Ausstellung: “1000 Dreams”- Geflüchtete portraitieren Geflüchtete 

Zu Beginn der Juli-Plenarwoche habe ich in Kooperation mit Witness Change und der Heinrich Böll Stiftung Thessaloniki im Parlament eine Fotoausstellung zu individuellen Geschichten von Geflüchteten eröffnet. 

Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatten über die Reform des Asylsystems der EU ist es wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass hinter technischen Diskussion über Geflüchtetenzahlen, Verteilmechanismen und Grenzverfahren einzelne Menschen stehen, die von diesen Entscheidungen direkt betroffen sein werden. Viele Menschen in Europa kommen kaum mit Geflüchteten in Kontakt. Unsere Ansichten über sie bilden sich oft daraus, was wir von anderen hören, lesen oder sehen, sowie aus der medialen Berichterstattung und Social Media. Dabei müssen wir uns bemühen, Geflüchteten zuzuhören. 

1000 Dreams

Hier setzt das Projekt “1000 Dreams” von Witness Change an. Geflüchtete sollen zu Wort kommen und ihre Geschichten erzählen. Geflüchtete sollten nicht als eine homogene Gruppe betrachtet werden, sondern als Individuen mit Talenten, Träumen und Bedürfnissen. Über 50 Storyteller mit Fluchthintergrund haben bereits an Workshops unter anderem in Athen, auf Lesbos und in London teilgenommen. In Workshops üben sie, Porträts aufzunehmen und Interviews zu führen. Alle Fotoaufnahmen und Interviews, die 1000 Dreams ausmachen,  werden also von Geflüchteten mit Geflüchteten geführt und erstellt. Über 800 Beiträge und Porträts sind so bisher entstanden. Es sollen 1000 werden. In Straßburg haben wir 20 ausgestellt. 

Ausstellung Straßburg

Für die Eröffnung sind die Storyteller Zahra Mojahed, Elsayed Elsehamy Abdelhamid und Mirza Durakovic nach Straßburg gekommen und haben mit uns ihre persönliche Lebensgeschichte geteilt und über ihre Arbeit an dem Projekt berichtet. Für Witness Change waren Gründer Robin Hammond und William Lounsbury als Leiter des 1000 Dreams Projekts anwesend, um gemeinsam mit Neda Noraie-Kia und Chrysiis Katsea von der Heinrich-Böll-Stiftung Thessaloniki und mir die Ausstellung zu eröffnen. 

Allen Gästen und Anwesenden bot sich nach der offiziellen Eröffnung die Möglichkeit, die einzelnen Porträts und Geschichten hinter den Fotografien, sowie die Storyteller und Projektinitiatoren näher kennenzulernen. 

Neben der Ausstellung im Parlament werden die 20 Portraits außerdem auch noch einige Wochen im Rathaus von Straßburg ausgestellt werden.

Studie: Rechtsfreier Raum – Kriminalisierung von Geflüchteten in Griechenland

Die Studie ist in deutscher, englischer und griechischer Sprache verfügbar.

Die von mir bei Borderline Europe in Auftrag gegebene Studie analysiert die Kriminalisierung von Geflüchteten als mutmaßliche Schleuser in Griechenland. 

Die Gerichtsverfahren dauern im Schnitt 37 Minuten, wobei die durchschnittliche Gefängnisstrafe bei 46 Jahren liegt. Die meisten Personen werden auf Grundlage der Aussage einer Person aus Polizei oder Küstenwache verurteilt, die in 68 Prozent der Fälle nicht einmal während des Verfahrens anwesend ist. Personen, die wegen Schleusung verurteilt wurden, bilden die zweitgrößte Gruppe in griechischen Gefängnissen. Die Betroffenen werden in der Regel unmittelbar nach ihrer Ankunft verhaftet, monatelang in Untersuchungshaft genommen, und haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich zu verteidigen

Die Justiz wird politisch instrumentalisiert

Diese Urteile sind unverhältnismäßig und stehen in keinerlei nachvollziehbaren Zusammenhang zu der Tat, derer die Menschen beschuldigt werden. Die griechische Justiz wird politisch instrumentalisiert, um Menschen von der Flucht abzuschrecken.

Die Menschen, die das Boot fahren, bekommen Preisnachlässe bei den Schleppern, sie sind meistens nicht selbst Schlepper. Die Verfahren, in denen diese Anschuldigungen verhandelt werden, sind sehr kurz und verstoßen gegen grundlegende Standards des Rechtsstaats. Das ist eine infame Kriminalisierung, gegen die die EU-Kommission und Mitgliedstaaten wie Deutschland vorgehen sollten. 

Es wäre die Aufgabe der EU-Kommission Druck auf Griechenland auszuüben, damit dort wieder rechtsstaatliche Standards eingehalten werden. Leider hat die Kommission sich bislang auf die Seite Griechenlands gestellt. Sie unterstützt die Abschreckungs- und Abschottungspolitik der Außengrenzstaaten und schaut weg, wenn dort Menschen misshandelt und ihrer Grundrechte beraubt werden. 

