihr selbst politische Beiträge kommentiert, sie teilt oder liked. Dann werden die Beiträge mehr Menschen angezeigt. Viele Hilfsorganisationen, wie zum Beispiel die Seenotrettungsorganisationen Sea-Eye oder Sea-Watch, freuen sich natürlich auch, wenn ihre Inhalte geteilt werden und bei mehr Menschen auftauchen.


Alles immer weitersagen!

Das Wichtigste ist meiner Meinung nach, dass ihr nicht nur selbst etwas macht, sondern andere Leute einbindet und sie bittet, alles auch immer weiter zu sagen. Ein Beispiel: Wenn ihr selbst eine Petition unterschreibt, hat diese Petition eine Unterschrift mehr. Wenn ihr selbst unterschreibt und 3 Leute motiviert, die wieder jeweils wieder 3 Leute motivieren, die wieder 3 Leute motivieren, sind es schon 28 Unterschriften. Wenn die Leute dann wieder 3 Leute motivieren, die wieder 3 Leute motivieren, sind es schon 244.


Kann man vor Ort helfen oder Hilfsgüter schicken?

Grundsätzlich kann man in normalen Zeiten wohl leichter vor Ort helfen, als man denkt! Voraussetzung ist oft, dass man mindestens 4 Wochen Zeit hat. Momentan ist es aber ohne Vorerfahrung nicht einfach möglich, vor Ort zu helfen. Besonders auf den griechischen Inseln muss alles dafür getan werden, dass das Virus nicht in Camps wie Moria ankommt. Deswegen sollte man natürlich vermeiden, auf die Insel zu kommen. Aktuell ist das sowieso wegen der Reisebeschränkungen nicht so leicht möglich. Ich kann aber empfehlen, dass man sich einfach selbst informiert. Es gibt diverse Facebook-Gruppen (einfach mal nach „volunteers“ suchen) ´und vielleicht für das nächste oder übernächste Jahr bei Hilfsorganisationen fragen, ob sie auf der Suche nach Freiwilligen sind. Ich kann auch empfehlen, dass man sich dabei nicht nur auf die Hotspots konzentriert, die momentan in den Medien präsent sind. Wenn man auf den griechsichen Inseln helfen will, ist es zum Beispiel so, dass andere griechische Insel wie Samos, Kos, Chios, oder Leros zwar nicht so viel Medienaufmerksamkeit wie Lesbos haben, es dort oft aber ähnliche Probleme gibt. Teilweise ist der Bedarf an Hilfsgütern oder ehrenamtlicher Hilfe dort noch größer.

Hilfsgüter werden vor Ort gebraucht, aber in den allermeisten Fällen sollte man das am aktuellen Bedarf orientieren und in größere Aktionen einbinden. Wenn man ein paar alte T-Shirts oder Schuhe hat, die man nicht mehr tragen will, weil sie kaputt sind, kann damit auch auf Lesbos niemand etwas anfangen.

Es gibt also viele Möglichkeiten, wie man trotz allem sehr viel bewirken kann. Vielen Dank für all eure großartige Hilfe!

Europa darf die Seenotrettung nicht an Libyen auslagern

Das Gutachten “Places of Safety in the Mediterranean: The EU’s Policy of Outsourcing Responsibility“ der Heinrich Böll Stiftung zeigt auf, dass die nordafrikanischen Mittelmeeranrainerstaaten nicht als „sichere Häfen“ betrachtet werden können und dass die EU die Seenotrettung daher nicht an diese Staaten auslagern kann. Dies gilt vor allem für das Bürgerkriegsland Libyen.

Seit 2014 sind über 20.000 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken. Die Mitgliedsstaaten der EU schaffen es nicht, sich auf ein gemeinsames Programm zur Seenotrettung zu einigen und akzeptieren den Tod dieser Menschen, damit so wenige von ihnen wie möglich Europa erreichen. Sie kooperieren mit kriminellen Milizen in Libyen und nehmen bewusst Grundrechtsverletzungen in Kauf. Manche Politiker*innen schlagen sogar vor, die Geflüchteten direkt nach Nordafrika, auch ins libysche Kriegsgebiet, abzuschieben.

