Nach der Richtlinie 2002/90/EG, in der der Tatbestand der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt von Ausländern im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats definiert wird, können Sanktionen verhängt werden, sofern eine Person einer anderen zu Gewinnzwecken vorsätzlich Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt leistet.
Die Organe der Union haben Schleuserkriminalität bewusst von Handlungen der aktiven Solidarität von Mitgliedern der Zivilgesellschaft unterschieden, die ja nicht nur ohne Folgen für die rechtlichen Verfahren zur Prüfung von Asylanträgen sind, sondern auch tatsächlich die Verwaltungstätigkeiten im Zusammenhang mit Flüchtlingen erleichtern.
Am 13. Juni 2021 wurde in Griechenland eine niederländische Journalistin, die über die Flüchtlingsströme berichtete, nach Artikel 29 Absatz 6 des Gesetzes 4251/2014 festgenommen, da sie einem afghanischen Flüchtling Zuflucht gewährt hatte, obwohl das Verfahren über dessen rechtmäßigen Aufenthalt noch nicht abgeschlossen war. Ihr droht nun eine Haftstrafe, obwohl es nicht den Anschein hat – und auch aus der Anklageerhebung nicht hervorgeht –, dass es ihre Absicht war, aus der Unterbringung des Flüchtlings in ihrem Zuhause Gewinn zu schlagen.
Angesichts dessen wird die Kommission um die Beantwortung der folgenden Frage ersucht:
Welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, um sicherzustellen, dass Handlungen der aktiven Solidarität von den Mitgliedstaaten nicht missbilligt und unterdrückt werden, zumal sich diese Handlungen wesentlich von den Handlungen unterscheiden, die in der Richtlinie 2002/90/EG beschrieben werden?
Antwort der Kommission
Die Kommission hat die Umsetzung der Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28. November 2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein‐ und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt bewertet und u. a. auf dieser Grundlage eine Evaluierung durchgeführt. Die Kommission wird die Umsetzung der Richtlinie weiterhin überwachen und die Konformität der nationalen Rechtsvorschriften mit dem EU-Rechtsrahmen überprüfen. Nach den Verträgen verfügt die Kommission über keine spezifischen Befugnisse, um Einzelfälle zu untersuchen. Im Einklang mit ihrer allgemeinen Politik in Bezug auf Vertragsverletzungen konzentriert sich die Kommission bei Durchsetzungsmaßnahmen vorrangig auf Fälle, in denen offenbar ein systematischer Verstoß gegen das EU‐Recht vorliegt. Es liegt in der Zuständigkeit der nationalen Behörden, Fälle im Zusammenhang mit der Beihilfe zum irregulären Aufenthalt zu untersuchen und strafrechtlich zu verfolgen.
Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten in den Leitlinien der Kommission zur Anwendung der oben genannten Richtlinie ersucht, auch von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, zwischen Handlungen zum Zwecke der humanitären Hilfe und Handlungen zur Erleichterung der irregulären Einreise oder Durchreise zu unterscheiden, um erstere Handlungen von der Kriminalisierung auszunehmen. Die Kommission wird die Umsetzung der EU-Rechtsvorschriften weiterhin überwachen, um sicherzustellen, dass angemessene, wirksame und abschreckende strafrechtliche Sanktionen eingeführt werden, und gleichzeitig zu verhindern, dass diejenigen, die humanitäre Hilfe für in Not geratene Migranten leisten, möglicherweise kriminalisiert werden.
Ich bin im Juli nach Lesbos gereist, um mir anzuschauen, wie nach dem Brand in Moria die aktuelle Situation im neuen Lager Mavrovouni ist. Außerdem traf ich die Frontex-Einsatzkräfte vor Ort, um mit ihnen über die aktuelle Lage und die Pushbacks durch die griechische Küstenwache zu sprechen. Und ich besuchte verschiedene NGOs und zivilgesellschaftliche Akteure, die dafür kämpfen die Lage politisch zu verändern, aber auch Angebote machen, damit Geflüchtete die Möglichkeit haben etwas besser durch ihren schwierigen Alltag zu kommen.
In der Nacht vom 8. auf den 9. September brannte das Lager Moria vollständig ab. Damals lebten dort 12.600 Menschen auf engem Raum in unwürdigen Verhältnissen. Das Lager ist ein Symbol des Scheiterns der europäischen Flüchtlingspolitik, die es nicht schafft, Menschen faire Asylverfahren zu gewährleisten und ihre Menschenwürde zu achten. Neun Monate nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria werden sechs junge Afghanen wegen Brandstiftung zu langen Haftstrafen verurteilt. Und das, obwohl kein:e anwesende:r Zeug:in diese in der vermeintlichen Tatnacht gesehen hat. Der Prozess und das Urteil stehen in der Kritik.
Das neue Moria
Das neue Lager Mavrovouni wurde auf dem Gelände eines ehemaligen Übungsplatzes des Militärs errichtet. Hier leben derzeit rund 4350 Menschen in Containern und Zelten, ohne fließend Wasser und Strom. Sie können das von Stacheldraht und Mauern begrenzte Lager nur eingeschränkt verlassen.
Mit Tareq Alaows besuchte ich das neue Lager Ende Juli. Tareq war das letzte mal im Jahr 2015 auf Lesbos. Als syrischer Flüchtender schlief er damals auf der Straße und versuchte von hier aus weiterzukommen. Heute lebt er in Deutschland und ist aktiv bei der Seebrücke und den Grünen.
Manos Logothetis führte uns durch das Camp – der Generalsekretär des Ministeriums für Migration und damit quasi der Verantwortliche für die Camps in Griechenland. Mit dabei waren auch der lokale Vertreter der europäischen Kommission und der Leiter des Camps, der auch schon für das ehemalige Moria verantwortlich war. Auf Fragen nach der Bleiverseuchung des Bodens, dem Zugang von NGOs zu dem Camp und die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit antworteten sie ausweichend. Griechenland hätte – im Gegensatz zu Deutschland – kein Problem mit Mauern, meinte Logothetis auf die Frage, warum ein Flüchtlingslager eingemauert wird. Seiner Auffassung nach müsse man auch die lokale Bevölkerung vor den Geflüchteten schützen.
Zustände in Mavrovouni
Die Sommer auf Lesbos sind sehr heiß und die Temperaturen steigen teilweise auf 40°C. In Mavrovouni gibt es kaum Schatten. Die Zelte stehen in der vollen Sonne und es ist staubtrocken. Der Staub legt sich auf alles und ist überall. Im Camp besuchte ich eine Familie in einem Zelt, um mit ihnen über die Lage zu sprechen. Darin war es noch viel heißer als draußen. Ich fand es schon nach wenigen Minuten kaum auszuhalten. Die Menschen dort müssen ihr Leben in solchen Zelten verbringen, wo es im Sommer zu heiß ist und wo sie im Winter frieren. Mit der Lage direkt an der Küste schützen die Zelte auch nicht ausreichend vor Wind und Wasser. Die medizinische Versorgung ist schlecht. Kurz bevor wir das Camp besuchten starb ein drei Monate alter Säugling. Laut lokalen Nachrichten soll das Kind schon in der Nacht vor seinem Tod erbrochen haben, wurde aber nicht rechtzeitig zu einem Arzt gebracht.
