Anfrage: Aufnahmeeinrichtungen in Bosnien und Herzegowina

Um als Europaabgeordneter meine parlamentarische Kontrollfunktion ausüben zu können, habe ich die Möglichkeit, Anfragen an die EU-Kommission stellen. Die Kommission muss diese Fragen beantworten.
Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten habe ich der Kommission folgende Fragen gestellt:

Betrifft: Angemessene EU-Mittel und langfristige Aufnahmeeinrichtungen in Bosnien und Herzegowina, auch für schutzbedürftige Gruppen

Die Kommission finanziert seit 2018 die Maßnahmen zur Aufnahme von Asylsuchenden in Bosnien und Herzegowina. Mit den Mitteln wurden die Einrichtung und Unterhaltung von Zentren für die vorübergehende Aufnahme, einschließlich Gesundheitsdiensten nach dem Ausbruch von COVID-19, ermöglicht und wichtige humanitäre Hilfe außerhalb dieser Zentren unterstützt. Durch die Finanzierung wurden an mehreren Standorten angemessene Aufnahme- und Lebensbedingungen geschaffen, doch die Ankündigung der Regierung des Kantons Una-Sana (USK) zur Schließung bereits in Betrieb befindlicher Lager (Bira und Miral) hat die jetzt bereits unzureichenden Aufnahmekapazitäten insbesondere für schutzbedürftige Gruppen, darunter unbegleitete Minderjährige und Kinder, verschlechtert, die häufig gezwungen sind, in informellen Siedlungen und in besetzten Häusern zu verbleiben oder sich im Freien im Wald zu verstecken.

1.    Welchen Standpunkt vertritt die Kommission zu den angekündigten Schließungen der Aufnahmezentren Bira und Miral, die die wirksame und nachhaltige Verwendung von EU-Mitteln gefährden?

2.    Wie kann sie die Unterbringung schutzbedürftiger Gruppen unterstützen, insbesondere nach der Schließung der Aufnahmeeinrichtungen Bira und Miral?

3.    Wird die EU angesichts des bevorstehenden bosnischen Winters Mindestbedingungen für die humanitäre Hilfe für Asylsuchende, insbesondere für schutzbedürftige Gruppen, unterstützen, einschließlich einer möglichen Erweiterung der Aufnahmekapazitäten in Bosnien und Herzegowina, der Vorbereitung auf den Winter im Notzeltlager Lipa und der Bereitstellung humanitärer Soforthilfe außerhalb der Aufnahmezentren?

Antwort von Kommissar Oliver Várhelyi im Namen der Europäischen Kommission am 09.12.2020:

Die Europäische Union hat das Vorgehen der Behörden des Kantons Una-Sana, das Aufnahmezentrum Bira in Bihac zu schließen und die Flüchtlinge und Migranten in das COVID-19-Notzeltlager in Lipa zu verbringen, das bereits voll ausgelastet war und nicht den Bedingungen für eine Nutzung im Winter entspricht, aufs Schärfste verurteilt[1].

Die Europäische Union hat Bosnien und Herzegowina nachdrücklich aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine humanitäre Krise zu verhindern; dies ist kurz vor Winteranbruch von besonderer Bedeutung. Die Behörden von Bosnien und Herzegowina müssen für eine angemessene Unterbringung der Flüchtlinge und Migranten und insbesondere der schutzbedürftigen Gruppen sorgen, indem sie alle vorhandenen Kapazitäten, einschließlich derer des Aufnahmezentrums Bira, voll ausschöpfen und geeignete alternative Einrichtungen für die in Lipa aufgenommenen ebenso wie für die derzeit außerhalb der Aufnahmezentren befindlichen Flüchtlinge und Migranten bereitstellen. Für diejenigen, die unter ungeeigneten Bedingungen außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen übernachten müssen, wird weiterhin humanitäre Nothilfe geleistet, indem trockene Nahrungsmittel, Schlafsäcke, warme Kleidung, erste Hilfe und Weiterverweise angeboten werden. Die Behörden sollten die Arbeit der humanitären Partner und die Unterstützung bei der Kontaktaufnahme erleichtern.

Die Europäische Union sucht mit den zuständigen Behörden von Bosnien und Herzegowina nach geeigneten Lösungen, um dem Bedarf der Flüchtlinge und Migranten zu entsprechen und insbesondere die Schließung des Aufnahmezentrums Miral zu verhindern. Sie wird Bosnien und Herzegowina auch künftig bei der Steuerung der Migration und bei der Bewältigung der humanitären Lage unterstützen. Die Europäische Union wird die Lage vor Ort in Zusammenarbeit mit ihren humanitären Partnern weiterhin genau beobachten.


[1] http://europa.ba/?p=70146

Wie die EU Abschiebungen in das gefährlichste Land der Welt erleichtert

2016 unterzeichneten die EU und Afghanistan im Zuge der Brüsseler Geberkonferenz das Joint Way Forward Agreement. Ziel ist es, Abschiebungen nach Afghanistan zu erleichtern.

Es handelt sich um ein informelles, nicht-verbindliches Rechtsinstrument, bei dessen Übereinkunft das europäische Parlament nicht mit eingebunden wurde. Weil das Abkommen am 6. Oktober diesen Jahres auslief, möchte die EU bis Ende 2020 eine zweijährige Verlängerung verhandeln. 

Seit über 40 Jahren wird Afghanistan von Kriegen erschüttert, sodass im Laufe der Jahrzehnte Millionen von Afghaninnen und Afghanen ihr Land verlassen mussten. Im Gegensatz zum allgegenwärtigen Narrativ hat die überwiegende Mehrzahl der afghanischen Flüchtlinge jedoch in den umliegenden Ländern wie Pakistan, Iran und in der Türkei Schutz gesucht. Somit stellt Afghanistan die weltweit zweitgrößte Flüchtlingsbevölkerung nach dem von Bürgerkriegen gebeutelten Syrien. 

Die Menschen haben gute Gründe aus Afghanistan zu fliehen. Zum zweiten Mal in Folge wurde Afghanistan als das “gefährlichste Land der Welt” eingestuft.”  Die Gründe dafür sind unter anderem die anhaltenden gewalttätigen Konflikte zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung sowie regelmäßige Terrorattacken auf die Zivilbevölkerung. So starben im Jahre 2019 über 3.000 Zivilist*innen und knapp 7.000 wurden schwer verletzt.

Deswegen lag die Anerkennungsquote von afghanischen Geflüchteten in der EU zuletzt im August diesen Jahres bei 58%. Die Anerkennungsquoten in den einzelnen Mitgliedstaaten variieren jedoch drastisch. So beträgt die Anerkennungsrate afghanischer Flüchtlinge in Italien 94% und in Bulgarien 4%. In vielen Medien  und auch in der EU-Kommission wird immer wieder von “illegalen Migranten und Wirtschaftsmigranten” gesprochen wird, obwohl es sich bei einem Großteil um Flüchtlinge handelt, die vor Terror fliehen und einen sehr realistischen Schutzanspruch nach EU-Gesetzgebung haben. Auch die deutsche Regierung vertritt weiterhin den Standpunkt, dass Afghanistan ein Land sei, in das man abschieben könne und verschließt damit absichtlich die Augen vor der  Lage vor Ort. Viele Menschenrechtsorganisationen und Anwält*innen stufen Abschiebungen nach Afghanistan als Verstoß gegen das gesetzlich verankerte Non-Refoulement-Verbot (Nichtzurückweisungsverbot) ein: also Menschen dürfen nicht in Länder abgeschoben werden, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Abschiebung in ein unbekanntes Land

Außerdem verkennt das Joint Way Forward Agreement die afghanische Fluchtrealität. Wie bereits ausgeführt, leben viele Afghan*innen in den umliegenden Ländern und das teilweise seit Jahrzehnten, sodass es immer wieder zu Abschiebungen von Flüchtlingen kommt, die Afghanistan noch nie betreten haben und sich in einem komplett fremden Land zurechtfinden müssen. Hinzu kommt, dass sich trotz offizieller Vorgaben und internationaler und EU-Gesetzgebung immer mehr Berichte von Abschiebungen von jungen Frauen und Kindern häufen, die in den Straßen von Kabul ausgesetzt werden und somit einem Schicksal der Verelendung und erneuter Flucht preisgegeben werden. Außerdem wird immer wieder der Verdacht geäußert, dass finanzielle Entwicklungshilfe an die afghanische Regierung an Abschiebungen gekoppelt wird. Wir brauchen nicht mehr Abschiebungen nach Afghanistan, sondern ein besseres europäisches Asylsystem, dass Schutzsuchenden ihre Rechte gewährt, indem beispielsweise EU-weite, gleiche Anerkennungsquoten eingeführt werden – und zwar beruhend auf der tatsächlichen Lage vor Ort. Zweitens muss sich auch bei informellen Abkommen an geltendes Recht gehalten werden, so beispielsweise das Non-Refoulement-Verbot und die Nichtzurückweisung von besonders Schutzbedürftigen – auch unter Anerkennung der Komplexität der afghanischen Migration. Zudem dürfen finanzielle Entwicklungshilfen auf gar keinen Fall an Abschiebungen gebunden werden. Zu guter Letzt muss das Nachfolgeprogramm im demokratischen Einvernehmen mit dem Europäischen Parlament rechtsverbindlich beschlossen und durch regelmäßige Evaluierungen beobachtet werden.

Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Taliban

Seit Jahrzehnten sehnt die afghanische Bevölkerung ein Ende der Gewalt und Konflikte herbei und noch nie haben sich die afghanische Regierung und die Taliban an einen Tisch gesetzt, um über einen möglichen Frieden zu verhandeln. Beide Seiten scheinen erkannt zu haben, dass es keine militärische Lösung geben kann. 

So kam es am 29. Februar 2020 zum Doha-Vertrag, in dem sich auf die Einleitung der intra-afghanischen Friedensverhandlungen geeinigt wurde. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, dass die Verhandlungen ohne äußere Einflüsse von Staaten wie Russland oder den USA stattfinden. Trotz der anstehenden Verhandlungen wurde Afghanistan in den letzten Monaten weiterhin von überdurchschnittlich viel Gewalt erschüttert und viele Menschen starben, obwohl sich die Bevölkerung einen Waffenstillstand erhofft hatte. Insbesondere die letzten fünf Wochen vor Beginn der Verhandlungen wurden von Expert*innen als die gefährlichsten Wochen in den ganzen letzten fünf Jahren eingestuft, was die Quantität und Brutalität der Gewalt angeht. Mit dem Doha-Vertrag geht auch die schrittweise Reduzierung und letztendlich Abschaffung der US-amerikanischen Truppenpräsenz einher, denn dies ist eine Grundvoraussetzung der Taliban für die Teilnahme an den Friedensgesprächen. Momentan halten sich noch etwa 4.500 von den ursprünglichen 13.000 Soldat*innen im Land auf. Dennoch wirft die Wahl von Joe Biden zum US-Präsidenten nun viele ungeklärte Fragen auf, da der Doha-Vertrag unter der Trump-Administration verhandelt wurde und Biden sich während der Kampagne geäußert hatte, eine geringe Truppenpräsenz in Afghanistan aufrechterhalten zu wollen. 

Nun begannen die Friedensgespräche zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung am 12. September 2020 in Doha. Der Beginn der inhaltlichen Verhandlungen zögert sich seitdem hinaus, da diese bisher von strukturellen und verfahrenstechnischen Konflikten und Streitigkeiten um die Agenda geprägt sind. Gerade für Frauen steht besonders viel auf dem Spiel: Von 1996 bis 2001 lebten die Frauen während des Taliban-Regimes unter Verschluss und durften ihre Häuser nur unter Begleitung einer männlichen Aufsichtsperson verlassen. Seit 2001 mit Einmarsch der US-Truppen änderte sich die Situation und Frauen nahmen zunehmend wieder am gesellschaftlichen Leben teil. Heute lebt die afghanische Zivilgesellschaft von engagierten, gebildeten Frauen und die große Sorge ist, dass eine Beteiligung der Taliban an der Regierung die ganze Arbeit der letzten 20 Jahre in diesem Bereich zunichtemachen würde. Am Verhandlungstisch sitzen von der afghanischen Regierung aus insgesamt bloß vier Frauen, bei den Taliban sind es geschlossen nur Männer.

Es ist unmöglich, die nächsten Schritte der Friedensverhandlungen vorherzusehen, aber die Zivilbevölkerung sehnt sich nach einem Waffenstillstand, jedoch unter Bedingung, dass Grundrechte im Friedensprozess nicht kompromittiert werden und dass Verbrecher*innen aus den Reihen der Taliban und der afghanischen Regierungen endlich belangt werden. Denn trotz der Friedensgespräche kommt es weiterhin zu Attacken auf Zivilist*innen, so zum Beispiel das Blutbad an der Kabuler Universität am 2. November. 

Terroranschlag in der Kabuler Universität – Angriff auf die Zukunft Afghanistans

Am selben Tag wie der Anschlag in Wien kam es zu einem Terror-Angriff auf die Kabuler Universität. Drei Bewaffnete stürmten die Universität und schossen  auf die Student*innen. Die Sicherheitskräfte und ankommendes Militär brauchten sechs Stunden, um den Campus zu sichern. Dabei kamen 22 Student*innen ums Leben und 27 weitere wurden schwer verletzt. Auch wenn die Verantwortlichen noch nicht eindeutig geklärt sind, treibt dies einen Keil in die bereits schwer anlaufenden Friedensverhandlungen. Es regen sich erste Forderungen, die Verhandlungen in Doha zu boykottieren, so beispielsweise unter dem Hashtag #BoycottDohaTalks oder in Form von Protesten gegen die Regierung, die unfähig war, die jungen Menschen zu beschützen. Eine der Forderungen ist es, keinen Deal mit den Taliban einzugehen. Es bleibt zu abzuwarten, wie sich die Kette der Gewalt fortsetzt und wie diese die Friedensverhandlungen beeinflusst.

Geflüchtete Afghan*innen in Europa

Die Lage von geflüchteten Afghan*innen in Europa ist fatal. Die Hälfte aller Flüchtlinge auf den griechischen Inseln stammt aus Afghanistan. Es ist weithin bekannt, dass die Zustände in den völlig überfüllten Lagern sowie im neuen Moria absolut menschenunwürdig und unhaltbar sind. Viele halten sich bereits seit vielen Monaten oder gar Jahren dort auf, einige Kinder wurden sogar dort geboren. Entweder warten sie darauf, einen Asylantrag zu stellen oder auf die Bearbeitung dessen. Der Antrag auf Familienzusammenführung beispielsweise gestaltet sich für viele afghanischen Familien als ein langer, steiniger Weg, weil das Bundesamt für Migration und Asyl in Deutschland solche Anträge häufig zu Unrecht abweist und den Betroffenen zumeist der Zugang zu Rechtsbeistand fehlt, um Widerspruch einzulegen. 

Wenn ihrem Antrag auf Asyl stattgegeben wird, verlegen die griechischen Behörden einige der Schutzsuchenden auf das griechische Festland, ohne sie jedoch unterzubringen. Stattdessen leben viele afghanische Flüchtlinge und Familien in Obdachlosigkeit auf den Straßen Athens und werden nur notdürftig von Nichtregierungsorganisationen vor Ort unterstützt. Aber gerade diese Hilfe gestaltet sich momentan besonders schwierig, da Athen sich wieder im Lockdown befindet und die Helfer*innen nur noch heimlich Mahlzeiten und andere Güter verteilen können.

Außerdem einigten sich im Oktober diesen Jahres Griechenland und Afghanistan auf ein Memorandum, das zukünftig die Abschiebung von “illegalen Migrant*innen” nach Afghanistan erleichtern soll – eine erschütternde Entwicklung in Anbetracht der gefährlichen Lage in Afghanistan. Auch die Lage auf der Balkanroute ist menschenrechtlich eine Katastrophe. Die afghanischen Flüchtlinge dort sind Teil eines grausamen Katz-Und-Maus-Spiels. Sie versuchen über Serbien und Bosnien-Herzegowina in die EU zu gelangen, nur um brutal von der kroatischen Grenzpolizei oder auch in sogenannten Kettenabschiebungen von Italien, Österreich oder Slowenien wieder nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben zu werden. Schon seit Jahren häufen sich die Berichte von Folter und Gewalt durch kroatische Grenzpolizisten, die immer wieder von der kroatischen Regierung als fälschlich zurückgewiesen werden. In Bosnien-Herzegowina leben viele Flüchtlinge in leerstehenden Häusern oder in den kalten, nassen Wäldern, in denen sie unter Planen schlafen – so auch Familien mit Kindern. Ebenso wie in Griechenland wird den humanitären Helfern die Unterstützung von Flüchtlingen weitestgehend untersagt. Vor allem mit dem bevorstehenden Winter bahnt sich erneut eine humanitäre Katastrophe an.

Berlin klagt gegen Seehofer

Endlich geht es voran: Das Land Berlin klagt gegen das Bundesinnenministerium, damit Berlin endlich Geflüchtete aufnehmen kann. Die Klage ist erfolgsversprechend, denn Innenminister Horst Seehofer will die Aufnahme trotz rechtlichem Spielraum verhindern. Weitere Infos dazu findet ihr in der Pressemitteilung der Berliner Landesregierung.

Wer sich intensiver mit den rechlichen Rahmenbedingungen beschäftigen will: Ich habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, das belegt, dass Seehofer nicht so einfach sein Einvernehmen für die Aufnahme verweigern darf.

