Europabrunch

Am 22. April veranstalte ich –  Erik Marquardt (MdEP) – mit Unterstützung der LAG Europa in Berlin einen Europabrunch. Dort informieren wir über die aktuellen Entwicklungen der europäischen Asylpolitik. Außerdem  werfen wir anlässlich des Earth Days einen Blick auf die europäische Klimapolitik. 

Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr und soll drei Stunden dauern, damit genügend Zeit für einen ausgiebigen Brunch bleibt. Im ersten Teil wird Erik Marquardt über die aktuellen Entwicklungen der Europäischen Asylpolitik informieren und anschließende Fragen diskutieren.

Auch in diesem Jahr sind bereits über 500 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers gestorben. Gleichzeitig werden die Methoden, mit denen Seenotrettung verhindert wird, immer unwürdiger. Auf Notrufe wird oft nicht mehr reagiert, zivile Rettungsschiffe werden auf tagelange Irrfahrten geschickt und Milizen in Bürgerkriegsländern werden zur Flüchtlingsabwehr bezahlt. Es steht schlecht um die Menschenrechte an den EU-Außengrenzen. Wie ist die Lage, was müsste passieren und welche Chancen oder Gefahren bietet die aktuell diskutierte Reform des Europäischen Asylsystems? Darüber werden wir im ersten Teil des Brunches reden.

Nach einer Pause kommen wir dann zum zweiten thematischen Block:

Jedoch nicht nur im Bereich Migration gibt es aktuell große Veränderungen, sondern auch im Bereich Energie und Klimapolitik. Deswegen freue ich mich, dass wir für die 2. Hälfte der Veranstaltung meinen Kollegen aus dem Europaparlament Michael Bloss begrüßen dürfen. Der European Green Deal ist das ambitionierteste Klimaschutzvorhaben das wir in Europa je hatten. Für die Umsetzung und Verteidigung dieser Klimaziele setzt sich Michael im Europäischen Parlament ein. Darunter fallen Verhandlungen zu CO2-Preisen, genauso wie das Ende des Verbrennermotors. Dank dieses Einsatzes konnten wir trotz eines kurzen Schluckaufs, dann endlich Ende März das Verbrenner-Aus feiern. Trotzdem müssen wir weiterhin für eine klimagerechte Zukunft der EU kämpfen, denn die Diskussionen zeigen, wie schwierig es ist, in klimapolitischen Fragen voranzukommen. Die Frage bleibt: Wie können wir Lösungen für ein klimagerechtes Europa schaffen?

Um die aktuellen Geschehnisse einzuordnen und über unsere Arbeit als Abgeordnete zu berichten, lade ich hiermit gemeinsam mit der LAG Europa zum Europabrunch am 22. April um 10 Uhr in Berlin ein. 

Das Programm: 

  1. Vortrag Erik Marquardt zur aktuelle Asyl- und Migrationspolitik – wo stehen wir, was wird gerade entschieden und was steht noch an 
  2. Anlässlich des Earth Days: Panel zur Europäischen Klimapolitik mit Michael Bloss und Helena Marschall von Fridays For Future

Ort der Veranstaltung: 

Kin Za, Krausnickstraße 23, 10115 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

22.04.2023 

10 – 13 Uhr 

Anmeldung: 

Bitte meldet euch bis zum 20. April für eine vor Ort Teilnahme an. ANMELDUNG GESCHLOSSEN

Humanitärer Hilfe für die Ukraine aus der Sicht lokaler NGOs 

Zusammen mit meinem Kollegen Barry Andrews (Renew) und der NGO ActionAid habe ich am Dienstag einen Austausch zu den Herausforderungen und Chancen für die humanitäre Hilfe der EU in der Ukraine anhand der Erfahrungen von lokalen NGOs veranstaltet. Mit dabei waren die Organisationen DEIS Rumänien, ROMNI Moldawien und NGO Girls Ukraine sowie Allesandro Valdambrini von der Generaldirektion Europäischer Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission (DG ECHO). 

Die Vertreter:innen der drei NGOs haben von ihren Erfahrungen in der Bereitstellung von humanitärer Hilfe an die Geflüchteten aus der Ukraine und den Menschen vor Ort berichtet und mit welchen Herausforderungen sie als Frauen in von Frauen und/oder Jugendlichen geführten Organisationen konfrontiert sind. Zusätzlich zu diesen persönlichen Erfahrungen stellte Action Aid ihren Bericht “Standing up for our Rights: Feminist Insights from the Ukraine Response” vor, in dem ebenfalls auf diese Herausforderungen vor allem aber auch auf die wichtige Rolle dieser Organisationen für die Krisenbewältigung eingegangen wird.  Sie befürworten allesamt einen feministischen Ansatz in der humanitären Hilfe, wobei lokale Organisationen gezielter gefördert werden sollen. 

