Frontex liefert Informationen für tödliche Abfangaktionen an die libysche Küstenwache

Pressemitteilung zu neuen Enthüllungen über Rechtsbrüche der europäischen Grenzschutzbehörde.

Frontex sendet Informationen zu Seenotrettungsfällen im Mittelmeer über WhatsApp-Gruppen und E-Mails direkt an die Libysche Küstenwache. Bislang behauptete Frontex auch gegenüber dem Europaparlament, dass sie ausschließlich Seenotrettungsleitstellen über Seenotrettungsfälle informieren. Damit rechtfertigten sie, dass keine Koordinaten an umliegende Schiffe gegeben werden, die eine schnellstmögliche Rettung sicherstellen können. Recherchen von Lighthouse Report, Libération, Spiegel, ARD Monitor, Domani und Trouw belegen nun einen klaren Verstoß von Frontex gegen internationales Recht.

Die Analyse von 94 Vorfällen auf dem Mittelmeer zeigt, dass die Libysche Küstenwache mindestens 56 Mal Flüchtende abgefangen hat, wobei in nachweislich 20 Fällen ein Frontex-Flugzeug in unmittelbarer Nähe flog. In 12 Fällen entdeckte Frontex die Boote der Flüchtenden als erstes. Durch die verzögerte Ankunft der Libyschen Küstenwache starben durch diese Praxis bereits mindestens 91 Menschen. 

Während einer Sitzung des LIBE-Ausschusses am 12. September 2019 hatte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri auf die Frage des Europaabgeordneten Erik Marquardts zur Koordination zwischen Frontex und der Libyschen Küstenwache noch gesagt:

 “Wir haben aber laut Seerecht auch die Pflicht, Informationen auszutauschen mit den regionalen Koordinationszentren, das heißt also wir können nicht direkt Informationen austauschen mit anderen Schiffen, NGO Schiffen und auch anderen, weil das Seerecht und das Völkerrecht besagt, dass Seenotrettungsaktionen koordiniert sein müssen. Aus unterschiedlichen Gründen, ansonsten könnten auch Menschenleben in Gefahr geraten.

Mit dem direkten Kontakt zur Libyschen Küstenwache übt die Agentur effektive Kontrolle über die Seenotrettungsfälle im Zentralen Mittelmeer und koordiniert selbst die laut EGMR illegale Rückführung nach Libyen. (Fabrice Leggeri am 12. September 2019 im Innenausschuss der Europäischen Parlaments ab 15:09 Uhr.)

Mein Kommentar dazu:

“Die Recherchen beweisen: Frontex bricht internationales Recht. Wieder einmal hat Exekutivdirektor Fabrice Leggeri das EU-Parlament belogen. Frontex ist direkt dafür verantwortlich, dass die Menschen in menschenunwürdige Lager nach Libyen zurückgebracht werden und nimmt dazu auch tödlichen Einsätze der Libyschen Küstenwache in Kauf. Erst vergangene Woche starben 130 Menschen auf dem Mittelmeer, nachdem zwei Tage lang weder die Libyer noch EU-Staaten Schiffe zur Rettung schickten.
Momentan erleben wir eine beispiellose Komplizenschaft zwischen Milizen, Frontex und den EU-Staaten, in der die härtesten Verbrechen ungestraft bleiben. Die Kommission bezahlt, Frontex koordiniert und Libyen lässt ertrinken und sperrt ein. Unseren Regierungen ist es offenbar lieber, dass Menschen sterben, als dass sie lebend Europa erreichen. Sie könnte schon morgen eine Seenotrettungsmission finanzieren und ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frontex einleiten. Es braucht keinen neuen Pakt für Asyl- und Migration, um Menschenrechte zu schützen. Es braucht eine Europäische Union, die ihre eigene Werte und Regeln nicht mehr mit Füßen tritt.” 

Für Rückfragen melden Sie sich gerne bei meinem Pressereferenten Krsto Lazarević.