81 Verfahren beobachtet

Die Betroffenen werden in der Regel unmittelbar nach ihrer Ankunft verhaftet, monatelang in Untersuchungshaft gehalten und haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich zu verteidigen und Unterstützung zu erhalten. Die Prozesse, in denen diese Anschuldigungen verhandelt werden, sind sehr kurz und verstoßen gegen grundlegende Standards der Fairness.

In dem Bericht werden insgesamt 81 Verfahren gegen 95 Personen untersucht, die in Griechenland an acht verschiedenen Orten, nämlich in Komotini, Thessaloniki, Rhodos, Samos, Lesbos, Kreta, Syros und Kalamata, festgenommen und wegen Schleusung vor Gericht gestellt wurden.

Die veranstaltung zur Vorstellung der Studie findet ihr hier.

Studie zur Kriminalisierung von Geflüchteten in Griechenland

Geflüchtete werden in Griechenland zu Schleppern erklärt und in rechtsstaatlich fragwürdigen Verfahren zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt, weil ihnen vorgeworfen wird, ein Boot gesteuert oder ein Auto gefahren zu sein. 

Wir haben Borderline-Europe beauftragt in einer Studie zu analysieren wie die Realität zur Bekämpfung von “Schleuserkriminalität” aussieht und sind dabei auf einen rechtsfreien Raum gestoßen, in dem Willkürjustiz ausgeführt wird, um andere Menschen vor der Flucht ab zu schrecken. Die Beobachtung von 81 Prozessen mit 95 betroffenen Personen hat erschreckende Erkenntnisse zutage gefördert. 

Geflüchtete werden kriminalisiert und zu langen Haftstrafen verurteilt, weil sie des Schmuggels beschuldigt werden; und dies nur weil ihnen vorgeworfen wird, die Grenze mit einem Boot oder Auto überquert zu haben. Die meisten Personen werden auf Grundlage der Aussage einer Person aus Polizei oder Küstenwache verurteilt, die in 68 Prozent der Fälle noch nicht einmal während des Verfahrens anwesend ist. Ein Verfahren dauert im Schnitt 37 Minuten, wobei die durchschnittliche Gefängnisstrafe bei 46 Jahren liegt. Aufgrund fehlender Übersetzung verstehen die Verurteilten oft noch nicht einmal direkt, wozu und weswegen sie da gerade verurteilt wurden. 

Die Betroffenen werden in der Regel unmittelbar nach ihrer Ankunft verhaftet, monatelang in Untersuchungshaft gehalten und haben nur sehr begrenzte Möglichkeiten, sich zu verteidigen und Unterstützung zu erhalten. Die Verfahren, in denen diese Anschuldigungen verhandelt werden, sind sehr kurz und verstoßen gegen grundlegende Standards der Fairness und Rechtstaatlichkeit. Folglich bilden Personen, die wegen Schleusung verurteilt wurden, die zweitgrößte Gruppe in griechischen Gefängnissen.

Wir laden dich/Euch ein, um uns genauer die Ergebnisse unserer Studie anzuschauen, welcher Rechtsrahmen dies ermöglicht und was dies für die Rechte von Geflüchteten bedeutet. Gemeinsam wollen wir anschließend in die Diskussion gehen und über mögliche Konsequenzen und Lösungen gegen Kriminalisierung zu diskutieren.

Ort der Veranstaltung: 

Project Together, Karl-Liebknecht-Straße 34, 10178 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

06.07.2023 

19.30 – 21.30 Uhr 

Link zur Veanstaltung

Anmeldung vor Ort geschlossen.

Gutachten: Ratsposition zum GEAS wird menschenrechtlichen Ansprüchen nicht gerecht

Dieses Kurzgutachten analysiert exemplarisch, warum ausgewählte Neuregelungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, wie sie auch die Bundesregierung vertritt, grund-, menschen- und unionsrechtlichen Ansprüchen nicht genügen. Dabei werden die Regelungen zum Rechtsschutz und zum Konzept sicherer Drittstaaten den Vorgaben nicht gerecht. Ein Grenzverfahren an der Binnengrenze ist nicht möglich, auch an der Außengrenze geht ein solches stets mit Inhaftierungen einher und macht Grund- und Menschenrechtsverletzungen auch darüber hinaus fast unvermeidbar. Das Kurzgutachten findet ihr hier.

