Civil society talks in Wrocław: Resilience and Resistance

Unsere Konferenz gegen die Kriminalisierung von Solidarität und für Unterstützung der Zivilgesselschaft

Am 22. und 23. Oktober organisierten unsere Fraktion, mein Büro in Brüssel und die polnischen Grünen eine Konferenz, um Menschen aus ganz Europa zusammenzubringen, die von Kriminalisierung betroffen sind. Kriminalisierung bedeutet, Helfende werden vor Gericht gestellt, weil sie anderen Menschen auf der Flucht humanitär helfen. Das soll abschrecken und dafür sorgen, dass die Flucht nach Europa lebensgefährlich und menschenunwürdig bleibt. Besonders betroffen sind aber auch Geflüchtete selbst, die kriminalisiert werden. Entweder, direkt dafür, dass sie flüchten oder weil ihnen vorgeworfen wird, zu Schleppernetzwerken zu gehören, nur weil sie ein Boot steuerten. 

Die Wahl für unsere Konferenz “Civil Society Talks: Resilience and Resistance” fiel auf Wrocław, weil die Kriminalisierung der polnischen Zivilgesellschaft besonders stark zugenommen hat, seit der belarussische Diktator Aljaksandr Lukaschenka systematisch Menschen an die polnische Grenze brachte. Aber auch, weil die Stadt besonders viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen hat, die inzwischen einen relevanten Teil der Bevölkerung stellen

Doppelte Standards in Polen 

Einerseits ist die Solidarität für Menschen aus der Ukraine in Polen sehr groß. Andererseits ist es auch bitter zu sehen, wie sich die Solidarität nur auf die direkten Nachbarn beschränkt und andere Mensche weiterhin nicht als Schutzsuchende anerkannt werden – weil sie eine andere Hautfarbe oder Religion haben. Gerade in Polen ist es absurd zu sehen, wie groß die Solidarität mit Geflüchteten aus der Ukraine überall im Land ist und Menschen die an der Ukrainischen Grenze helfen als Helden gefeiert werden; während diejenigen, die genau das gleiche an der Grenze zu Belarus machen, wie gefährliche Kriminelle behandelt werden. 

Dabei ist es notwendig, dass an der Grenze zu Belarus geholfen wird, vor allem im Winter. Bislang starben mindestens 17 Menschen an der Grenze zwischen Polen und Belarus – die meisten an der Kälte. Alle Aktivist:innen mit denen wir gesprochen haben, gehen davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. 

Großes Interesse 

Das Interesse an der Veranstaltung war groß. Am Samstag kamen tagsüber rund 100 Personen, darunter auch sehr viele Interessierte und Aktive aus Wrocław selbst. Tagsüber fand die Veranstaltung in der altehrwürdigen Ossolinski-Nationalbibliothek statt, wo Kriminalisierte aus ganz Europa ihre Erfahrungen teilten und sich vernetzten. 

Zu Gast waren die polnischen NGOs Blue dot, die verschiedene Orte schafft, an denen ukrainischen Geflüchteten geholfen wird. Nomada, die Rechtsberatung machen und verschiedene Integrationsprojekte betreuen und die Mothers at the Borders, die direkt an der polnischen Außengrenze Unterstützung anbieten und gegen die Ungleichbehandlung von Geflüchteten demonstrieren. 

Kriminalisierung 

Anita Wojcinowicz

Das große Panel der Konferenz fand am Samstag Abend im Kulturzentrum Wyspa Tamka statt und wurde von mir moderiert. Ich freue mich besonders, dass Hamid Khalizad seine Geschichte mit uns geteilt hat. Die griechischen Behörden warfen ihm vor, ein Schlepper zu sein, einfach nur weil er selbst nach Griechenland fliehen musste. Inzwischen wurde er glücklicherweise freigesprochen. Über die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern, die selbst Migranten sind, wird viel zu wenig berichtet, da sie sich in einer besonders verletzlichen Situation befinden. Ihnen können Abschiebung, Zurückdrängung, willkürliche Inhaftierung und Verlust ihres Status sowie harte finanzielle, soziale und wirtschaftliche Konsequenzen drohen. 

Weil Hamid leider nicht persönlich da sein konnte, wurde sein Brief von Seán Binder vorgelesen. Seán Binder wurde in Griechenland mehrere Monate inhaftiert und der Prozeß gegen ihn läuft immer noch, nur weil die griechischen Behörden nicht weiter akzeptieren wollten, dass er und seine Organisation Free Humanitarians Menschen aus Seenot in der Ägäis retten. Der Prozess gegen ihn und weitere Seenotretter wurde jetzt schon mehrfach aus fadenscheinigen Gründen verschoben, wodurch sie sich in Raum rechtlicher Unsicherheit befinden, aus dem sie nicht so einfach rauskommen. Die Juristin Elli Kriona von Hias Greece berichtete über den Mangel an Rechtsstaatlichkeit und juristischer Beratung der Geflüchteten – insbesondere auf den Inseln. 

Die polnische Perspektive 

Die polnische Perspektive auf das Thema haben uns Mariusz Kurnyta und Marta Gorczynska aufgezeigt. Mariusz lebt in der Nähe der Grenze und war Soldat. Als er hörte, dass Menschen unweit seines Hauses erfrieren, entschied er sich dazu, das naheliegende und menschliche zu tun und ihnen zu helfen. Er berichtet schockiert davon, wie die polnischen Behörden an der Grenze mit den Menschen umgehen und leider auch, wie viele seiner Nachbarn und Freunde gar nicht damit einverstanden sind, dass er Flüchtenden an der belarussischen Grenze hilft. Marta ist Menschenrechtsanwältin und Teil des Bündnis Grupa Granica, das sich vor über einem Jahr spontan an der belarussischen Grenze bildete. Sie sprach vor allem über die humanitäre Krise an der belarussischen Grenze, zu der das Bündnis auch eine Zusammenfassung geschrieben hat. Außerdem arbeitete Marta auch an diesem Bericht der Helsinki Foundation of Human Rights mit dem Titel “The lawless Zone: Polish-Belarussian Border Monitoring.” 

