„Scaling Fences“: Migration nach Europa wissenschaftlich untersucht

Anfang dieser Woche veröffentlichte die UN eine Studie mit dem Titel „Scaling Fences“ (Zäune erklimmen). Dafür wurden rund 3000 Menschen aus 43 afrikanischen Staaten befragt, die in den vergangenen Jahren nach Europa gekommen sind. 

Das Besondere an der Studie: Es geht nicht um Menschen, die Krieg und Verfolgung als Fluchtgrund angeben, sondern um solche, die ihre Heimat auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen haben, aber keine legalen Möglichkeiten zur Einreise hatten.

Die Erkenntnisse der Studie sind spannend. Diejenigen, die ihre Heimat verlassen, sind überdurchschnittlich gut gebildet. Sie verdienten 60 Prozent mehr als der Durschnitt in ihren Herkunftsländern. 

Als Hauptgrund für ihre Migration geben die meisten an, dass sie nach einer besseren Arbeit suchen. Als zweithäufigster Grund werden die schlechte Regierungsführung und die Sicherheitslage in den Herkunftsländern angegeben. Es sind also oft junge und gut ausgebildete Menschen, die vor Korruption und Autokratie in demokratische Länder migrieren. 

In Europa angekommen, arbeiten die meisten unter ihrer Qualifikation. Ein Fünftel der Männer als Obst- und Gemüsepflücker, ein Drittel der Frauen als Putzkräfte oder Haushaltshilfen. Viele sind informell beschäftigt und bekommen weniger als den Mindestlohn. Weil sie nicht arbeiten dürfen, aber arbeiten müssen, werden sie besonders häufig Opfer von Ausbeutung. 

Die meisten der Befragten gaben an, von den Gefahren der Reise zu wissen. Trotzdem sagen 41 Prozent, es gebe nichts, was sie von der Reise hätte abbringen können. Nur zwei Prozent gaben an, sie hätten sich nicht auf den Weg gemacht, wenn sie vorher gewusst hätten, wie gefährlich die Reise wird. 91 Prozent der Befragten gaben an, über den Seeweg nach Europa gekommen zu sein. 

Diese Zahlen zeigen auch, dass wir Migration endlich als Realität anerkennen müssen und anfangen müssen an einer besseren Migrationspolitik, statt an Abschottung zu arbeiten. 

Ein weiteres Hauptmotiv für Migration ist der Wille, die Familien in den Herkunftsländern zu unterstützen. 78 Prozent unterstützen ihre Familien mit Rücküberweisungen, doch das hat für sie einen hohen Preis. Dazu gehören Ausbeutung auf dem Arbeitsmarkt, Rassismus und schlechte Wohnverhältnisse. Mehr als sieben Jahre nach ihrer Ankunft sind 12 Prozent der Befragten obdachlos. 

Für mich zeigt diese Studie, dass wir aufhören müssen, Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben in überfüllte Schlauchboote zu zwingen. Wir brauchen Abkommen mit den Herkunftsländern und ein Kontingent für legale Migration für Menschen, die wir in unseren alternden Gesellschaften brauchen. Wir brauchen eine Ausweitung von Studienprogrammen, die es Menschen aus den afrikanischen Herkunftsstaaten ermöglichen, sich in Europa fortzubilden und in Europa zu studieren. Dazu gehören auch zeitlich befristete Arbeitsvisa, die es Menschen ermöglichen, legal einzureisen, legal zu arbeiten und später in ihre Herkunftsländer zurückzukehren.  Viele Menschen werden mit neuem Know-How in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Andere werden in Europa bleiben und ihre Herkunftsstaaten mit Rücküberweisungen unterstützen. Auch das ist ein Weg hin zu einer nachhaltigen und effektiven Entwicklungszusammenarbeit, von denen die Staaten Europas und Afrikas profitieren können.

Das Schlechteste, was wir machen können, ist es die Realität der Migration zu ignorieren und verzweifelt zu versuchen, uns in einer „Festung Europa“ vom Rest der Welt abzuschotten.