Die Hauptergebnisse im Überblick

  1. Soweit ein unionsrechtlicher Regelungsbereich harmonisiert ist, misst auch das Bundesverfassungsgericht ein mitgliedstaatliches Verhalten an der Grundrechtecharta der Europäischen Union und nicht am Grundgesetz. Das Verwerfungsmonopol für Unionsrecht obliegt dem Europäischen Gerichtshof.
  2. Dass der im Neuentwurf zur Asylverfahrensverordnung geplante Rechtsbehelf gegen die Ablehnung eines Antrags auf internationalen Schutz teilweise keine aufschiebende Wirkung hat, verletzt Vorgaben aus Art. 13 EMRK und Art. 47 Grundrechtecharta der Europäischen Union, die in ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Gerichtshofs der Europäischen Union einen Rechtsbehelf mit automatischer aufschiebender Wirkung zwingend voraussetzen.
  3. Die Anwendung des Konzepts des sicheren Drittstaats muss stets einer Prüfung im Einzelfall folgen.
  4. Ein Drittstaat kann nicht als sicher gelten, wenn Garantien, die in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) verbürgt sind, nur in einem Teilgebiet gelten, denn die Konvention erfordert gerade die schrittweise Inklusion in das Rechtssystem des Unterzeichnerstaates im gesamten Staatsgebiet im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes und verlangt insbesondere die Freizügigkeit auf dessen gesamten Territorium.
  5. Eine Entsprechung der GFK-Standards allein “im Wesentlichen” bei der Klassifizierung eines sicheren Drittstaats ist mit dem Schutzkonzept der GFK unvereinbar, da die Statusrechte nach der GFK rechtlich zwingend sind und nicht unterschritten werden dürfen.
  6. Im Grenzverfahren sind Mitgliedstaaten vollumfänglich an Grund- und Menschenrechte gebunden, denn sie üben effektive Kontrolle über Personen aus.
  7. Sowohl das Screening-Verfahren als auch das Grenzverfahren setzen eine Einreiseverweigerung voraus, weil sie vor der Einreise stattfinden müssen. Eine solche Einreiseverweigerung ist an der Binnengrenze nicht möglich, weshalb auch die Nichteinreisefiktion und mit ihr das Grenzverfahren ausgeschlossen sind.
  8. Ein Grenzverfahren findet notwendigerweise vor der Einreise statt, deshalb sind die möglichen Orte, an denen ein solches stattfinden kann, begrenzt. Daher müssen Verfahren an einem örtlich eng begrenzten Bereich stattfinden, sodass Grenzverfahren ohne Freiheitsentziehung (= Inhaftierung) nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht möglich sein dürften. Davon geht auch das Regelungssystem des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
  9. Selbst da, wo Grenzverfahren nicht unmittelbar Grund- und Menschenrechte verletzen, machen sie Rechtsverletzungen besonders wahrscheinlich, weil grundlegende Standards wie Rechtsschutz und menschenwürdige Unterbringung in Lagern an der Außengrenze nicht eingehalten werden können.
  10. Auch die Grundrechteagentur der EU hält die menschenrechtlichen Herausforderungen in Außengrenzlagern für „fast unüberwindbar“.
  11. Effektiver Rechtsschutz ist nach Ansicht des Gerichtshof der Europäischen Union und im Lichte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union einerseits zum Schutz des Einzelnen erforderlich, andererseits auch notwendig, um das Funktionieren des Systems zu gewährleisten und eine rechtsrichtige Umsetzung der rechtlichen Vorgaben – und im Ergebnis den Rechtsstaat – sicherzustellen.

Europabrunch

Am 22. April veranstalte ich –  Erik Marquardt (MdEP) – mit Unterstützung der LAG Europa in Berlin einen Europabrunch. Dort informieren wir über die aktuellen Entwicklungen der europäischen Asylpolitik. Außerdem  werfen wir anlässlich des Earth Days einen Blick auf die europäische Klimapolitik. 

Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr und soll drei Stunden dauern, damit genügend Zeit für einen ausgiebigen Brunch bleibt. Im ersten Teil wird Erik Marquardt über die aktuellen Entwicklungen der Europäischen Asylpolitik informieren und anschließende Fragen diskutieren.

Auch in diesem Jahr sind bereits über 500 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers gestorben. Gleichzeitig werden die Methoden, mit denen Seenotrettung verhindert wird, immer unwürdiger. Auf Notrufe wird oft nicht mehr reagiert, zivile Rettungsschiffe werden auf tagelange Irrfahrten geschickt und Milizen in Bürgerkriegsländern werden zur Flüchtlingsabwehr bezahlt. Es steht schlecht um die Menschenrechte an den EU-Außengrenzen. Wie ist die Lage, was müsste passieren und welche Chancen oder Gefahren bietet die aktuell diskutierte Reform des Europäischen Asylsystems? Darüber werden wir im ersten Teil des Brunches reden.

Nach einer Pause kommen wir dann zum zweiten thematischen Block:

Jedoch nicht nur im Bereich Migration gibt es aktuell große Veränderungen, sondern auch im Bereich Energie und Klimapolitik. Deswegen freue ich mich, dass wir für die 2. Hälfte der Veranstaltung meinen Kollegen aus dem Europaparlament Michael Bloss begrüßen dürfen. Der European Green Deal ist das ambitionierteste Klimaschutzvorhaben das wir in Europa je hatten. Für die Umsetzung und Verteidigung dieser Klimaziele setzt sich Michael im Europäischen Parlament ein. Darunter fallen Verhandlungen zu CO2-Preisen, genauso wie das Ende des Verbrennermotors. Dank dieses Einsatzes konnten wir trotz eines kurzen Schluckaufs, dann endlich Ende März das Verbrenner-Aus feiern. Trotzdem müssen wir weiterhin für eine klimagerechte Zukunft der EU kämpfen, denn die Diskussionen zeigen, wie schwierig es ist, in klimapolitischen Fragen voranzukommen. Die Frage bleibt: Wie können wir Lösungen für ein klimagerechtes Europa schaffen?