Große Baustelle
Das Camp ist derzeit eine große Baustelle, da Wasser- und Stromleitungen gelegt werden und Wohncontainer aufgestellt werden sollen. Die Kommission und die griechische Regierung haben zugesagt, dass diesen Winter niemand mehr in Zelten frieren soll. Ich hoffe sehr, dass sie dieses Versprechen auch einhalten. Seit 2015 mussten auf der Insel bislang jedes Jahr Menschen im Winter in Zelten frieren.
Obwohl Mavrovouni nur als temporäre Notlösung nach dem Brand in Moria gedacht war und es bereits Pläne für die Errichtung eines neuen Lagers gibt, wird das Camp ausgebaut. Dies hat den Hintergrund, dass sich die Errichtung des neuen Lagers noch hinziehen wird und die Menschen bis dahin nicht weiter ohne fließend Wasser und Strom leben können. Außerdem wird das derzeitige Lager bestehen bleiben und als erneute Notlösung dienen, falls wieder mehr Menschen auf der Insel ankommen. Es ist unklar, ob das neue Camp wirklich errichtet wird und ob dort jemals Geflüchtete untergebracht werden. Auf Lesbos gibt es bei dem Thema Streit zwischen zwei Kommunen und nur eine sehr knappe Mehrheit für die Errichtung eines neuen Lagers. Im September hat die Kommission noch versprochen, dass es sich bei Mavrovouni um ein vorläufiges Lager handeln würde. Daher finde ich es merkwürdig, dass nun überall dort gebaut wird und es wohl noch eine lange Zeit betrieben werden wird.
Perspektivlosigkeit
Ein Großteil der Menschen im Lager kommt aus Afghanistan – laut Global Peace Index das unfriedlichste Land der Welt. Mit dem aktuellen Vormarsch der Taliban verschlimmert sich die Lage vor Ort jeden Tag. Trotzdem haben viele Bewohner:innen eine zweite Ablehnung ihres Asylantrags erhalten und verharren in Angst vor Abschiebungen und ohne Perspektiven und Unterstützung im Lager. Bei den Anträgen wird gar nicht mehr geprüft, ob die Menschen in Afghanistan oder Syrien sicher waren, sondern nur ob sie in der Türkei sicher waren. Damit schrumpfen auch ihre rechtlichen Perspektiven. Die Stimmung im Lager ist extrem angespannt und die Situation hat starke Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der Geflüchteten.
Viele Menschen leiden auch unter körperlichen Beeinträchtigungen, einige sitzen im Rollstuhl. Sie können sich nur schlecht im Camp fortbewegen und erhalten kaum Unterstützung. Und bei manchen Sachen fragt man sich auch, wie das so passieren konnte. So befindet sich eine Toilette für Menschen mit Behinderung oben im Lager, die mit einem Rollstuhl kaum zu erreichen ist.
Jahrelang ohne Bildung
Rund 40% der Menschen im Camp sind Kinder. Viele von ihnen haben noch nie eine Schule besucht. In meinem Gespräch mit der Leiterin des UNHCR auf Lesbos, Astrid Castelein, hat sich herausgestellt, dass sich das so schnell auch nicht so schnell ändern wird. Zwar wird versucht, informelle Bildung für die Kinder zu organisieren, doch selbst das ist nicht gewährleistet. Das Ziel sollte sein, formelle Bildung und zuverlässige Strukturen für die Kinder zu schaffen.
Darüber hinaus äußerte das UNHCR Bedenken über den eingeschränkten Zugang zum Lager, die Unterbringung der Menschen in Zelten im Winter und die Pushbacks. Weder das UNHCR, noch NGOs oder Journalist:innen können sich ankommenden Menschen nähern, wenn die griechische Küstenwache vor Ort ist.
Die Lage auf Lesbos ist erschreckend. Nicht weil zu viele Menschen im Lager auf der Insel sind, sondern weil kaum noch jemand die Überfahrt schafft. Derzeit erreichen kaum Schlauchboote die Insel. Das ist eine Folge der Pushbacks durch die griechische Küstenwache. Die allermeisten Schutzsuchenden werden durch die griechische Küstenwache abgefangen und misshandelt. Sie dürfen keine Asylanträge stellen, ihre Bootsmotoren werden zerstört, maskierte Männer ziehen sie in türkische Gewässer und lassen sie dort zurück. Das ist zwar hochgradig kriminell, aber der menschenverachtende Umgang mit Menschen in Not ist jetzt so alltäglich, dass es gar nicht mehr auffällt. Ein 17-Jähriger erzählte mir, er sei aus dem Krieg in Syrien geflohen und das Erste, was er in Europa machen musste, war rennen. Die Polizei hat ihn mit Hunden gejagt, wollte auch ihn auf dem Meer aussetzen, aber er konnte sich verstecken.
Hundertfach sind diese Verbrechen belegt, hundertfach verhindern EU-Kommission und Bundesregierung, dass sie Konsequenzen haben. Man kann an den EU-Außengrenzen im Zeitraffer sehen, wie sich demokratische Grundsätze auflösen und die Willkür regiert. Wer nicht weiß ist, hat an den Europäischen Außengrenzen allzu oft keine Rechte. Wer nicht weiß ist, ist der staatlichen Gewalt schutzlos ausgeliefert.
Besuch bei Frontex-Kräften vor Ort
Auch die Einsatzkräfte von Frontex vor Ort wissen von den Pushbacks, aber sie schauen systematisch weg, damit diese weitergeführt werden können. Die Luftaufklärung von Frontex vor Ort wurde eingestellt, weil diese wohl zu viele der offensichtlichen Pushbacks und Menschenrechtsverletzungen dokumentieren würde und Frontex diese dann auch beanstanden müsste.
Viele Menschen werden aus griechischen Gewässern in der Ägäis gedrängt. Die Motoren der Boote werden abmontiert und die Menschen manövrierunfähig treibend in der Ägäis zurückgelassen. Die Rolle von Frontex in diesen völkerrechtswidrigen Pushbacks haben wir erst kürzlich in der Frontex-Untersuchungsgruppe des europäischen Parlaments untersucht. Die Menschen, die die Insel trotzdem erreichen können, werden in einem Quarantänelager weit abgelegen im Norden untergebracht.
Mit Frontex habe ich mich über die Umstrukturierung der Agentur und die Arbeit der Beschäftigten vor Ort ausgetauscht. Die selbsterklärte Rolle von Frontex ist die Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Grenzmanagement. Zwar streitet Frontex die Beteiligung an Pushbacks ab, doch dass diese stattfinden, ist auch für Frontex schwer zu leugnen. Auch wenn sie es offiziell nicht sagen dürfen, wird in informellen Gesprächen deutlich, dass zumindest manche Frontex-Beamt:innen natürlich wissen, dass es zu Pushbacks kommt. Die griechische Polizei bezeichnet die Kooperation mit der Agentur als exzellent, Details über die Arbeitsabläufe wollen sie aber nicht verraten. Bei der Besichtigung eines Schiffes der italienischen Finanzwache, das Italien Frontex gesendet hat, konnte ich mich davon überzeugen, wie gut diese Schiffe ausgerüstet sind. Das Schiff kann eine Geschwindigkeit von bis zu 120 km/h erreichen. Trotzdem glänzt Frontex durch Abwesenheit bei Seenotfällen in der Ägäis. Viele der Frontexbeamt:innen bleiben nur für wenige Monate vor Ort und haben daher kaum die Möglichkeit sich richtig einzuarbeiten.