Anfrage: Menschenrechtsverstöße durch griechische Behörden

Um als Europaabgeordneter meine parlamentarische Kontrollfunktion ausüben zu können, habe ich die Möglichkeit, Anfragen an die EU-Kommission stellen. Die Kommission muss diese Fragen beantworten.
Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten habe ich der Kommission folgende Fragen gestellt:

Betrifft: Systematische und koordinierte Push-Backs durch die griechischen Behörden

Am 17. August 2020 veröffentlichte die New York Times einen Artikel mit dem Titel „Taking Hard Line, Greece Turns Back Migrants by Abandoning Them at Sea“ (Harter Kurs: Griechenland drängt Migranten zurück, indem es sie auf dem Meer aussetzt). Darin wird dokumentiert, wie Migranten, die auf griechischem Boden anlandeten, von den griechischen Beamten mehrfach auf unsichere Rettungsinseln gezwungen und an der Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland ausgesetzt wurden. Dort wurden sie treiben gelassen, bis sie von der türkischen Küstenwache gerettet wurden. Andere wurden zurück an die türkische Seegrenze geschleppt und dort zurückgelassen, nachdem die Beamten ihre Motoren deaktiviert hatten, wurden auf einer unbewohnten Insel zurückgelassen oder über den Fluss Evros ohne die Möglichkeit des Rechtsbehelfs ausgewiesen.

Sind der der Kommission diese Vorkommnisse bekannt, und kann sie bestätigen, dass sich solche Vorfälle ereignen?

In Anbetracht der Seriosität der Zeitung sind wir der Ansicht, dass die griechischen Behörden beispiellose, ausgesprochen aggressive und systematische Push-Backs durchführen und somit gegen Unionsrecht verstoßen, insbesondere gegen Artikel 78 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Artikel 3 und 4 des Schengener Grenzkodex der EU, Artikel 9 der Asylverfahrensrichtlinie, Artikel 5 der Rückführungsrichtlinie, Artikel 18, Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 24 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Asyl und Migration fallen in die geteilte Verantwortung der Union. Gedenkt die Kommission in Anbetracht dieser Tatsache ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die griechische Regierung einzuleiten?

Antwort von Kommissarin Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 06.11.2020:

Die Kommission verfolgt die Situation aufmerksam und hat Berichte wie die von den Damen und Herren Abgeordneten zitierten zur Kenntnis genommen.

Sie hat gegenüber den griechischen Behörden Bedenken hinsichtlich dieser Berichte geäußert und betont, dass die Mitgliedstaaten für die Aufgaben der Grenzüberwachung gemäß der Verordnung (EU) 2016/399 zum Schengener Grenzkodex[1] verantwortlich sind. Dabei sind die Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Grundrechten, der Gewährleistung des Zugangs zu internationalem Schutz und sowie dem Grundsatz der Nichtzurückweisung nach Unions- und Völkerrecht uneingeschränkt einzuhalten.

Unbeschadet der Befugnisse der Kommission als Hüterin der Verträge sind in erster Linie die nationalen Behörden für die ordnungsgemäße Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts verantwortlich. Daher hat die Kommission die griechischen Behörden nachdrücklich aufgefordert, etwaiges Fehlverhalten zu untersuchen.

Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket[2] – insbesondere dem Vorschlag für eine Verordnung zur Einführung eines Screenings von Drittstaatsangehörigen an den Außengrenzen[3] – hat die Kommission angeregt, dass die Mitgliedstaaten, mit Unterstützung der Agentur für Grundrechte, einen unabhängigen Überwachungsmechanismus einrichten. Dieser würde während des Screenings die Einhaltung des EU- und des Völkerrechts, einschließlich der Charta der Grundrechte, gewährleisten. Gleichzeitig wäre sichergestellt, dass etwaige Verletzungen der Grundrechte – auch im Zusammenhang mit dem Zugang zum Asylverfahren und der Nichteinhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung – wirksam und unverzüglich untersucht werden.


[1] Verordnung (EU 2016/399 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) ABl. L 77 vom 23.3.2016.

[2] COM(2020)609 final vom 23. September 2020.

[3] COM(2020)612 final vom 23. September 2020.

Ein Monat nach dem Brand: Zur Lage auf Lesbos

Nach der Katastrophe Anfang September bin ich nach Lesbos gereist, um mir vor Ort ein Bild zu verschaffen. Für die Menschen aus dem abgebrannten Lager Moria ist seitdem alles nur noch schlimmer geworden – allen Versprechungen zum Trotz.
Im Interview mit Radio eins (RBB) spreche ich über die Situation vor Ort, und was jetzt zu tun wäre.
Das Gespräch könnt ihr hier nachhören.

Gastbeitrag: Tear down Moria!

Die Berliner Zeitung hat mich gebeten, zu 30 Jahre Deutsche Einheit einen Gastbeitrag zu verfassen:
Der Mut von 1989 sollte wichtiger sein als die Angst vor 2015. Schauen wir nicht weg, wenn die EU an den Außengrenzen Leid erzeugt.

Ich schreibe diese Zeilen auf Lesbos, einem der schönsten Orte Europas, der in diesen Tagen eine seiner schrecklichsten Geschichten erzählt. Moria, das größte Flüchtlingslager Europas, ist vollständig abgebrannt. 13.000 Menschen, die schon vorher in unwürdigen Bedingungen lebten, sind jetzt obdachlos.

Tagelang hinderte die lokale Polizei die Hilfsorganisationen daran, die obdachlosen Opfer der Brandkatastrophe medizinisch zu versorgen und ihnen Essen zu geben. Viele aßen und tranken tagelang nichts, und Kinder löschten ihren Durst notgedrungen mit Abwasser, woraufhin sie mit schlimmem Durchfall zu kämpfen hatten. Die Polizisten setzten Tränengas gegen Männer, Frauen und sogar Kinder ein. Brandwunden blieben tagelang unterversorgt.

Die Berliner Mauer stand 28 Jahre lang als Symbol für Repression, Unfreiheit und das Einsperren der eigenen Bevölkerung. Die Lehren aus dieser Zeit sucht man an den europäischen Außengrenzen vergebens. Und auch weltweit haben Mauern Konjunktur. Es gibt inzwischen 70 Grenzmauern auf der Welt – etwa fünfmal so viele wie 1989. Die Berliner Mauer existiert nicht mehr. Doch der Gedanke, durch ein Bauwerk das Andere, das Fremde, das Feindliche abzuhalten, gedeiht an vielen Orten nach wie vor.

Das Glück der Freiheit scheint vergessen

Doch warum ist der Wunsch nach Freiheit heutzutage nicht stärker als der Wunsch nach neuen Mauern? Die Mauer ist ein Bauwerk, das schützen soll. Doch hält sie auch die eine Seite davon ab, die andere zu sehen. In einer immer komplexer werdenden Welt ist der Wunsch nach neuen Mauern dabei wohl nicht nur ein Wunsch nach Geborgenheit und Sicherheit, sondern auch der Wunsch danach, der steigenden Komplexität einen Schutzwall entgegenzusetzen, um der eigenen Überforderung durch das Unbekannte etwas entgegenzusetzen. Dabei sperrt die Mauer nicht nur das Unbekannte aus, sondern auch das Bekannte ein.
Nun gibt es ein neues Moria. Und die Zustände sind schlimmer denn je. Während kleine Kinder hinter Absperrbändern und Zäunen im Dreck spielen, suchen auf der anderen Seite Soldaten nach Minen und Munitionsresten. Menschen, die mit Corona infiziert sind, werden mit anderen, die als Verdachtsfälle gelten, hinter Stacheldraht eingesperrt. Das ist ein Verbrechen.

Als die Berliner Mauer fiel, war ich zwei Jahre alt. Ich konnte keine Texte schreiben, und ich hatte noch nie ein Geschichtsbuch gelesen. Mauer, Diktatur und Schießbefehl beraubten Millionen Menschen ihrer Freiheit. Die Mauer fiel, weil die Idee der Demokratie sie eingerissen hatte. Nun, 30 Jahre später, sitze ich hier, und einige Kilometer weiter sind demokratische Staaten für die Entwürdigung von Menschen verantwortlich. 30 Jahre später scheint vergessen zu sein, welches Glück es ist, dass wir Freiheit teilen dürfen.

