Syrien: Die aktuelle humanitäre Lage und mögliche EU-Maßnahmen
In Syrien herrscht seit 13 Jahren Krieg. Im Jahr 2011 wurde die syrische Revolution im Rahmen des Arabischen Frühlings von Diktator Bashar al-Assad gewaltsam niedergeschlagen. Der Iran und Russland unterstützen das Assad-Regime, das für brutale Menschenrechtsverbrechen international geächtet wird. Eine halbe Million Menschen wurden bereits getötet, 13 Millionen Menschen wurden vertrieben – mehr als die Hälfte von ihnen lebt außerhalb Syriens. Der Großteil syrischer Geflüchteter hat in Nachbarländern wie der Türkei (3,1 Millionen Menschen), dem Libanon (785.000 Menschen) und in Jordanien (640.000 Menschen) Zuflucht gefunden. Der Konflikt ist in den letzten Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten.
Zweifach heimatvertrieben: Das Erdbeben 2023
Durch das heftige Erdbeben am 6. Februar 2023 hat sich die Lage im Nordwesten des Landes dramatisch verschlechtert. Mehr als 56.000 Menschen starben in Syrien und der Türkei, über zwei Millionen Menschen wurden über Nacht obdachlos. Insgesamt waren mehr als 22 Millionen Menschen betroffen, davon allein 9 Millionen in Syrien.
Bis heute fehlt es an Grundversorgung, Unterkünften, Strom und Zugang zu Gesundheitsversorgung. Die meisten betroffenen Familien leben noch immer in zerstörten Häusern oder in Zelten. Die Katastrophe hat auch die psychische Gesundheit vieler Menschen stark beeinträchtigt. Viele haben Familienangehörige und Freund:innen verloren. Die ohnehin prekäre humanitäre Situation hat sich weiter verschärft: Mehr als 15 Millionen Menschen in Syrien, darunter 7 Millionen Kinder, sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind fünf Prozent mehr als im Jahr 2022. Gleichzeitig fehlt es massiv an humanitärer Hilfe und Finanzierung, während Assad versucht, durch Hilfslieferungen wieder das Ansehen seines Regimes zu rehabilitieren und die internationale Isolation Syriens zu beenden – mit Erfolg. Wer mehr dazu wissen möchte, kann gerne in meinen Artikel von November reinschauen.
Die aktuelle europäische Syrien-Politik
Während die Arabische Liga und andere Staaten wie die Türkei ihre Beziehungen zu Syrien schrittweise normalisieren, basiert die europäische Syrienpolitik weiterhin auf Sanktionen gegen das Assad-Regime und direkter humanitärer Unterstützung für die syrische Zivilbevölkerung. Letztere wird beispielsweise durch Instrumente wie das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI), den MADAD Fonds und die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Überarbeitung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), also des langfristigen EU-Haushaltsplans bis 2027, hat die Kommission beispielsweise zusätzliche 5,2 Milliarden zur Unterstützung syrischer Geflüchteter in Syrien, der Türkei, Jordanien und dem Libanon vorgeschlagen. Darüber hinaus sind Ausnahmeregelungen für vertrauenswürdige internationale humanitäre Hilfsorganisationen notwendig, damit diese in Syrien schnell und effektiv helfen können. Wir setzen uns dafür ein, dass Sanktionen die Bereitstellung lebenswichtiger humanitärer Hilfe nicht behindern, sondern zielgerichtet die Eliten und Kriegsverbrecher treffen. Der wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments hat die Auswirkungen der Sanktionen hier analysiert.
Außerdem haben wir im Außenausschuss einer Empfehlung an den Rat, die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) zur Lage in Syrien zugestimmt. Darin betonen wir noch einmal die schweren Menschenrechtsverbrechen des Assad-Regimes und die Pflicht der EU, von jeglicher Normalisierung mit ihm abzusehen, solange es keine tiefgreifenden und überprüfbaren Veränderungen durch die Umsetzung der Resolution 2254(2015) des UN-Sicherheitsrats gibt. Dazu gehören die Freilassung politischer Gefangener, Informationen über das Schicksal von Vermissten und Opfern von gewaltsamem Verschwindenlassen sowie die Beendigung aller Angriffe auf und Behinderungen von humanitärer Hilfe. Das ist insbesondere wichtig, weil immer noch im ganzen Land eine erhebliche Gefahr für Menschen besteht, wie vertrauliche Quellen aus dem Auswärtigen Amt nahelegen. Außerdem nehmen in letzter Zeit die Kampfhandlungen in Syrien wieder zu, weswegen die Vereinten Nationen einen Waffenstillstand anmahnen.
Weitere Vorschläge der UN-Resolution betreffen die verstärkte Bekämpfung russischer und iranischer Desinformation über Syrien, den Kampf gegen die anhaltende Straffreiheit in Syrien und eine stärkere Unterstützung der Zivilgesellschaft sowie der angestrebten Demokratisierungsprozesse.