Polizeiliche Willkür und eingeschränkte Pressefreiheit
Es gibt zahlreiche Berichte über Polizeigewalt auf der Insel. So versuchten Schutzsuchende auf einem Schlauchboot, die Insel zu erreichen. An der Seegrenze zwischen Griechenland und der Türkei erzeugten die jeweiligen Küstenwachen Wellen, was eine gängige Praxis ist.Das ist nur ein Beispiel für die fehlende Rechtsstaatlichkeit in dem Land. Auch ich werde immer wieder Zeuge davon, etwa wenn griechische Polizist:innen drohen, mich einzusperren, weil ich vor dem Lager ein Interview aufnehmen will. Die Pressefreiheit wird massiv eingeschränkt. Viele Pressevertreter:innen erhalten keinen Zugang zum neuen Camp.
Mein Besuch bei Nichtregierungsorganisationen
Doch es gibt auch viele Projekte und Organisationen auf der Insel, die diese Situation nicht hinnehmen und die Lage auf der Insel kontinuierlich verbessern möchten. Ein Beispiel ist das Community Center von One Happy Family, nicht weit vom neuen Lager entfernt. Hier gibt es Sportangebote, ein Cybercafé, eine Bibliothek, eine Werkstatt, einen Safer Space für Frauen* und Mädchen, psychosoziale Beratung, einen Garten, ein Café, einen Spielraum für Kinder und mehr. Das Zentrum wird von Geflüchteten und internationalen Freiwilligen verwaltet. Das Haus befindet sich fußläufig vom Camp erreichbar und bietet viele Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten. Außerdem ist es dort viel gemütlicher als in den Camps. Ein Problem ist aber, dass viele Bewohner:innen des Camps das Angebot nicht oder nur wenig nutzen können. Das liegt daran, dass sie nicht immer raus dürfen, wenn sie wollen oder dass sie sich im Camp für alles Mögliche, vor allem Essen, sehr lange anstellen müssen und damit Zeit verlieren. Wenn sie das Camp dann mal verlassen dürfen, dann nutzen viele die Zeit und ihr weniges Geld, um weitere Lebensmittel und Dinge zu kaufen, die man im Alltag braucht.
Darüber hinaus gibt es eine Permakulturfarm, zahlreiche Warenhäuser, Rechtsberatung im Legal Center Lesvos und vieles mehr. In der Schule von Wave of Hope finden Malkurse statt und die Bilder der Geflüchteten werden ausgestellt. Auf Lesbos ist die Konzentration von NGOs recht hoch, auf anderen Inseln wie Chios und Samos sieht die Lage anders aus.
Das Elend ist politisch gewollt
Die Lage vor Ort ist absurd: Es stehen beispielsweise zahlreiche Wasser- und Seifenspender in einem spendengefüllten Warenhaus neben Mavrovouni, die nur darauf warten, im Lager angeschlossen und aufgestellt zu werden. Doch die Campleitung untersagt, dass die Spender in das Camp transferiert werden.
Es gibt viel Solidarität mit den Geflüchteten an Europas Außengrenzen. Das zeigen die vielen Spenden, die NGOs und auch die vielen solidarischen Städte und Kommunen, die sich freiwillig bereit erklären, mehr Geflüchtete von den Außengrenzen aufzunehmen. Doch sie dürfen es nicht.
Die Menschen auf Lesbos müssten nicht auf staubtrockenem Boden ohne Wasser und Strom abgeschottet in Zelten ohne medizinische Versorgung hausen. Es besteht vielmehr der politische Wille, dass die Menschen in Elend leben. Diese unwürdige Situation an unseren Außengrenzen wird geschaffen, um abzuschrecken. Die Lage vor Ort wird absichtlich so schlimm gehalten, damit andere keinen Asylantrag in der EU stellen, weil sie Angst davor haben, dass sie dann in diesen Lagern landen. Es ist eine Schande, dass wir an unseren Außengrenzen so mit Menschen umgehen, die unsere Hilfe brauchen. Dabei sollten wir doch eigentlich stolz darauf sein, Menschen zu helfen und Geflüchtete aufzunehmen.
1. Wie weit waren die Schiffe von Frontex und Operation Irini vom Standort des Schiffs entfernt, und wurden sie über die Such- und Rettungseinsätze informiert?
2. Hat irgendein Überwachungsflugzeug das in Not geratene Schiff angerufen?
3. Was wird die Kommission gegen Italien und Malta unternehmen, die Notrufe ignorierten und zuließen, dass über 130 Menschen starben?
Antwort der Kommission
Die Antwort der Kommission läuft darauf hinaus, dass es nicht die Aufgabe der Operation Irini sei, Menschen aus Seenot zu retten. Die EU hat derzeit auch keine Seenotrettungsmission, deswegen sind die NGOs vor Ort, aber auch die nationalen Behörden haben die Pflicht zu retten. Die Behauptung der Kommission, dass die italienischen und maltesischen Behörden keine Einsatzmittel zur Verfügung hatten, halte ich für nicht glaubwürdig. Die maltesischen Behörden beteiligen sich bereits seit Jahren kaum noch aktiv an der Rettung von Menschen aus ihrer Seenotrettungszone.
Hier die gesamte Antwort der Kommission:
Die Hauptaufgabe der Operation IRINI besteht darin, die Umsetzung des Waffenembargos gegen Libyen sicherzustellen. Die seegestützten Mittel der Operation IRINI werden zumeist im östlichen Teil ihres Einsatzgebiets, in dem die Verstöße gegen das Waffenembargo am häufigsten begangen werden, eingesetzt. Sie wurden von der italienischen Seenotrettungsleitstelle im Nachhinein über den Vorfall informiert. Zum Zeitpunkt des Vorfalls war das nächste seegestützte Mittel der Operation IRINI mehr als 300 Seemeilen, das nächste luftgestützte Mittel 180 Seemeilen vom Ort des Vorfalls entfernt.
Im Einklang mit dem Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (SOLAS) und dem Internationalen Übereinkommen über den Such‐ und Rettungsdienst auf See geben die luftgestützten Mittel der Operation IRINI alle Informationen über Notsituationen auf See an alle zuständigen Seenotrettungsleitstellen weiter. Die operative Koordinierung von Such‐ und Rettungseinsätzen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und erfolgt ohne operative Beteiligung der Kommission.
Der in Rede stehende Schiffbruch ereignete sich am 21./22. April 2021. Die libyschen, italienischen und maltesischen Rettungsleitstellen wurden von einem Flugzeug der Europäischen Agentur für die Grenz‐ und Küstenwache (Frontex) über ein Schiff in Seenot informiert, und die libysche Küstenwache übernahm die Koordinierung der Rettungsoperation und die Suche im Sichtungsgebiet. Ocean Viking und drei Handelsschiffe wurden von der italienischen Seenotrettungsleitstelle umgeleitet, um Hilfe zu leisten. Um die Suche zu beschleunigen, wurde ein zweites Frontex-Flugzeug eingesetzt.
Die italienischen und maltesischen Behörden hatten keine Einsatzmittel in der Nähe des Vorfalls zur Verfügung. Letztlich konnte angesichts der extrem ungünstigen Witterungsbedingungen kein Schiff rechtzeitig ankommen.