Ich habe das Glück, dass ich die Diktatur in der DDR nicht mehr bewusst erleben musste. Ich habe das Glück, in dieser Zeit, in diesem Europa zu leben. Dieses Glück verdanke ich mutigen Bürgerinnen und Bürgern, die uns diese Freiheit erkämpft haben. Nicht mit Gewalt, sondern mit einer Idee. Der Idee, dass wir eine Gesellschaft auf einem Fundament aus Rechtsstaat, Menschenrechten und der Würde jedes einzelnen bauen müssen – weil wir nur so ein Haus bauen können, das niemand mehr einreißen kann. Die Menschen gingen mit dieser Idee auf die Straße und wussten nicht, ob sie zur Realität wird. Sie konnten nicht wissen, dass keine Schüsse fallen würden. Am 9. November 1989 war es dann endlich soweit. Die Mauer fiel und die Welt feierte. Doch heute steht die Berliner Mauer wieder – in Moria.

Moria ist ein Signal an die eigene Bevölkerung, aber auch an Menschen auf der Flucht: Wer es wagt, nach Europa zu fliehen, soll sich nicht auf die eigenen Erwartungen verlassen. Die Freiheit, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit, die viele in Europa suchen, sollen Schutzsuchende nicht mehr finden. Statt einer Seenotrettung im Mittelmeer für Menschen, die aus Libyen fliehen, errichten wir eine Mauer aus Ertrunkenen.

Diese Strategie der entwürdigenden Außengrenzen folgt dabei einer einfachen Logik: So lange das Mittelmeer und Moria nicht gefährlicher sind als der Bürgerkrieg in Libyen, steht die Mauer der Abschreckung nicht stabil. Wenn weniger Menschen ankommen sollen, müssen mehr leiden und sterben.

Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass wir mehr Angst vor uns selbst haben sollten als vor der anderen Seite jenseits der Mauer? Während wohl die meisten europäischen Staats- und Regierungschefs in Reden für Rechtsstaatlichkeit eintreten, sieht die Realität an den europäischen Außengrenzen düster aus. Statt in einem rechtsstaatlichen Verfahren zu ermitteln, welche Gründe ein Mensch hat, auf ein überfülltes Schlauchboot zu steigen und sein Leben für die Freiheit zu riskieren, werden die Schutzsuchenden an den Außengrenzen mit Knüppeln, Tränengas und Warnschüssen erwartet. Mehrfach kam es zu Mauertoten, einige wurden erschossen. „Effizientes Grenzmanagement“ heißt der „antifaschistische Schutzwall“ heute.

Für viele sind Schlepper der einzige Weg

Weitere Kampfbegriffe sollen die Mauer stabilisieren: Im Oktober 2015, in der alle Welt über Flucht sprach, verlieh Manfred Weber als Vorsitzender der EVP-Fraktion die Robert-Schumann-Medaille an Wolfgang Welsch. Der Fluchthelfer Welsch hatte über 200 Menschen geholfen, aus der DDR in die Bundesrepublik zu kommen. Eine großartige Leistung.

Nach der Laudatio für den prämierten Fluchthelfer von gestern forderte Manfred Weber von der EVP in der öffentlichen Debatte, die „Schlepper-Mafia“ von heute im Mittelmeer zu bekämpfen.

Das Urteil der EU-Regierungen ist in seiner Geschichtsblindheit eindeutig: Die Fluchthelfer von früher haben für ihre Dienste auf dem Weg von der Diktatur in die Demokratie Medaillen verdient – heute wiederum sind die Fluchthelfer die Schuldigen für die Toten an unseren Mauern und gehören bekämpft. Eine erfolgreiche Flucht wird nicht mehr gefeiert. Eine erfolgreiche Flucht ist das Scheitern der Strategie der Abschottung. Hauptsache nie wieder 2015. Hauptsache keine neue „Flüchtlingswelle“.

Die Schlepper aus Libyen handeln sicherlich nicht aus humanen Motiven, sind jedoch für viele Geflüchtete der einzige Weg, um zu einem Asylverfahren in Europa zu kommen, in dem die Würde jedes einzelnen Menschen zu schützen eigentlich die Aufgabe aller staatlichen Gewalt ist.

Europa zeigt seine hässliche Seite

Doch staatliche Gewalt ist an den europäischen Außengrenzen zu einem wertlosen Zombie verkommen, der ausschließlich einem einzigen Ziel folgt: Weniger Menschen sollen nach Europa kommen – koste es, was es wolle. In vielen Reden wird besonders seit 2015 immer wieder betont, dass man Fluchtursachen bekämpfen müsse. Seit 2015 sind weltweit über 15 Millionen Menschen zusätzlich auf der Flucht.

Aber wie soll man denn nun damit umgehen, dass wir Menschenrechte schützen wollen, aber 80 Millionen Geflüchtete weltweit nun wahrlich nicht nach Berlin oder Thüringen kommen können? „Wie viele Millionen sollen denn noch kommen?“, werden immer wieder diejenigen gefragt, die sich für Menschenrechte von Geflüchteten einsetzen. Dabei lohnt es, zu überlegen, ob auf dem Weg zum neuen Mauerfall an den Außengrenzen nicht vorher einige der gedanklichen Mauern fallen müssen, die in den letzten Jahren in Köpfen errichtet wurden.

Als Anfang März 2020 Erdogan erklärte, die Grenzen nach Europa seien nun geöffnet und 15.000 Menschen an die Grenze gedrängt wurden, sah die Welt diesem vermeintlich friedlichen Europa dabei zu, wie es seine hässliche Seite zeigte. Erdogan missbrauchte die Menschen als Waffe. Doch wir entwaffneten ihn nicht durch eine demokratische Antwort. Europa schoss einfach zurück.

Gerechtfertigt wurde das Schießen mit Munition und Tränengas vor allem damit, dass das ja gar keine „richtigen Flüchtlinge aus Syrien“ seien. Abgesehen davon, dass man die Fluchtgründe in Asylverfahren und nicht in Grenzscharmützeln prüft, war vor allem die Abwesenheit von syrischen Geflüchteten bemerkenswert. Jahrelang wurde vor einem Andrang von Millionen von Menschen gewarnt, die in der Türkei auf gepackten Koffern säßen. Und dann kommen trotz der Grenzöffnung nur eine Handvoll der 3.500.000 syrischen Geflüchteten an die Grenze, vor denen wir uns fürchteten? Wie kann das sein?

Die Zukunft ist nie leicht

Die Antwort ist einfach: Es gibt diese Millionen von Menschen nicht, die nach Europa drängen. 3,5 Millionen Väter, Mütter und Kinder aus Syrien sind nicht auf der Flucht. Sie leben in der Türkei. Sie fliehen nicht nach Europa, weil sie nicht nach Europa fliehen wollen.

In der Realität ist die von Regierungen artikulierte Angst vor einem Kontrollverlust an den europäischen Außengrenzen eine Metapher für die Angst vor dem Kontrollverlust über die eigenen Wahlergebnisse. Diese Angst lähmt dabei zu oft und zu lange schon den Willen, Herausforderungen zu bewältigen. Doch wenn demokratische Regierungen – wie in der Asylpolitik – den Eindruck eines einsturzgefährdeten Hauses erzeugen, muss man sich nicht wundern, wenn sich die Bevölkerung nach einer anderen Wohnung umschaut.

Wer die Mauern an den Grenzen niederreißen will, der muss vor allem den Wunsch nach neuen Mauern niederreißen. Nicht mit Gewalt, sondern mit einem Gedanken. Wie damals mutige Menschen gegen einen Unrechtsstaat auf die Straßen gingen, müssen auch heute wieder unsere kraftvollen Ideen von Freiheit, Würde und Rechtsstaatlichkeit das Unrecht im eigenen Europa niederreißen. Dann fällt auch die Mauer.

Die Zukunft ist nie leicht, denn wir kennen sie nicht. Aber wir sollten in der Gegenwart alles dafür tun, damit wir später unseren Enkeln stolz von früher erzählen dürfen. Von damals, als wir im Jahr 2020 die Mutigen waren, die gegen die Mauer in unseren Köpfen und an unseren Außengrenzen aufbegehrten. Von damals, als wir endlich verstanden, dass wir unseren Wohlstand, die Freiheit und Sicherheit nicht schützen, indem wir anderen dies alles nehmen. Von damals, als Moria abbrannte und aus der Asche die Kraft entstand, zu lernen, was wir schon 1989 wussten. Von damals, als wir lernten, dass der Mut von 1989 wichtiger war als die Angst vor einem neuen 2015.


Dieser Artikel ist zum Tag der Deutschen Einheit in der Berliner Zeitung erschienen.

Migrationspakt – Warum der Vorschlag der EU-Kommission ein weiteres Moria nicht verhindert

Der Vorschlag der EU-Kommission für den Migrationspakt wird ein weiteres Moria nicht verhindern. Im Gegenteil, er würde das Modell der griechischen Massenlager in Gesetzesform gießen. Grenzverfahren und geschlossene Lager an den Außengrenzen würden in Europa zur Norm. Das Versagen des Dublin-Systems würde fortgeschrieben werden und eskaliert, weiterhin ohne eine verpflichtende solidarische Aufnahme von Flüchtlingen. Auch für Deutschland drohen erhebliche Verschärfungen des Asylrechts. Der Vorschlag der Kommission zu Asylverfahren verschärft das Asylpaket II von 2016 und gießt es in europäisches Recht.