Um die aktuellen Geschehnisse einzuordnen und über unsere Arbeit als Abgeordnete zu berichten, lade ich hiermit gemeinsam mit der LAG Europa zum Europabrunch am 22. April um 10 Uhr in Berlin ein. 

Das Programm: 

  1. Vortrag Erik Marquardt zur aktuelle Asyl- und Migrationspolitik – wo stehen wir, was wird gerade entschieden und was steht noch an 
  2. Anlässlich des Earth Days: Panel zur Europäischen Klimapolitik mit Michael Bloss und Helena Marschall von Fridays For Future

Ort der Veranstaltung: 

Kin Za, Krausnickstraße 23, 10115 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

22.04.2023 

10 – 13 Uhr 

Anmeldung: 

Bitte meldet euch bis zum 20. April für eine vor Ort Teilnahme an. ANMELDUNG GESCHLOSSEN

Abstimmung über das Gemeinsame Europäische Asylsystem

Heute stimmten wir Mitglieder des Innenausschusses über die Parlamentspositionen zu vier Dossiers des im September 2020 von der Kommission vorgestellten Migrations- und Asylpakts ab. Alle vier wurden im Ausschuss angenommen. Konkret geht es um die Position des Europäischen Parlaments zur Screening-Verordnung, der geänderten Asylverfahrensverordnung, der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement und der Krisenverordnung. 

Die Verhandlungen waren langwierig und haben gezeigt, dass die aufgeheizte Debatte zu Migrationsthemen eine Einigung auf lösungsorientierte Positionen erschwert. Leider gibt es keinen Anlass zu glauben, dass radikale Asylrechtsverschärfungen die Situation für Schutzsuchende oder die Mitgliedstaaten und Kommunen verbessern. Es besteht weiterhin die Gefahr, dass die Asylreform zu einer überbordenden Bürokratie, menschenrechtswidrigen Prozessen und einer stärkeren Überlastung der Aufnahmesysteme führt, als das aktuelle System.

Die Schaffung eines gemeinsamen Europäischen Asylsystems war eines der zentralen Projekte von Ursula von der Leyens bei ihrer Bewerbung zur Kommissionspräsidentin 2019. Damals habe ich diese Einschätzung des Paktes abgegeben. 

1 Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement (AMMR)

Die Kommission schlägt in der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement vor, das derzeitige Dublin-System zu ersetzen und einen neuen Mechanismus zur Aufteilung der Verantwortung zwischen den Mitgliedstaaten einzuführen. Ein Schwerpunkt des Vorschlags liegt auf einer Steigerung der Rückführungen. Das zentrale Problem des Dublin-Systems soll nicht gelöst werden – das Ersteinreiseland soll weiterhin für die Asylverfahren zuständig sein. Für diese Verordnung hat Berichterstatter Thomas Tobé (EVP) seinen Berichtsentwurf im Oktober vergangenen Jahres im Innenausschuss (LIBE) des Europäischen Parlaments vorgestellt. 

Der Standpunkt des Parlaments enthält viele positive Elemente und erhebliche Verbesserungen im Vergleich zum Kommissionsvorschlag – und wenn er wie vom Parlament vorgeschlagen umgesetzt wird, auch deutliche Verbesserungen gegenüber dem Status quo. 

Nach der Ankunft und Registrierung wird festgelegt, welcher Mitgliedstaat für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist. Bei dieser  Zuweisung gibt es neue, zusätzliche Kriterien, durch welche die Staaten an den Außengrenzen entlastet werden sollen. Außerdem soll es ein verpflichtendes Solidaritätssystem geben, bei dem sich alle Staaten beteiligen. Die Kommission hat hier verschiedene Formen der “Solidarität” vorgeschlagen. Beim Solidaritätssystem in der Parlamentsversion werden Verbesserungen geschaffen, die dafür sorgen, dass eine Umsiedlung – also eine Aufnahme durch ein anderes EU-Land – als priorisiertes Verfahren angesehen wird.

Das wäre deutlich verlässlicher und effizienter als die Ad-hoc-Solidarität, die in den vergangenen Jahren wiederholt weitgehend scheiterte. Für uns Grüne ist die Forderung des Parlaments nach einer sofortigen Umverteilung der aus Seenot geretteten Menschen ein großer Erfolg. Dies könnte dazu beitragen, dass die grausame Verzögerung von Seenotrettung und Hafenblockaden beendet werden. Insgesamt ist davon auszugehen, dass die AMMR die grundlegenden Probleme des Europäischen Asylsystems nicht ernsthaft löst, da es nach den Erfahrungen der letzten Jahre leider unrealistisch ist, dass EU-Staaten in der Asylpolitik Europa-, Menschen- oder Grundrechte so implementieren, dass man von einer schnellen Rückkehr zur Rechtstaatlichkeit ausgehen kann. Eine Implementierung des Parlamentsvorschlags zur AMMR würde aber zumindest einige praktische Verbesserungen bieten und hätte keine Nachteile. Deswegen habe ich dafür gestimmt. 