Am 28.5.2021 veröffentlichte das griechische Ministerium für Migration und Asyl eine Ausschreibung zur Konstruktion der geplanten neuen „multi-purpose reception and identification centres” auf Lesbos und Chios. Insgesamt 142 Millionen € werden dafür bereitgestellt. In der Ausschreibung wird explizit erwähnt, dass es sich um „geschlossene, kontrollierte Strukturen” handelt, die zu 100 % mit Geldern der Europäischen Union finanziert werden. Die EU-Kommission hat allerdings versprochen, dass die Lager offen sein sollen. Deswegen habe ich dazu eine Anfrage an die EU-Kommission verfasst. Die EU-Kommission antwortete, dass es sich im Einklang mit dem EU-Recht um offene Zentren handeln werde. Die Kommission behauptet die EU-finanzierten Lager werden offen sein, die griechische Regierung sagt, sie werden geschlossen sein. Die Kommission sagt zudem, dass es „im Hinblick auf die Wasser-, Sanitär‐ und Elektrizitätsversorgung, die Schotterung sowie die Vorbereitung auf den Winter und die Instandsetzung“ zu erheblichen Verbesserungen gekommen sei. Außerdem habe die griechische Regierung versprochen, im Winter werde niemand mehr in den Lagern frieren müssen. Bei meinem letzten Besuch vor zwei Wochen war das Lager Mavrovouni noch eine Baustelle. Ich hoffe sehr, dass die griechische Regierung ihr Versprechen hält und in diesem Jahr, zum ersten mal seit 2015, wirklich niemand mehr in Zelten frieren muss.
Meine Anfrage
Betrifft: Ausschreibung des griechischen Migrationsministeriums zur Konstruktion geschlossener Lager auf Lesbos und Chios
Am 28.5.2021 veröffentlichte das griechische Ministerium für Migration und Asyl eine Ausschreibung zur Konstruktion der geplanten neuen „multi-purpose reception and identification centres” auf Lesbos und Chios. Insgesamt 142 Millionen EUR werden dafür bereitgestellt. In der Ausschreibung wird explizit erwähnt, dass es sich um „geschlossene, kontrollierte Strukturen” handelt, die zu 100 % mit Geldern der Europäischen Union finanziert werden. Dabei wird auch explizit erwähnt, dass die geplanten Projekte eine direkte Umsetzung von EASO-Standards sein werden. Die in der Ausschreibung vorgeschriebene Zeit bis zur Fertigstellung des Projekts beträgt 8 Monate ab Vertragsunterzeichnung. Eine Fertigstellung in diesem Jahr scheint demnach unmöglich. Die Widerstände auf den Inseln haben zudem schon vor über einem Jahr jeglichen Baufortschritt auf Lesbos verhindert.
1. Wie sieht der aktuelle Zeitplan des gemeinsamen Lenkungsausschusses hinsichtlich der Fertigstellung der Lager auf den Inseln aus?
2. Ist die Ausschreibung fehlerhaft und muss sie korrigiert werden, oder wird EU-Geld nun für den Bau geschlossener Lager verwendet?
3. Im „temporären” Lager Mavrovouni werden Mindeststandards der Aufnahmerichtlinie weiterhin nicht eingehalten. Wie rechtfertigt die Kommission, dass auch im nächsten Winter wieder Schutzsuchende in Europa in Zelten in einem unwürdigen Lager überwintern müssen, obwohl seit 2015 jährlich versprochen wird, diese Zustände zu beenden?
Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 23.07.2021
Die Kommission arbeitet über eine spezielle Task Force intensiv mit den griechischen Behörden zusammen, um auf Lesbos und Chios neue multifunktionale Aufnahme‐ und Identifizierungszentren zu schaffen. Der Bauprozess der neuen Einrichtungen wird intensiv überwacht, unter anderem im Rahmen monatlicher Sitzungen des Lenkungsausschusses. Das Ausschreibungsverfahren für die neuen Zentren auf Lesbos und Chios läuft derzeit.
Die Kommission hat 155 Mio. EUR für die Einrichtung neuer Zentren auf den Inseln Lesbos und Chios bereitgestellt. Im Einklang mit dem EU-Recht wird es sich hierbei — vorbehaltlich der erforderlichen und verhältnismäßigen Zugangsregelungen — um offene Zentren handeln. Sie werden verschiedene Bereiche umfassen, darunter Aufnahme‐ und Identifizierungsstrukturen für Neuankömmlinge, Unterkunftsmöglichkeiten, sichere Bereiche für unbegleitete Kinder und Jugendliche, Freizeitbereiche und Abschiebeeinrichtungen. Bei den Abschiebeeinrichtungen für Personen, gegen die eine Rückkehranordnung ergangen ist, wird es sich um geschlossene Bereiche handeln. Personen, die in den anderen Bereichen untergebracht sind, werden das Gelände über ein Zugangssystem mit speziellen Ausweisen betreten und verlassen können.
Dank der gemeinsamen Anstrengungen der griechischen Behörden, der Kommission und der EU-Agenturen konnten die Bedingungen in der provisorischen Aufnahmeeinrichtung in Mavrovouni erheblich verbessert werden, insbesondere im Hinblick auf die Wasser-, Sanitär‐ und Elektrizitätsversorgung, die Schotterung sowie die Vorbereitung auf den Winter und die Instandsetzung. Mavrovouni bleibt jedoch eine provisorische Unterbringungseinrichtung. Die griechischen Behörden haben der Kommission zugesichert, dass niemand in Mavrovouni einen weiteren Winter in Zelten verbringen wird.
Die griechische Regierung lässt immer mehr Mauern um die Massenlager herum errichten. Dadurch werden die Geflüchteten von der örtlichen Bevölkerung getrennt und die Camps ähneln immer mehr Gefängnissen. Deswegen habe ich gemeinsam mit anderen Abgeordneten die Kommission gefragt, wie sie zu dem Bau steht und ob dieser mit EU-Mitteln unterstützt wird. Die Kommission antwortet darauf, dass sie den Bau unterstützt, weil dieser die Sicherheit der Bewohner und Mitarbeiter verbessern würde. Die Kommission empfahl zudem eine „gemischte Lösung“ aus Betonmauern und Maschendrahtzäunen. Nach vielen Besuchen in verschiedenen Camps überzeugt mich diese Begründung nicht, weil die meisten Geflüchteten sich durch die Mauern eingesperrt fühlen und nicht besser geschützt. Außerdem sagen griechische Regierungsvertreter auch ganz offen, dass die Mauern dazu dienen die Geflüchteten von der Bevölkerung zu trennen.
Meine Anfrage
Betrifft: Errichtung von Mauern um griechische Flüchtligslager
Als die Bewohner des Flüchtlingslagers Ritsona in Griechenland am 4. Mai 2021 aufwachten, stellten sie fest, dass eine drei Meter hohe Betonmauer, wie sie das Militär verwendet, um ihre Unterkünfte herum errichtet wurde. Dadurch sollen die 3 000 Flüchtlinge dort von der einheimischen Bevölkerung separiert werden, obgleich das Lager von griechischen Ortschaften weit entfernt ist. Laut einer Ausschreibung auf der griechischen Website der Internationalen Organisation für Migration (IOM) soll mit 7 000 Flüchtlingen in drei weiteren Lagern ebenso verfahren werden. Die Mauer wird aus Mitteln des Programms der Kommission zur „Unterstützung der griechischen Behörden bei der Verwaltung des nationalen Systems für die Aufnahme von Asylsuchenden und schutzbedürftigen Migranten“ errichtet. Ziel dieses Programms ist es eigentlich, Bildungsmaßnahmen und Kontakte mit den Einheimischen im Rahmen des Integrationsprozesses zu fördern. Mit Mauern erreicht man genau das Gegenteil, denn Maurern dienen zur Trennung. Die Flüchtlingslager werden dadurch de facto zu Gefängnissen, wodurch sich die psychische Verfassung der Flüchtlinge erheblich verschlechtern wird. Vor diesem Hintergrund wird die Kommission um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten:
Sind der Kommission diese Entwicklungen bekannt? Wenn ja, unterstützt sie die Errichtung von Betonmauern zur Eingrenzung griechischer Flüchtlingslager? Stehen diese Bauarbeiten im Einklang mit den Werten und Zielen der EU und dem oben genannten Programm?