Finanzierung lokaler NGOs

Darauf erwiderte Herr Valdambrini, dass ihre Zielvorgabe ist, 25% der humanitären Hilfe an lokale Partner.innen zu geben. Dies kann aber wegen des EU-Mandats nicht auf direktem Wege passieren und muss über internationale Organisationen kanalisiert werden. Somit liege die Verantwortung am Ende auch bei den internationalen Organisationen, den Schwellenwert der 25% einzuhalten. Hier muss sich die Kommission bemühen, zusätzliche Wege zu finden, um die  finanzielle Unterstützung von lokalen NGOs zu gewährleisten. 

Es ist wichtig, dass die Europäische Kommission in der Bereitstellung von humanitärer Hilfe auch von den Erfahrungen der lokalen NGOs lernt, dafür braucht es Plattformen für einen regelmäßigen Austausch. Ich unterstütze den feministischen Ansatz in der humanitären Hilfe um strukturelle Ungleichheiten zu beseitigen und den Stimmen von FLINTA* in Krisensituationen Gehör zu schaffen. Darauf sollte auch die EU zusammen mit ihren internationalen Partner:innen mehr Augenmerk legen.

Abstimmung über das Gemeinsame Europäische Asylsystem

Heute stimmten wir Mitglieder des Innenausschusses über die Parlamentspositionen zu vier Dossiers des im September 2020 von der Kommission vorgestellten Migrations- und Asylpakts ab. Alle vier wurden im Ausschuss angenommen. Konkret geht es um die Position des Europäischen Parlaments zur Screening-Verordnung, der geänderten Asylverfahrensverordnung, der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und der Krisenverordnung. 

Die Verhandlungen waren langwierig und haben gezeigt, dass die aufgeheizte Debatte zu Migrationsthemen eine Einigung auf lösungsorientierte Positionen erschwert. Leider gibt es keinen Anlass zu glauben, dass radikale Asylrechtsverschärfungen die Situation für Schutzsuchende oder die Mitgliedstaaten und Kommunen verbessern. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Asylreform zu einer überbordenden Bürokratie, menschenrechtswidrigen Prozessen und einer stärkeren Überlastung der Aufnahmesysteme führt, als das aktuelle System.

Die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems war eines der zentralen Projekte von Ursula von der Leyens bei ihrer Bewerbung zur Kommissionspräsidentin 2019. Damals habe ich diese Einschätzung des Paktes abgegeben. 

1 Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMMR)

Die Kommission schlägt in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement vor, das derzeitige Dublin-System zu ersetzen und einen neuen Mechanismus zur Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen. Ein Schwerpunkt des Vorschlags liegt auf einer Steigerung der Rückführungen. Das zentrale Problem des Dublin-Systems soll nicht gelöst werden – das Ersteinreiseland soll weiterhin für die Asylverfahren zuständig sein. Für diese Verordnung hat Berichterstatter Thomas Tobé (EVP) seinen Berichtsentwurf im Oktober vergangenen Jahres im Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments vorgestellt. 

Der Standpunkt des Parlaments enthält viele positive Elemente und erhebliche Verbesserungen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag – und wenn er wie vom Parlament vorgeschlagen umgesetzt wird, auch deutliche Verbesserungen gegenüber dem Status quo. 

Nach der Ankunft und Registrierung wird festgelegt, welcher Mitgliedstaat für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist. Bei dieser  Zuweisung gibt es neue, zusätzliche Kriterien, durch welche die Staaten an den Außengrenzen entlastet werden sollen. Außerdem soll es ein verpflichtendes Solidaritätssystem geben, bei dem sich alle Staaten beteiligen. Die Kommission hat hier verschiedene Formen der “Solidarität” vorgeschlagen. Beim Solidaritätssystem in der Parlamentsversion werden Verbesserungen geschaffen, die dafür sorgen, dass eine Umsiedlung – also eine Aufnahme durch ein anderes EU-Land – als priorisiertes Verfahren angesehen wird.