Vor diesem Hintergrund hat diese Studie wichtige politische Implikationen. Sie stellt fest, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten sich ihrer Verantwortung zur Rettung von Menschen im Mittelmeer nicht entziehen können.

Italien und Malta dürfen Häfen nicht schließen

Die Politik von EU-Staaten wie Italien und Malta, ihre Häfen zu schließen und NGO-Schiffen den Zugang zu ihren Häfen zu verweigern, kostet Menschen das Leben und ist ebenso illegal wie die Verlagerung der Rettung auf Libyen.

Die Mitgliedsstaaten und die EU müssen Geflüchtete und Migrant*innen retten und in europäische Häfen bringen. Nicht nur aus moralischen Gründen, sondern auch aus rechtlichen. Ihre Häfen müssen für Rettungsschiffe offenbleiben.

Tödlichste Route der Welt

Die Route von Libyen nach Europa ist die tödlichste Migrationsroute der Welt. Der Hauptgrund hierfür ist, dass die EU ihre Rettungsaktivitäten im Mittelmeer eingestellt hat. Die Marineoperation Sophia, die mehr als 40.000 Migrant*innen und Geflüchteten das Leben rettete, beendete den Einsatz. Es gibt derzeit kein einziges staatliches Rettungsschiff im Mittelmeer.

Zivile Organisationen, die versuchen, diese Lücke zu schließen, werden häufig behindert, strafrechtlich verfolgt oder ihre Schiffe werden beschlagnahmt. Indem Europa jegliche Seenotrettung einstellt und auch aktiv die NGOs daran hindert, Leben zu retten, ist sie für den Tod von tausenden Menschen im Mittelmeer mitverantwortlich.

Diese Studie macht deutlich, dass sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten dieser Verantwortung nicht dadurch entziehen können, dass sie die Seenotrettung an Libyen oder andere nordafrikanische Mittelmeeranrainer auslagern.

Libyen und andere Staaten in Nordafrika sind keine sicheren Häfen

Libyen ist einer der unsichersten und gefährlichsten Orte für Geflüchtete weltweit. Von der libyschen Küstenwache abgefangene Personen werden in Lager gebracht, in denen sie unmenschlichen Bedingungen, Folter, Vergewaltigung, Ausbeutung und sogar willkürlichen Tötungen ausgesetzt sind.

Die derzeitige europäische Politik, diese libysche Küstenwache zu unterstützen und sie zum Türsteher Europas zu machen, ist zutiefst unmenschlich und verstößt gegen das Völkerrecht. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben die Pflicht, die Menschen an einen sicheren Ort zu bringen, an dem ihr Leben und ihre Sicherheit nicht bedroht sind und wo sie vor Verfolgung sicher sind. 

Die Studie belegt, dass es diese sicheren Häfen nur in Europa gibt. Daraus ergeben sich folgende sieben konkreten politische Forderungen:

1. Wir brauchen eine europäische Seenotrettungsmission!

Die Mitgliedsstaaten müssen proaktiv Seenotrettungseinsätze betreiben und dafür Schiffe und Ressourcen zur Verfügung stellen. Die Europäische Kommission muss diese koordinieren und finanzielle Unterstützung für die Mitgliedsstaaten leisten, damit diese ihre Möglichkeiten verbessern, Menschenleben auf See zu retten. 

2. Die Zusammenarbeit der EU mit der libyschen Küstenwache muss beendet werden

Europa darf sich seinen Verpflichtungen in der Seenotrettung nicht dadurch entziehen, dass es die Verantwortung auf ein Land abwälzt, dass unter keinen Umständen als sicherer Ort betrachtet werden kann. Die EU muss die Zusammenarbeit mit Libyen einstellen. Statt die libysche Küstenwache zu finanzieren, die auch ein Zusammenschluss von Warlords ist, sollte die EU in ihre eigenen Kapazitäten zur Seenotrettung investieren.