Europäische Werte werden beschädigt

Die EU-Kommission hat sich mit dem Pakt als oberstes Ziel eine europäische Einigung um jeden Preis gesetzt. Dafür nimmt sie in Kauf, dass der Flüchtlingsschutz und unsere gemeinsamen europäischen Werte schwer beschädigt werden. Statt geordneter und fairer Verfahren überall in Europa wird der Pakt die Krise an den Außengrenzen verschärfen. Der Pakt muss jetzt im Europäischen Parlament und unter den Mitgliedsstaaten im Rat beraten und beschlossen werden. Wir Grüne werden uns bei den Verhandlungen dafür einsetzen, dass das systematische Leiden von Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen ein Ende hat. Aus der Asche von Moria muss ein faires und humanitäres Europäisches Asylsystem entstehen.

Unter diesem Link findet ihr unseren Vorschlag für ein faires Asylsystem in Europa.

Grenzverfahren: massenhafte Inhaftierung von Geflüchteten

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission sollen alle Personen, die ohne gültige Papiere in die EU einreisen wollen oder aufgegriffen werden, in geschlossene Lager unter Haftbedingungen gebracht werden. Das gilt auch für aus Seenot Gerettete. Die Ankommenden müssen zunächst eine Vorprüfung durchlaufen, die innerhalb von fünf Tagen abgeschlossen sein muss. Das schließt die Registrierung sowie einen Gesundheitscheck und eine Sicherheitsabfrage in europäischen Grenz- und Sicherheitsdatenbanken ein.


Bei der Vorprüfung soll außerdem erfasst werden, welche Art von Verfahren die Ankommenden
durchlaufen müssen und ob sie weiter unter Haftbedingungen festgehalten werden:

– Ein normales Asylverfahren soll nur noch bekommen, wer aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von mehr als 20 Prozent kommt, wenn also mindestens jeder fünfte Asylsuchende aus diesem Land in der EU als Geflüchteter anerkannt wird.

– Ein Asylschnellverfahren unter Haftbedingungen an der Grenze (Grenzverfahren) muss durchlaufen, wer aus einem Land mit einer Anerkennungsquote von weniger als 20 Prozent kommt, wer ein Sicherheitsrisiko darstellt oder wer falsche Angaben zu seiner Identität macht.

– Auch Menschen aus einem bisher sicheren Herkunftsland (beispielsweise aus dem Balkan) oder aus einem sicheren Drittstaat (etwa Syrer, die über die Türkei einreisen) müssen ein Asylschnellverfahren durchlaufen, allerdings nicht zwingend an der Grenze.

– Wer kein Asyl beantragt, soll direkt aus dem Lager abgeschoben werden.


Die Kommission weitet damit die Inhaftierung von Geflüchteten deutlich aus. Nach den Plänen der Kommission sollen die meisten Schnellverfahren in geschlossenen Lagern an der Grenze durchgeführt werden. Davon ausgenommen sind nur unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sowie Kinder unter 12 Jahren und ihre Familien. Sie werden während ihres Asylschnellverfahrens in einer offenen Einrichtung untergebracht, genauso wie Asylsuchende, die ein normales Asylverfahren durchlaufen. nach diesem Verfahren hätte 2017 und 2018 mehr als die Hälfte der irregulär Ankommenden ein Grenzverfahren unter Haftbedingungen durchlaufen müssen, weil sie aus Ländern mit einer als niedrig definierten Anerkennungsquote kamen. In 2019 dagegen kamen mehr Schutzbedürftige aus Ländern mit höherer Anerkennungsquote an.

Haftdauer von Asylsuchenden soll verlängert werden

Die Kommission will mit ihrem Vorschlag ein Signal der Abschreckung senden. Dafür nimmt sie in Kauf, dass der Flüchtlingsschutz und die Menschenwürde von Geflüchteten unterminiert werden. Sie will die Haftdauer von jetzt 4 Wochen für Grenzverfahren auf künftig 12 Wochen drastisch verdreifachen. Nur wenn das Asylverfahren in dieser Zeit nicht abgeschlossen werden kann, kommen die Asylsuchenden in normale Flüchtlingsunterkünfte.

Wer abgelehnt wird, soll außerdem direkt aus den Grenzlagern abgeschoben werden, ohne europäischen Boden betreten zu dürfen. Wenn das bis 12 Wochen nach Ende des Asylverfahrens nicht möglich ist, sollen sie in der Regel in Abschiebehaftanstalten überführt werden. Die entscheidende Frage, nämlich wie die Verzahnung von Asyl- und Abschiebeverfahren zu einer Erhöhung der Abschiebequote führen soll, bleibt dabei genauso unbeantwortet wie die Frage, wie die Kommission erreichen will, dass die Mitgliedstaaten Asylverfahren effizienter durchführen als bisher. Die Kommission schafft mit den Grenzverfahren neue Lager. Aber sie hat keine Antwort darauf, wie ein zweites Moria verhindert werden soll.

Dublin und Flüchtlingsverteilung: überfüllte Lager bleiben

Die EU-Kommission hatte das Dublin-System für tot erklärt – und will es mit dem Pakt doch als Kernelement des europäischen Asylsystems beibehalten. Was sich mit dem Pakt ändert, ist vor allem der Titel. Dublin heißt jetzt „Migrationsmanagement“. Das Dublin-System ist ein System der Verantwortungsabwälzung auf Mitgliedstaaten an den südlichen Außengrenzen der EU. Der Mitgliedsstaat, in dem eine Geflüchteter zuerst europäischen Boden betritt, ist nach dem Dublin- System für Asylverfahren und Unterbringung zuständig. Anstatt das System der Verantwortungsabwälzung endlich durch ein System der gerechten Verantwortungsteilung für Schutzsuchende in Europa zu ersetzen, will es die Kommission mit dem Pakt zementieren.


Mitgliedsstaaten sollen künftig sehr viel länger als die bisherigen 18 Monate für eine Asylsuchenden zuständig sein. Erst drei Jahre nach der Anerkennung als Flüchtling erlischt das Recht der anderen Mitgliedstaaten, Geflüchtete zurückzuschicken, die irregulär in einen anderen Mitgliedsstaat weitergezogen sind. Die Kommission will es Mitgliedstaaten außerdem leichter machen, weitergezogene Asylsuchende wieder zurückzuschicken. Asylsuchende selbst sollen keinerlei Unterstützung und Unterkunft bekommen, wenn sie irregulär weiterziehen. Einer der wenige positiven Aspekte im Kommissionsvorschlag ist die Ausweitung der Familienzusammenführung auf
Geschwister.

Abschiebepatenschaften statt Lösungen – Südliche EU-Länder werden weiterhin im Stich gelassen

Der Vorschlag der Kommission verschärft die Verantwortung der südlichen EU-Länder wie Griechenland, Malta, Italien oder Spanien – ohne ihnen ausreichend Solidarität zu bieten. Das von der Kommission vorgeschlagene System der flexiblen Solidarität ist komplex. Es läuft darauf hinaus, dass die Mitgliedsstaaten eine ganze Palette von Ausweichmöglichkeiten haben, um Geflüchtete nicht aufnehmen zu müssen. Solidarität wird zwar im Fall eines „hohen Migrationsdrucks“ verpflichtend, aber nicht die Aufnahme von Geflüchteten. Mitgliedstaaten können nach dem Vorschlag der Kommission stattdessen:

– Kapazitätsaufbau leisten – etwa durch die Bereitstellung von Fingerabdruckscannern für die Registrierung der Ankommenden

– diese Länder operativ unterstützen – etwa durch die Entsendung von Grenzschützerinnen oder Asylexpertinnen

– durch die Zusammenarbeit mit Drittstaaten darauf Einfluss nehmen, dass weniger Schutzsuchende kommen oder

– durch sogenannte Rückführungspartnerschaften oder auch Abschiebepatenschaften – etwa indem sie Griechenland dabei helfen, von dem Drittstaat, in den abgeschoben werden soll, die Reisedokumente zu besorgen, oder indem sie dafür sorgen, dass das Land in die Rückführung einwilligt. Nur wenn die Person auch nach acht Monaten nicht abgeschoben werden kann, muss der Mitgliedsstaat sie aufnehmen.