2. Asylverfahrensverordnung (APR)

2016 hat die Kommission einen Vorschlag für die Asylverfahrensverordnung veröffentlicht und obwohl das Parlament in 2018 seinen Bericht vorlegte, haben die Mitgliedstaaten keine Einigung erzielen können. Die 2020 vorgelegten Änderungen in der Asylverfahrensverordnung zielen nun darauf ab, die Mitgliedstaaten zur Anwendung von Grenzverfahren zu verpflichten und den Anwendungsbereich der Richtlinie deutlich zu erweitern. 

Der Kern des Vorschlags ist, dass ein großer Teil der Asylsuchenden für die Bearbeitung der Asylanträge in sogenannten Grenzverfahren an der Grenze bleiben soll. Diese Grenzverfahren sind keine Asylverfahren im eigentlichen Sinne. Dies kann, wie damals in Moria, zu Massenlagern an den Außengrenzen oder zur Schaffung von Haftzentren führen, wie sie in Griechenland auf den Inseln bereits als Pilotprojekte in Betrieb genommen wurden. 

Als Berichterstatter für Grenzverfahren habe ich einen Umsetzungsbericht für das Europäische Parlament geschrieben. Dabei wird deutlich, dass Grenzverfahren die Grund- und Verfahrensrechte von Asylsuchenden stark beschneiden und die angestrebten Ziele in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Die Berichterstatterin für die Asylverfahrensverordnung, Fabienne Keller von den Liberalen hat ihre Position zur APR im Oktober 2021 im Innenausschuss vorgestellt. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Linken haben wir Grüne uns zu Beginn der parlamentarischen Beratungen klar gegen obligatorische Grenzverfahren ausgesprochen.

Der Standpunkt des Parlaments stellt zwar eine Verbesserung gegenüber dem Vorschlag der Kommission dar, enthält aber weiterhin Elemente, welche die Lage von Schutzsuchenden massiv verschlechtern würden. Vor allem die Anwendung einer Regelung zu Grenzverfahren könnte dazu führen, dass viele Menschen ohne angemessene Prüfung ihres Antrags an den Außengrenzen abgefertigt und zurückgeschickt werden. Ein aktuelles Beispiel aus Deutschland für die Problematik solcher Grenzverfahren ist der Fall des 35- Jährigen Mohammad D.,der aus Frankfurt am Main in den Iran abgeschoben wurde, obwohl man derzeit eigentlich nicht in den Iran abschieben darf.


Außerdem ist es schlicht nicht nachvollziehbar, wie so ein System vermeiden will, dass es zu einer Überlastung von Außengrenzstaaten kommt. Die Folge einer Umsetzung der Ausweitung von Grenzverfahren und Einführung zusätzlicher Verfahren würde deswegen dazu beitragen, dass die Außengrenzstaaten sich vom GEAS abwenden und vermutlich wieder zu Menschenrechtsverletzungen und anderen Abschreckungsmaßnahmen greifen.

Die Position des Parlaments widerspricht außerdem der Charta der Grundrechte und dem EuGH-Urteil in Fall Gnandi, da sie keine automatische aufschiebende Wirkung für erstinstanzliche Rechtsbehelfe vorsieht. Konkret besteht hier die Gefahr, dass Menschen in Drittländer abgeschoben werden, bevor ihr negativer Asylbescheid von einem Gericht geprüft wird. Damit besteht auch das Risiko, gegen den Grundsatz des Non-Refoulement zu verstoßen. Deswegen habe ich gegen die Asylverfahrensverordnung gestimmt. Zu beachten ist, dass ein Großteil des Verhandlungsmandats gegenüber dem Rat aus der Parlamentsposition von 2018 stammt. Damals haben wir für diese Position gestimmt.

3. Screening-Verordnung

Mit der Screening-Verordnung möchte die Kommission einen zusätzlichen Schritt für Asylsuchende einführen, bevor sie Zugang zum Asylsystem erhalten. Das Screening-Verfahren würde Mitgliedstaaten verpflichten, in einem kurzen Verfahren die Registrierung, Gesundheits- und Sicherheitsüberprüfungen durchzuführen. Außerdem sollte die Entscheidung am Ende des Screening-Verfahrens laut Kommissionsvorschlag nicht juristisch angefochten werden können, was der willkürlichen und ungerechten Behandlung von Schutzsuchenden Vorschub leisten würde. Mit dem oben beschriebenen Grenzverfahren in der Asylverfahrensverordnung bestünde die Gefahr, dass Schutzsuchende lange in einem rechtlichen Niemandsland gehalten und auch lange eingesperrt bleiben. 

Die Screening-Verordnung ist das einzige Dossier des Pakts, das zum Schengen-Besitzstand gehört, aber mit dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem verbunden ist. Das Parlament befasst sich mit dem Dossier, seitdem die Berichterstatterin Birgit Sippel von der S&D ihren Bericht im November 2021 im Innenausschuss vorgestellt hat. Der Rat hat eine Position zum Screening verabschiedet und ist bereit, in die interinstitutionellen Verhandlungen einzutreten.

Screening beinhaltet den Vorschlag eines Grundrechts-Monitoring-Mechanismus an der Außengrenze, was sehr wichtig ist, um die aktuellen systematischen Verletzungen der Menschenrechte von Menschen auf der Flucht zu verhindern. 

