Grüne Delegationsreise zur griechischen Grenze

Ich war vom 19 bis 21. September als Teil einer Delegation meiner Fraktion im Europaparlament gemeinsam mit den Abgeordneten Tineke Strik aus den Niederlanden, Saskia Bricmont aus Belgien und Gwendoline Delbos-Corfield aus Frankreich nach Griechenland gereist. Ziel der Reise ist es, uns ein Bild zur aktuellen Lage der Geflüchteten in Griechenland zu machen – aber auch zur Lage der Rechtsstaatlichkeit und der Pressefreiheit insgesamt. Die griechische Regierung hat führende Oppositionspolitiker und Journalist:innen durch Spähsoftware überwachen lassen und bei der Pressefreiheit liegt das Land, laut Reporter ohne Grenzen, aktuell auf Rang 108 von 180 Staaten – nur Russland und Belarus schneiden in Europa noch schlechter ab. 

RIC Fylakio – Zustände in den Camps

Der Fokus unserer Reise lag auf einem Besuch am Evros, dem Grenzfluss zur Türkei. Hier wurden immer wieder besonders schwere Menschenrechtsverletzungen – gewaltvolle und systematische Pushbacks – dokumentiert. Darüber hinaus haben wir auch Fragen zur biometrischen Massenüberwachung von Schutzsuchenden in sogenannten RIC (Reception and Identification Center) befasst. Wir haben das RIC in Fylakio zu besucht, wo Menschen eigentlich höchstens bis zu 25 Tage eingesperrt werden dürfen. In der Praxis werden selbst Kinder dort monatelang eingesperrt und haben weder Zugang zu Bildung noch zu medizinischer Versorgung. Das Lager selbst ist klein, aber voller verschlossener Türen und Stacheldraht, ohne Schatten und Farbe. Die Menschen leben in Containerhäusern mit Blöcken für Familien, Männer und unbegleitete Minderjährige. Die NGOs vor Ort sind so stark von der Regierung eingeschüchtert, dass sie sich nicht trauen, mit uns Abgeordneten zu sprechen, weil sie fürchten müssen, dann den Zugang zum Camp oder Gelder zu verlieren.

Tote am Evros 

Der Zugang zur Grenzregion wurde uns verwehrt, obwohl wir Europaabgeordnete sind und ich im Parlament für die Außengrenzen zuständig bin. Die griechischen Behörden verhindern hier leider konkret, dass ich meiner Arbeit als Abgeordneter nachgehen kann. Wir standen vor zwei Containern, in denen die Leichen von 20 Menschen lagen, die am Evros gefunden wurden. Allein in diesem Jahr sind die Leichen von 51 Menschen in der griechischen Grenzregion gefunden worden. Wir haben uns mit Dr. Pavlidis unterhalten; er kümmert sich ehrenamtlich um diese Fälle, versucht für die Angehörigen Gewissheit zu schaffen, ob ihre vermissten Söhne, Töchter oder Eltern noch am Leben sind. Oft werden die Leichen erst nach Monaten gefunden – auch weil NGOs der Zugang zur Grenzregion verweigert wird.

Treffen mit Frontex

Alle Aktivitäten der Agentur basieren auf den selbst erklärten Bedürfnissen der nationalen Behörden und stehen unter jener Aufsicht. Die griechischen Behörden versuchen Frontex von ihren illegalen Aktivitäten und den Pushbacks fernzuhalten, weil Frontex diese eigentlich melden müsste – was sie nachweislich in vielen Fällen nicht getan haben. Die Grenzschutzbeamten und Aufsichtspersonen, mit denen wir gesprochen haben, behaupten alle Aktivitäten zu melden, aber noch nie einen Pushback mitbekommen zu haben. Auf unsere Frage, was sie eigentlich den ganzen Tag machen, haben wir keine nachvollziehbare Antwort erhalten.