Falls die Lager überfüllt sind, kann die Kommission zwar darauf drängen, dass die Mitgliedsstaaten Geflüchtete aufnehmen. Mitgliedsstaaten können aber auch dann auf Rückführungspartnerschaften ausweichen. Mit diesem Vorschlag kommt die Kommission Ländern wie Ungarn oder Polen, die bisher jede Umverteilung boykottieren, weit entgegen – und nimmt dafür in Kauf, dass das europäische Asylsystem erneut scheitert. In vielen Fällen kann nicht abgeschoben werden, weil der betreffende Drittstaat nicht kooperiert. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat bereits die Aufgabe, Mitgliedsstaaten bei Abschiebungen zu unterstützen. Es ist völlig unklar, wie Rückführungspartnerschaften zusätzlich dazu beitragen sollen, Abschiebehindernisse abzubauen.

Der Vorschlag der Kommission wird ein weiteres Moria nicht verhindern. Die Lager an den Außengrenzen werden überfüllt bleiben, weil Mitgliedsstaaten nach eigenem Gusto aufnehmen können und Rückführungspartnerschaften nur in den wenigsten Fällen dazu führen werden, dass mehr Menschen ohne Bleiberecht zurückgeschickt werden können. Die Verlierer des Kommissionsvorschlags sind die Länder an den südlichen EU-Außengrenzen. Die Profiteure sind Mitgliedsstaaten wie Deutschland oder Schweden. Sie können wegen der Verschärfung der Dublin- Regeln damit rechnen, dass sie die Verantwortung für irregulär in ihr Land weitergezogene Geflüchtete stärker auf Länder wie Griechenland abschieben können.

Der Krisenmechanismus

Das Europäische Parlament hatte in seiner Positionierung zur letzten Dublin-Reform 2018 eine faire Verteilung von Asylsuchenden von Anfang an gefordert. Das findet sich jetzt nur noch im Vorschlag der Kommission für einen Krisenmechanismus. Sobald die Kommission den Mechanismus in Gang setzt, sind die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtet, Asylsuchende, anerkannte Flüchtlinge und Menschen ohne Bleiberecht aufzunehmen. Anders als in Situationen mit „hohem Migrationsdruck“ gilt das auch für die Aufnahme direkt aus den Grenzlagern.

Gleichzeitig jedoch werden die Grenzverfahren drastisch ausgeweitet auf alle Schutzsuchenden, die aus einem Land mit einer Schutzquote von weniger als 75 Prozent kommen. Die Inhaftierung in den Grenzlagern wird verlängert, ebenso wie die Inhaftierung von Menschen ohne Bleiberecht. Das kann dazu führen, dass Menschen ohne Bleibeperspektive mehr als ein Jahr an den Grenzen inhaftiert bleiben. Der Kommissionsvorschlag sieht außerdem vor, dass Geflüchtete, die offensichtlich schutzbedürftig sind, vorübergehend einen Schutzstatus ohne Asylprüfung bekommen. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Vorschlag im Rat eine politische Mehrheit findet. Nicht nur Länder wie Ungarn werden es nicht hinnehmen wollen, dass die Kommission entscheidet, wann der Krisenmechanismus getriggert wird und sie verpflichtet sind, Menschen von der Grenze aufzunehmen.

Was kommt mit dem Pakt auf Deutschland zu?

Der Vorschlag der Kommission wird auch in Deutschland dazu führen, dass mehr Asylsuchende inhaftiert werden. Geflüchtete, die die Registrierung an der Außengrenze umgangen und sich bis nach Deutschland durchgeschlagen haben, müssen nach dem Willen der Kommission auch hierzulande eine Vorprüfung durchlaufen – unter den gleichen haftähnlichen Bedingungen wie an den Außengrenzen. Der Paktvorschlag schließt außerdem nicht aus, dass auch Länder wie Deutschland ihre Sonderverfahren drastisch ausweiten. Deutschland hat mit dem Asylpaket II von 2016 bereits beschleunigte Verfahren in „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ eingeführt. Sie gelten bisher vor allem für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern, wie den Balkanländern, und werden bislang nur an zwei Standorten, in Manching/Ingolstadt sowie Bamberg, durchgeführt.

Mit dem Pakt, wie ihn die Kommission vorschlägt, könnte die Bundesregierung die Bedingungen in den „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ drastisch verschärfen und sie in geschlossene Einrichtungen wie an den Außengrenzen umwandeln. Sie hätte die Möglichkeit, Schutzsuchende, die irregulär aus einem Land mit einer Schutzquote von unter 20 Prozent nach Deutschland kommen, unter den gleichen haftähnlichen Bedingungen festzuhalten wie in Grenzverfahren.

– Bisher müssen Asylsuchende in Manching und Bamberg zwar in den Lagern wohnen und dürfen den Landkreis nicht verlassen, sie werden aber nicht eingesperrt.

– Mit der drastischen Ausweitung von de facto sicheren Herkunftsstaaten auf alle Länder mit einer Schutzquote von unter 20 Prozent wären erheblich mehr Asylsuchende als bisher betroffen.

– Die Frist für Asylschnellverfahren beträgt bislang eine Woche und könnte mit dem Pakt auf 12 Wochen ausgeweitet werden.

Schon die Kommissionvorschläge von 2016 zur Unterbringung von Asylsuchenden und zu Asylverfahren, die mit dem Pakt jetzt ebenfalls beschlossen werden sollen, laufen auf eine deutliche Verschärfung hinaus. Mit den neuen Vorschlägen droht der Flüchtlingsschutz weiter unterlaufen zu werden.

Seenotrettung wird nicht gestärkt

Die Kommission hat als Teil des Pakts zwei unverbindliche Empfehlungen zur Kriminalisierung von NGOs und zur Seenotrettung veröffentlicht. Die Rettung von Geflüchteten wird damit allerdings nicht gestärkt. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten zwar, Seenotrettungs-NGOs nicht weiter dafür zu kriminalisieren, dass sie Menschenleben retten. Gleichzeitig sollen Seenotrettungs-NGOs aber stärker an die Kandare genommen werden.

Die Kommission will eine engere Kooperation von Küstenstaaten und Flaggstaaten wie Deutschland, unter deren Flagge NGO-Schiffe im Mittelmeer retten. Sie sollen dafür sorgen, dass die Sicherheit auf See erhöht und dass „relevant rules on migration management“ etwa gegen Menschenschmuggel eingehalten werden. Die Empfehlung der Kommission stößt damit in die gleiche Richtung wie die Bundesregierung.

Sie hatte die Sicherheitsanforderungen an NGO-Rettungsschiffe bereits vor einigen Monaten erhöht und damit kleinere NGO-Schiffe aus dem Verkehr gezogen. Geflüchtete, die aus Seenot gerettet werden, sollen nach dem Vorschlag der Kommission künftig genauso behandelt werden wie Asylsuchende an den Landgrenzen: Sie müssen eine Vorprüfung unter haftähnlichen Bedingungen durchlaufen und bleiben während des Asylverfahrens an der Grenze
festgesetzt, wenn sie aus einem Land kommen, dessen Anerkennungsquote unter 20 Prozent liegt.

Solange sie im Grenzlager sind, werden sie nicht auf andere Mitgliedstaaten umverteilt. Die solidarische Verteilung von Geretteten auf andere Mitgliedstaaten soll ähnlich laufen wie bei einem hohen „Migrationsdruck“. Mitgliedstaaten müssen Gerettete also nicht aufnehmen, sondern können stattdessen auch Abschiebepartnerschaften übernehmen oder Grenzbeamte schicken.

Fire in Moria – call for emergency evacuation and relocation

169 MEPs signed the call for immideate action on Moria. This is the letter:

To:
Vice-President Margaritis Schinas
Commissioner for Home Affairs, Ylva Johansson
Federal Minister for the Interior, Horst Seehofer

Brussels, 11 September 2020


Dear Vice-President Schinas,
Dear Commissioner Johansson,
Dear Minister Seehofer,

The fire in the EU’s biggest refugee camp Moria is a humanitarian disaster and a disaster for Europe as a whole. For far too long, Europe has ignored that the camp was heavily overcrowded and that people had to stay in Moria for years under slum-like circumstances. They had no access to proper sanitary facilities nor to appropriate accommodation. When Covid-19 broke out, not just the infected persons were put under quarantine, but the entire camp. More than 12.000 people were locked in a place where they had no possibility to protect themselves from the virus. The catastrophe was predictable. It is a shame for Europe that it was not prevented.

After Moria burnt down, more than 12.000 people are now stranded without even a tent or a roof over their heads. They urgently need our help. We, the undersigning MEPs urge you to provide immediate humanitarian and medical help, to evacuate the people as swiftly as possible and to provide a sustainable solution for the people of Moria by relocating them to other Member States.

We call on you to support Greece with corona tests of all asylum seekers and locals on the island and with medical personnel and equipment for people with severe disease progression.

Many of us, including the President of our House, have already at the beginning of the Covid-19 crisis called for an evacuation of the camp and the relocation of asylum seekers from Moria to avoid an outbreak. We acknowledge that it is a challenge to evacuate now more than 12.000 persons at once and encourage you to look into all possibilities. People who cannot be immediately transferred to the mainland could also preliminarily be accommodated in cruise ships, which due to Covid-19 are currently out of operation, before they are relocated. In any case, we call on you to support Greece in providing emergency accommodation for the people of Moria where they can protect themselves from the virus.