In welcher Höhe werden EU-Mittel für die Errichtung von Betonmauern in Ritsona und anderen griechischen Flüchtlingslagern bereitgestellt?
Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 06.07.2021
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) führt das von der EU finanzierte Soforthilfeprojekt „Unterstützung der griechischen Behörden bei der Verwaltung des nationalen Systems für die Aufnahme von Asylsuchenden und schutzbedürftigen Migranten“ durch, das unter anderem die Errichtung und den operativen Bedarf von Aufnahmezentren auf dem griechischen Festland abdeckt. Das Projekt beinhaltet die von den griechischen Behörden verlangte Errichtung bzw. Instandhaltung von Zäunen an den Standorten Diavata, Ritsona, Malakasa und Nea Kavala, die auf die Verbesserung der Sicherheit der Bewohner und Mitarbeiter abzielt.
Die Kommission und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) wurden vor dem Bau der Zäune zu den technischen Spezifikationen konsultiert. Die Einzäunung muss einer Reihe von Parametern Rechnung tragen, insbesondere dem Brandschutz, dem natürlichen Licht, der Nichtbehinderung der Sicht und einem ausreichenden Abstand zu den Unterbringungseinheiten. Es wird eine gemischte Lösung umgesetzt, bei der Beton und Maschendrahtzäune abwechselnd verwendet werden.
Der für die Durchführung des Gesamtprojekts vertraglich vereinbarte Betrag beläuft sich auf rund 180 Mio. EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis zum 30. Juni 2021, wovon etwa 9 Mio. EUR für Arbeiten in den Zentren (u. a. Reinigung, Instandhaltung, Reparaturen und Zäune) bestimmt sind.
Morgen feiern wir den 70.Geburtstag der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK). Die GFK ist das wichtigste Dokument für den Schutz von Geflüchteten. Insgesamt 149 Staaten sind ihr beigetreten. Doch inzwischen wird immer offensichtlicher, dass Europa sich mit Gewalt abschottet, statt Menschen in Not zu helfen. Das ist geschichtsvergessen und ein Bruch mit den Grundsätzen von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten.
An unseren Außengrenzen ertrinken Menschen, obwohl wir sie retten könnten. Menschen werden auf dem offenen Meer ausgesetzt und gefoltert, weil sie einen Asylantrag stellen wollen. Die EU bezahlt islamistische Milizen, um Flüchtende nach Libyen zurück zu schleppen. Pushbacks werden von EU-Staaten durchgeführt. Es wurde aus Griechenland auf Flüchtende geschossen. Es ist heuchlerisch, wenn EU-Regierungen den Geburtstag der Flüchtlingskonvention feiern, denn an den EU-Außengrenzen haben sie sich entschieden, die Flüchtlingsrechte durch eine gewaltvolle Abschottung zu ersetzen.
Die GFK entstand aus den Lehren des zweiten Weltkriegs
Als die Genfer Flüchtlingskonvention vor 70 Jahren verabschiedet wurde, wollte man nach den schrecklichen Erfahrungen im zweiten Weltkrieg Verantwortung für Schutzsuchende übernehmen. Man wollte Menschen in Not helfen und man wollte politische Ziele rechtsstaatlich unter Achtung der Menschenrechte erreichen. An den Europäischen Außengrenzen versucht man sich nun mit aller Macht durch Entrechtung von der Verantwortung für Schutzsuchende zu entledigen. Es ist wieder normal geworden, politische Ziele auch durch die Entwürdigung von Menschen zu erreichen.
Weltweit sind über 82 Millionen Menschen auf der Flucht. Nur ein sehr kleiner Teil von ihnen flieht nach Europa. Es ist ein Armutszeugnis, dass wir unsere eigenen Rechtsgrundlagen über Bord werfen, nur damit immer weniger Asylanträge in Europa gestellt werden. An ihrem 70. Geburtstag liegt die Genfer Flüchtlingskonvention im Sterben. Die Regierungen der Mitgliedsstaaten kapitulieren vor den asylpolitischen Herausforderungen. Weil sie sich nicht auf ein funktionierendes Asylsystem einigen können, verschleiern sie dieses Scheitern durch Misshandlung und Entrechtung von Menschen in Not. Menschen müssen leiden, weil die Regierungen ihren Job nicht ordentlich machen.
Vor kurzem erschien eine erschütternde Recherche von ARD, Lighthouse Reports, SRF, Spiegel und Novosti. Dieses breite europaweite Netzwerk von Journalist:innen veröffentlichte neue Berichte über Pushbacks durch kroatische Grenzbeamt:innen, in sechs Fällen konkret mit Videos belegt. Ganze Familien und besonders schutzbedürftige Menschen werden durch den Wald zurück über die EU-Grenze gebracht. In einem Fall handelt es sich um eine schwangere Frau im achten Monat mit fünf kleinen Kindern. Die sechs Videos zeigen insgesamt rund 65 Menschen, darunter 20 Kinder, die illegal gepushbackt werden. Darunter sogar ein herzkranker Mann mit Krücken.
Diese Vorfälle ereignen sich dabei teilweise nicht mal mehr in der Nähe der EU-Außengrenze, sondern die Menschen werden weit aus dem Landesinneren nach Bosnien-Herzegowina verschleppt. Die Pushbacks und die Gewalt gegen Geflüchtete sind klare Verstöße gegen europäisches Recht und sie finden seit Jahren statt, ohne dass dies ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht.
Die Taliban erobern immer mehr Gebiete, Menschen fliehen und die afghanische Regierung bat um einen Abschiebestopp. Ich habe all diese Ereignisse zum Anlass genommen, um einen Brief an Heiko Maas zu schreiben. Ich bitte ihn darum, die Einschätzung der aktuellen Sicherheitslage im Lagebericht unabhängig von etwaigen innenpolitischen Motiven und entsprechend der neuen Erkenntnisse und Entwicklungen anzupassen.
Sehr geehrter Herr Bundesminister Maas,
die Sicherheitslage in Afghanistan ist dramatisch. Afghanistan ist laut Global Peace Index das unfriedlichste Land der Welt. Seit Beginn der Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban steigt die Zahl ziviler Opfer weiter, Kampfhandlungen nehmen zu. Der hektisch begonnene Abzug der US- und NATO-Truppen birgt schwerwiegende Risiken für die Stabilität des Landes und seine Zivilbevölkerung. Die Taliban kontrollierten Ende Juni bereits 157 Distrikte in Afghanistan, doppelt so viele wie noch Anfang Mai. Damit befinden sich 40% der Distrikte in den Händen der Taliban, ebenso viele sind umkämpft.
