Kommission weigert sich auf Pushbacks durch Kroatien zu reagieren

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion habe ich am 11. Oktober 2021 eine Anfrage an die Kommission eingereicht, in der es um die systematischen Pushbacks durch kroatische Polizeibeamte geht. Hintergrund der Anfrage ist, dass Spiegel und Tagesschau Videomaterial veröffentlichten, auf denen zu sehen ist, wie kroatische Grenzbeamte Schutzsuchende mit brachialer Gewalt illegal abschieben. Schutzsuchende werden in dem Video dazu aufgefordert loszurennen und dann im Lauf mit Schlagstöcken verprügelt. Aus den Beiträgen geht auch hervor, dass diese Praxis auf Anordnung des kroatischen Innenministeriums geschieht. Systematische Gewalt gegen Geflüchtete ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat. Inzwischen wissen wir auch, dass kroatische Grenzbeamte eine dienstliche Anweisung erhalten haben, Schutzsuchende weiterhin illegal abzuschieben, dabei aber darauf achten sollen, sich nicht mehr dabei filmen zu lassen. Von den vier Polizisten, die auf dem Videos zu erkennen sind, wurden drei kurzfristig suspendiert, sind jetzt aber wieder im Dienst.

In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Die Kommission will kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Kroatien einleiten und weist darauf hin, dass sie Kroatien wiederholt aufgefordert hat die Vorwürfe zu untersuchen und dass Kroatien einen Überwachungsmechanismus für solche Fälle eingerichtet hat. Diese Haltung ist zynisch, weil die kroatische Regierung und die kroatischen Behörden sich selber kontrollieren sollen, wobei sie es doch sind, die für die systematischen Pushbacks verantwortlich sind. Der Überwachungsmechanismus ist nicht unabhängig und er funktioniert offensichtlich nicht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Gewaltsame Zurückschiebungen und Prügelattacken an den Außengrenzen Kroatiens

Am 6. Oktober 2021 veröffentlichten mehrere Medien, darunter der Spiegel, die ARD und RTL Croatia, die Ergebnisse ihrer Recherchen über die rechtswidrigen und mit brachialer Gewalt durchgeführten Zurückschiebungen an den kroatischen Außengrenzen, die auf das Konto von Polizeibeamten des Landes gehen sollen, die auf Anordnung des Innenministeriums handeln. Systematische Gewalt gegen Flüchtlinge ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat.

1. Wie wird die Kommission die vom Staat angeordneten Zurückschiebungen untersuchen, und welche Rolle werden die Ergebnisse der Untersuchung beim Weg Kroatiens zur Schengen-Mitgliedschaft spielen, der kürzlich von der Kommission unterstützt wurde?

2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus ergriffen, den Kroatien mit EU-Mitteln an seiner Grenze eingerichtet hat, und wie gedenkt die Kommission, die Überwachung transparenter und wirksamer zu gestalten und glaubwürdige Akteure einzubeziehen, wie es in den Pariser Grundsätzen verankert ist?

3. Welchen Zeitplan sieht die Kommission für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Kroatien wegen der Praktiken des Landes an seinen Außengrenzen vor, die unter anderem gegen den Besitzstand der EU im Asylbereich verstoßen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.2.2022

Nach einer fast vierjährigen Evaluierung der Umsetzung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das Land alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands nachhaltig erfüllt werden. Am 22. Oktober 2019 erließ die Kommission eine Mitteilung[1], in der dies bestätigt wurde, was am 2. Juni 2021 in der Mitteilung über die Schengen-Strategie[2] erneut bekräftigt wurde. Ferner hat der Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021[3] festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt.

Was die Vorwürfe der Misshandlung von Migranten betrifft, so hat die Kommission die kroatischen Behörden wiederholt aufgefordert, diesbezüglich Untersuchungen durchzuführen. In Kroatien wurde ein unabhängiger Überwachungsmechanismus eingerichtet, in dessen Rahmen im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher halbjährlicher (Zwischen-)Bericht und anschließend ein Aktionsplan zur Umsetzung der ursprünglichen Empfehlungen veröffentlicht wurde. Während die Kommission dabei Unterstützung geleistet hat, liegt die Zuständigkeit für die Einrichtung des Mechanismus, einschließlich der Zusammensetzung des betreffenden Gremiums, bei den kroatischen Behörden. Der Abschlussbericht des Mechanismus soll im Juni 2022 vorgelegt werden. Der Beratende Ausschuss, der sich aus Vertretern der Kommission und von Interessenträgern im Bereich der Grundrechte zusammensetzt, wird Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise des Mechanismus abgeben. Kroatien hat auch sein internes Untersuchungssystem ausgebaut.

Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin die Einhaltung des EU-Besitzstands überwachen.

Für Fälle mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Mitteln ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung zuständig. Bei hinreichendem Verdacht auf Betrug oder Missbrauch von EU-Mitteln kann das Amt Untersuchungen einleiten. Die Kroatien aus den drei einschlägigen EU-Instrumenten in den letzten vier Jahren bereitgestellte Finanzierung wurde im Rahmen unabhängiger Audits geprüft und nicht beanstandet.


[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der vollständigen Anwendung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien (COM(2019) 497 final vom 22.10.2019).

[2] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Strategie für einen reibungslos funktionierenden und resilienten Schengen-Raum“ (COM(2021) 277 final vom 2.6.2021).

[3] Ratsdokument 14883/21 vom 9.12.2021.