3. Menschen, die im Mittelmeer aus Seenot gerettet wurden, müssen nach Europa gebracht werden

Die Studie belegt, dass keiner der nordafrikanischen Mittelmeeranrainer generell als sicherer Hafen eingestuft werden kann. Für gefährdete Gruppen wie LGBTI oder andere Minderheiten sind diese Staaten nicht sicher. Da es an Bord der Rettungsschiffe nicht durchführbar ist, festzustellen, welche Territorien für die Menschen sicher wären und welche nicht, kann sich Europa seiner Verantwortung nicht entziehen und muss die Menschen in sichere Häfen nach Europa bringen. Dies gilt auch für NGO-Schiffe. Die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache stellt eine Verletzung des Völkerrechts dar.

4. Die Kriminalisierung und Einschüchterung der NGOs muss enden

Schiffskapitän*innen und Besatzungsmitglieder dürfen für die Rettung von Personen in Seenot nicht strafrechtlich verfolgt werden. Diese Menschen sind Lebensretter*innen, keine Kriminellen. Die Europäische Kommission muss beschließen, dass humanitäre Hilfe nicht von den Mitgliedsstaaten kriminalisiert werden darf.

5. Die EU muss eng mit den NGOs zusammenarbeiten

Zivile Organisationen können die Mitgliedsstaaten nicht von ihrer Pflicht befreien, selbst Menschen in Seenot zu retten. Doch sie können dabei helfen, Leben zu retten. Die EU sollte die NGOs bei der Rettung unterstützen, indem sie ihre Häfen für sie öffnet, die Registrierung von Schiffen zur Seenotrettung vereinfacht und sie über Notfälle informiert.

6. Europa braucht einen zuverlässigen Umverteilungsmechanismus

Die EU-Kommission muss eine solidarische und humanitäre Alternative des Dublin-Systems entwickeln, in dem die Rechte und Wünsche der Geflüchteten beachtet werden. Eine hohe Solidarität und Aufnahmebereitschaft müssen auch finanziell gefördert werden. Dabei sollte vor allem auch die Bereitschaft von Kommunen und Regionen berücksichtigt und mit EU-Mitteln gefördert werden.

7. Die EU muss aufhören, Entwicklungsgelder für Migrationsabwehr zu missbrauchen 

Die EU unterstützt die libysche Küstenwache über den EU-Treuhandfonds für Afrika. Das ist ein Missbrauch von Geldern, die eigentlich der Entwicklungszusammenarbeit dienen. Das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit ist die Bekämpfung von Armut, nicht die Bekämpfung von Migration. Allgemein muss viel transparenter gemacht werden, wofür EU-Gelder in Drittländern verwendet werden.

Wir dürfen niemanden zurücklassen!

Wir brauchen jetzt eine substantielle Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln, damit sich die Geflüchteten vor dem Corona-Virus schützen können.

Als ich Ende Februar auf Lesbos ankam, hätte ich nicht gedacht, dass die Situation viel schlimmer werden könnte. Ich wollte die sitzungsfreie Woche hier verbringen, um mir anzuschauen wie sich die Lage auf Moria entwickelt hat. Ein Lager in Europa, in dem die Bearbeitung eines Antrags schon mal über ein Jahr dauern kann und Kinder in der Zeit keine Schule besuchen können. Ein Lager, in dem Menschen seit vier Wintern auf dem feuchten Boden oder in Sommerzelten schlafen.

Das Menschen in der EU so leben müssen, ist eine Schande für uns alle. Die Situation hier ist nicht so schlecht, weil die EU es nicht besser organisieren könnte. Sie ist so schlecht, weil das politisch gewollt ist. Es ist politisch gewollt, dass die Verhältnisse so schlimm sind, weil man abschrecken will. Aber das Ziel kann es doch nicht sein, dass in den Lagern an den Außengrenzen schlimmere Verhältnisse herrschen, als in einem Bürgerkrieg, nur damit keiner mehr auf die Idee kommt, nach Europa zu fliehen.  