Die Mitgliedstaaten wären verpflichtet, die an den Außengrenzen ankommenden Personen zu überprüfen und auch besonders vulnerable Personen darunter ausfindig zu machen, um diese angemessen zu unterstützen. 

In Verbindung mit einem Überwachungsmechanismus mit einem breiten Anwendungsbereich und hohen Unabhängigkeitsstandards würde dieses Verfahren zu weniger Chaos und weniger Menschenrechtsverletzungen, aber auch zu mehr Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit an den Außengrenzen führen. Außerdem sollen Prüfungen stattfinden, um potentielle Gefahren für Geflüchtete zu vermeiden und zum Beispiel gegen Menschenhandel und organisierte Kriminalität vorzugehen.

Ein effektives Screening-System würde dabei helfen, Schutzsuchende schnell zu registrieren, schnell zu verteilen und die aktuellen Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks oder Verschwindenlassen zu bekämpfen. 

Der Standpunkt des Parlaments zum Screening stellt unter dem Strich eine Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission dar und würde, wenn er wie vom Parlament vorgesehen umgesetzt wird, zu einer schnelleren Registrierung, kürzeren Inhaftierungen und besseren Standards an den Außengrenzen führen. Außerdem würde die Verordnung aus meiner Sicht eine wichtige Antwort auf die systematischen Verbrechen an den Außengrenzen liefern. Deswegen habe ich zugestimmt, meine Fraktion hat sich enthalten. 

4. Krisenverordnung 

Dank der Richtlinie zur temporären Aufnahme (sog. “Massenzustromrichtlinie” / TPD) haben wir ein EU-Instrument, das sich bei der Aufnahme von Millionen Ukrainer:innen in der EU seit der russischen Invasion in der Ukraine weitgehend bewährt hat. Der Vorschlag der Kommission in der  Verordnung zur Bewältigung von Krisensituationen und Situationen höherer Gewalt sieht vor, eben diese Richtlinie zur temporären Aufnahme abzuschaffen, was in der momentanen Situation massive Komplikationen mit sich brächte.

Aber auch sonst ist diese Verordnung problematisch, weil die Kommission damit erreichen möchte, dass in Krisensituationen verschiedene Abweichungen von den Mindeststandards möglich sind, mit denen das Asylrecht weiter ausgehöhlt werden würde. Dabei müsste ein Mitgliedstaat die Kommission darum bitten, festzustellen, dass eine solche Krisensituation vorliegt. Wann eine Krise bestehen könnte, wird nicht näher definiert, aber in den einleitenden Bemerkungen wird die Lage an der türkisch-griechischen Grenze im März 2020 wie auch die Corona-Pandemie genannt. Durch die unklare Definition besteht die Gefahr, dass Mitgliedstaaten die Verordnung instrumentalisieren könnten, um das Asylrecht zu beschneiden.

Seit der Berichterstatter Juan Fernando López Aguilar (S&D) seine Position zu der Krisenverordnung dem Innenausschuss im November 2021 vorgelegt hat, fanden viele Diskussionen statt, um ein Gleichgewicht zwischen Maßnahmen zur Stärkung der Solidarität in Krisensituationen (für uns Grüne vorrangig) und Ausnahmen von den Regeln des EU-Asylsystems unter normalen Umständen sicherzustellen.

Dank der Arbeit der progressiven Fraktionen finden sich in der Position des Parlaments einige gute Elemente: die verpflichtende Umverteilung von Schutzsuchenden im Krisenfall, die Beibehaltung der TPD, ein neues System der schnellen Anerkennung (prima-facie-Ansatz) für diejenigen, die mit klarem Schutzbedarf ankommen (wie Syrer:innen in den Jahren 2015-2016) und die zentrale Rolle für die Kommission bei der Einstufung als Krisensituation.

Im Standpunkt des Parlaments wurden jedoch auch schwerwiegende Ausnahmeregelungen von den Vorschriften festgelegt, die in einer Krisensituation eine lange Inhaftierung an der Außengrenze ermöglichen und die Situation der Asylbewerber:innen weiter verschlechtern. Obwohl ich die positiven Elemente sehe, habe ich mich der Stimme enthalten, weil die Ausnahmeregelungen meiner Meinung nach keine Lösung der jetzigen Situation an den EU-Außengrenzen darstellen, sondern das Problem verschlimmern.

Das Massensterben wird immer mehr zu einem politischen Versagen der EU

Am Mittwoch debattieren die Mitglieder des Europäischen Parlaments über die jüngsten Fälle von Menschen, die bei der Flucht über das Mittelmeer ertrunken sind. In den letzten Wochen wurde offensichtlich, dass Rettungen bewusst verzögert werden und dass viele Menschen gerettet werden könnten. So kam es am Sonntag zu einem Schiffsunglück, bei dem die italienischen Behörden mehr als 24 Stunden keine Rettung von einem Schiff in Seenot initiierten, obwohl Schiffe in der Nähe waren. 30 Menschen starben, nur 17 konnten gerettet werden. Mindestens 383 Menschen sind in diesem Jahr bereits auf der Flucht im Mittelmeer gestorben.