Aufgrund der Unsicherheit haben viele Botschaften bereits jetzt ihr Personal abberufen, Australien hat als erstes Land seine Botschaft in Kabul sogar bereits geschlossen. Auch die humanitäre Situation in Afghanistan ist besorgniserregend. 2021 ist etwa die Hälfte der Bevölkerung, 18,4 Million Menschen, auf humanitäre Hilfe angewiesen, Anfang 2020 lag die Zahl noch bei 9,4 Millionen Menschen. Gründe dafür sind neben dem anhaltenden Konflikt auch Naturkatastrophen, chronische Armut, Ernährungsunsicherheit und nicht zuletzt die zusätzliche Belastung durch die COVID-19 Pandemie.
Laut einer aktuellen Studie über die Erfahrungen von aus Deutschland abgeschobenen Afghanen sind diese, ihre Angehörigen und Unterstützer:innen sowohl von den Taliban, als auch durch staatliche Akteure und ihr soziales Umfeld von Gewalt bedroht. Ein Großteil der Befragten erlitt nach Ankunft in Afghanistan aufgrund ihres vorherigen Aufenthalts in Europa und der damit einhergegangenen „Verwestlichung“ Gewalt. Eine Existenzsicherung war aufgrund der wirtschaftlichen Lage und sozialer Ausgrenzung so gut wie unmöglich, weshalb 70% der Interviewten das Land nach kurzer Zeit erneut verlassen mussten. Denjenigen, denen diese Möglichkeit nicht gegeben ist, bleibt oft kaum ein anderer Weg zur Existenzsicherung, als sich Kriegsparteien oder Banden anzuschließen. Durch die Kontrolle zahlreicher Gebiete und Verbindungsstraßen durch die Taliban ist es für Rückkehrende zudem kaum möglich, ihre Herkunftsprovinzen zu erreichen.
Trotzdem finden weiterhin Sammelabschiebungen aus Deutschland nach Afghanistan wie zuletzt am 06.07.2021 statt, Sie äußerten sich am 05.07.2021 in Madrid wie folgt: „Bisher gab es sicherlich eine Zunahme von Gewalt, die es auch in der Vergangenheit gegeben hat. Sollte sich das weiter dramatisieren, wird sich das auch in unseren Berichten niederschlagen“. „Welche Auswirkungen das dann auf die Frage hat, ob Menschen noch abgeschoben werden können nach Afghanistan, wird man dann sehen. Bei dem was, wir bisher an Informationen haben, halte ich die bisherige Praxis aber nach wie vor für vertretbar.“
Laut dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand Juni 2020 in der Fassung vom 14.01.2021) seien dem Auswärtigen Amt „keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden“. Darüber hinaus werden einige Gebiete in Afghanistan als sicher bezeichnet, aktuelle Entwicklungen sind nicht berücksichtigt. Aus den grundsätzlichen Anmerkungen des Berichts geht hervor, dass bei plötzlich eintretenden Veränderungen der Lage entweder ein ad-hoc-Bericht erstellt werde oder die Empfänger:innen auf die mangelnde Aktualität des Berichts aufmerksam gemacht werden. Außerdem wird darauf verwiesen, dass korrekte Informationen aus Afghanistan nur außerordentlich schwer zu erhalten seien. Wurde ein solcher ad-hoc-Bericht erstellt oder wird angesichts der sich schnell verändernden Sicherheitslage mit weitreichenden Auswirkungen darauf hingewiesen, dass der Bericht die aktuelle Lage nicht mehr entsprechend darstellt? Ich begrüße, dass der Lagebericht des Auswärtigen Amts derzeit überarbeitet wird. Ich bitte Sie, die Einschätzung der aktuellen Sicherheitslage im Lagebericht unabhängig von etwaigen innenpolitischen Motiven und entsprechend der neuen Erkenntnisse und Entwicklungen anzupassen und mir den aktuellen Bericht zukommen zu lassen.
Der mit 9,88 Milliarden Euro ausgestattete Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) für 2021-2027 soll die gemeinsame europäische Asylpolitik stärken. Wir haben erreicht, dass Mittel direkt von regionalen und lokalen Behörden beantragt werden können, damit EU-Staaten die Finanzierung von engagierten Städten und Regionen nicht mehr so leicht verhindern können.
Als Asylpolitischer Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament sage ich dazu:
„Endlich können Kommunen direkt Geld für die Aufnahme von Geflüchteten bei der EU-Kommission beantragen. Damit können Kommunen nicht mehr so einfach von einem solidarischen Umgang mit Flucht und Migration abgehalten werden. Es ist auch ein großer Erfolg, dass wir in den Verhandlungen erreichen konnten dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, mindestens 15% ihrer Programme für legale Migration und Integration bereitzustellen. So können Länder die Unterstützung von Migrantinnen und Migranten nicht mehr verweigern, wenn sie von EU-Mitteln profitieren wollen. Ein weiterer Erfolg ist, das 20% der Mittel für humanitäre Hilfe, Ressettlement und Relocation ausgegeben werden sollen. Der Fonds löst keinesfalls die großen Probleme der Europäischen Asylpolitik, aber er ist ein guter Schritt, um Solidarität in der Asylpolitik zu belohnen und das Zusammenleben vor Ort zu verbessern.“
Zehntausende Menschen ertranken auf der Flucht im Mittelmeer. Statt die Menschen zu retten, werden zivile Seenotretter:innen vermehrt blockiert und kriminalisiert. Hier habe ich eine Chronik der zivilen Seenotrettung der vergangenen Jahre aufgeschrieben.
Hintergrund
Silvio Berlusconi und Muammar al-Gaddafi schlossen 2008 einen Freundschaftsvertrag, indem sich Berlusconi im Namen Italiens für Kolonialverbrechen entschuldigte und Gaddafi sich verpflichtete, eine eigene Küstenwache einzusetzen und Boote mit Flüchtenden zurückzuführen. In der Folge trainierte Italien die Libysche Küstenwache und rüstete sie aus. Während einzelne Mitgliedstaaten versuchen die Europäische Migrationspolitik und Flüchtlingsabwehr schon deutlich vor europäischen Grenzen zu organisieren, nutzte Libyen unter Gaddafi seine Bedeutung für die Europäische Grenzpolitik aus, um ökonomische und politische Gegenleistungen zu fordern. In den folgenden Jahren wurden über tausend Menschen auf Booten von italienischen Behörden abgefangen, nach Libyen geschickt und den dortigen Behörden übergeben. 2012 befand der Europäischen Menschengerichtshof diese Praxis für rechtswidrig. In dem Fall Hirsi Jamaa et al. wurde wegweisend entschieden, dass Pushbacks gegen das Verbot von unmenschlicher Behandlung und das Verbot der Kollektivausweisung verstoßen. 2011 breiteten sich in mehreren Staaten Proteste aus, die schließlich als Arabischer Frühling in die Geschichte eingingen. In Libyen startete ein brutaler Bürgerkrieg. Viele Menschen begaben sich unter Lebensgefahr auf die Flucht nach Europa. In dieser Zeit kam es trotz eines internationalen Militäreinsatzes zur Errichtung einer Seeblockade und einer Flugverbotszone und NATO-Präsenz zu vielen Toten auf dem Mittelmeer, weil es keine ernsthaften staatlichen Bemühungen zur Seenotrettung gab.