Das wäre deutlich verlässlicher und effizienter als die Ad-hoc-Solidarität, die in den vergangenen Jahren wiederholt weitgehend scheiterte. Für uns Grüne ist die Forderung des Parlaments nach einer sofortigen Umverteilung der aus Seenot geretteten Menschen ein großer Erfolg. Dies könnte dazu beitragen, dass die grausame Verzögerung von Seenotrettung und Hafenblockaden beendet werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die AMMR die grundlegenden Probleme des Europäischen Asylsystems nicht ernsthaft löst, da es nach den Erfahrungen der letzten Jahre leider unrealistisch ist, dass EU-Staaten in der Asylpolitik Europa-, Menschen- oder Grundrechte so implementieren, dass man von einer schnellen Rückkehr zur Rechtstaatlichkeit ausgehen kann. Eine Implementierung des Parlamentsvorschlags zur AMMR würde aber zumindest einige praktische Verbesserungen bieten und hätte keine Nachteile. Deswegen habe ich dafür gestimmt. 

2. Asylverfahrensverordnung (APR)

2016 hat die Kommission einen Vorschlag für die Asylverfahrensverordnung veröffentlicht und obwohl das Parlament in 2018 seinen Bericht vorlegte, haben die Mitgliedstaaten keine Einigung erzielen können. Die 2020 vorgelegten Änderungen in der Asylverfahrensverordnung zielen nun darauf ab, die Mitgliedstaaten zur Anwendung von Grenzverfahren zu verpflichten und den Anwendungsbereich der Richtlinie deutlich zu erweitern. 

Der Kern des Vorschlags ist, dass ein großer Teil der Asylsuchenden für die Bearbeitung der Asylanträge in sogenannten Grenzverfahren an der Grenze bleiben soll. Diese Grenzverfahren sind keine Asylverfahren im eigentlichen Sinne. Dies kann, wie damals in Moria, zu Massenlagern an den Außengrenzen oder zur Schaffung von Haftzentren führen, wie sie in Griechenland auf den Inseln bereits als Pilotprojekte in Betrieb genommen wurden. 

Als Berichterstatter für Grenzverfahren habe ich einen Umsetzungsbericht für das Europäische Parlament geschrieben. Dabei wird deutlich, dass Grenzverfahren die Grund- und Verfahrensrechte von Asylsuchenden stark beschneiden und die angestrebten Ziele in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Die Berichterstatterin für die Asylverfahrensverordnung, Fabienne Keller von den Liberalen hat ihre Position zur APR im Oktober 2021 im Innenausschuss vorgestellt. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Linken haben wir Grüne uns zu Beginn der parlamentarischen Beratungen klar gegen obligatorische Grenzverfahren ausgesprochen.

Der Standpunkt des Parlaments stellt zwar eine Verbesserung gegenüber dem Vorschlag der Kommission dar, enthält aber weiterhin Elemente, welche die Lage von Schutzsuchenden massiv verschlechtern würden. Vor allem die Anwendung einer Regelung zu Grenzverfahren könnte dazu führen, dass viele Menschen ohne angemessene Prüfung ihres Antrags an den Außengrenzen abgefertigt und zurückgeschickt werden. Ein aktuelles Beispiel aus Deutschland für die Problematik solcher Grenzverfahren ist der Fall des 35- Jährigen Mohammad D.,der aus Frankfurt am Main in den Iran abgeschoben wurde, obwohl man derzeit eigentlich nicht in den Iran abschieben darf.


Außerdem ist es schlicht nicht nachvollziehbar, wie so ein System vermeiden will, dass es zu einer Überlastung von Außengrenzstaaten kommt. Die Folge einer Umsetzung der Ausweitung von Grenzverfahren und Einführung zusätzlicher Verfahren würde deswegen dazu beitragen, dass die Außengrenzstaaten sich vom GEAS abwenden und vermutlich wieder zu Menschenrechtsverletzungen und anderen Abschreckungsmaßnahmen greifen.

Die Position des Parlaments widerspricht außerdem der Charta der Grundrechte und dem EuGH-Urteil in Fall Gnandi, da sie keine automatische aufschiebende Wirkung für erstinstanzliche Rechtsbehelfe vorsieht. Konkret besteht hier die Gefahr, dass Menschen in Drittländer abgeschoben werden, bevor ihr negativer Asylbescheid von einem Gericht geprüft wird. Damit besteht auch das Risiko, gegen den Grundsatz des Non-Refoulement zu verstoßen. Deswegen habe ich gegen die Asylverfahrensverordnung gestimmt. Zu beachten ist, dass ein Großteil des Verhandlungsmandats gegenüber dem Rat aus der Parlamentsposition von 2018 stammt. Damals haben wir für diese Position gestimmt.

