Civil society talks in Wrocław: Resilience and Resistance

Unsere Konferenz gegen die Kriminalisierung von Solidarität und für Unterstützung der Zivilgesselschaft

Am 22. und 23. Oktober organisierten unsere Fraktion, mein Büro in Brüssel und die polnischen Grünen eine Konferenz, um Menschen aus ganz Europa zusammenzubringen, die von Kriminalisierung betroffen sind. Kriminalisierung bedeutet, Helfende werden vor Gericht gestellt, weil sie anderen Menschen auf der Flucht humanitär helfen. Das soll abschrecken und dafür sorgen, dass die Flucht nach Europa lebensgefährlich und menschenunwürdig bleibt. Besonders betroffen sind aber auch Geflüchtete selbst, die kriminalisiert werden. Entweder, direkt dafür, dass sie flüchten oder weil ihnen vorgeworfen wird, zu Schleppernetzwerken zu gehören, nur weil sie ein Boot steuerten. 

Die Wahl für unsere Konferenz “Civil Society Talks: Resilience and Resistance” fiel auf Wrocław, weil die Kriminalisierung der polnischen Zivilgesellschaft besonders stark zugenommen hat, seit der belarussische Diktator Aljaksandr Lukaschenka systematisch Menschen an die polnische Grenze brachte. Aber auch, weil die Stadt besonders viele Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen hat, die inzwischen einen relevanten Teil der Bevölkerung stellen

Doppelte Standards in Polen 

Einerseits ist die Solidarität für Menschen aus der Ukraine in Polen sehr groß. Andererseits ist es auch bitter zu sehen, wie sich die Solidarität nur auf die direkten Nachbarn beschränkt und andere Mensche weiterhin nicht als Schutzsuchende anerkannt werden – weil sie eine andere Hautfarbe oder Religion haben. Gerade in Polen ist es absurd zu sehen, wie groß die Solidarität mit Geflüchteten aus der Ukraine überall im Land ist und Menschen die an der Ukrainischen Grenze helfen als Helden gefeiert werden; während diejenigen, die genau das gleiche an der Grenze zu Belarus machen, wie gefährliche Kriminelle behandelt werden. 

Dabei ist es notwendig, dass an der Grenze zu Belarus geholfen wird, vor allem im Winter. Bislang starben mindestens 17 Menschen an der Grenze zwischen Polen und Belarus – die meisten an der Kälte. Alle Aktivist:innen mit denen wir gesprochen haben, gehen davon aus, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. 

Großes Interesse 

Das Interesse an der Veranstaltung war groß. Am Samstag kamen tagsüber rund 100 Personen, darunter auch sehr viele Interessierte und Aktive aus Wrocław selbst. Tagsüber fand die Veranstaltung in der altehrwürdigen Ossolinski-Nationalbibliothek statt, wo Kriminalisierte aus ganz Europa ihre Erfahrungen teilten und sich vernetzten. 

Zu Gast waren die polnischen NGOs Blue dot, die verschiedene Orte schafft, an denen ukrainischen Geflüchteten geholfen wird. Nomada, die Rechtsberatung machen und verschiedene Integrationsprojekte betreuen und die Mothers at the Borders, die direkt an der polnischen Außengrenze Unterstützung anbieten und gegen die Ungleichbehandlung von Geflüchteten demonstrieren. 

Kriminalisierung 

Anita Wojcinowicz

Das große Panel der Konferenz fand am Samstag Abend im Kulturzentrum Wyspa Tamka statt und wurde von mir moderiert. Ich freue mich besonders, dass Hamid Khalizad seine Geschichte mit uns geteilt hat. Die griechischen Behörden warfen ihm vor, ein Schlepper zu sein, einfach nur weil er selbst nach Griechenland fliehen musste. Inzwischen wurde er glücklicherweise freigesprochen. Über die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidigern, die selbst Migranten sind, wird viel zu wenig berichtet, da sie sich in einer besonders verletzlichen Situation befinden. Ihnen können Abschiebung, Zurückdrängung, willkürliche Inhaftierung und Verlust ihres Status sowie harte finanzielle, soziale und wirtschaftliche Konsequenzen drohen. 