Erdoğans Grenzöffnung und Rechtsextreme auf Lesbos

Mit der Vermutung, dass es kaum schlimmer kommen könne, habe ich mich leider geirrt. Nachdem Erdoğan eine Grenzöffnung verkündete und plötzlich ein paar Tausend Menschen an der Außengrenze standen, reagierte Griechenland mit Gewalt und setzte einfach das Grundrecht auf Asyl aus. Ich habe ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, welches darlegt, dass die griechische Regierung rechtswidrig gehandelt hat. Die griechische Küstenwache begann in Richtung von Schlauchbooten voller Menschen zu schießen, statt diese zu retten. Man ließ Boote stundenlang in Seenot verharren, statt sofort einzugreifen. Ein Mädchen ertrank bei dem Versuch nach Lesbos zu gelangen, obwohl man sie hätte retten können.

Rechtextreme aus ganz Europa mobilisierten den Mob nach Lesbos. An manchen Tagen kamen mehr Nazis als Flüchtlinge auf Lesbos an. Rechte Banden übernahmen die Straßen und patrouillierten mit Eisenketten in der Stadt. Rechtsradikale konnten hier tagelang Jagd auf Hilfsorganisationen, Geflüchtete und JournalistInnen machen, ohne dass die Polizei eingriff. Eine Hilfseinrichtung wurde sogar in Brand gesteckt. Da hat der griechische Rechtsstaat einfach völlig versagt.

Das Corona-Virus ist eine Gefahr für die Menschen in den griechischen Lagern

Und dann kam es noch einmal schlimmer. Der Corona-Virus breitet sich sehr schnell in Europa aus. Das Virus unterscheidet nicht nach Hautfarbe, Religion oder Geschlecht. Während überall in Europa Kontaktverbote und Ausgangssperren verhängt werden, leben hier 20.000 Menschen zusammengepfercht in einem Lager, das für 3000 Menschen errichtet wurde. Auf 1300 Menschen kommt ein einziger Wasserhahn und selbst der fällt ständig aus. Man kann sich hier kaum die Hände waschen, geschweige denn, sich in Social Distancing üben. Wenn das Corona-Virus nach Moria kommt, dann wird es nicht so schnell aufzuhalten sein.

Die Mitgliedsstaaten haben Möglichkeiten, die Corona-Katastrophe in überfüllten Flüchtlingslagern zu verhindern. Es ist doch in unserem Interesse, dass wir keine Orte in Europa zulassen, in denen sich das Virus ungehindert ausbreiten kann. Man muss die Lager nicht trotz, sondern wegen Corona schnell evakuieren.

#Leavenoonebehind

Die Menschen müssen jetzt an Orten Quarantänemöglichkeiten bekommen, wo sie vor dem Virus geschützt sind. Die Kommission muss den Prozess koordinieren, aber Mitgliedstaaten müssen vorangehen und Griechenland beim Kampf gegen die Verbreitung des Corona-Virus unterstützen. Dafür braucht es auch finanzielle Hilfen, aber vor allem den politischen Willen, Probleme zu lösen, statt immer zu erzählen, was wir alles nicht tun können. Das griechische Festland braucht dabei Unterstützung, ebenso wie die Menschen auf den griechischen Inseln. Viel zu lange haben wir diese Bürger im Stich gelassen.

Um mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen, habe ich die Kampagne „Leave no One behind“ mit ins Leben gerufen. Es ist eine Initaitive, in der es darum geht, dass Bürger*innen aus ganz Europa in der Coronakrise zusammenstehen und sich für jene einsetzen, die unsere Solidarität brauchen. Dazu gehören die Flüchtlinge an unseren Außengrenzen, die Obdachlosen, die Alten und Kranken. Wenn wir jetzt nicht handeln, machen wir uns mitschuldig an der Katastrophe, die diese Menschen bedroht.

Gutachten: Umgang mit Geflüchteten an griechisch-türkischer Grenze ist rechtswidrig

Ich habe ein Gutachten mit dem Titel No State of Exception at the EU External Borders in Auftrag gegeben.

Es legt dar, dass EU-Staaten das Asylrecht nicht aussetzen und die Annahme von Asylanträgen nicht verweigern dürfen. Griechenland hat rechtswidrig gehandelt, als es das Asylrecht für einen Monat außer Kraft setzte. Pushbacks oder Abschiebungen, ohne ein individuelles Verfahren, verstoßen gegen EU- und Völkerrecht. Pushbacks oder Abschiebungen, ohne ein individuelles Verfahren, lassen sich weder nach EU-Recht noch nach europäischem Menschenrechtsrecht rechtfertigen. Der Umgang mit Menschen an der türkisch-griechischen EU-Außengrenze verletzt die Grundwerte der Union wie die Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte.