3. Screening-Verordnung

Mit der Screening-Verordnung möchte die Kommission einen zusätzlichen Schritt für Asylsuchende einführen, bevor sie Zugang zum Asylsystem erhalten. Das Screening-Verfahren würde Mitgliedstaaten verpflichten, in einem kurzen Verfahren die Registrierung, Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen durchzuführen. Außerdem sollte die Entscheidung am Ende des Screening-Verfahrens laut Kommissionsvorschlag nicht juristisch angefochten werden können, was der willkürlichen und ungerechten Behandlung von Schutzsuchenden Vorschub leisten würde. Mit dem oben beschriebenen Grenzverfahren in der Asylverfahrensverordnung bestünde die Gefahr, dass Schutzsuchende lange in einem rechtlichen Niemandsland gehalten und auch lange eingesperrt bleiben. 

Die Screening-Verordnung ist das einzige Dossier des Pakts, das zum Schengen-Besitzstand gehört, aber mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem verbunden ist. Das Parlament befasst sich mit dem Dossier, seitdem die Berichterstatterin Birgit Sippel von der S&D ihren Bericht im November 2021 im Innenausschuss vorgestellt hat. Der Rat hat eine Position zum Screening verabschiedet und ist bereit, in die interinstitutionellen Verhandlungen einzutreten.

Screening beinhaltet den Vorschlag eines Grundrechts-Monitoring-Mechanismus an der Außengrenze, was sehr wichtig ist, um die aktuellen systematischen Verletzungen der Menschenrechte von Menschen auf der Flucht zu verhindern. 

Die Mitgliedstaaten wären verpflichtet, die an den Außengrenzen ankommenden Personen zu überprüfen und auch besonders vulnerable Personen darunter ausfindig zu machen, um diese angemessen zu unterstützen. 

In Verbindung mit einem Überwachungsmechanismus mit einem breiten Anwendungsbereich und hohen Unabhängigkeitsstandards würde dieses Verfahren zu weniger Chaos und weniger Menschenrechtsverletzungen, aber auch zu mehr Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit an den Außengrenzen führen. Außerdem sollen Prüfungen stattfinden, um potentielle Gefahren für Geflüchtete zu vermeiden und zum Beispiel gegen Menschenhandel und organisierte Kriminalität vorzugehen.

Ein effektives Screening-System würde dabei helfen, Schutzsuchende schnell zu registrieren, schnell zu verteilen und die aktuellen Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks oder Verschwindenlassen zu bekämpfen. 

Der Standpunkt des Parlaments zum Screening stellt unter dem Strich eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission dar und würde, wenn er wie vom Parlament vorgesehen umgesetzt wird, zu einer schnelleren Registrierung, kürzeren Inhaftierungen und besseren Standards an den Außengrenzen führen. Außerdem würde die Verordnung aus meiner Sicht eine wichtige Antwort auf die systematischen Verbrechen an den Außengrenzen liefern. Deswegen habe ich zugestimmt, meine Fraktion hat sich enthalten. 

4. Krisenverordnung 

Dank der Richtlinie zur temporären Aufnahme (sog. “Massenzustromrichtlinie” / TPD) haben wir ein EU-Instrument, das sich bei der Aufnahme von Millionen Ukrainer:innen in der EU seit der russischen Invasion in der Ukraine weitgehend bewährt hat. Der Vorschlag der Kommission in der  Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt sieht vor, eben diese Richtlinie zur temporären Aufnahme abzuschaffen, was in der momentanen Situation massive Komplikationen mit sich brächte.

Aber auch sonst ist diese Verordnung problematisch, weil die Kommission damit erreichen möchte, dass in Krisensituationen verschiedene Abweichungen von den Mindeststandards möglich sind, mit denen das Asylrecht weiter ausgehöhlt werden würde. Dabei müsste ein Mitgliedstaat die Kommission darum bitten, festzustellen, dass eine solche Krisensituation vorliegt. Wann eine Krise bestehen könnte, wird nicht näher definiert, aber in den einleitenden Bemerkungen wird die Lage an der türkisch-griechischen Grenze im März 2020 wie auch die Corona-Pandemie genannt. Durch die unklare Definition besteht die Gefahr, dass Mitgliedstaaten die Verordnung instrumentalisieren könnten, um das Asylrecht zu beschneiden.

Seit der Berichterstatter Juan Fernando López Aguilar (S&D) seine Position zu der Krisenverordnung dem Innenausschuss im November 2021 vorgelegt hat, fanden viele Diskussionen statt, um ein Gleichgewicht zwischen Maßnahmen zur Stärkung der Solidarität in Krisensituationen (für uns Grüne vorrangig) und Ausnahmen von den Regeln des EU-Asylsystems unter normalen Umständen sicherzustellen.