Treffen mit Notis Mitarachi 

Am Dienstag hatten wir ein Treffen mit dem griechischen Migrationsminister Notis Mitarachi, der uns Abgeordneten und auch renommierten internationalen Medien mehrfach vorgeworfen hat Fake News und türkische Propaganda zu verbreiten, als wir über die offensichtlichen Pushbacks, Gewalt und Verschleppungen auf See gesprochen haben. Die griechische Regierung baut nicht nur Zäune an der Grenze, sondern auch eine Mauer aus Lügen. In seiner Rede sprach Mitarachi von deutlich besseren Aufnahmebedingungen und einem minimalen Rückstand bei den Asylverfahren im Land, ging aber nicht auf die von glaubwürdigen Akteuren erhobenen Vorwürfe der Pushbacks und weiterer Menschenrechtsverletzungen ein. Ich habe Herr Mitarachi mit mehreren aktuellen Fällen konfrontiert, einschließlich der Fälle von Menschen die auf einer Insel am Evros gestrandet sind. Doch Herr Mitarachi behauptete einfach, dass alle diese Fälle erlogen und erfunden seien. 

Pressefreiheit in Griechenland 

Wir trafen Journalisten, die an der Berichterstattung über den Predator-Fall beteiligt waren, bei dem Griechenland illegal Journalist:innen und Oppositionspolitiker:innen abhörte. Ihre Schilderungen zeichneten ein Bild von Einschüchterung, nationalen Medien, die zum Sprachrohr der Regierung geworden sind, und einem gravierenden Mangel an Mitteln für investigativen Journalismus.

Lesbos 

Nach dem Ende der grünen Mission bin ich noch nach Lesbos gereist, um mir die Lage im Lager Mavrouvoni anzuschauen, dass nach dem Brand in Moria errichtet wurde und als kurzfristige Notlösung gedacht war. Die Lage im Camp ist noch nicht gut, aber es ist auch durch die vielen NGOs und den internationalen Druck deutlich besser als vor einem Jahr. Wie die Lage vor einem Jahr war, habe ich hier aufgeschrieben. Derzeit wird ein neues Camp errichtet, das noch abgelegener ist, als Mavrouvoni und im kommenden Frühjahr fertig werden soll. Man fürchtet, dass die Menschen dort eingesperrt werden und NGOs keinen Zugang haben.

Allgemeine Lage in Griechenland 

Am Dienstag trafen wir uns in Athen mit Expert:innen, die sich mit den gefährlichen Auswirkungen der biometrischen Massenüberwachung, der Korruption bei der Vergabe öffentlicher Gelder, den Angriffen auf die Pressefreiheit und dem Abhörskandal befassen. Die vielen Gespräche hinterließen das Bild von einem Staat, in dem grundlegende demokratische Standards und Menschenrechte nicht mehr eingehalten werden. Die EU, insbesondere die Kommission, muss schnell handeln und Druck aufbauen, um einer weiteren Verschlechterung entgegenzuwirken. Die Zivilgesellschaft, unabhängige Journalist:innen und Geflüchtete brauchen aktive Unterstützung, um sich gegen die Angriffe durch den Staat und die Regierung zu wehren. 

Griechische Regierung lügt

Mein Besuch am Evros und in Athen hat mir nochmal vor Augen geführt, dass die griechische Regierung systematisch lügt, um sich ihrer Verantwortung zu entziehen und auch nicht davor zurückschreckt Menschen auf der Flucht zu misshandeln, NGOs einzuschüchtern und Journalist:innen anzugreifen und zu bespitzeln. Es gibt aber auch noch eine intakte Zivilgesellschaft, die jetzt unsere Unterstützung braucht, um weiter für die Rechte von Schutzsuchenden und für den Erhalt der Demokratie und des Rechtsstaats zu kämpfen. 

Anfrage: Zurückweisungen trotz einstweiliger Maßnahmen des EGMR

Ich habe ein Anfrage zu Pushbacks an der Landesgrenze zwischen Griechenland und der Türkei an die Kommission gestellt. Die Kommission gibt sich schockiert und besorgt über die Berichte und antwortet, dass sie die aktuellen Kontrollmechanismen zur Wahrung der Grundrechte überprüfen wird.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Wie vom Griechischen Flüchtlingsrat gemeldet, waren 94 Syrer:innen, darunter Minderjährige mit Gesundheitsbeschwerden und junge Mütter mit ihren Säuglingen, vor Kurzem an einem Eiland vor der Küste des griechischen Regionalbezirks Evros gestrandet und mussten dort mehrere Tage ohne Wasser und Nahrung ausharren. Obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 24. Mai 2022 einstweilige Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass diese Menschen unverzüglich humanitäre und medizinische Hilfe erhalten und die gesetzlich vorgesehenen Aufnahme- und Identifizierungsverfahren auf sie angewandt werden, wurden sie laut Berichten ihrer Familienangehörigen in der Türkei am letzten Wochenende gegen ihren Willen in die Türkei zurückgebracht.