Weil Hamid leider nicht persönlich da sein konnte, wurde sein Brief von Seán Binder vorgelesen. Seán Binder wurde in Griechenland mehrere Monate inhaftiert und der Prozeß gegen ihn läuft immer noch, nur weil die griechischen Behörden nicht weiter akzeptieren wollten, dass er und seine Organisation Free Humanitarians Menschen aus Seenot in der Ägäis retten. Der Prozess gegen ihn und weitere Seenotretter wurde jetzt schon mehrfach aus fadenscheinigen Gründen verschoben, wodurch sie sich in Raum rechtlicher Unsicherheit befinden, aus dem sie nicht so einfach rauskommen. Die Juristin Elli Kriona von Hias Greece berichtete über den Mangel an Rechtsstaatlichkeit und juristischer Beratung der Geflüchteten – insbesondere auf den Inseln. 

Die polnische Perspektive 

Die polnische Perspektive auf das Thema haben uns Mariusz Kurnyta und Marta Gorczynska aufgezeigt. Mariusz lebt in der Nähe der Grenze und war Soldat. Als er hörte, dass Menschen unweit seines Hauses erfrieren, entschied er sich dazu, das naheliegende und menschliche zu tun und ihnen zu helfen. Er berichtet schockiert davon, wie die polnischen Behörden an der Grenze mit den Menschen umgehen und leider auch, wie viele seiner Nachbarn und Freunde gar nicht damit einverstanden sind, dass er Flüchtenden an der belarussischen Grenze hilft. Marta ist Menschenrechtsanwältin und Teil des Bündnis Grupa Granica, das sich vor über einem Jahr spontan an der belarussischen Grenze bildete. Sie sprach vor allem über die humanitäre Krise an der belarussischen Grenze, zu der das Bündnis auch eine Zusammenfassung geschrieben hat. Außerdem arbeitete Marta auch an diesem Bericht der Helsinki Foundation of Human Rights mit dem Titel “The lawless Zone: Polish-Belarussian Border Monitoring.” 

Neben der griechischen und polnischen Perspektive war noch Marta Llonch zu Gast, die als Juristin aktiv an der Grenze zu Melilla arbeitet und über die Menschenrechtslage vor Ort berichtete, wo im Juni diesen Jahres mindetens 37 Menschen starben. Nach der Veranstaltung haben sich die Teilnehmer:innen noch in ungezwungener Atmosphäre unterhalten und sich nochmal in Wrocław umgeschaut. 

Shrinking Spaces 

Anita Wojcinowicz

Am nächsten Morgen fand dann noch eine Veranstaltung zu “Shrinking Spaces” statt, also der Einschränkung des Raums für die Zivilgesellschaft. Hier lag der Schwerpunkt darauf, wie versucht wird, konkret den Raum für NGOs einzuschränken, damit sie nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen und Menschen auf der Flucht helfen können. Auf der Konferenz habe ich viele Menschen getroffen, die vor Gericht gestellt wurden, weil sie das Richtige getan haben. Das, von dem wir alle sagen würden, dass man es tun sollte. Menschen nicht ertrinken, erfrieren oder verdursten lassen. Es ist eine Schande für uns als Europäische Union, dass Menschen dafür vor Gericht gestellt werden. Und es ist eine ebenso große Schande, dass Menschen in EU-Staaten ins Gefängnis geworfen werden, weil sie selbst flüchten mussten. Unser Ziel bleibt es, ein freundliches Umfeld für Solidarität zu schaffen und die Kriminalisierung von Zivilcourage zu bekämpfen. Darüber hinaus muss die unabhängige Menschenrechtsüberwachung an unseren Außengrenzen gestärkt werden. Schließlich müssen wir die humanitäre Hilfe besser finanzieren und eine ausgewogene EU-Migrationspolitik fördern, anstatt sie zu kriminalisieren. Kurzum: Wir müssen eine Politik machen, die mit den von uns propagierten Werten vereinbar ist.