Dank der Arbeit der progressiven Fraktionen finden sich in der Position des Parlaments einige gute Elemente: die verpflichtende Umverteilung von Schutzsuchenden im Krisenfall, die Beibehaltung der TPD, ein neues System der schnellen Anerkennung (prima-facie-Ansatz) für diejenigen, die mit klarem Schutzbedarf ankommen (wie Syrer:innen in den Jahren 2015-2016) und die zentrale Rolle für die Kommission bei der Einstufung als Krisensituation.

Im Standpunkt des Parlaments wurden jedoch auch schwerwiegende Ausnahmeregelungen von den Vorschriften festgelegt, die in einer Krisensituation eine lange Inhaftierung an der Außengrenze ermöglichen und die Situation der Asylbewerber:innen weiter verschlechtern. Obwohl ich die positiven Elemente sehe, habe ich mich der Stimme enthalten, weil die Ausnahmeregelungen meiner Meinung nach keine Lösung der jetzigen Situation an den EU-Außengrenzen darstellen, sondern das Problem verschlimmern.

Das Massensterben wird immer mehr zu einem politischen Versagen der EU

Am Mittwoch debattieren die Mitglieder des Europäischen Parlaments über die jüngsten Fälle von Menschen, die bei der Flucht über das Mittelmeer ertrunken sind. In den letzten Wochen wurde offensichtlich, dass Rettungen bewusst verzögert werden und dass viele Menschen gerettet werden könnten. So kam es am Sonntag zu einem Schiffsunglück, bei dem die italienischen Behörden mehr als 24 Stunden keine Rettung von einem Schiff in Seenot initiierten, obwohl Schiffe in der Nähe waren. 30 Menschen starben, nur 17 konnten gerettet werden. Mindestens 383 Menschen sind in diesem Jahr bereits auf der Flucht im Mittelmeer gestorben.

Das Massensterben im Mittelmeer wird immer mehr zu einem politischen Versagen der EU. Am Sonntag sind erneut 30 Menschen ertrunken, weil über mehr als 24 Stunden nach ihrem Notruf keine Rettung eingeleitet wurde. Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, die Menschen rechtzeitig zu retten, aber die italienischen Behörden haben sie sterben lassen.

Opfer unterlassener Hilfeleistung

Die Menschen sind nicht nur zu Opfern von Bootsunglücken geworden, sie sind Opfer unterlassener Hilfeleistung. Wenn EU-Staaten den Tod von Menschen auf dem Mittelmeer für ihre politischen Ziele in Kauf nehmen, kann die EU auch gleich moralische Insolvenz anmelden. Die EU-Staaten sind nach internationalem Recht verpflichtet, Menschen in Seenot zu retten. Doch sie sollten auch stolz darauf sein, Menschenleben zu retten. Statt sich endlich ihrer Verantwortung zu stellen und Menschen in Seenot mit allen Möglichkeiten zu retten, werden Hilfsorganisationen schikaniert.

Das Sterben kann ein Ende haben. Neben der Seenotrettung muss es sichere und legale Fluchtwege, ein strukturiertes EU-Asylsystem, gerechtere Verteilung und eine ernsthafte Fluchtursachenbekämpfung geben. Die EU-Kommission muss ihre Blockade bei der Finanzierung von Seenotrettung aufgeben. Wer behauptet, das Sterben verhindern zu wollen, darf nicht die Mittelvergabe für Seenotrettung blockieren. Meine Rede im Parlament findet ihr hier.

Neuer Frontexchef Hans Leijtens muss Menschenrechte in den Fokus rücken

Der neue Exekutivdirektor der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Hans Leitjens, nimmt am 1.03 seine Arbeit auf. Im Dezember wurde er für eine Amtszeit von fünf Jahren ernannt. Hier findet ihr außerdem eine Chronologie der Vorwürfe gegen Frontex. In meiner Pressemitteilung vom 28.02 sendete ich folgende Stellungnahme an Journalist:innnen:

“Nach dem Rücktritt von Fabrice Leggeri hat sich bei Frontex noch zu wenig geändert. Der vormalige Frontex-Direktor Fabrice Leggeri hat schwere Verbrechen vertuscht, Parlamente belogen und Dokumente wurden gefälscht. Die Grenzschutzagentur hat in den letzten Jahren eher gewirkt, als sei sie Teil der organisierten Kriminalität als eine Behörde zum Schutz des Rechts. Auch nach dem Rücktritt des alten Exekutivdirektors hat Frontex weiter bei schweren Menschenrechtsverletzungen in Griechenland zugeschaut und sich mitverantwortlich gemacht. 