Neben der griechischen und polnischen Perspektive war noch Marta Llonch zu Gast, die als Juristin aktiv an der Grenze zu Melilla arbeitet und über die Menschenrechtslage vor Ort berichtete, wo im Juni diesen Jahres mindetens 37 Menschen starben. Nach der Veranstaltung haben sich die Teilnehmer:innen noch in ungezwungener Atmosphäre unterhalten und sich nochmal in Wrocław umgeschaut. 

Shrinking Spaces 

Anita Wojcinowicz

Am nächsten Morgen fand dann noch eine Veranstaltung zu “Shrinking Spaces” statt, also der Einschränkung des Raums für die Zivilgesellschaft. Hier lag der Schwerpunkt darauf, wie versucht wird, konkret den Raum für NGOs einzuschränken, damit sie nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen und Menschen auf der Flucht helfen können. Auf der Konferenz habe ich viele Menschen getroffen, die vor Gericht gestellt wurden, weil sie das Richtige getan haben. Das, von dem wir alle sagen würden, dass man es tun sollte. Menschen nicht ertrinken, erfrieren oder verdursten lassen. Es ist eine Schande für uns als Europäische Union, dass Menschen dafür vor Gericht gestellt werden. Und es ist eine ebenso große Schande, dass Menschen in EU-Staaten ins Gefängnis geworfen werden, weil sie selbst flüchten mussten. Unser Ziel bleibt es, ein freundliches Umfeld für Solidarität zu schaffen und die Kriminalisierung von Zivilcourage zu bekämpfen. Darüber hinaus muss die unabhängige Menschenrechtsüberwachung an unseren Außengrenzen gestärkt werden. Schließlich müssen wir die humanitäre Hilfe besser finanzieren und eine ausgewogene EU-Migrationspolitik fördern, anstatt sie zu kriminalisieren. Kurzum: Wir müssen eine Politik machen, die mit den von uns propagierten Werten vereinbar ist. 

Anfrage: Fälle von „Drift-backs“ in der Ägäis

Ich habe eine Anfrage an die Kommission zu den dokumentierten „Drift-Backs“ in der Ägäis gestellt. Auf meine Frage, ob die Kommission endlich diese Menschrechtsverletzungen an der griechischen Grenze einräumt erhalte ich mal wieder keine Antwort. Die Kommission bleibt schwammig in ihren Aussagen und weist nur darauf hin, dass sie die griechischen Behörden aufgefordert hat alle Vorwürfe zu untersuchen. Das dabei jedoch nicht viel rauskommt, wenn eine Behörde, die Menschenrechtsverletzungen selbst begeht, ihre eigenes Fehlverhalten untersuchen soll, ist selbsterklärend. Nachdem dies der Fall ist, sollte die Kommission als Hüterin der Verträge ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland einleiten um die vielfach dokumentierten Verletzungen der Rechtstaatlichkeit und der Menschenrechte aufzuklären. Denn unsere Grenzen sind nur geschützt, wenn auch unsere Grundrechte an ihnen geschützt werden.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Die Rechercheagentur „Forensic Architecture“ hat vor kurzem gemeldet, dass die griechische Küstenwache teilweise mit der Unterstützung von Frontex in 1.018 Fällen Flüchtlinge auf Rettungsinseln ausgesetzt hat, damit sie so aus griechischen Gewässern zurück an die türkische Küste treiben, was auch als „Drift-back“ bezeichnet wird. Obwohl es immer mehr Belege für diese Praxis gibt, ist die Reaktion der Kommission darauf bislang sehr verhalten und zweideutig gewesen, was den Eindruck erweckt, dass sie die griechischen staatlichen Stellen decken will, anstatt als Hüterin der Verträge aufzutreten.

  • Gedenkt die Kommission, gemeinsam mit Frontex Maßnahmen im Hinblick auf die genannten Fälle zu ergreifen, oder geht sie davon aus, dass die griechische Transparenzbehörde diese Vorkommnisse zum Gegenstand einer unabhängigen Untersuchung machen wird?
  • Berücksichtigt die Kommission bei der Behandlung der systematischen Menschenrechtsverletzungen, die der griechischen Regierung zur Last gelegt werden, den Interessenkonflikt angesichts der Parteizugehörigkeit von Vizepräsident Margaritis Schinas, der im Kollegium der Kommissionsmitglieder für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständig ist?
  • Räumt die Kommission die häufigen und schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen an den griechischen Grenzen endlich ein, nachdem eine Vielzahl etablierter Akteure eine lange Liste von Beweisen veröffentlicht hat?

Die Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 13.10.2022

  1. Die Zuständigkeit für die Untersuchung mutmaßlicher Zurückweisungen liegt bei den nationalen Behörden. In diesem Zusammenhang informierten die griechischen Behörden die Kommission über Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Einhaltung der Grundrechte zu gewährleisten. Dazu gehören interne Kontrollverfahren, Untersuchungen durch unabhängige Behörden und die Möglichkeit von Staatsanwälten, Vorwürfe zu untersuchen*. Die Kommission wird weiterhin mit den griechischen Behörden zusammenarbeiten, um die erzielten Fortschritte zu überwachen.
  2. Vizepräsident Schinas hat keinen Interessenkonflikt. Gemäß dem Verhaltenskodex für die Mitglieder der Kommission liegt ein Interessenkonflikt vor, wenn ein persönliches Interesse die unabhängige Wahrnehmung der Aufgaben eines Kommissionsmitglieds beeinflussen kann. Persönliche Interessen umfassen unter anderem, jedoch nicht ausschließlich, potenzielle
    Vergünstigungen oder Vorteile für die Mitglieder selbst, ihre (Ehe-)Partner oder direkte Familienangehörige. Ein Interessenkonflikt liegt nicht vor, wenn ein Kommissionsmitglied lediglich als Teil der allgemeinen Öffentlichkeit oder einer breiten Bevölkerungsschicht betroffen ist. Folglich schaffen die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei ebenso wie politische Überzeugungen keinen Interessenkonflikt.
  3. Die Mitgliedstaaten sind nach dem EU-Recht verpflichtet, unbefugtes Überschreiten der EU-Außengrenzen im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, einschließlich des Rechts auf Asyl und des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, zu verhindern und abzuwenden. Die Achtung der Grundrechte ist ein nicht verhandelbarer Bestandteil der Umsetzung des integrierten europäischen Grenzmanagements, und die Kommission hat die zuständigen nationalen Behörden wiederholt aufgefordert, Vorwürfe gründlich zu untersuchen und die Verantwortlichen gegebenenfalls vor Gericht zu bringen.