Das Gutachten in voller Länger finder ihr unter diesem Link

Gutachten belegt: Bundesländer dürfen eigenständig Geflüchtete aufnehmen!

Ich habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass unter dem Titel: „Aufnahme von Flüchtenden aus den Lagern auf den griechischen Inseln durch die deutschen Bundesländer-Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen“ erschienen ist. Es legt dar, dass die Bundesregierung die Aufnahme von einigen geflüchteten Kindern durch die Bundesländer nicht ablehnen darf. Die Regierung lehnt vorhandene Angebote also rechtswidrig ab. Das heißt nicht, dass die Bundesländer oder Kommunen hier jetzt in der Verantwortung sind. Vor allem die Bundesregierung und andere EU-Staaten müssen mit der EU-Kommission jetzt schnell handeln! Das Gutachten ist schon lange geplant und jetzt fertig geworden.

Ihr findet das Gutachten unter diesem Link.

Meine aktuelle Einschätzung der Lage in Griechenland

Statt über rassistisch marodierende Banden an den Außengrenzen zu reden, verweigert die griechische Küstenwache Rettungen, greift Schlauchboote an und bringt Menschen in Lebensgefahr. Wer die militärische Rhetorik von „europäischen Schild“ oder einem „Angriff auf die EU“ teilt oder die griechische Forderung nach „maximaler Abschreckung“ unterstützt, der gibt dem rechten Mob und der rassistischen Gewalt recht. Denn wer sagt: „Wir werden angegriffen, die Gewalt an den Grenzen ist notwendig“, der sagt auch: „Schlagt zu, es ist nur Notwehr“. Die Europäische Kommission, die Bundesregierung und 26 andere EU-Staaten kapitulieren mit Grenzschutz-Durchhalteparolen vor einem Autokraten.

Die menschenunwürdige Politik der letzten Tage ist ein Geschenk für Erdoğan. Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass nur ein paar Tausend Geflüchtete an den Außengrenzen stehen müssen und schon werden Grundrechte und grundlegende Menschenrechte außer Kraft gesetzt. Griechenland verweigert Menschen das Recht auf einen Asylantrag und bislang wird das von Ursula von der Leyen und den meisten europäischen Regierungen scheinbar schlicht geduldet.

Die verantwortlichen Politiker sind von der Situation überfordert und erwarten von der Türkei ernsthaft, dass diese noch eine weitere Millionen Menschen aus Idlib aufnimmt, während an der EU-Außengrenze mit Tränengas auf Kinder geschossen wird, damit bloß niemand sein Recht auf einen Asylantrag in der Europäischen Union in Anspruch nehmen kann.

Es gibt eine Alternative zum aktuellen Chaos und dem Bruch unserer europäischen Werte. Wir müssen sofort humanitäre Hilfe an den Außengrenzen organisieren. Wir müssen Kontingente festlegen, Menschen geordnet von den griechischen Inseln evakuieren und dann muss in verschiedenen Staaten geprüft werden, wer ist schutzbedürftig und wer nicht. Nur durch Humanität und Ordnung können wir eine Antwort finden, die Europa würdig ist.

Mit Gewalt und militärischer Rhetorik auf Schutzsuchende zu reagieren ist für Europa absolut unwürdig.

Für Fragen und weitere Informationen steht unser Pressereferent Krsto Lazarević gerne zur Verfügung.

Humanitäre Krise in Griechenland: Deutschland & Europa müssen Flüchtlingen Schutz bieten

Hier geht es zur Petition!

An der türkisch-griechischen Grenze trägt sich eine humanitäre Katastrophe zu: Nachdem der türkische Präsident Erdoğan die Grenze zu Griechenland geöffnet hat, haben sich tausende Flüchtlinge auf den Weg gemacht, um in der EU einen Antrag auf Asyl zu stellen. In Griechenland wendet die Polizei Gewalt an, damit die Menschen nicht ins Land kommen. 