  • Sind die oben geschilderten Handlungen Griechenlands nach Ansicht der Kommission mit dem EU-Recht, einschließlich der Charta der Grundrechte, vereinbar?
  • Welche Schritte wird die Kommission unternehmen, um der möglichen Zurückweisung von 94 Syrern nachzugehen?
  • Liegen ihr Informationen über andere illegale Zurückweisungen durch Griechenland oder über die Zahl mutmaßlich rechtswidriger Verhaltensweisen an der griechischen Grenze vor?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 08.08.2022

Die Kommission ist zutiefst besorgt über alle Berichte und Vorwürfe von Zurückweisungen und Misshandlungen. Jede Form von Gewalt oder Zurückweisung ist rechtswidrig und muss von den nationalen Behörden untersucht werden, die für die Feststellung des Sachverhalts und das Ergreifen von Folgemaßnahmen zuständig sind. Die Kommission ist sich der zunehmenden Migrationsströme an der Landgrenze zur Türkei in den letzten Monaten sowie der Bedrohung durch Schleuser bewusst, die Migrantinnen und Migranten auf kleinen Inseln im Fluss Evros aussetzen.

Im Einklang mit der Verordnung mit gemeinsamen Bestimmungen müssen die Mitgliedstaaten wirksame Mechanismen zur Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (grundlegende Voraussetzungen) einrichten. Die Kommission bewertet derzeit die Mechanismen, die im Zusammenhang mit den griechischen Programmen im Rahmen der Fonds im Bereich Inneres eingerichtet worden sind, einschließlich des unabhängigen Mechanismus zur Überwachung und Verhinderung von Zurückweisungen. Ist die Kommission der Auffassung, dass eine grundlegende Voraussetzung nicht erfüllt ist, können die im Rahmen der betreffenden Maßnahmen getätigten Ausgaben zwar in den Zahlungsanträgen angeführt werden, eine Erstattung erfolgt jedoch erst, wenn die Kommission den betreffenden Mitgliedstaat über die Erfüllung der grundlegenden Voraussetzung unterrichtet hat.

Die Kommission prüft alle ihr zur Verfügung stehenden sachdienlichen Informationen und kooperiert mit den griechischen Behörden, die für die Kontrollmechanismen und die konkrete Untersuchung von Vorwürfen zuständig sind. Die Kommission arbeitet auch im Rahmen der Task Force „Migrationsmanagement“ mit Griechenland zusammen und liefert Feedback in diesem Bereich, um die Wirksamkeit der von den griechischen Behörden eingeführten Überwachungs‐ und Follow-up-Modalitäten zu erhöhen, mit denen die Verpflichtungen aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und dem EU-Recht, einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung, vollständig umgesetzt werden sollen.

Anfrage: Finanzierung geschlossener Migrationszentren durch die EU

Die EU finanziert mehrere geschlossene Migrationszentren mit haftähnlichen Bedingungen in Griechenland. Trotz vorliegender Beweise eines griechischen Gerichtes und mehrerer Nichtregierungsorganisationen, leugnet die Kommission, dass es haftähnliche Bedingungen gibt und behauptet darüber hinaus, dass die Rechte der Schutzsuchenden nicht gebrochen werden.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Die EU finanziert mehrere geschlossene Migrationszentren in Griechenland. Dazu gehört u. a. das geschlossene Zentrum mit kontrolliertem Zugang auf Samos, das im September 2021 eröffnet wurde und im Rahmen des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) Finanzmittel in Höhe von 43 Mio. EUR erhielt. Urteilen eines griechischen Gerichts und Nachweisen verschiedener regierungsunabhängiger Organisationen zufolge sind in diesem Zentrum viele Asylsuchende de facto mit Inhaftierung und umfassender Überwachung konfrontiert.