*Den neuen Vorschlägen zufolge werden die griechischen Behörden weiter an einer dreistufigen Struktur arbeiten und sich dabei auf Folgendes stützen: a) interne Kontrollverfahren, mit denen Straftaten im Zusammenhang mit Einsätzen der griechischen Polizei oder der griechischen Küstenwache untersucht und
verfolgt werden sollen, b) Untersuchungen durch unabhängige Behörden wie den griechischen Bürgerbeauftragten und die nationale Transparenzbehörde, und c) die Möglichkeit von Staatsanwälten, Vorwürfe nach einer entsprechenden Beschwerde bzw. Presse- und NRO-Berichten zu untersuchen. Zuletzt haben die
griechischen Behörden im Anschluss an Gespräche zwischen Kommissarin Johansson und den zuständigen Ministern in Griechenland am 30. Juni 2022 Rechtsvorschriften erlassen, die unter anderem die Einsetzung eines Grundrechtsbeauftragten und eines spezifischen Überwachungsausschusses für Grundrechte innerhalb des Ministeriums für Migration und Asyl umfassen. Der Grundrechtsbeauftragte und der Ausschuss werden sich sowohl mit Beschwerden im Zusammenhang mit Grenzeinsätzen als auch im Zusammenhang mit Asylverfahren befassen.

Grüne Delegationsreise zur griechischen Grenze

Ich war vom 19 bis 21. September als Teil einer Delegation meiner Fraktion im Europaparlament gemeinsam mit den Abgeordneten Tineke Strik aus den Niederlanden, Saskia Bricmont aus Belgien und Gwendoline Delbos-Corfield aus Frankreich nach Griechenland gereist. Ziel der Reise ist es, uns ein Bild zur aktuellen Lage der Geflüchteten in Griechenland zu machen – aber auch zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit insgesamt. Die griechische Regierung hat führende Oppositionspolitiker und Journalist:innen durch Spähsoftware überwachen lassen und bei der Pressefreiheit liegt das Land, laut Reporter ohne Grenzen, aktuell auf Rang 108 von 180 Staaten – nur Russland und Belarus schneiden in Europa noch schlechter ab. 

RIC Fylakio – Zustände in den Camps

Der Fokus unserer Reise lag auf einem Besuch am Evros, dem Grenzfluss zur Türkei. Hier wurden immer wieder besonders schwere Menschenrechtsverletzungen – gewaltvolle und systematische Pushbacks – dokumentiert. Darüber hinaus haben wir auch Fragen zur biometrischen Massenüberwachung von Schutzsuchenden in sogenannten RIC (Reception and Identification Center) befasst. Wir haben das RIC in Fylakio zu besucht, wo Menschen eigentlich höchstens bis zu 25 Tage eingesperrt werden dürfen. In der Praxis werden selbst Kinder dort monatelang eingesperrt und haben weder Zugang zu Bildung noch zu medizinischer Versorgung. Das Lager selbst ist klein, aber voller verschlossener Türen und Stacheldraht, ohne Schatten und Farbe. Die Menschen leben in Containerhäusern mit Blöcken für Familien, Männer und unbegleitete Minderjährige. Die NGOs vor Ort sind so stark von der Regierung eingeschüchtert, dass sie sich nicht trauen, mit uns Abgeordneten zu sprechen, weil sie fürchten müssen, dann den Zugang zum Camp oder Gelder zu verlieren.

Tote am Evros 

Der Zugang zur Grenzregion wurde uns verwehrt, obwohl wir Europaabgeordnete sind und ich im Parlament für die Außengrenzen zuständig bin. Die griechischen Behörden verhindern hier leider konkret, dass ich meiner Arbeit als Abgeordneter nachgehen kann. Wir standen vor zwei Containern, in denen die Leichen von 20 Menschen lagen, die am Evros gefunden wurden. Allein in diesem Jahr sind die Leichen von 51 Menschen in der griechischen Grenzregion gefunden worden. Wir haben uns mit Dr. Pavlidis unterhalten; er kümmert sich ehrenamtlich um diese Fälle, versucht für die Angehörigen Gewissheit zu schaffen, ob ihre vermissten Söhne, Töchter oder Eltern noch am Leben sind. Oft werden die Leichen erst nach Monaten gefunden – auch weil NGOs der Zugang zur Grenzregion verweigert wird.

Treffen mit Frontex

Alle Aktivitäten der Agentur basieren auf den selbst erklärten Bedürfnissen der nationalen Behörden und stehen unter jener Aufsicht. Die griechischen Behörden versuchen Frontex von ihren illegalen Aktivitäten und den Pushbacks fernzuhalten, weil Frontex diese eigentlich melden müsste – was sie nachweislich in vielen Fällen nicht getan haben. Die Grenzschutzbeamten und Aufsichtspersonen, mit denen wir gesprochen haben, behaupten alle Aktivitäten zu melden, aber noch nie einen Pushback mitbekommen zu haben. Auf unsere Frage, was sie eigentlich den ganzen Tag machen, haben wir keine nachvollziehbare Antwort erhalten.

Treffen mit Notis Mitarachi 

Am Dienstag hatten wir ein Treffen mit dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarachi, der uns Abgeordneten und auch renommierten internationalen Medien mehrfach vorgeworfen hat Fake News und türkische Propaganda zu verbreiten, als wir über die offensichtlichen Pushbacks, Gewalt und Verschleppungen auf See gesprochen haben. Die griechische Regierung baut nicht nur Zäune an der Grenze, sondern auch eine Mauer aus Lügen. In seiner Rede sprach Mitarachi von deutlich besseren Aufnahmebedingungen und einem minimalen Rückstand bei den Asylverfahren im Land, ging aber nicht auf die von glaubwürdigen Akteuren erhobenen Vorwürfe der Pushbacks und weiterer Menschenrechtsverletzungen ein. Ich habe Herr Mitarachi mit mehreren aktuellen Fällen konfrontiert, einschließlich der Fälle von Menschen die auf einer Insel am Evros gestrandet sind. Doch Herr Mitarachi behauptete einfach, dass alle diese Fälle erlogen und erfunden seien. 