Das Massensterben im Mittelmeer wird immer mehr zu einem politischen Versagen der EU. Am Sonntag sind erneut 30 Menschen ertrunken, weil über mehr als 24 Stunden nach ihrem Notruf keine Rettung eingeleitet wurde. Es hätte viele Möglichkeiten gegeben, die Menschen rechtzeitig zu retten, aber die italienischen Behörden haben sie sterben lassen.

Opfer unterlassener Hilfeleistung

Die Menschen sind nicht nur zu Opfern von Bootsunglücken geworden, sie sind Opfer unterlassener Hilfeleistung. Wenn EU-Staaten den Tod von Menschen auf dem Mittelmeer für ihre politischen Ziele in Kauf nehmen, kann die EU auch gleich moralische Insolvenz anmelden. Die EU-Staaten sind nach internationalem Recht verpflichtet, Menschen in Seenot zu retten. Doch sie sollten auch stolz darauf sein, Menschenleben zu retten. Statt sich endlich ihrer Verantwortung zu stellen und Menschen in Seenot mit allen Möglichkeiten zu retten, werden Hilfsorganisationen schikaniert.

Das Sterben kann ein Ende haben. Neben der Seenotrettung muss es sichere und legale Fluchtwege, ein strukturiertes EU-Asylsystem, gerechtere Verteilung und eine ernsthafte Fluchtursachenbekämpfung geben. Die EU-Kommission muss ihre Blockade bei der Finanzierung von Seenotrettung aufgeben. Wer behauptet, das Sterben verhindern zu wollen, darf nicht die Mittelvergabe für Seenotrettung blockieren. Meine Rede im Parlament findet ihr hier.

Mehr als 60 Tote: “Die Menschen hätten gerettet werden können.“

Nach dem Unglück eines Bootes vor der Küste Kalabriens mit mehr als 200 Menschen an Bord geht die Suche nach Überlebenden weiter. Mehr als 60 Leichen wurden bereits geborgen. 

Das Boot hat in der Türkei abgelegt, Griechenland umfahren, weil Geflüchtete dort illegal zurückgewiesen und misshandelt werden, und das hunderte Kilometer entfernte Italien angesteuert. Lange vor dem Unglück wusste Frontex bereits von dem Boot, aber es wurde keine koordinierte Rettung eingeleitet. Die Menschen hätten gerettet werden können, es sind unsere Toten.

Durch die Europäische Abschottungspolitik müssen nicht weniger Menschen fliehen, sie nehmen nur immer gefährlichere Wege. Doch statt die Politik zu ändern und die Asylpolitik menschenwürdig zu organisieren, geht das Chaos und das Sterben weiter. Es bringt nichts, mit allen Fingern auf andere zu zeigen und so zu tun, als hätte Europa mit diesen Unglücken nichts zu tun. Die Schlepperbanden sind kriminell, doch unsere Antwort darf nicht länger sein, noch größere Verbrechen zu verüben und Tote in Kauf zu nehmen.

Es ist beschämend, dass Menschen ertrinken, weil dadurch andere von der Flucht abgeschreckt werden sollen. Allein in diesem Jahr sind schon mindestens 295 Menschen auf der Flucht im Mittelmeer gestorben – und es ist noch nicht einmal März.

Rettungsrufe werden ignoriert

Auf Seenotrufe wird vielfach nicht mehr reagiert. Wenn Frontex-Flugzeuge Boote in Seenot finden, informiert die Grenzschutzagentur nicht mehr die umliegenden Schiffe, die schnell retten könnten, sondern lässt libysche, islamistische Milizen die Menschen in Lager bringen, in denen Frauen vergewaltigt und Männer gefoltert werden.

Dass EU-Staaten keine Seenotrettungsmission finanzieren, ist beschämend. Dass Staaten wie Italien die zivile Seenotrettung dafür angreifen, dass sie diese Lücke füllen, ist ein Skandal. Die italienische Regierung muss aufhören, Seenotrettungs-NGOs zu schikanieren. 90% der Menschen kommen in Italien ohne Hilfe von zivilen Seenotrettungsorganisationen an Land.

Der Seenotrettung wird vorgeworfen, dass durch sie mehr Menschen nach Europa kommen. In dem konkreten Fall stimmt das, denn die Männer, Frauen und Kinder hätten durch die Seenotrettung lebend in Europa ankommen können. Nun liegen ihre Leichen an italienischen Stränden.

Wir brauchen eine ernsthafte Fluchtursachenbekämpfung, eine faire und solidarische Verteilung von Geflüchteten in der EU und sichere und legale Fluchtwege in die Europäische Union. Wenn die EU-Staaten das nicht verstehen, werden auch in diesem Jahr noch hunderte Menschen auf dem Mittelmeer ertrinken und das wäre eine europäische Schande.”

