Diese legalen Migrationsmöglichkeiten in die EU gibt es
Es gibt zu wenige legale Migrationsmöglichkeiten in die EU. Das ist vor allem für Flüchtende ein Problem, die oft ihr Leben riskieren müssen, um Asyl zu beantragen.
Weil die EU daran scheitert, legale Flucht- und Migrationswege zu schaffen, sterben Menschen bei dem Versuch, Europa zu erreichen. Die Externalisierungspolitik der EU ist darauf ausgerichtet, Menschen schon weit vor den Grenzen Europas davon abzuhalten, europäischen Boden zu betreten. Das macht es Schutzsuchenden sehr schwer, in der EU Asyl zu beantragen. Trotz einiger Beteuerungen, vermehrte Möglichkeiten der legalen Einreise zu schaffen, hat sich hier wenig getan. Welche Optionen Menschen haben, die auf legalem Weg in die EU migrieren möchten, will ich im Folgenden erklären.
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, mit der “EU Blue Card” oder einem gültigen Visum einzureisen. Wer über kein gültiges Visum oder die EU Blue Card verfügt, kann einen Asylantrag stellen.
Im Jahr 2019 wurden 2,9 Millionen Menschen aus Drittstaaten Aufenthaltsgenehmigungen gewährt. 41% von ihnen erlangten eine Arbeitsgenehmigung, 27% kamen aus familiären Gründen und 14% der Menschen für Bildungszwecke in die EU. Dazu kommen 631 579 Asylanträge. Legale Migration macht den größten Teil der Migration in die EU aus. Die Zahl der illegalisierten Grenzüberschreitungen beträgt dagegen nur 141 700 Fälle.
In der Migrationspolitik teilen sich die EU und die Mitgliedstaaten einige Verantwortlichkeiten, was die Einführung von EU-weiten Regelungen zu Migration erschwert. Während die EU Einreisevoraussetzungen und Aufenthaltsbedingungen für Menschen aus Drittstaaten festlegen kann, liegt es an den Mitgliedstaaten, diese umzusetzen. Sie können bestimmen, wie vielen Menschen aus Drittstaaten sie Einreise- und Arbeitsgenehmigungen erteilen. Die EU kann die Aufnahme und Integration von Drittstaatsangehörigen durch geeignete Rahmenbedingungen und Anreize fördern, doch es gelten die jeweils nationalen Bestimmungen.
Die EU Blue Card
Die EU Blue Card wurde 2008 eingeführt und nach einigen Mängeln 2017 angepasst. Dieses beschleunigte Verfahren soll attraktive Bedingungen für Hochqualifizierte aus Drittstaaten schaffen. Hochqualifizierte mit einem Universitätsabschluss und einem Arbeitsvertrag in Deutschland mit einem jährlichen Mindesteinkommen von 50.800€ können mit der EU Blue Card in die EU einreisen und hier arbeiten, gleiches gilt für Hochqualifizierte eines Gebiets, in dem es in der EU an Fachkräften mangelt, mit einem Arbeitsvertrag mit einem jährlichen Mindestgehalt von 39.624€.
Mehr Informationen zur Blue Card gibt es bei Infomigrants und im Visaguide.
Visa
Wer ein gültiges Visum besitzt, kann mit dem Flugzeug einreisen und sich nach dem Schengener Grenzkodex im Schengenraum bewegen. In diesem Fall kann ein Wunsch nach Asyl mündlich geäußert werden. Wer ohne gültigen Pass einreisen konnte, muss ein Flughafenverfahren durch die Polizei im Transitbereich durchlaufen. Im Falle einer Ablehnung wird ein Einreiseverbot ausgesprochen. Gegen dieses kann Widerspruch eingelegt werden. Wenn das Flughafenverfahren oder ein dagegen eingelegter Widerspruch positiv ausfällt, wird ein Asylverfahren eingeleitet.
Humanitäre Visa
Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten humanitäre Visa für Menschen, die noch nicht als Geflüchtete anerkannt sind, ausstellen. Diese können legal in den Mitgliedstaat einreisen und hier einen Asylantrag stellen. Einen gemeinsamen europäischen Rahmen hierfür gibt es bislang nicht.