Pressefreiheit in Griechenland 

Wir trafen Journalisten, die an der Berichterstattung über den Predator-Fall beteiligt waren, bei dem Griechenland illegal Journalist:innen und Oppositionspolitiker:innen abhörte. Ihre Schilderungen zeichneten ein Bild von Einschüchterung, nationalen Medien, die zum Sprachrohr der Regierung geworden sind, und einem gravierenden Mangel an Mitteln für investigativen Journalismus.

Lesbos 

Nach dem Ende der grünen Mission bin ich noch nach Lesbos gereist, um mir die Lage im Lager Mavrouvoni anzuschauen, dass nach dem Brand in Moria errichtet wurde und als kurzfristige Notlösung gedacht war. Die Lage im Camp ist noch nicht gut, aber es ist auch durch die vielen NGOs und den internationalen Druck deutlich besser als vor einem Jahr. Wie die Lage vor einem Jahr war, habe ich hier aufgeschrieben. Derzeit wird ein neues Camp errichtet, das noch abgelegener ist, als Mavrouvoni und im kommenden Frühjahr fertig werden soll. Man fürchtet, dass die Menschen dort eingesperrt werden und NGOs keinen Zugang haben.

Allgemeine Lage in Griechenland 

Am Dienstag trafen wir uns in Athen mit Expert:innen, die sich mit den gefährlichen Auswirkungen der biometrischen Massenüberwachung, der Korruption bei der Vergabe öffentlicher Gelder, den Angriffen auf die Pressefreiheit und dem Abhörskandal befassen. Die vielen Gespräche hinterließen das Bild von einem Staat, in dem grundlegende demokratische Standards und Menschenrechte nicht mehr eingehalten werden. Die EU, insbesondere die Kommission, muss schnell handeln und Druck aufbauen, um einer weiteren Verschlechterung entgegenzuwirken. Die Zivilgesellschaft, unabhängige Journalist:innen und Geflüchtete brauchen aktive Unterstützung, um sich gegen die Angriffe durch den Staat und die Regierung zu wehren. 

Griechische Regierung lügt

Mein Besuch am Evros und in Athen hat mir nochmal vor Augen geführt, dass die griechische Regierung systematisch lügt, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen und auch nicht davor zurückschreckt Menschen auf der Flucht zu misshandeln, NGOs einzuschüchtern und Journalist:innen anzugreifen und zu bespitzeln. Es gibt aber auch noch eine intakte Zivilgesellschaft, die jetzt unsere Unterstützung braucht, um weiter für die Rechte von Schutzsuchenden und für den Erhalt der Demokratie und des Rechtsstaats zu kämpfen. 

Anfrage: Zurückweisungen trotz einstweiliger Maßnahmen des EGMR

Ich habe ein Anfrage zu Pushbacks an der Landesgrenze zwischen Griechenland und der Türkei an die Kommission gestellt. Die Kommission gibt sich schockiert und besorgt über die Berichte und antwortet, dass sie die aktuellen Kontrollmechanismen zur Wahrung der Grundrechte überprüfen wird.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Wie vom Griechischen Flüchtlingsrat gemeldet, waren 94 Syrer:innen, darunter Minderjährige mit Gesundheitsbeschwerden und junge Mütter mit ihren Säuglingen, vor Kurzem an einem Eiland vor der Küste des griechischen Regionalbezirks Evros gestrandet und mussten dort mehrere Tage ohne Wasser und Nahrung ausharren. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 24. Mai 2022 einstweilige Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass diese Menschen unverzüglich humanitäre und medizinische Hilfe erhalten und die gesetzlich vorgesehenen Aufnahme- und Identifizierungsverfahren auf sie angewandt werden, wurden sie laut Berichten ihrer Familienangehörigen in der Türkei am letzten Wochenende gegen ihren Willen in die Türkei zurückgebracht.

  • Sind die oben geschilderten Handlungen Griechenlands nach Ansicht der Kommission mit dem EU-Recht, einschließlich der Charta der Grundrechte, vereinbar?
  • Welche Schritte wird die Kommission unternehmen, um der möglichen Zurückweisung von 94 Syrern nachzugehen?
  • Liegen ihr Informationen über andere illegale Zurückweisungen durch Griechenland oder über die Zahl mutmaßlich rechtswidriger Verhaltensweisen an der griechischen Grenze vor?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 08.08.2022

Die Kommission ist zutiefst besorgt über alle Berichte und Vorwürfe von Zurückweisungen und Misshandlungen. Jede Form von Gewalt oder Zurückweisung ist rechtswidrig und muss von den nationalen Behörden untersucht werden, die für die Feststellung des Sachverhalts und das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind. Die Kommission ist sich der zunehmenden Migrationsströme an der Landgrenze zur Türkei in den letzten Monaten sowie der Bedrohung durch Schleuser bewusst, die Migrantinnen und Migranten auf kleinen Inseln im Fluss Evros aussetzen.

Im Einklang mit der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen müssen die Mitgliedstaaten wirksame Mechanismen zur Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (grundlegende Voraussetzungen) einrichten. Die Kommission bewertet derzeit die Mechanismen, die im Zusammenhang mit den griechischen Programmen im Rahmen der Fonds im Bereich Inneres eingerichtet worden sind, einschließlich des unabhängigen Mechanismus zur Überwachung und Verhinderung von Zurückweisungen. Ist die Kommission der Auffassung, dass eine grundlegende Voraussetzung nicht erfüllt ist, können die im Rahmen der betreffenden Maßnahmen getätigten Ausgaben zwar in den Zahlungsanträgen angeführt werden, eine Erstattung erfolgt jedoch erst, wenn die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat über die Erfüllung der grundlegenden Voraussetzung unterrichtet hat.

Die Kommission prüft alle ihr zur Verfügung stehenden sachdienlichen Informationen und kooperiert mit den griechischen Behörden, die für die Kontrollmechanismen und die konkrete Untersuchung von Vorwürfen zuständig sind. Die Kommission arbeitet auch im Rahmen der Task Force „Migrationsmanagement“ mit Griechenland zusammen und liefert Feedback in diesem Bereich, um die Wirksamkeit der von den griechischen Behörden eingeführten Überwachungs‐ und Follow-up-Modalitäten zu erhöhen, mit denen die Verpflichtungen aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem EU-Recht, einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, vollständig umgesetzt werden sollen.