  • Hält die Kommission die Finanzierung dieses geschlossenen Zentrums für mit den besonderen Bestimmungen zur Regelung der Inhaftierung von Asylsuchenden im internationalen und europäischen Asylrecht (z. B. der Richtlinie über Aufnahmebedingungen und der Dublin-III-Verordnung) vereinbar?
  • Könnte die Kommission eine ausführliche Auflistung aller Ausgaben im Rahmen des AMIF für das Lager auf Samos seit September 2021 bereitstellen, aufgeschlüsselt nach Ausgabenkategorie (insbesondere Überwachung einschließlich Verfahren und Wachpersonal)?
  • Gibt es einen konkreten Überblick über Finanzmittel im Rahmen des AMIF für vergleichbare Zentren auf den Ägäischen Inseln, einschließlich ihrer Kapazität und Gesamtpersonalzahl je Lager, und wie überwacht die Kommission diese Ausgaben?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 08.09.2022

Die Kommission hat 276 Millionen € aus dem Migrations‐ und Integrationsfonds (AMIF) für den Bau von fünf Mehrzweck-Aufnahme‐ und Identifizierungszentren auf den Inseln Samos, Kos, Leros, Chios und Lesbos bereitgestellt. Diese Zentren umfassen verschiedene Bereiche, darunter Aufnahme‐ und Identifizierungsstrukturen für Neuankömmlinge, Unterkunftsmöglichkeiten, sichere Bereiche für unbegleitete Kinder und Jugendliche, Freizeitbereiche und Abschiebezonen. Wie durch die Rückführungsrichtlinie garantiert, handelt es sich nur bei den Abschiebezonen um geschlossene Bereiche. Dass das Asyl‐ und Rückkehrrecht der EU vollumfänglich geachtet wird, ist Bedingung dafür, dass die Zentren mit EU-Mitteln unterstützt werden können.

Die von den griechischen Behörden für den Bau der Zentren veröffentlichten Ausschreibungsunterlagen können online abgerufen werden. Sie beziehen sich auf die Gesamtkosten der Bauarbeiten und nicht auf die Kosten pro Zentrum. Die Verträge, die Informationen über die laufenden Kosten des neuen Zentrums auf Samos enthalten, stammen vom griechischen Ministerium für Migration und Asyl, weswegen der Kommission die gewünschten Angaben nicht zur Verfügung stehen. Die Damen und Herren Abgeordneten werden gebeten, sich dazu an die zuständigen Dienststellen des Ministeriums zu wenden.

Die Kommission hat Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die Ägäischen Inseln entsandt und beobachtet die Arbeit der neuen Zentren genau, um die Konformität mit geltendem EU-Recht sicherzustellen. Dies geschieht über die obligatorische Berichterstattung der Empfänger von EU-Mitteln und Besuche von Kommissionsmitarbeiterinnen und ‐mitarbeitern vor Ort. Für den Bau der neuen Mehrzweck-Aufnahme‐ und Identifizierungszentren wurde ein zusätzlicher Überwachungsrahmen geschaffen, der während des Projekts unter anderem regelmäßige Finanzkontrollen durch ein externes Wirtschaftsprüfungsunternehmen beinhaltet.

Meine Anfrage zu EU-Mitteln für die ägyptische Küstenwache

Die Kommission hat hier erklärt wie sie in den kommenden beiden Jahren die ägyptische Küstenwache mit 80 Millionen € finanzieren will, damit sie Menschen ins Land zurückschleppt, obwohl die Menschenrechtslage katastrophal ist. Die Kommission bezeichnet dies beschönigend als „Verhinderung irregulärer Migration auf dem Seeweg“.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Kommissionsmitglied Várhelyi hat kürzlich bestätigt, dass die Kommission Ägypten langfristige und kurzfristige finanzielle Unterstützung in Höhe von fast 300 Mio. EUR zugesagt hat. Laut Nachrichtenberichten sind 80 Mio. EUR der Mittel für die ägyptische Küstenwache für den „Grenzschutz“ und für die Verhinderung der Flucht von Ägyptern vorgesehen. Das Parlament hat mehrfach seine Besorgnis über die katastrophale Menschenrechtslage in Ägypten zum Ausdruck gebracht, und seit Januar 2021 sind 3 500 Ägypter aus dem Land per Boot nach Italien geflohen, was sie zur zweitgrößten Gruppe der dort ankommenden Menschen aus den Mittelmeerländern macht.