Die griechische Regierung deklariert die Abschreckung zur Verteidigung der EU-Außengrenze. Gleichzeitig hat Griechenland angekündigt, das Asylrecht auszusetzen. Seit Monaten harren mehr als 40.000 Menschen in völlig überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln aus. Diese Situation auf den Inseln ist nicht länger tragbar. Journalisten und Hilfsorganisationen werden von rechten Gruppen bedroht und die Behörden schützen sie nicht. Nur durch eine schnelle Antwort von EU-Staaten kann eine weitere Eskalation verhindert werden. Auch die Bundesregierung muss rasch handeln. 

Jetzt ist umso notwendiger, was schon lange hätte passieren müssen: Die Europäische Union steht in der Pflicht, Griechenland bei der Bewältigung der Lage mit allen Mitteln zu unterstützen. Humanität und Ordnung müssen nun die Leitprinzipien der EU sein. Das ist eine europäische Notlage, keine griechische. Wenn wir Griechenland jetzt alleine lassen, tragen wir zu weiterem Leid, Unsicherheit und Instabilität bei. 

Wir fordern daher vier Sofortmaßnahmen:

  1. Die Bundesregierung sollte ein Kontingent von Geflüchteten aus Griechenland und den ägäischen Inseln aufnehmen. Wenn Deutschland in Europa vorangeht, werden andere EU-Länder leichter folgen. Ziel muss weiterhin eine faire und schnelle Umverteilung von Geflüchteten innerhalb der EU sein. 
  2. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BAMF) und die Bundesregierung dürfen nicht länger die Familienzusammenführung von Schutzsuchenden in Griechenland mit ihren Verwandten in Deutschland blockieren. Viele Flüchtlinge in Griechenland – darunter zahlreiche unbegleitete Kinder –  haben einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Rahmen der Dublin-Verordnung. Für ihr Asylverfahren ist die Bundesrepublik zuständig. Sie müssen zu ihren Verwandten nach Deutschland überstellt werden. 
  3. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Menschen, die Schutz innerhalb der EU suchen, dürfen nicht ohne eine individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs abgeschoben werden. Die Bundesregierung und die anderen EU-Länder müssen Griechenland so unterstützen, damit an der EU-Außengrenze Flüchtlinge registriert werden und sie dann Zugang zu einem fairen Asylverfahren erhalten. Nur in fairen Asylverfahren kann geprüft werden, wer schutzbedürftig ist und wer nicht. 
  4. Die Polizeigewalt gegen Flüchtlinge muss aufhören. Tränengas und Wasserwerfer verschlimmern nur die Not und lösen nichts. So darf Europa nicht mit Schutzsuchenden umgehen. Journalist*innen, Anwält*innen und NGOs müssen geschützt werden und ungehindert ihre wichtige Arbeit leisten können. Die Bundesregierung muss zusammen mit der EU darauf hinwirken, dass Grundrechte auf allen Ebenen gewahrt bleiben. Die Behörden vor Ort müssen Recht und Gesetz durchsetzen, statt die gewalttätigen Mobs auf den griechischen Inseln zu dulden. 

Der türkische Präsident Erdoğan instrumentalisiert das Leid der Flüchtlinge um Druck auf die EU auszuüben. Darauf braucht es eine gemeinsame europäische Antwort. Wichtig ist, dass wir humanitäre Hilfe leisten und Rechtsstaatlichkeit in Europa verteidigen. Lasst uns dazu diese Eil-Petition mit so vielen Unterschriften wie möglich an die Bundesregierung und den Europäischen Rat adressieren: Deutschland muss Flüchtlingen Schutz bieten!