Anfrage: Finanzierung geschlossener Migrationszentren durch die EU

Die EU finanziert mehrere geschlossene Migrationszentren mit haftähnlichen Bedingungen in Griechenland. Trotz vorliegender Beweise eines griechischen Gerichtes und mehrerer Nichtregierungsorganisationen, leugnet die Kommission, dass es haftähnliche Bedingungen gibt und behauptet darüber hinaus, dass die Rechte der Schutzsuchenden nicht gebrochen werden.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Die EU finanziert mehrere geschlossene Migrationszentren in Griechenland. Dazu gehört u. a. das geschlossene Zentrum mit kontrolliertem Zugang auf Samos, das im September 2021 eröffnet wurde und im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) Finanzmittel in Höhe von 43 Mio. EUR erhielt. Urteilen eines griechischen Gerichts und Nachweisen verschiedener regierungsunabhängiger Organisationen zufolge sind in diesem Zentrum viele Asylsuchende de facto mit Inhaftierung und umfassender Überwachung konfrontiert.

  • Hält die Kommission die Finanzierung dieses geschlossenen Zentrums für mit den besonderen Bestimmungen zur Regelung der Inhaftierung von Asylsuchenden im internationalen und europäischen Asylrecht (z. B. der Richtlinie über Aufnahmebedingungen und der Dublin-III-Verordnung) vereinbar?
  • Könnte die Kommission eine ausführliche Auflistung aller Ausgaben im Rahmen des AMIF für das Lager auf Samos seit September 2021 bereitstellen, aufgeschlüsselt nach Ausgabenkategorie (insbesondere Überwachung einschließlich Verfahren und Wachpersonal)?
  • Gibt es einen konkreten Überblick über Finanzmittel im Rahmen des AMIF für vergleichbare Zentren auf den Ägäischen Inseln, einschließlich ihrer Kapazität und Gesamtpersonalzahl je Lager, und wie überwacht die Kommission diese Ausgaben?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 08.09.2022

Die Kommission hat 276 Millionen € aus dem Migrations‐ und Integrationsfonds (AMIF) für den Bau von fünf Mehrzweck-Aufnahme‐ und Identifizierungszentren auf den Inseln Samos, Kos, Leros, Chios und Lesbos bereitgestellt. Diese Zentren umfassen verschiedene Bereiche, darunter Aufnahme‐ und Identifizierungsstrukturen für Neuankömmlinge, Unterkunftsmöglichkeiten, sichere Bereiche für unbegleitete Kinder und Jugendliche, Freizeitbereiche und Abschiebezonen. Wie durch die Rückführungsrichtlinie garantiert, handelt es sich nur bei den Abschiebezonen um geschlossene Bereiche. Dass das Asyl‐ und Rückkehrrecht der EU vollumfänglich geachtet wird, ist Bedingung dafür, dass die Zentren mit EU-Mitteln unterstützt werden können.

Die von den griechischen Behörden für den Bau der Zentren veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen können online abgerufen werden. Sie beziehen sich auf die Gesamtkosten der Bauarbeiten und nicht auf die Kosten pro Zentrum. Die Verträge, die Informationen über die laufenden Kosten des neuen Zentrums auf Samos enthalten, stammen vom griechischen Ministerium für Migration und Asyl, weswegen der Kommission die gewünschten Angaben nicht zur Verfügung stehen. Die Damen und Herren Abgeordneten werden gebeten, sich dazu an die zuständigen Dienststellen des Ministeriums zu wenden.

Die Kommission hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Ägäischen Inseln entsandt und beobachtet die Arbeit der neuen Zentren genau, um die Konformität mit geltendem EU-Recht sicherzustellen. Dies geschieht über die obligatorische Berichterstattung der Empfänger von EU-Mitteln und Besuche von Kommissionsmitarbeiterinnen und ‐mitarbeitern vor Ort. Für den Bau der neuen Mehrzweck-Aufnahme‐ und Identifizierungszentren wurde ein zusätzlicher Überwachungsrahmen geschaffen, der während des Projekts unter anderem regelmäßige Finanzkontrollen durch ein externes Wirtschaftsprüfungsunternehmen beinhaltet.

Meine Anfrage zu EU-Mitteln für die ägyptische Küstenwache

Die Kommission hat hier erklärt wie sie in den kommenden beiden Jahren die ägyptische Küstenwache mit 80 Millionen € finanzieren will, damit sie Menschen ins Land zurückschleppt, obwohl die Menschenrechtslage katastrophal ist. Die Kommission bezeichnet dies beschönigend als „Verhinderung irregulärer Migration auf dem Seeweg“.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Kommissionsmitglied Várhelyi hat kürzlich bestätigt, dass die Kommission Ägypten langfristige und kurzfristige finanzielle Unterstützung in Höhe von fast 300 Mio. EUR zugesagt hat. Laut Nachrichtenberichten sind 80 Mio. EUR der Mittel für die ägyptische Küstenwache für den „Grenzschutz“ und für die Verhinderung der Flucht von Ägyptern vorgesehen. Das Parlament hat mehrfach seine Besorgnis über die katastrophale Menschenrechtslage in Ägypten zum Ausdruck gebracht, und seit Januar 2021 sind 3 500 Ägypter aus dem Land per Boot nach Italien geflohen, was sie zur zweitgrößten Gruppe der dort ankommenden Menschen aus den Mittelmeerländern macht.

  • Kann die Kommission einen Überblick über alle an die ägyptischen Behörden und die Küstenwache, insbesondere für den Grenzschutz, gelieferten Ausrüstungsgegenstände oder Dienstleistungen geben, und wie sieht der Zeitplan für die künftige Verteilung aus?
  • Anhand welcher Indikatoren wird die Kommission sicherstellen, dass die migrationspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Ägypten im Einklang mit Artikel 3 Absatz 5 des Vertrags über die Europäische Union steht, d. h. dass die Menschenrechte gewahrt und gefördert werden, z. B. durch die Gewährleistung der Rechenschaftspflicht bei möglichen Menschenrechtsverletzungen?
  • Welche Folgen- oder Risikobewertung in Bezug auf Menschenrechte wurde (oder wird) bei dieser finanziellen Unterstützung durchgeführt, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Leistungen Menschenrechtsverletzungen nicht erleichtern oder für solche genutzt werden?