Bei positiv entschiedenen Asylanträgen im Sinne der Genfer Flüchtlingskommission oder dem subsidiären Schutz können Menschen von einem Mitgliedstaat in einen anderen umgesiedelt werden. Hier stehen Menschen, denen internationaler Schutz gewährt wurde, ähnliche Rechte zu wie im Ersteinreiseland. Dieses Verfahren ist als Relocation bekannt.
Eine Übersicht der Möglichkeiten für Schutzsuchende in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, findet ihr hier. Infomigrants beschreibt die legalen Migrationsmöglichkeiten in die EU auf Englisch.
Arbeitsmigration
Für Hochqualifizierte, Studierende und Wissenschaftler:innen, Saisonarbeiter:innen und Menschen, die innerbetrieblich den Standort wechseln, gibt es legale Richtlinien, die die Migration erleichtern sollen.
Für die rund 100.000 Saisonarbeiter:innen in der EU regelt die Richtlinie 2014/36/EU die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen von Drittstaatsangehörigen. Diese sind besonders im Tourismus- und Landwirtschaftssektor beschäftigt. Für einen Zeitraum zwischen fünf und neun Monaten dürfen sie sich legal in der EU aufhalten, um saisonal zu arbeiten. Auch in dieser Zeit muss sich ihr Hauptwohnsitz jedoch im jeweiligen Drittstaat befinden.
Die Richtlinie 2014/66/EU regelt die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen für Drittstaatsangehörige im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers. Wer außerhalb der EU in einem internationalen Unternehmen beschäftigt ist, kann in eine Niederlassung oder Tochtergesellschaft innerhalb der EU versetzt werden.
Für internationale Auszubildende, Studierende und Wissenschaftler:innen, sowie für Austauschschüler:innen und Freiwillige, Au-Pairs und Bildungsreisende gilt die Richtlinie (EU) 2016/801. Diese ermöglicht Studierenden und Wissenschaftler:innen auch nach Abschluss von Studium oder Forschung weitere neun Monate in der EU zu bleiben, um Arbeit zu finden oder ein Unternehmen zu gründen. Forschende dürfen auch Familienangehörige in die EU mitbringen. Am Programm Erasmus+ können auch Nicht-EU-Bürger:innen teilnehmen.
Familienzusammenführung
Wenn sich ein Familienmitglied bereits legal in der EU aufhält, dürfen Familienmitglieder nachziehen. Die Richtlinie 2003/86/EG legt dafür den Rahmen fest. So können Ehepartner:in, minderjährige Kinder und die Kinder des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin nach kommen. Mitgliedstaaten können auch die Zusammenführung unverheirateter Partner:innen, erwachsener Kindern und unterhaltsberechtigter Eltern und Großeltern erlauben. Die nachgezogenen Familienmitglieder erhalten eine Aufenthaltserlaubnis entsprechend des bereits migrierten Familienmitglieds und können nach maximal fünf Jahren eine eigenständige Erlaubnis beantragen.
Allerdings können Mitgliedstaaten bestimmte Kriterien festlegen, um die Familienzusammenführung zu genehmigen. So kann die Zusammenführung an finanzielle Mittel, eine geeignete Unterkunft und eine Krankenversicherung, sowie „Integrationsmaßnahmen“ geknüpft sein. Zudem kann es zu einer maximal zweijährigen Wartezeit kommen. Wenn aus Sicht der Behörden eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit zu befürchten ist, kann der Antrag abgelehnt werden. Betrugsfälle wie Scheinadoption oder Scheinheirat können geahndet werden. Wenn die antragstellende Person als Flüchtling anerkannt wurde, sind die Kriterien zur Gewährung von Familienzusammenführung etwas milder.
Nachzulesen sind die Regelungen hier.
Neuansiedlung (Resettlement)
Voraussetzung für eine Neuansiedlung ist, dass das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) entscheidet, dass die Person nach der Genfer Flüchtlingskonvention als Flüchtling gilt und eine Neuansiedlung das geeignetste Verfahren ist. Auch staatenlose Menschen, die nach der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als Flüchtlinge gelten, können neu angesiedelt werden. Nach der Auswahl durch UNHCR werden die Fälle potenziellen Aufnahmestaaten vorgelegt, die über die Bewilligung oder Ablehnung der Neuansiedlungen entscheiden. Die Kriterien der einzelnen Mitgliedstaaten und die Zeit für eine Neuansiedlung variieren.