We further urge you to ensure the relocation of asylum seekers from Moria to other Member States. Taking care of the people of Moria is not just the responsibility of Greece. Moria is a European refugee camp, and Europe has to stand by its responsibility. Many municipalities and regions in Europe have long declared their willingness to receive asylum seekers from Greece.

Since Wednesday night, thousands of people went on the streets to show their solidarity with the people of Moria and to call for their swift relocation. We fully support their call. We call on you to uphold our common European values and to relocate the people of Moria to places where they can find safety and dignified living condition.

Reconstructing Moria is not a solution, nor is it as solution to create similar conditions in other camps. It will only lead to the same problems that have caused the catastrophe.

We call on you to ensure that the upcoming Pact on Migration and Asylum will be based on solidarity and the fair sharing of responsibilities among Member States. We must make sure that a humanitarian disaster like in Moria will never happen again.

We urge you to do everything possible to help the people of Moria and to show European solidarity!

Sincerely yours,

Erik MARQUARDT (Greens/EFA), initiator of the letter
Ska KELLER, Co-President of the Greens/EFA
Philippe LAMBERTS, Co-President of the Greens/EFA
Iratxe GARCÍA-PEREZ, President of the S&D group
AUBRY MANON, Co-President of GUE/NGL
Martin SCHIRDEWAN, Co-President of GUE/NGL
Juan Fernando LÓPEZ AGUILAR, Chair of the LIBE Committee
Maria ARENA, Chair of the DROI Committee
Younous OMARJEE (GUE/NGL)
Abir AL-SAHLANI (Renew)
Adriana MALDONADO LÓPEZ (S&D)
Agnes JONGERIUS (S&D)
Alexandra GEESE (Greens/EFA)
Alexis GEORGOULIS (GUE/NGL)
Alice KUHNKE (Greens/EFA)
Alviina ALAMETSÄ (Greens/EFA)
Andreas SCHIEDER (S&D)
Anna CAVAZZINI (Greens/EFA)
Anna DEPARNAY-GRUNENBERG (Greens/EFA)
Anne-Sophie PELLETIER (GUE)
Aurore LALUCQ (S&D)
Bas EICKHOUT (Greens/EFA)
Benoit BITEAU (Greens/EFA)
Bernard GUETTA (Renew)
Bernd LANGE (S&D)
Bettina VOLLATH (S&D)
Billy KELLEHER (Renew)
Brando BENIFEI (S&D)
Carlos ZORRINHO (S&D)
Caroline ROOSE (Greens/EFA)
Chris MACMANUS (GUE/NGL)
Ciaran CUFFE (Greens/EFA)
Clare DALY (GUE/NGL)
Claude GRUFFAT (Greens/EFA)
Claudia GAMON (Renew)
Cornelia ERNST (GUE/NGL)
Cristina MAESTRE MARTÍN DE ALMAGRO (S&D)
Damian BOESELAGER (Greens/EFA)
Damien CARÈME (Greens/EFA)
Daniel FREUND (Greens/EFA)
Danuta HUEBNER (EPP)
David CORMAND (Greens/EFA)
Deirdre CLUNE (EPP)
Delara BURKHARDT (S&D)
Diana RIBA I GINER (Greens/EFA)
Dietmar KÖSTER (S&D)
Dimitrios PAPADIMOULIS (GUE/NGL)
Domenec RUIZ DEVESA (S&D)
Eider GARDIAZÁBAL RUBIAL (S&D)
Elena KOUNTOURA (GUE/NGL)
Elena YONCHEVA (S&D)
Ernest URTASUN (Greens/EFA)
Evelyn REGNER (S&D)
Fabienne KELLER (Renew)
Francisco GUERREIRO (Greens/EFA)
Francois ALFONSI (Greens/EFA)
Gabriele BISCHOFF (S&D)
Grace O’SULLIVAN (Greens/EFA)
Gwendoline DELBOS-CORFIELD (Greens/EFA)
Hannah NEUMANN (Greens/EFA)
Hannes HEIDE (S&D)
Heidi HAUTALA (Greens/EFA)
Helmut GEUKING (ECR)
Helmut SCHOLZ (GUE/NGL)
Henrike HAHN (Greens/EFA)
Hildegard BENTELE (EPP)
Idoia VILLANUEVA (GUE/NGL)
Inmaculada RODRÍGUEZ-PIÑERO (S&D)
Irena JOVEVA (Renew)
Isabel CARVALHAIS (S&D)
Isabel CARVALHAIS (S&D)
Isabel GARCÍA MUÑOZ (S&D)
Isabel SANTOS (S&D)
Ismail ERTUG (S&D)
Jakop DALUNDE (Greens/EFA)
Jan-Christoph OETJEN (Renew)
Janina OCHOJSKA (EPP)
Jarosław DUDA (EPP)
Javier MORENO SÁNCHEZ (S&D)
Jerzy BUZEK (EPP)
João FERREIRA (GUE/NGL)
Jordi SOLÉ (Greens/EFA)
José GUSMÃO (GUE/NGL)
Jutta PAULUS (Greens/EFA)
Karen MELCHIOR (Renew)
Karima Delli (Greens/EFA)
Katarina BARLEY (S&D)
Kathleen VAN BREMPT (S&D)
Kati PIRI (S&D)
Katrin LANGENSIEPEN (Greens/EFA)
Kim VAN SPARRENTAK (Greens/EFA)
Klemen GROSELJ (Renew)
Konstantinos ARVANITIS (GUE/NGL)
Lara WOLTERS (S&D)
Laura FERRARA (NI)
Leila CHAIBI (GUE/NGL)
Lina GALVEZ MUÑOZ (S&D)
Lukasz KOHUT (S&D)
Magdalena ADAMOWICZ (EPP)
Malin BJÖRK (GUE/NGL)
Manu PINEDA (GUE/NGL)
Marc BOTENGA (GUE/NGL)
Marcos ROS SEMPERE (S&D)
Margarete AUKEN (Greens/EFA)
Margarida MARQUES (S&D)
Maria Eugenia RODRÍGUEZ PALOP (GUE/NGL)
Maria NOICHL (S&D)
Maria WALSH (EPP)
Maria-Manuel Leitão-Marques (S&D)
Marie TOUSSAINT (Greens/EFA)
Marisa MATIAS (GUE/NGL)
Markéta GREGOROVÁ (Greens/EFA)
Martin HÄUSLING (Greens/EFA)
Martin SONNEBORN (NI)
Massimiliano SMERIGLIO (S&D)
Michael BLOSS (Greens/EFA)
Michèle RIVASI (Greens/EFA)
Mick WALLACE (GUE/NGL)
Miguel URBÁN CRESPO (GUE/NGL)
Milan BRGLEZ (S&D)
Monica Silvana GONZALEZ (S&D)
Monika VANA (Greens/EFA)
Mounir SATOURI (Greens/EFA)
Nico SEMSROTT (Greens/EFA)
Nicolae STEFANUTA (Renew)
Niklas NIENAß (Greens/EFA)
Nikolaj VILLUMSEN (GUE/NGL)
Özlem DEMIREL (GUE/NGL)
Pär HOLMGREN (Greens/EFA)
Pascal ARIMONT (EPP)
Patricia GUEGUEN (Greens/EFA)
Patrick BREYER (Greens/EFA)
Paul TANG (S&D)
Pernando BARRENA (GUE/NGL)
Peter VAN DALEN (EPP)
Petra DE SUTTER (Greens/EFA)
Petros KOKKALIS (GUE/NGL)
Pierfrancesco MAJORINO (S&D)
Pierrette HERZBERGER-FOFANA (Greens/EFA)
Pina PICIERNO (S&D)
Raphaël GLUCKSMANN (S&D)
Rasmus ANDRESEN (Greens/EFA)
Reinhard BÜTIKOFER (Greens/EFA)
Robert BIEDROŃ (S&D)
Romeo FRANZ (Greens/EFA)
Rosa D’AMATO (NI)
Salima YENBOU (Greens/EFA)
Samira RAFAELA (Renew)
Sandra PEREIRA (GUE/NGL)
Sara CERDAS (S&D)
Sarah WIENER (Greens/EFA)
Saskia BRICMONT (Greens/EFA)
Sergey LAGODINSKY (Greens/EFA)
Silvia MODIG (GUE/NGL)
Sira REGO (GUE/NGL)
Sophie IN’T VELD (Renew)
Stelios KOULOGLOU (GUE/NGL)
Sven GIEGOLD (Greens/EFA)
Sylwia SPUREK (S&D)
Tanja FAJON (S&D)
Terry REINTKE (Greens/EFA)
Thomas WAITZ (Greens/EFA)
Tiemo WÖLKEN (S&D)
Tilly METZ (Greens/EFA)
Tineke STRIK (Greens/EFA)
Udo BULLMANN (S&D)
Vera TAX (S&D)
Ville NIINISTÖ (Greens/EFA)
Viola VON CRAMON-TAUBADEL (Greens/EFA)
Yannick JADOT (Greens/EFA)

Anhaltende Menschenrechtsverletzungen auf der Balkanroute

Auch wenn inzwischen weniger darüber berichtet wird, gibt es immer noch Menschen, die versuchen, über die westliche Balkanroute in die EU zu flüchten. Ihre Situation verschlimmert sich, ihre Grundrechte werden mit Füßen getreten. Ich habe hier aktuelle Entwicklungen in der Region zusammengefasst.