Antwort von Olivér Várhelyi im Namen der Europäischen Kommission am 25.08.2022

Die Kommission ist bereit, Ägypten bei der Aufrechterhaltung seiner Kapazitäten zur Verhinderung irregulärer Migration auf dem Seeweg und bei der verstärkten Kontrolle seiner Grenze zu Libyen und Sudan zu unterstützen. Angesichts der Tatsache, dass die irregulären Einreisen ägyptischer Staatsangehöriger in die EU (über 90 % nach Italien, hauptsächlich über Libyen) sich im Jahr 2021 (auf 9219) versechsfacht haben, ist dies von besonderer Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund entwickelt die Kommission derzeit in enger Abstimmung mit den ägyptischen Behörden eine Maßnahme zur Unterstützung des Grenzmanagements (Such‐ und Rettungsmaßnahmen sowie Grenzüberwachung an Land‐ und Seegrenzen). Insgesamt sind Mittel in Höhe von 80 Mio. EUR vorgesehen, die in zwei Phasen umgesetzt werden sollen: 23 Mio. EUR im Jahr 2022 und 57 Mio. EUR im Jahr 2023. Da die Maßnahme noch nicht angenommen wurde, liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Überblick über die Ausrüstungsgegenstände oder Dienstleistungen vor, die den ägyptischen Behörden in diesem Rahmen zur Verfügung gestellt werden.

Zu der Maßnahme wird eine Ex-ante-Risikobewertung durchgeführt, und während der gesamten Laufzeit sind Monitoringmaßnahmen vorgesehen, um sicherzustellen, dass durch die Maßnahme die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsnormen und der Schutz von Flüchtlingen und Migranten nicht gefährdet wird.

Anfrage: Wasserstoff – Mehrwert für afrikanische Partnerländer?

Gemeinsam mit den anderen grünen Abgeordneten aus dem Entwicklungsausschuss habe ich der Kommission eine Anfrage zur Förderung von Wasserstoff im Rahmen der Global Gateway Strategie gestellt. Wir haben unsere Zweifel, ob dieser Wasserstoff wirklich grün ist und auch wir haben auch Zweifel daran, ob die Verwendung von Energie zur Erzeugung von Wasserstoff für den Export wirklich angemessen ist, wenn in den betreffenden Partnerländern viele Millionen Menschen keinen Zugang zu elektrischer Energie haben. In ihrer Antwort nennt die Kommission konkrete Ziele, die allen Beteiligten helfen sollen, geht aber leider nicht darauf ein, wie genau diese erreicht werden sollen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage:

Im Rahmen der Global Gateway-Strategie sollen im laufenden Finanzierungszeitraum Investitionen in die Infrastrukturentwicklung in Höhe von bis zu 300 Mrd. EUR getätigt werden. Gemäß der gemeinsamen Mitteilung der Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (HR/VP) vom 1. Dezember 2021 mit dem Titel „Global Gateway“ (JOIN(2021)0030) werden die Kommission und der HR/VP mit Partnerländern zusammenarbeiten, die das Potenzial haben, ihre Erzeugung von Wasserstoff mithilfe erneuerbarer Energiequellen auszubauen, und die Schaffung wettbewerbsfähiger Märkte fördern, damit dieser außerhalb der EU erzeugte Wasserstoff ohne Ausfuhrbeschränkungen oder Preisverzerrungen international gehandelt werden kann.

  • Könnte die Kommission angesichts der Absicht, „grünen Wasserstoff“ für den internationalen Handel in Partnerländern zu erzeugen, konkrete Datenanalysen vorlegen, mit denen sichergestellt wird, dass das Potenzial einer solchen Investitionspolitik nicht nur dem Energiebedarf der EU dient, sondern auch einen Mehrwert für Afrika bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung darstellt?
  • Wie wird man bei der Erzeugung von „grünem Wasserstoff“ für den Export mit dem großen Problem der Energiearmut in Entwicklungsländern umgehen, insbesondere in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in denen 600 Millionen Menschen keinen Zugang zu elektrischem Strom haben? Ist die Erzeugung von Wasserstoff die beste Verwendung erneuerbarer Energiequellen in den Partnerländern?
  • Kann die Kommission weitere Angaben über die Rechtsgrundlage und die Art der EU-Mittel, die für solche Investitionen bereitgestellt werden, sowie über die betreffenden Länder und die entsprechenden Vorzeigeprojekte machen?

Antwort von Kadri Simson im Namen der Europäischen Kommission am 19.08.2022

Global Gateway ist der Beitrag der EU zur Verringerung der globalen Investitionslücke, wobei der Schwerpunkt auf den Bereichen Energie, Verkehr, Digitales, Gesundheit und Bildung liegt. Global Gateway ist vollständig auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung sowie auf das Übereinkommen von Paris abgestimmt.

In Bezug auf den Energiesektor in Afrika wird Global Gateway als Teil der EU-Afrika-Initiative für grüne Energie durchgeführt, die darauf abzielt, den ökologischen Wandel in Afrika zu unterstützen, indem die Kapazitäten für erneuerbare Energien ausgebaut werden, mehr Menschen in Afrika Zugang zu erschwinglicher und zuverlässiger Energie erhalten, die Nutzung nachhaltiger Energie gefördert und die Marktintegration und Sektorreformen unterstützt werden. Bis 2030 soll mit der EU-Afrika-Initiative für grüne Energie die Schaffung von mindestens 50 GW an Kapazitäten zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen gefördert werden, wodurch mindestens 100 Millionen Menschen mit Strom versorgt werden können.