2013
Am 3. Oktober 2013 werden in Deutschland 23 Jahre Wiedervereinigung und damit das gewonnene Recht von Millionen Menschen in der DDR sich frei zu bewegen gefeiert. An dem Tag ertrinken an Europas Außengrenzen vor dem Strand von Lampedusa 368 Menschen. Eine Woche später ertrinken mehr als 200 Menschen, nachdem ein Boot trotz Notrufen über längere Zeit nicht gerettet wird. Als Reaktion auf die vielen Toten und das Sterben lassen startet Italien noch im November die Seenotrettungsoperation ‘Mare Nostrum’, ‘unser Meer’. Sie rettet in einem Jahr 130.000 Menschen auf dem zentralen Mittelmeer aus Seenot.
2014
Andere europäische Mitgliedsstaaten weigern sich, Mittel für die Rettung der Menschen bereit zu stellen und sich auf eine solidarische Verteilung der geretteten Menschen zu einigen, weshalb Italien die Operation einstellt. Auf ‘Mare Nostrum’ folgt ‘Triton’. Aus proaktiver Rettung von Menschen in Not wird Grenzkontrolle. Die von Frontex geführte Operation rettet bedeutend weniger Menschen, was auch so gewollt ist: Der damalige deutsche Innenminister Thomas De Maziére behauptet, ‘Mare Nostrum’ wurde beendet, weil es sich als ‘Brücke nach Europa’ erwiesen habe. Die EU schafft keine sicheren und legalen Fluchtwege und zwingt Menschen somit weiterhin auf lebensgefährliche Routen.
2015
Um dem Sterben im Mittelmeer nicht weiter zuzusehen, gründet sich 2015 die Seenotrettungsorganisation Sea Watch und schickt am 20. Juni 2020, dem World Refugee Day, ihr Schiff aufs Mittelmeer, um Seenotrettungsfälle zu finden und Hilfe zu organisieren. Auch Ärzte ohne Grenzen macht sich auf, um Menschenleben zu retten. Da die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten unwillens sind, eine europäisch koordinierte Seenotrettung zu organisieren, sind es nun privat organisierte und durch Spenden finanzierte Organisationen, die Menschen vor dem Sterben im Mittelmeer bewahren. Das ist nicht als langfristige Lösung gedacht, weil die humanitäre Hilfe auf dem Mittelmeer eigentlich staatlich organisiert sein sollte.
2016
Nun kommen die NGOs SOS Méditerranée, Proactiva Open Arms, Sea-Eye und Jugend Rettet, die Boat Refugee Foundation und Save the Children dazu und schicken Schiffe zur Rettung auf das Mittelmeer. Doch die Libysche Küstenwache – von der EU finanzierte, ausgerüstete und im Rahmen der Operation Sophia trainierte Milizen, die zuvor teils selbst Menschen geschmuggelt hatten und nun ein besseres Geschäft als Küstenwache wittern – gehen gegen die zivile Seenotrettung vor:
“Bereits am 24. April 2016 hatten bewaffnete Milizionäre die Sea-Watch 2 bedroht und geentert, bevor sie Schiff und Besatzung am 10. Mai 2017 durch ein halsbrecherisches Manöver vor dessen Bug erneut gefährdeten”, erklärt Sea Watch. Auch die Bourbon Argos wird beschossen und geentert; das Sea-Eye-Schnellboot Speedy mit seiner Besatzung nach Libyen entführt.
2017
Davon lassen sich die Organisationen nicht einschüchtern. Stattdessen beobachtet Sea Watch von nun an mit dem Suchflugzeug ‘Moonbird’ Menschenrechtsverletzungen und Notfälle auf dem Mittelmeer.
Der Diskurs ändert sich: Rechtspopulist:innen machen Schlepperei für das Elend auf dem Mittelmeer und europäischen Lagern verantwortlich und verbreiteten die Lüge, die Seenotretter:innen würden mit den Schleppern zusammen arbeiten. Ein Staatsanwalt aus Sizilien behauptet, dafür Beweise zu haben zu haben. Nachweisen konnte er seine Vermutung nie. Nun wurde bekannt, dass die Sizilianische Staatsanwaltschaft seit 2017 Journalist:innen und Aktivist:innen in einem Ausmaß überwachen ließ, das sonst nur gegen die Mafia und Terrorismus angewandt wird. Im Fokus der Behörden liegt die Journalistin Nancy Porsia. Laut Andrea di Pietro, Anwalt des italienischen Journalistenverbands, sei das einer “der schwersten Angriffe auf die Presse in der Geschichte unseres Landes“.
Im Juli 2017 versuchen italienische Behörden die Seenotrettungs-NGOs dazu zu zwingen, einen ‘Code of Conduct’ zu unterzeichnen. “Jugend rettet” weigert sich, diesen Verhaltenskodex zu unterschreiben, der verschiedene rechtspopulistische Vorurteile enthielt. Nur zwei Tage später wird ihr Schiff, die Iuventa, beschlagnahmt. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags erklärkt den Code of Conduct für völkerrechtswidrig. In Folge zunehmender Kriminalisierung, Einschüchterung und Einschränkung zogen sich einige NGOs aus dem Mittelmeer zurück.
Die zentrale Seenotrettungsleitstelle in Rom, das MRCC, beginnt die Zusammenarbeit mit zivilen Schiffen einzuschränken und stattdessen der ‘Libyschen Küstenwache’ mehr Fälle zuzuweisen. Immer mehr Menschen werden aus Seenot zurück nach Libyen gedrängt, wo ihnen Folter, Sklaverei und Mord drohen. EU-Kommission und Rat machen sich durch ihre Politik mit schuldig und verstoßen durch die Kooperation mit islamistischen Milizen gegen Völkerrecht.
2018
2018 weigert sich die Crew der Open Arms Gerettete den libyschen Behörden zu übergeben. Dem Schiff wird die Einreise nach Italien verboten und es wird kurzzeitig beschlagnahmt. Salvini wird Innenminister und schließt italienische Häfen für zivile Seenotrettungsschiffe. Andere Staaten ziehen nach: Auch Malta schränkt die Einfuhr in seine Häfen ein, die Niederlande entziehen der Lifeline die Flagge.
Zeitgleich erklären sich hunderttausende Menschen solidarisch mit den Seenotrettungs-NGOs: Das Seebrücken-Bündnis entsteht und spricht sich gegen die Kriminalisierung der Helfenden und für eine solidarische Migrationspolitik aus, die ihren Namen verdient. Trotzdem werden weiteren Schiffen die Flaggen entzogen und Verfahren gegen sie eingeleitet. Gegen die Aquarius wird wegen vermeintlich illegaler Müllentsorgung ermittelt. Kleidung und Hygieneprodukte der Geretteten gelten als Giftmüll. Auf den Schiffen, die im Einsatz sein können, warten zahlreiche Menschen darauf, einen sicheren Hafen anlanden zu dürfen. Doch die Mitgliedsländer der EU tun sich schwer damit, ihre Verantwortlichkeiten festzulegen und brauchen beinahe drei Wochen, um sich über die Verteilung von gerade einmal 32 Geretteten der Sea-Watch 3 zu einigen. Ähnliche Prozedere wiederholen sich, sodass die Arbeit der NGOs massiv behindert wurde.