Der Ruf nach neuen Zäunen ist die Kapitulation vor den echten Herausforderungen

Der Europäische Rat befasste sich bei seiner Sondertagung mit Flucht und Migration. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht zum ersten Mal auf Maßnahmen zur Symptombekämpfung, Abschottung und Externalisierung. Die Verhandlungen zum neuen Europäischen Asylpakt erwecken derweil weiterhin nicht den Eindruck, am Ende eine Lösung für die Misshandlungen von Geflüchteten an den Außengrenzen und die mangelnde Solidarität unter den Mitgliedstaaten anzubieten. Mein Briefing zum aktuellen Verhandlungsstand des Asylpaktes im Kontext des EU-Sonderrates findet ihr hier.

Die meisten EU-Mitgliedstaaten setzen in der Migrationspolitik vor allem auf Symbole und Symptombekämpfung. Die Folgen sind Chaos an den Außengrenzen, Menschenrechtsverletzungen und ein ungeordnetes, unwürdiges Asylsystem in weiten Teilen Europas. Statt die Zahl der Geflüchteten durch ernsthafte Fluchtursachenbekämpfung zu reduzieren, wird auf Abschottung, Abschiebung und Abschreckung gesetzt. Das führt in mehreren EU-Staaten inzwischen zu systematischen Verbrechen gegen Geflüchtete.

Zäune halten niemanden davon ab zu fliehen

Insbesondere die Konservativen sollten sich nicht in Scheindebatten verlieren. Der Ruf nach immer neuen Zäunen gegen eine angeblich ungeschützte Außengrenze verunsichert die Bevölkerung. Zäune halten niemanden davon ab zu fliehen. Wer schutzberechtigt ist oder nicht, sollte kein Stacheldrahtzaun entscheiden, sondern ein rechtsstaatliches Verfahren. Wer nach neuen Zäunen ruft, sollte dabei auch erklären, dass Zäune nicht dazu beitragen, dass die EU-Staaten weiterhin Asylanträge von Menschen an Zäunen entgegennehmen müssen. Wenn wir wissen wollen, wer zu uns kommt, sollten zuerst die Pushbacks aufhören, denn sie führen dazu, dass kaum jemand registriert wird.

Weder neue Zäune noch der Migrationspakt werden die EU-Staaten davor bewahren, ihre Verantwortung für eine humane und geordnete Asylpolitik endlich ernst zu nehmen. Wer nur nach neuen Zäunen ruft, kapituliert vor den eigentlichen Herausforderungen unserer Zeit. Statt den Kampf gegen Asylsuchende auf immer unmenschlichere Ebenen zu heben, müssen die  EU-Staaten endlich Verantwortung übernehmen – bei der Verteilung von Schutzsuchenden in Europa, bei der Seenotrettung im Mittelmeer und bei der Fluchtursachenbekämpfung.

Anfrage an die Kommission zu Pushbacks von Italien nach Griechenland

Vor einer Woche hat Lighthouse Reports einen Bericht veröffentlicht, in dem es um die Ergebnisse ihrer Recherche zu Pushbacks auf Touristenfähren von Italien nach Griechenland geht. Sie fanden Beweise, dass Asylsuchende, darunter auch Kinder, in inoffiziellen Gefängnissen – zum Teil mit Handschellen – während der Überfahrt im Bauch von Passagierschiffen festgehalten werden. SRF und ARD Monitor waren auch an der Recherche beteiligt und haben darüber in Fernsehbeiträgen berichtet. 

Am 25. Januar habe ich, gemeinsam mit fünf anderen grünen Abgeordneten, der Europäischen Kommission eine schriftliche Anfrage dazu gestellt. Ich möchte erfahren, inwieweit diese illegalen Pushbacks von Italien nach Griechenland mit dem EU-Asylrecht vereinbar sind, und welche Nachuntersuchungen von der Kommission aus geplant sind, um diesem Tatbestand nachzugehen. Eine weitere Frage geht um das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und Griechenland aus dem Jahr 1999 und ob dieser Vertrag überhaupt dem EU Besitzstand entspricht. 

Meine gesammelten schriftlichen Anfragen an die Kommission und die Antworten findet ihr hier.

Meine Anfrage

Lighthouse Reports hat zusammen mit SRF, ARD Monitor, Al Jazeera, Il Domani und Solomon am 18. Januar 2023 einen Bericht veröffentlicht, der die Praktik der illegalen Pushbacks auf Passagierschiffen von Italien nach Griechenland dokumentiert. Beweise zeigen, dass Asylsuchende, die von italienischen Behörden in adriatischen Häfen aufgegriffen werden, bei ihrer Ankunft kein Asyl beantragen können, sondern im Hafen festgehalten und dann nach Griechenland zurückgeschoben werden. Berichten von Personen afghanischer, syrischer oder irakischer Herkunft zufolge wurden sie während ihrer Abschiebung von Italien nach Griechenland in abgetrennten Einrichtungen auf Passagierschiffen inhaftiert, mit Handschellen gefesselt und auf engem Raum eingesperrt. 

  1. Inwiefern ist diese Praxis nach Ansicht der Europäischen Kommission mit dem asylrechtlichen EU acquis vereinbar?
  2. Ist das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen IT und GR mit dem EU acquis vereinbar?
  3. Welche Folgemaßnahmen gedenkt die Europäische Kommission im Anschluss an den oben genannten Bericht zu ergreifen?
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