Afrika verfügt über das Potenzial für die großmaßstäbliche Erzeugung von preislich wettbewerbsfähigem erneuerbarem Wasserstoff und davon abgeleiteten Brennstoffen. Diese Technologie kann zur nachhaltigen Industrialisierung und Entwicklung Afrikas im Einklang mit den Zielen der Agenda 2063 der Afrikanischen Union beitragen. Sobald der lokale Bedarf gedeckt ist, könnte der Handel mit erneuerbarem Wasserstoff eine weitere Möglichkeit für die afrikanischen Länder sein, ihre grünen Volkswirtschaften aufzubauen.

Wie in der REPowerEU-Mitteilung und dem dazugehörigen Aktionsplan angekündigt, arbeitet die Kommission daran, Energiepartnerschaften mit einer Reihe von Drittländern, unter anderem auch mit Ländern in Afrika, zu vereinbaren. Der Privatsektor wird Investitionen in erneuerbaren Wasserstoff mobilisieren. Die Kommission wird die Entwicklung des Marktes für erneuerbaren Wasserstoff unterstützen, insbesondere indem über die im Rahmen des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD+) verfügbaren Finanzierungsinstrumente Investitionen des Privatsektors mobilisiert werden.

Anfrage: EU-Aktionsplan als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan

Nach der Übernahme Afghanistans durch die Taliban im August 2021 setzte die Kommission die meisten ihrer Abkommen mit dem Land aus und stellte die Zusammenarbeit mit Afghanistan weitgehend ein. Seitdem hat sie als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan einen Aktionsplan ausgearbeitet, der den Medien zugespielt wurde. Dazu habe ich folgende Fragen gestellt:

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Fragen

  • Wurde der Aktionsplan bereits angenommen? Wenn ja, wird es Berichte über die Umsetzung geben und werden die Maßnahmen öffentlich zugänglich gemacht?
  • Wird das Parlament über die Umsetzung des Aktionsplans informiert?
  • Wird die Kommission ihre Zusage, 38 000 besonders schutzbedürftige Afghanen aufzunehmen nach Mitgliedstaaten und Programmen (Neuansiedlung, humanitäre Aufnahme usw.) aufschlüsseln und mitteilen sowie bekannt geben, wie viele Afghanen derzeit sowohl über die offiziellen Evakuierungsrouten als auch über die Programme für gefährdete Afghanen nach Europa kommen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.08.2022

1. Die Aktionspläne zur Stärkung umfassender Migrationspartnerschaften mit vorrangigen Herkunfts‐ und Transitländern, einschließlich des als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan angenommenen Aktionsplans, wurden gemeinsam von der Kommission und vom Europäischen Auswärtigen Dienst gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2021 entwickelt und anschließend den Mitgliedstaaten auf den Sitzungen der Arbeitsgruppe „Externe Aspekte der Asyl‐ und Migrationspolitik“ des Rates vorgestellt. Bei diesen Aktionsplänen handelt es sich um dynamische Dokumente, die mit der Zeit weiterentwickelt werden. Sie sind für den internen Gebrauch der EU und ihrer Mitgliedstaaten gedacht und sollen zur Entwicklung eines gemeinsamen strategischen Ansatzes für die Zusammenarbeit mit den Partnerländern beitragen. Mit diesem spezifischen Aktionsplan wird das Ziel verfolgt, die Maßnahmen zu verstärken, die zur Unterstützung der afghanischen Bevölkerung bzw. gemeinsam mit den Nachbarländern Afghanistans ergriffen werden sollen. In Afghanistan besteht großer Bedarf an humanitärer Hilfe, und die eigenen Ressourcen des Landes sind begrenzt. Die humanitäre Hilfe der EU in Afghanistan läuft bereits und wird im Einklang mit den Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit geleistet.

2. Die Kommission ist entschlossen, das Europäische Parlament auch weiterhin umfassend über alle Aspekte der Migrationspolitik zu informieren, auch in Bezug auf ihre Maßnahmen in Afghanistan und der Region. Die Kommission wird das Parlament weiterhin über die Entwicklung der humanitären Lage vor Ort und die Anpassung der humanitären Maßnahmen der EU unterrichten.

3. Die Zusagen, die die Mitgliedstaaten bezüglich gefährdeter Afghanen für den Zeitraum 2021-2022 gemacht haben, sind dem Anhang zu entnehmen. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission gemeldet, dass bis April 2022 fast 28 700 Personen aus humanitären Gründen aufgenommen wurden, die Neuansiedlung jedoch noch nicht begonnen hat.

Anfrage: Bericht der griechischen Transparenzbehörde

Ich habe die EU-Kommission am 25.05.2022 gefragt, wie sie dazu steht, dass die griechischen Behörden ankommende Schutzsuchende sofort in Abschiebehaft nimmt und in ein Gefängnis sperrt, dass sie nicht verlassen dürfen. Die Kommission antwortet, dass ihr diese Praxis bekannt ist und diese rechtlich auch zu rechtfertigen sei, wenn weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirken. Diese „weniger einschneidenden Maßnahmen“ werden aber nicht angewandt und müssten auch einer Einzefallprüfung unterliegen – was sie derzeit nicht tun.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Die nationale Transparenzbehörde Griechenlands veröffentlichte am 10. Mai 2022 einen Untersuchungsbericht zu mutmaßlichen Zurückweisungen, in dem unter anderem das Verfahren für die Bewältigung des Stroms von Asylsuchenden beschrieben wird, die das griechische Hoheitsgebiet auf dem Land- oder Seeweg erreichen.

  • Wie beurteilt die Kommission – unter Berücksichtigung von Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta und Artikel 8 und 9 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen – das Vorgehen Griechenlands, Neuankömmlinge bis zu ihrer Überstellung in ein Aufnahme- und Identifizierungszentrum in der Region Evros in Abschiebehaft zu nehmen (S. 23/24)?
  • Wie beurteilt sie – unter Berücksichtigung von Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta und Artikel 8 und 9 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen – die Praxis, dass Antragsteller während der Aufnahme- und Identifizierungsverfahren ab der Registrierung bis zu 25 Tage lang in der Einrichtung untergebracht sind, diese jedoch nicht verlassen dürfen, da sie sich in Gewahrsam befinden (S. 29)?
  • Wie werden Statistiken zur „Prävention“ (S. 56) erhoben und wie viele Fälle von Prävention wurden 2021 von den griechischen Behörden verzeichnet? Bitte geben Sie eine Aufschlüsselung nach Polizeidirektion (Alexandroúpoli, Orestiada, nördliche Ägäis und Dodekanes) an.

