Frontex-Untersuchungsgruppe im Europäischen Parlament nimmt ihre Arbeit auf

Heute, am 23. Februar 2021, traf zum ersten mal die Frontex-Untersuchungsgruppe des Europäischen Parlaments zusammen. Sie besteht aus 14 Abgeordneten, zu denen auch ich gehöre. Im Zentrum steht die Frage, ob die Agentur systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen hat. In vier Monaten wird die Gruppe ihren ersten Bericht vorlegen. Auch nach der ersten Untersuchung wird sich die Gruppe weiter mit Frontex befassen.

Die Vorwürfe gegen die EU-Agentur Frontex wiegen schwer. Griechische Beamte schleppen massenhaft Geflüchtete aufs offene Meer und die Agentur schaut dabei zu oder hilft sogar aktiv mit. Das belegen investigative Recherchen unabhängiger Medien.

Frontex zeigt bislang wenig Interesse an Aufklärung

Das Interesse an einer Aufklärung bei Frontex ist hingegen gering. Interne Unterlagen von Frontex zeigen, dass die Agentur versuchte, Verbrechen zu verschleiern. Insbesondere Frontexchef Fabrice Leggeri verhinderte die Ermittlungen und belog auch uns Abgeordnete, als er im Europäischen Parlament geladen war. Am Folgetag musste selbst die Presseabteilung von Frontex zugeben, dass Leggeri gelogen hatte. 

Trotz der Beweislast behauptet der Frontexdirektor weiterhin, er habe keine Kenntnis von diesen Vorfällen und Frontex halte sich an die menschenrechtlichen Vorgaben. Allerdings hat Leggeri selbst Fragen an die betroffenen Mitgliedstaaten hinsichtlich Menschenrechtsverletzungen gesendet. Es ist also nicht glaubwürdig, dass er gar nichts wisse. 

Bundespolizei in Pushback involviert

Es gibt eine Vielzahl von Fällen, wo Frontex Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. So hat am 10. August 2020 ein Schiff mit deutscher Besatzung ein Schlauchboot mit Geflüchteten gestoppt und gepushbacked. Somit sind auch deutsche Bundespolizist:innen in solche Aktivitäten verwickelt. Mit dem Magazin Frontal 21 sprach ein Bundespolizist auch darüber, dass von den Beamten erwartet wird, geltendes Recht und grundlegende Menschenrechte zu brechen. 

Am Morgen des 10. August 2020 gegen 6 Uhr beobachtet das an Frontex entsandte deutsche Schiff “DEU CPB 62” ein Schlauchboot mit ca. 40 Menschen in griechischen Gewässern, unweit der Insel Samos. Es fährt hin, stoppt die Fahrt des Bootes und informiert die griechische Küstenwache. Diese erscheint einige Minuten später und übernimmt die Situation. Das deutsche Schiff verlässt die Szene. Im Bericht der griechischen Küstenwache heißt es im Anschluss, dass die Schutzsuchenden auf dem Schlauchboot ihren Kurs geändert hatten und wieder in türkische Gewässer zurückgefahren wären. Auf Nachfrage bestätigen die griechischen Beamt:innen, dass sie “Grenzschutzmaßnahmen zur Verhinderung einer Landung auf Samos” durchgeführt hätten. 

Frontex beobachtet Pushback, doch Leggeri stuft diesen nicht als Grundrechtsverletzung ein

Ein anderer wichtiger Fall ereignete sich in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020. Ein Aufklärungsflugzeug von Frontex überflog das östliche Mittelmeer und beobachtete dort, wie Schutzsuchende sich auf einem Schiff der griechischen Küstenwache befanden und ihr leeres Schlauchboot von dem griechischen Boot gezogen wird. Zwei Stunden später beobachtet das Frontex-Flugzeug, wie die Schutzsuchenden von dem Patrouillenboot der griechischen Küstenwache auf das Schlauchboot zurückgebracht werden, ein weiteres Schnellboot wartet in unmittelbarer Umgebung. Frontex hält zu diesem Zeitpunkt auch klar fest, dass sich keinerlei türkische Boote in der Umgebung befinden. 
Einige Minuten später, gegen 2.45 Uhr am 19. April 2020, macht das Frontex-Flugzeug ein Bild davon, wie das griechische Boot das angeleinte Schlauchboot mit den Schutzsuchenden an Bord in Richtung türkische Gewässer zieht. Eine halbe Stunde später beobachtet Frontex, dass das Schlauchboot keinen Motor hat und die griechischen Boote sich aus der Umgebung des Bootes entfernen. Am nächsten Nachmittag bestätigen die griechischen Behörden, dass das Schlauchboot von der türkischen Küstenwache entdeckt und auf das türkische Festland gebracht wurde. Die Frontex Beamten meldeten den Vorfall und Fabrice Leggeri wandte sich an die griechische Regierung, stufte den Fall jedoch letztendlich nicht als Grundrechtsverletzung ein.

Arbeitsgruppe im Europäischen Parlament wird eingerichtet

Der Innenausschuss des europäischen Parlaments hat Frontex hierzu mehrfach vorgeladen, doch wir Abgeordneten wurden einfach weiter angelogen. Der Ausschuss hat schriftliche Fragen nachgereicht, die Antworten waren eher bescheiden.

Die Untersuchungsgruppe des Europäischen Parlaments soll nun die vorhandenen Beweise und Verfahren prüfen und die Frage beantworten, ob Frontex sein Mandat missachtet, zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt und entgegen der Grundwerte und Gründungsprinzipien der EU handelt. Nach der ersten Untersuchung wird die Gruppe weiterhin bestehen, um die Aktivitäten von Frontex zu überwachen und zu prüfen.

Unsere Ziele in der Arbeitsgruppe

Ich bin froh, dass die Arbeitsgruppe auf Initiative der Grünen/EFA-Gruppe eingerichtet wurde. Mit meiner Fraktionskollegin Tineke Strik, die für den ersten Bericht verantwortlich ist, werde ich mich in der Untersuchungsgruppe dafür einsetzen, die Vorwürfe gegen Frontex zu untersuchen. Konkrete grüne Ziele sind die folgenden: 

  • das Verfassen eines evidenzbasierten Berichts zu den Vorwürfen gegen Frontex
  • Empfehlungen an Frontex, die von der Agentur umgesetzt werden sollen
  • Eine Berücksichtigung von Grundrechten in den Aufträgen der Agentur
  • Veränderung der Arbeitskultur bei Frontex
  • Transparente Berichterstattung von Frontex gegenüber der Öffentlichkeit und dem Europäischen Parlament, dem gegenüber es rechenschaftspflichtig ist. 
  • eine laufende, transparente Überprüfung der Arbeit von Frontex