Bosnien-Herzegowina 

Die meisten Geflüchteten in Bosnien-Herzegowina wollen nicht in dem Land bleiben, sondern versuchen von dort aus nach Kroatien, und dann in andere EU-Staaten, zu gelangen. Derzeit wird in Bosnien-Herzegowina die Bewegungsfreiheit von Geflüchteten stark eingeschränkt und Kantone und Entitäten in ein und demselben Land versuchen die Menschen in den je anderen Teil Bosnien-Herzegowinas zu drängen.

So verhindert die Polizei des Una-Sana-Kantons durch Checkpoints, dass Geflüchtete den Kanton über die Landstraßen betreten. Jedoch können sie auch nicht zurückkehren, weil sie von der Grenzpolizei der Republika Srpska zurückgewiesen werden. Im Ergebnis sitzen die Menschen dann im Niemandsland fest und haben dort keinen Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln. Es ist unwürdig, wie diese Menschen zu Opfern der politischen Spielereien in Bosnien-Herzegowina werden, wo mehrere Seiten versuchen, die Geflüchteten, in die je andere Richtung in die anderen Landesteile zu drängen. 

Bisher werden sie notdürftig vom lokalen Roten Kreuz, aber auch von No Name Kitchen versorgt. Hunderte Menschen sind dort gestrandet. 

Es kommt vermehrt zu Gewalt gegen Geflüchtete. Auf privaten Facebookseiten sammeln sich tausende Menschen, um dort die Standorte von Geflüchteten und Helfer*innen zu teilen und zu Gewalt gegen diese aufzurufen.

Mitte August blockierten Einwohner den Zugang zum Miral-Camp, damit dort keine weiteren Geflüchteten aufgenommen werden. Ende August kam es in Bihać zu Protesten gegen Geflüchtete, an denen Hunderte Menschen teilnahmen.

Kroatien

In Kroatien erleben wir seit Jahren, wie Geflüchtete systematisch misshandelt und illegal nach Bosnien-Herzegowina und Serbien geprügelt werden. Nun mehren sich auch Berichte von Folter durch Polizeibeamte. Zwei kroatische Polizeibeamte wurden wegen Gewalt gegen Geflüchtete festgenommen, weil sie 16 Personen aus Pakistan und Afghanistan gefesselt und schwer gefoltert haben.

Meine irische Kollegin im Europaparlament, Clare Daly, hat zudem recherchiert, dass Kroatien die Gelder, die zur Einrichtung eines unabhängigen Mechanismus zur Grenzüberwachung gedacht waren, missbrauchte und dieser Mechanismus gar nicht erst eingerichtet wurde. Dieser unabhängige Mechanismus ist aber eine Bedingung dafür, dass Kroatien dem Schengenraum beitreten kann. Die EU-Kommission kündigte eine Untersuchung nach der Aufhebung der Corona-Einschränkungen an.

Serbien errichtet Zaun zu Nordmazedonien

Die serbische Regierung lässt einen neuen Zaun zu Nordmazedonien errichten, um die Einreise von Geflüchteten zu verhindern. Die meisten Menschen, die jetzt über Nordmazedonien nach Serbien kommen, wollen schnell weiter in Richtung Bosnien-Herzegowina und Kroatien. In serbischen Flüchtlingslagern selbst befinden sich derzeit rund 4800 Personen. Während 2015 noch keine Zäune und Mauern zwischen den Westbalkanstaaten und ihren Nachbarn existierten, haben wir heute überall in der Region diese Zäune und Mauern.

Schwimmende illegale Auffanglager in Malta – Meine Anfrage an die Kommission

Hier findet ihr meine Anfrage an die Kommission zu den schwimmenden illegalen Auffanglagern in Malta. Diese könnt ihr hier auf der Homepage des Europäischen Parlaments auch in allen 24 offiziellen Sprachen der Europäischen Union nachlesen. Die Kommission erklärt in ihrer Antwort, dass sie von Malta und anderen Mitgliedsstaaten erwartet sich an die europäischen Grundrechte und internationale Verpflichtungen zur Seenotrettung zu halten. Allerdings erklärt sich die Kommission auch nicht dafür zuständig, um konkret etwas dagegen zu unternehmen.

Meine Anfrage

Nachdem Malta seine Häfen für auf See gerettete Personen geschlossen hatte, wurden mehr als 400 Menschen auf der Flucht aus dem kriegszerrütteten Libyen an Bord von Schiffen, die von der Regierung gechartert worden waren, kurz vor den maltesischen Hoheitsgewässern festgehalten. Sie hatten keinen Zugang zu Asylverfahren und keinen Kontakt zu Kontrollinstanzen, Journalisten oder Anwälten. Sie wurden nicht darüber informiert, wie lange und warum sie festgenommen wurden. Auf politischen Druck hin gestattete die maltesische Regierung den Menschen schließlich nach Wochen an Bord, an Land zu gehen.

Es ist zu begrüßen, dass die Kommission den Antrag Maltas, die schwimmenden Auffanglager zu finanzieren, abgelehnt und stattdessen angeboten hat, die Verbringung dieser Menschen in andere Mitgliedstaaten zu unterstützen. Dennoch möchte ich der Kommission gerne folgende Fragen stellen:

1.    Ist die Kommission der Meinung, dass ein Mangel an Solidarität in der EU Malta von der Verpflichtung entbindet, das EU-Recht einzuhalten?

2.    Was wird die Kommission tun, um sicherzustellen, dass diese schwerwiegenden Verletzungen des EU-Asylrechts und der Grundrechte durch Malta nicht ungestraft bleiben?

3.    Welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, um sicherzustellen, dass Malta Zugang zu den im EU-Recht vorgesehenen Asylverfahren gewährt und dass sich die Praxis der Festhaltung auf See nicht wiederholt?

Hier ist die Antwort von Ylva Johansson im Namen der Kommission

Die Kommission erkennt die besondere Situation Maltas an; vor allem den zusätzlichen Druck, dem das bereits stark belastete Aufnahmesystem aufgrund eines vermehrten Zustroms von Flüchtlingen und der COVID-19-Pandemie ausgesetzt ist. Gleichzeitig hat die Kommission wiederholt darauf hingewiesen, dass sie von allen Mitgliedsstaaten erwartet, dass diese ihren Verpflichtungen im Bereich der Grundrechte nachkommen, die Bestimmungen der Charta der Grundrechte der EU sowie alle einschlägigen EU- und Völkerrechtsvorschriften einhalten und zur Verhinderung des Verlusts von Menschenleben auf See gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren, einschließlich der zuständigen EU-Agenturen, koordinierte Maßnahmen ergreifen.

Die Durchführung von Such- und Rettungseinsätzen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten. Die Kommission ist nicht befugt, Such- und Rettungseinsätze zu koordinieren oder Ausschiffungsorte anzugeben.

Die Kommission hat wiederholt gefordert, dass Personen an Bord ausgeschifft werden und dass diejenigen, die internationalen Schutz beantragen möchten, Zugang zum Asylverfahren bekommen.

Die Kommission wird weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun, um diejenigen Mitgliedsstaaten finanziell und operativ zu unterstützen, die am stärksten von Migrationsströmen betroffen sind. Im Rahmen dieser Maßnahmen hält sie die Mitgliedsstaaten dazu an, sich an freiwilligen Umsiedlungen zu beteiligen, um so ein konkretes Zeichen der Solidarität mit den Mitgliedsstaaten der Ausschiffung zu setzen. Die Kommission hat darüber hinaus Fachsitzungen abgehalten, um durch eine Beschleunigung und Koordinierung der Verfahren zur freiwilligen Umsiedlung und Rückkehr Unterstützung bei der Verringerung des Drucks auf das maltesische Aufnahmesystem zu leisten.

Die Kommission stellt derzeit abschließende Überlegungen dazu an, wie den Besonderheiten der Such- und Rettungseinsätze im neuen Pakt für Migration und Asyl am besten Rechnung getragen werden kann.

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