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 3.08.2022

Der Kommission ist bekannt, dass Personen, die irregulär über die Landgrenze mit der Türkei bei Evros ankommen, in das Aufnahme‐ und Identifizierungszentrum in Fylakio überstellt werden, wo sie dem Aufnahme‐ und Identifizierungsverfahren unterliegen und sich einer ärztlichen Untersuchung, der Registrierung personenbezogener Daten, der Abnahme von Fingerabdrücken und einer Befragung unterziehen müssen; anschließend werden sie in die Folgeverfahren (Asyl für Personen, die internationalen Schutz beantragen, oder Rückführung von Personen, die auf einen solchen Antrag verzichten), geleitet werden.

In Bezug auf die Verwaltungshaft während des Aufnahme‐ und Identifizierungsverfahrens enthält Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen[1] im Einklang mit Artikel 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2] eine erschöpfende Liste der Gründe, aus denen ein Antragsteller in Haft genommen werden kann, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Zu den dort aufgeführten Haftgründen zählt die Notwendigkeit, die Identität oder Staatsangehörigkeit der Person festzustellen oder zu überprüfen. Solche Entscheidungen müssen jedoch auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung getroffen werden. Die Kommission verfolgt die Lage vor Ort aufmerksam und steht im Dialog mit den griechischen Behörden. Sie erhebt jedoch keine Statistiken über „Präventionen“ und verfügt nicht über die vom Herrn Abgeordneten angeforderten Informationen.

Wie viele EU-Gelder sind nach Griechenland für den Bereich Migration geflossen?

Seit dem Jahr 2015 hat die Europäische Union Griechenland insgesamt 3,38€ Milliarden für die Bewältigung von Migrations- und Grenzaufgaben zur Verfügung gestellt. 2,53€ Milliarden wurden bisher von Griechenland abgerufen. 

Die Unterstützung Griechenlands durch die Europäische Union erfolgt durch drei Töpfe: den Asylum, Migration and Integration Fund (AMIF), der Internal Security Fund (ISF) und das  Emergency Support Instrument (ESI). Der größte Topf ist der AMIF über den insgesamt 328,3€ Milliarden zur Verfügung gestellt wurden. Über diesen Haushaltsposten werden EU-Mitgliedstaaten unterstützt zum Zweck des effizienten Managements von Migration und der Implementierung und Stärkung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Der ISF stellt Geld für das Management von Visum und Einreise, Kontrolle der Außengrenzen, aber auch Rückführungen, beispielsweise durch Frontex, bereit. Hier wurde Griechenland 320€ Millionen bereitgestellt. Das ESI dient der Unterstützung für Notlagen und gibt Geld für humanitäre Hilfe, der Anteil betrug 668,9€ Millionen. Der Großteil der regulären Gelder aus AMIF, ISF und ESI fließt an die nationalen Behörden, also an die griechischen Behörden, die sich mit Migration und Asyl befassen, so beispielsweise das griechische Ministerium für Migration und Asyl. 


Neben den regulär vorgesehenen Bedarfen können zusätzlich für weitere kurzfristige Notfallbedarfe (“Emergency Assistance”) Gelder aus AMIF und ISF mobilisiert werden. Die geflossenen Gelder aus der Emergency Assistance stellen im Fall von Griechenland die größte Summe alle geflossenen Gelder, insgesamt 1,54€ Milliarden. Zwei Drittel aller Gelder der Emergency Assistance sind an internationale Organisationen geflossen, das letzte Drittel an die griechischen Behörden. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass insgesamt 2,06€ Milliarden bereitgestellt worden, Griechenland aber nicht alles abgerufen hat.

Politischer Wille für eine gute Versorgung fehlt

Tatsächlich erhielten die griechischen Behörden 2,53€ Milliarden, um die erhöhten Ankunftszahlen der letzten Jahre zu bewältigen. Dabei ist es besonders wichtig, anzumerken, dass 3,38€ Milliarden zugesprochen wurden, aber ein Großteil davon nicht ausgegeben wurde. Dies zeigt deutlich, dass die Gelder vorhanden sind, um die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und auf dem Festland angemessen und würdig zu versorgen, jedoch der politische Wille fehlt, dies auch so umzusetzen. 

Noch werden in Griechenland grundlegende Anforderungen der EU-Aufnahmerichtlinie nicht eingehalten wie zum Beispiel das Recht auf Bildung der Kinder. Auch die Essensversorgung ist nach wie vor problematisch und ungenügend. Genug Geld wäre tatsächlich da, um die Probleme nachhaltig zu lösen. Selbst der Europäische Rechnungshof als EU-eigene Behörde kam in seinem Jahresbericht 2019 zu ähnlichen Schlussfolgerungen, ohne sie explizit so zu benennen. Es kam nicht zu expliziten Veruntreuungen der Gelder, jedoch wurden einige Gelder aus der Emergency Assistance für längerfristige Projekte und Strukturen zweckentfremdet, obwohl diese nur flexibel für kurzfristige Notfallbedarfe eingesetzt werden dürfen. Außerdem bemängelte der Rechnungshof die ineffiziente Nutzung der Gelder und somit die Diskrepanz zwischen den EU-Zielen und den tatsächlichen Ergebnissen – sprich das Fehlen des politischen Willens. Nun fließen die Gelder aber nicht nur an die griechischen Behörden, sondern auch an internationale Organisationen. Aber auch mehr Gelder an internationale Organisationen sind nicht zwingend hilfreich, wenn die griechische Regierung deren Arbeit blockiert und kriminalisiert, wie es vor allem auf den griechischen Inseln der Fall ist. 

Wer sich genauer mit den veranschlagten und geflossenen Geldern befassen möchte, findet hier eine Übersicht von der Europäischen Kommission. Sie stellt auch dar, wie viele Gelder an die unterschiedlichen internationalen Organisation sowie an welche griechischen Behörden sie geflossen sind. 

Eine Betrachtung der Zahlen macht eines nochmal sehr deutlich. Die staatlichen Behörden und Organisationen haben eigentlich genügend Mittel, um Menschen würdig zu behandeln. Aber es scheint politisch nicht gewünscht zu sein.

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