Hans Leijtens muss die systematischen Probleme bei Frontex angehen und Rechtsstaatlichkeit in den Fokus rücken. Menschenrechte behindern nicht die Arbeit des Grenzschutzes, sie sind die Arbeitsgrundlage. Das müssen Frontex und die nationalen Behörden endlich verstehen, damit das Chaos an den Außengrenzen aufhört und die Grenzkontrollen endlich rechtsstaatlich organisiert werden. Erst vergangene Woche hat ein Boot mit über 200 Menschen in der Türkei abgelegt, Griechenland umfahren, weil Geflüchtete dort illegal zurückgewiesen und misshandelt werden, und das hunderte Kilometer entfernte Italien angesteuert. Lange vor dem Unglück wusste Frontex offenbar bereits von dem Boot, aber es wurde keine koordinierte Rettung eingeleitet. Die Menschen hätten gerettet werden können, es sind unsere Toten. 

Auf Seenotrufe wird vielfach nicht mehr ernsthaft reagiert. Wenn Frontex-Flugzeuge Boote in Seenot finden, informiert die Grenzschutzagentur nicht mehr die umliegenden Schiffe, die schnell retten könnten, sondern lässt libysche Milizen die Menschen ins Lager bringen. 

Unsere Forderungen

Es muss eine unabhängige Untersuchung über die Fälle aus dem OLAF-Bericht stattfinden und darüber, was Leggeri noch vertuscht hat. Zudem sollten weitere Berichte des Frontex-Grundrechtebüros und Verträge mit der Agentur mit Unternehmen veröffentlicht werden. 

Leijtens sollte Artikel 46 der Frontex-Verordnung anwenden und die Operationen in Griechenland aufgrund systematischer Menschenrechtsverletzungen beenden. Gegen Griechenland sollte die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Das EU-Parlament muss einen ständigen Platz im Verwaltungsrat von Frontex erhalten, damit die Agentur künftig stärker kontrollierbar ist.

Frontex muss mehr Personal für die Menschenrechtsbeobachtungen einstellen. Frontex muss zu einer Agentur werden, die Menschenrechte schützt, statt diese zu verletzen. Das bedeutet auch, an Seenotrettungsoperationen teilzunehmen und Mitgliedstaaten bei der Einhaltung von Menschenrechten zu kontrollieren. Hans Leijtens hat keine Fußstapfen, in die er treten darf. Er muss Frontex auf einen neuen, rechtstaatlichen Pfad führen.” 

Wolodomyr Selenskyj im Europäischen Parlament

Heute hat Wolodomyr Selenskyj zu uns im Europäischen Parlament gesprochen. Er betonte die „europäisch-ukrainischen Werte“, die Grund- und Menschenrechte und warb für einen EU-Beitritt der Ukraine.

Der EU-Beitritt der Ukraine wird noch dauern, das ist kein Kurzstreckenlauf, aber es ist richtig die Ukraine auf diesem Weg zu unterstützen – vor allem im Kampf gegen den russischen Aggressor, der diesen Angriffskrieg verlieren muss.

Wegweisende Gerichtsurteile in Rom und Straßburg

In den letzten Wochen gab es zwei wegweisende Urteile an europäischen Gerichtshöfen. Zum einen wurden am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die kroatischen und zum anderen am Gerichtshof in Rom die italienischen Behörden angeklagt. In beiden Fällen wurden die staatlichen Akteure für schuldig befunden. 

Drei Geflüchtete verbrennen in kroatischer Gefängniszelle 

Im Dezember 2017 wurde Kroatien von einem Opfer am EGMR angeklagt. Bei einem Feuer in einer kroatischen Grenzstation der Polizei starben drei inhaftierte Geflüchtete. Der Kläger wurde schwer verletzt.  Die vier Personen wurden am Morgen von der Grenzpolizei in einem Lastwagen entdeckt, der aus Serbien kam. Sie wurden auf die Polizeiwache gebracht, festgenommen und in einen Kellerraum gebracht, der für die Inhaftierung der Asylsuchenden genutzt wird, bevor sie gewaltvoll nach Serbien geschleppt werden. 

Am Abend brach ein Feuer in der Zelle aus und es waren keine Polizeikräfte vor Ort, um die Inhaftierten freizulassen. Der Gerichtshof stellte fest, dass schwerwiegende Mängel bei der Überwachung der Häftlinge vorlag. Der EGMR urteilte, dass zwei Verstöße gegen Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention vorlagen. 