Mit europäischen Grüßen

Erik Marquardt MdEP , Sven Giegold MdEP, Clara Anne Bünger und Ansgar Gilster

Hier geht es zur Petition

Anfrage: Angriff auf Rettungsschiff Alan Kurdi durch libysche Milizen

Um als Europaabgeordneter meine parlamentarische Kontrollfunktion ausüben zu können, habe ich die Möglichkeit, Anfragen an die EU-Kommission stellen. Die Kommission muss diese Fragen beantworten.
Am 28.02.2020 habe ich von der Kommission Antworten auf folgende Fragen bekommen:

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-003535/2019 an die Kommission

Betrifft: Angriff auf Rettungsschiff Alan Kurdi durch libysche Milizen

Männer haben Warnschüsse abgegeben und mit ihrem Bordgeschütz gedroht. Das brachte nicht nur die Crew der Alan Kurdi, sondern auch rund 90 in Seenot befindliche Menschen in Gefahr. Die libyschen Schiffe hatten keine Bootskennung.
Auch liegen Informationen vor, dass Abd Al-Rahman Al-Milad, genannt Al Bija, der auf einer EU-Sanktionsliste wegen Beteiligung an Menschenschmuggel geführt wird, erneut die Leitung der Küstenwache von Zawiya übernommen hat.

1. Kann ausgeschlossen werden, dass die am Angriff beteiligten Milizen oder die regionale Einheit der libyschen Küstenwache in Zawiya von der EU finanziert oder ausgebildet werden bzw. ist überhaupt nachvollziehbar, welche Mittel an welche Küstenwache fließen?

2 . Welche Erkenntnisse hat die Kommission über die an dem Übergriff beteiligten Milizen, und was wurde unternommen, um beispielsweise eine andere libysche Küstenwache zu Ermittlungen in dem Fall zu drängen?

3. Nach einem neuen Dekret der Regierung in Tripolis sollen NGO-Schiffe, die in libyschen Gewässern agieren, künftig eine Genehmigung bei den libyschen Behörden einholen. Wie wird die Kommission dazu beitragen, dass die libyschen Behörden dieses Dekret mit internationalem Recht in Einklang bringen und nicht auf internationalen Gewässern, also beispielsweise in ihrer Seenotrettungszone anwenden?

E-003535/2019
Antwort von Frau Johansson
im Namen der Europäischen Kommission:

Die Kommission hat es immer als Priorität angesehen, die Kapazitäten der Partnerländer zu unterstützen und damit die Such- und Rettungsdienste zur Seenotrettung zu verbessern. Eine angemessene Steuerung der Migration bedarf eines ausgewogenen Ansatzes, der von der Gewährleistung des Schutzes für Menschen in Not bis zur Stärkung des Grenzmanagements reicht.

Für den Hauptempfänger von EU-Mitteln aus dem Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika, der dem libyschen Innenministerium unterstellten Allgemeinen Küstenschutzverwaltung, wurde bisher eine Reihe von Grundkursen für knapp 100 Mitarbeiter abgehalten. Im Rahmen der Operation Sophia nahmen 477 Mitarbeiter der lybischen Küstenwache und dem Verteidigungsministerium unterstehende Marineoffiziere an Schulungen unter anderem über Menschenrechte und Völkerrecht teil. Diese fanden nach einem Überprüfungsverfahren statt, wodurch sichergestellt ist, dass die betreffenden Beamten nicht auf der Sanktionsliste der Vereinten Nationen stehen. Gegen den auf der Sanktionsliste der Vereinten Nationen geführten Leiter der Küstenwache, Abd Al-Rahman al-Milad, sind derzeit Ermittlungen im Gange. Wie die libysche Küstenwache der Kommission mitgeteilt hat, wurde er vom operativen Dienst suspendiert.

Libyen hat das Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See ratifiziert und im Dezember 2017 die libysche Such- und Rettungszone bekannt gegeben. Dadurch ist eindeutig festgelegt, dass für die Koordinierung der Rettungsmaßnahmen in der ausgewiesenen Region primär die libyschen Behörden verantwortlich sind. Die Kommission wird die Projekte weiterhin genau überwachen und die Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache und der Allgemeinen Küstenschutzverwaltung im Kontext dieser Projekte sowie im Rahmen der EU‑Mission zur Unterstützung des integrierten Grenzmanagements verbessern. Ziel der Kommission ist es, Libyen dabei zu unterstützen, in seinen Hoheitsgewässern Verantwortung unter Einhaltung internationaler Standards zu übernehmen.

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