2019
2019 wird die Operation Sophia beendet, weil sie zu viele Menschen aus Seenot gerettet hat. Die Crew des türkischen Tankers El Hiblu 1 rettet 108 Menschen vor Libyen aus Seenot und will sie nach Libyen zurück bringen. Drei afghanischen Jugendlichen gelingt es jedoch, die Crew zu überzeugen und die Geretteten an einen sicheren europäischen Hafen zu bringen. Sie werden als El Hiblu 3 bekannt und für Monate verhaftet. Maltesische Behörden leiten einen Prozess wegen Terrorismusverdacht gegen sie ein. Ihnen droht lebenslängliche Haft, weil sie erfolgreich gegen einen völkerrechtswidrigen Pushback protestierten.
Im Sommer fahren neue Schiffe aufs Mittelmeer und retten in kurzer Zeit hunderte Menschen. Im Juni ruft die Sea Watch 3 den Notstand aus, auf den über 60 Stunden keine Antwort kommt. Es gibt nicht mehr genügend Wasser an Bord und die psychische Belastung für die Menschen an Bord steigt. Kapitänin Carola Rackete widersetzt sich schließlich den Anweisungen und bringt das Schiff an einen Hafen in Lampedusa. Daraufhin wird sie in Italien festgenommen.
Auch die Crew der Alex von der italienischen Seenotrettungsorganisation Mediterranea widersetzt sich wegen unhaltbarer gesundheitlicher und hygienischer Situation den italienischen Behörden. Im September fährt die Mare Jonio nach Italien. Obwohl die Crew beteuert, mit Genehmigung der italienischen Küstenwache in Italien angelegt zu haben, wird das Schiff beschlagnahmt und die Organisation muss 300.000 € Strafe zahlen.
2020
Im Februar 2020 erhalten die beiden Crews von Sea Watch 3 und der Mare Jonio vom Bürgermeister von Palermo die Ehrenbürgerschaften. Sea Watch schickt mit der Seabird ein neues Flugzeug übers Mittelmeer, das ein Gebiet von der größe Brandenburgs abdecken kann.
Corona erschwert die Situation für zivile Seenotrettung. Um den menschenunwürdigen Zuständen an den Grenzen der EU etwas entgegen zu setzen, rufen viele Menschen, zu denen auch ich gehöre, die Leave no One Behind Kampagne ins Leben. Dieses Solidaritätsnetzwerk setzt sich für den Schutz von Menschen ein, für deren Wohlbefinden und Sicherheit weder Staaten noch die EU sorgen.
Im April startet die EU-Mission Irini als Nachfolger der Mission Sophia. Ziel ist der Ausbau der sogenannten libyschen Küstenwache und die Überprüfung des Waffenembargos gegen Libyen – Seenotrettung ist kein Teil des Mandates. Auf Druck von Italien wird sogar der Teil des Mittelmeeres umfahren, in dem die meisten Menschen in Seenot geraten, um sie nicht retten zu müssen.
Die Alan Kurdi muss zehn Tage auf die Zuweisung eines sicheren Hafens warten. 150 Menschen hat die Crew zuvor aus Seenot gerettet. Es kommt zu zwei Selbstmordversuchen. Ein Mensch benötigt dringende medizinische Versorgung. Ähnliche Fälle gibt es auf anderen Schiffen. Währenddessen beobachtet die Moonbird Pushbacks nach Libyen durch die ‘Libysche Küstenwache’.
Seenotrettung wird aktiv behindert
Im August startet ein nach Louise Michel benanntes Schiff eines anarcho-feministischen Kollektivs ins Mittelmeer. Es wurde von Banksy finanziert und besprüht. Zwischenzeitlich befindet sich die Louise Michel selbst in Not, nachdem sie 219 Menschen rettet. 33 von ihnen sind bereits auf einer Rettungsinsel untergebracht. Ein Mensch ist bereits tot, andere leiden unter schweren Treibstoffverbrennungen. Die Hilferufe bleiben unbeantwortet, bis die Sea Watch 4 und die italienische Küstenwache die Menschen nach Lampedusa bringt. Schon im September wird das Schiff in Palma de Mallorca festgesetzt.
Es kommt zum bislang längsten Stand-off: Ein dänischer Öltanker, die Maersk Etienne, rettet im August 27 Menschen aus Seenot. Ganze 38 Tage müssen die Menschen auf dem Schiff ausharren. Essen und Trinken wird knapp. Aus Verzweiflung springen drei Menschen ins Meer, können aber wieder gerettet werden.
Im September stellt die Europäische Kommission ihren Vorschlag für einen neuen Migrationspakt vor. Zwar empfiehlt die Kommission, Seenotrettungs-NGOS nicht weiter zu kriminalisieren, sieht jedoch auch keine verbindlichen Maßnahmen zu deren Schutz und zur staatlich organisierten Seenotrettung vor. Insgesamt sind von dem Vorschlag keine Verbesserungen zu erhoffen, im Gegenteil würde er die Situation der Flüchtenden verschlechtern.
2020 sind insgesamt acht Seenotrettungsorganisationen auf dem Mittelmeer, leider meist nur für kurze Zeit, teilweise sind sie wegen der Pandemie und Blockaden gar nicht im Einsatz.
2021
Im März 2021 wird nach 3,5 Jahren Ermittlungen Anklage gegen 21 Seenotretter:innen von Jugend rettet, Ärzte ohne Grenzen und Save the Children erhoben. Der Vorwurf: Beihilfe zur illegalen Einreise. Diese wird mit bis zu 20 Jahren Gefängnis bestraft. Auch die Fälle gegen die Aquarius wegen illegaler Müllentsorgung und gegen die Open Arms wegen vermeintlich illegaler Einreise werden wieder aufgenommen. Gegen Mediterranea findet eine Razzia statt.
Wir brauchen ein europäisches Seenotrettungsprogramm
Diese Übersicht ist kurz und bei Weitem nicht vollständig. Sie zeigt wichtige Eckpunkte der Entwicklung der zivilen Seenotrettung in den letzten Jahren und wie sich das politische Klima gewandelt hat. Wenn ihr genauer nachlesen oder euch selbst engagieren wollt, schaut gerne auf deren Seiten nach, die wir im Text verlinkt haben. Ich stehe fest an der Seite der Seenotretter:innen. Im Europäischen Parlament setze ich alles daran, sichere Migrationswege zu schaffen, zivile Seenotrettung zu entkriminalisieren und auf solidarische europäische Lösungen zu setzen. Wir brauchen ein europäisch koordiniertes und finanziertes Seenotrettungsprogramm, damit kein Mensch auf dem Weg über das Mittelmeer ertrinken muss.
Zum Weiterlesen
5 Jahre Sea Watch sind kein Grund zum Feiern. Ihren 5-Jahres-Bericht könnt ihr hier nachlesen.
Im Airborne Report dokumentiert Sea Watch die Zusammenarbeit der ‘Libyschen Küstenwache’ und europäischen Behörden und deren ausbleibende Hilfe bei Seenotfällen.
Was von 2016-2018 auf dem Mittelmeer passierte, protokollierte SAROBMED.
Das Migazin führt eine Chronologie über besonders schlimme Schiffs”unglücke” auf dem Mittelmeer.
Statewatch analysiert die migrationsfeindliche Politik zwischen Libyen und der EU.
Max Pichl spricht über die Grenzen des Rechtsstaats an Europas Grenzen.
Das Hinterland Magazin schreibt über die Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung.
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