Italiens Marine und Küstenwache für Tod von 268 Menschen verantwortlich 

Am 11. Oktober 2013 ereignete sich ein Schiffsunglück vor Lampedusa, bei dem 268 Menschen ertrunken sind. Am Gerichtshof in Rom wurden daraufhin die italienische Küstenwache und die Marine wegen unterlassener Hilfeleistung von den Überlebenden angeklagt. Die libysche Küstenwache hatte das Boot für längere Zeit verfolgt und beschossen. Daraufhin geriet das Boot in akute Seenot, weswegen die Menschen an Bord mehrere Notrufe an die Küstenwachen in Italien und Malta absetzten. Die italienischen Behörden kamen viel zu spät am Unfallort an. Der Gerichtshof in Rom urteilte nach einem langjährigen Prozess, dass die italienische Küstenwache und die Marine an dem Schiffsunglück schuldig waren und für die Toten verantwortlich sind, da sie als zuständige Behörde nicht ihre Pflichten erfüllt und nicht gemäß internationalem Recht gehandelt haben. Die Angeklagten entgingen jedoch einer Verurteilung, da der Fall schon verjährt ist. ProAsyl, zusammen mit borderline-europe und AlarmPhone, erklären, dass “nun geprüft werden muss, ob in einem zivilrechtlichen Verfahren der italienische Staat zu Entschädigungsleistungen für die Opfer verpflichtet werden kann”.

Wichtige Symbole, aber keine Bestrafung der Angeklagten 

In beiden Fällen wurden die staatlichen Behörden für die Vorfälle verantwortlich gemacht und schuldig gesprochen. Jedoch kam es in beiden Fällen zu keiner wirkungsvollen Bestrafung der Angeklagten. Trotzdem setzen die beiden Urteile ein symbolisch wichtiges Zeichen für die Wahrung der Rechte von Geflüchteten in Europa.

Anfrage an die Kommission zu Pushbacks von Italien nach Griechenland

Vor einer Woche hat Lighthouse Reports einen Bericht veröffentlicht, in dem es um die Ergebnisse ihrer Recherche zu Pushbacks auf Touristenfähren von Italien nach Griechenland geht. Sie fanden Beweise, dass Asylsuchende, darunter auch Kinder, in inoffiziellen Gefängnissen – zum Teil mit Handschellen – während der Überfahrt im Bauch von Passagierschiffen festgehalten werden. SRF und ARD Monitor waren auch an der Recherche beteiligt und haben darüber in Fernsehbeiträgen berichtet. 

Am 25. Januar habe ich, gemeinsam mit fünf anderen grünen Abgeordneten, der Europäischen Kommission eine schriftliche Anfrage dazu gestellt. Ich möchte erfahren, inwieweit diese illegalen Pushbacks von Italien nach Griechenland mit dem EU-Asylrecht vereinbar sind, und welche Nachuntersuchungen von der Kommission aus geplant sind, um diesem Tatbestand nachzugehen. Eine weitere Frage geht um das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und Griechenland aus dem Jahr 1999 und ob dieser Vertrag überhaupt dem EU Besitzstand entspricht. 

Meine gesammelten schriftlichen Anfragen an die Kommission und die Antworten findet ihr hier.

Meine Anfrage

Lighthouse Reports hat zusammen mit SRF, ARD Monitor, Al Jazeera, Il Domani und Solomon am 18. Januar 2023 einen Bericht veröffentlicht, der die Praktik der illegalen Pushbacks auf Passagierschiffen von Italien nach Griechenland dokumentiert. Beweise zeigen, dass Asylsuchende, die von italienischen Behörden in adriatischen Häfen aufgegriffen werden, bei ihrer Ankunft kein Asyl beantragen können, sondern im Hafen festgehalten und dann nach Griechenland zurückgeschoben werden. Berichten von Personen afghanischer, syrischer oder irakischer Herkunft zufolge wurden sie während ihrer Abschiebung von Italien nach Griechenland in abgetrennten Einrichtungen auf Passagierschiffen inhaftiert, mit Handschellen gefesselt und auf engem Raum eingesperrt. 

  1. Inwiefern ist diese Praxis nach Ansicht der Europäischen Kommission mit dem asylrechtlichen EU acquis vereinbar?
  2. Ist das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen IT und GR mit dem EU acquis vereinbar?
  3. Welche Folgemaßnahmen gedenkt die Europäische Kommission im Anschluss an den oben genannten Bericht zu ergreifen?