Wer mit dem Neuansiedlungsverfahren in die EU kommt, ist vor Zurückweisung (refoulement) in Drittstaaten geschützt und verfügt über ähnliche Rechte wie Staatsbürger:innen. Gleiches gilt für Familienmitglieder. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, selbst die Staatsbürgerschaft zu bekommen.
Das European-Resettlement-Network erklärt die einzelnen Schritte im Neuansiedlungsverfahren und zeigt Möglichkeiten auf, über das Verfahren eine Aufenthaltsgenehmigung innerhalb der EU zu erlangen.
Eine Übersicht über das Neuansiedlungsverfahren von dem wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments könnt ihr bei EPRS nachlesen.
ARAPs (active refugee admission policies)
Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, dass Staaten eigene aktive Richtlinien für die Aufnahme von Schutzsuchenden verabschieden. So werden derzeit neue Aufnahmeinstrumente wie private Partnerschaften und Notfallevakuierungen erprobt. Private Partnerschaften basieren auf privater Unterstützung und Finanzierung von Schutzsuchenden. Notfallevakuierungen sind an flexiblere Bedingungen als traditionelle Neuansiedlungsverfahren gekoppelt und führen eher zu vorübergehendem Schutzstatus. Außerdem gibt es die Möglichkeit, über Stipendienprogramme nach Europa zu kommen.
Diese ARAPS (active refugee admission policies) sind freiwillig. Es besteht die Gefahr, dass hier über die Aufnahme von hilfsbedürftigen Menschen mehr nach funktionalen Kriterien als nach humanitären Notsituationen entschieden wird und Menschen potenziell Diskriminierung erfahren. Andererseits können ARAPs dazu führen, dass Schutzsuchenden auf sicherem und legalem Weg Schutz erhalten. Darüber hinaus bietet die Internationale Organisation für Migration (IOM) Schulungen vor und nach der Ankunft an, um die Aufnahme und Integration zu fördern.
Der Fluchtforschungsblog gibt einen Überblick über ARAPs und potenzielle Schwachstellen sowie Forschungslücken.
Wichtige Rechte, Möglichkeiten und Abläufe zu Asyl in der EU findet ihr hier.
Wer in die EU migrieren möchte, um zu arbeiten, zu studieren oder die Familie zusammen zu führen, kann sich auf dem EU-Immigration-Portal informieren.
Was wir fordern
Die legalen Wege in die EU müssen ausgebaut und Menschen darüber informiert werden. Wir Grüne fordern legale und sichere Migrationswege in die EU und flexible Regelungen, um Familienzusammenführungen sowie Arbeit und Studium innerhalb der EU für Drittstaatenangehörige zu erleichtern.
Daher setzen wir uns für die Gestaltung eines EU-weiten Visasystems für humanitäre Visa ein. So sollen Schutzsuchende verstärkt die Möglichkeit haben, in Botschaften und Konsulaten außerhalb der EU Visa zu beantragen, sodass sie legal und sicher in die EU einreisen können.
Darüber hinaus fordern wir einen europäischen Migrationskodex. Dieser soll die Rechte von Migrant:innen in der EU schützen. Hierfür müssen die Rechte innerhalb der EU angeglichen und neue und sichere legale Wege für Migration in die EU geschaffen werden – und zwar unabhängig von der Qualifikation und dem Einkommen der Migrant:innen. Besonders die Rechte von Migrant:innen mit geringem Einkommen und geringer Qualifikation müssen ausgebaut werden, denn der Wert von Menschen misst sich nicht in ihrer ökonomischen Verwertbarkeit.
Außerdem braucht es Abkommen mit Drittstaaten, um Fachkräfteabwanderung in diesen Ländern zu vermeiden. Stattdessen sollten ausgewogene Partnerschaften geschlossen werden. Dafür müssen sie von weiteren Maßnahmen zur Migrationskontrolle und Rücknahmeabkommen abgekoppelt sein. Partnerschaften könnten zum Beispiel Mehrfacheinreisevisa erleichtern und Pilotprojekte ausweiten.
Das ganze Positionspapier der grünen Fraktion im Europäischen Parlament zum Thema Arbeitsmigration aus Drittstaaten könnt ihr hier nachlesen.