Diskussionsrunde zur Global Gateway Initiative

Gemeinsam mit der Organisation Eurodad habe ich eine Veranstaltung zur neuen Global Gateway Initiative der Europäischen Kommission veranstaltet. Die Initiative soll Entwicklungsziele und geopolitische Interessen zusammenbringen, um die aktuelle finanzielle Lücke für die Umsetzung von Entwicklungszielen zu schließen, indem sie bis Ende 2027 über 300 Milliarden Euro mobilisieren möchte. Um einen Austausch zwischen Kommission, Eurodad sowie Vertreterinnen aus dem Europäischen Parlament und der Zivilgesellschaft zu ermöglichen, haben wir uns am 16.11.2022 getroffen und über die Initiative intensiv diskutiert. 

Unser Panel bestand aus Farwa Sial, Senior Policy und Advocacy Officer für Entwicklungsfinanzierung bei Eurodad, Nicolas Stoetzel, Deputy Head of Unit in DG INTPA von der Europäischen Kommission, Shereen Talaat, Co-Executive Director der Arab Watch Coalition, Wester Van Gaal, vom EUobserver und Frank Vanaerschot, Direktor bei Counter Balance. 

Der Global Gateway ein neokoloniales Projekt?

Zu einem der größten Kritikpunkte der Initiative gehört, dass hier das geopolitische Interesse der EU mit Entwicklungszielen zusammengebracht wird. Das primäre Ziel von Entwicklungszusammenarbeit sollte Armutsreduktion sein und nicht, die EU als globale politische Macht zu stärken.  Damit die Initiative keinen neokolonialen Beigeschmack bekommt, ist es wichtig, auf eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu setzen, mahnen die NGOs. Kritiker:innen bemängeln mangelnde Transparenz bei der Auswahl der Projekte, bei der Überwachung der Entwicklungswirkung und der Menschenrechte. 

Investments über den Privatsektor 

Die Global Gateway Initiative priorisiert Investments über den Privatsektor. Jedoch werden dadurch oft nur Investitionen in bereits stärkeren Wirtschaftsregionen getätigt, wodurch die Länder die Unterstützung am nötigsten haben, wenig bis gar nicht davon profitieren. Außerdem besteht die Gefahr, dass, wenn man im Bereich Bildung und Gesundheitsversorgung besonders auf private Investitionen setzt, jene essentiellen öffentlichen Einrichtungen privatisiert und teurer werden und somit nicht mehr für alle Teile der Bevölkerung zugänglich sind. Außerdem kam die Kritik, die EU müsse mehr Verantwortung und Führung innerhalb dieser Initiative übernehmen. Aktuell ist Partnern und der Öffentlichkeit nicht klar, wer politisch verantwortlich für die Projekte ist. Jedoch hat gerade die Covid-Pandemie gezeigt, dass es gerade in unsicheren Zeiten eine klare Führung und Verantwortungsübernahme braucht, um Gelder dorthin zu investieren, wo sie denjenigen helfen, die sie brauchen. Eurodad hat unter anderem kritisiert, dass gerade die Partnerländer auch andere Finanzierungsmethoden bevorzugen würden, zum Beispiel Schuldenerlass oder direkte finanzielle Unterstützung. 

Ergebnisse der Diskussion – mangelnde Kommunikation der Kommission

Im Laufe unserer Diskussion kam heraus, dass für viele der Sorgen schon Mechanismen und Regeln da sind, welche dafür sorgen sollen, dass zum Beispiel Entwicklungsziele und Partnerländerinteressen eingehalten werden. Jedoch hat die Kommission hier bisher nicht klar genug kommuniziert, wie Herr Stoetzel einräumen musste. 

Nicolas Stoetzel konnte innerhalb unserer Veranstaltung viele Sorgen aus dem Weg räumen. Gemeinsam mit den Partnerländern werden relevante Investmentbereiche identifiziert und Projektvorschläge erarbeitet. Alle Projekte innerhalb der Global Gateways unterliegen den Regeln des NDICI und den Entwicklungszielen der Partnerländer. Klar wird es eine Herausforderung werden, die kommerziellen Interessen der Privatinvestoren mit Entwicklungszielen zu vereinen, jedoch ist genau dies enorm wichtig um die finanzielle Lücke zu schließen. Mehr Informationen, werden außerdem demnächst auf der Website der Kommission veröffentlicht, um jene Fragen die bei uns auch in der Diskussion aufkamen zu klären. Allgemein muss man ja auch dazu sagen, dass es positiv ist, wenn Gelder mobilisiert werden und Projekte finanziert werden.

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