  • Kann die Kommission einen Überblick über alle an die ägyptischen Behörden und die Küstenwache, insbesondere für den Grenzschutz, gelieferten Ausrüstungsgegenstände oder Dienstleistungen geben, und wie sieht der Zeitplan für die künftige Verteilung aus?
  • Anhand welcher Indikatoren wird die Kommission sicherstellen, dass die migrationspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Ägypten im Einklang mit Artikel 3 Absatz 5 des Vertrags über die Europäische Union steht, d. h. dass die Menschenrechte gewahrt und gefördert werden, z. B. durch die Gewährleistung der Rechenschaftspflicht bei möglichen Menschenrechtsverletzungen?
  • Welche Folgen- oder Risikobewertung in Bezug auf Menschenrechte wurde (oder wird) bei dieser finanziellen Unterstützung durchgeführt, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Leistungen Menschenrechtsverletzungen nicht erleichtern oder für solche genutzt werden?

Antwort von Olivér Várhelyi im Namen der Europäischen Kommission am 25.08.2022

Die Kommission ist bereit, Ägypten bei der Aufrechterhaltung seiner Kapazitäten zur Verhinderung irregulärer Migration auf dem Seeweg und bei der verstärkten Kontrolle seiner Grenze zu Libyen und Sudan zu unterstützen. Angesichts der Tatsache, dass die irregulären Einreisen ägyptischer Staatsangehöriger in die EU (über 90 % nach Italien, hauptsächlich über Libyen) sich im Jahr 2021 (auf 9219) versechsfacht haben, ist dies von besonderer Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund entwickelt die Kommission derzeit in enger Abstimmung mit den ägyptischen Behörden eine Maßnahme zur Unterstützung des Grenzmanagements (Such‐ und Rettungsmaßnahmen sowie Grenzüberwachung an Land‐ und Seegrenzen). Insgesamt sind Mittel in Höhe von 80 Mio. EUR vorgesehen, die in zwei Phasen umgesetzt werden sollen: 23 Mio. EUR im Jahr 2022 und 57 Mio. EUR im Jahr 2023. Da die Maßnahme noch nicht angenommen wurde, liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Überblick über die Ausrüstungsgegenstände oder Dienstleistungen vor, die den ägyptischen Behörden in diesem Rahmen zur Verfügung gestellt werden.

Zu der Maßnahme wird eine Ex-ante-Risikobewertung durchgeführt, und während der gesamten Laufzeit sind Monitoringmaßnahmen vorgesehen, um sicherzustellen, dass durch die Maßnahme die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsnormen und der Schutz von Flüchtlingen und Migranten nicht gefährdet wird.

Anfrage: EU-Aktionsplan als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan

Nach der Übernahme Afghanistans durch die Taliban im August 2021 setzte die Kommission die meisten ihrer Abkommen mit dem Land aus und stellte die Zusammenarbeit mit Afghanistan weitgehend ein. Seitdem hat sie als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan einen Aktionsplan ausgearbeitet, der den Medien zugespielt wurde. Dazu habe ich folgende Fragen gestellt:

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Fragen

  • Wurde der Aktionsplan bereits angenommen? Wenn ja, wird es Berichte über die Umsetzung geben und werden die Maßnahmen öffentlich zugänglich gemacht?
  • Wird das Parlament über die Umsetzung des Aktionsplans informiert?
  • Wird die Kommission ihre Zusage, 38 000 besonders schutzbedürftige Afghanen aufzunehmen nach Mitgliedstaaten und Programmen (Neuansiedlung, humanitäre Aufnahme usw.) aufschlüsseln und mitteilen sowie bekannt geben, wie viele Afghanen derzeit sowohl über die offiziellen Evakuierungsrouten als auch über die Programme für gefährdete Afghanen nach Europa kommen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.08.2022

1. Die Aktionspläne zur Stärkung umfassender Migrationspartnerschaften mit vorrangigen Herkunfts‐ und Transitländern, einschließlich des als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan angenommenen Aktionsplans, wurden gemeinsam von der Kommission und vom Europäischen Auswärtigen Dienst gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2021 entwickelt und anschließend den Mitgliedstaaten auf den Sitzungen der Arbeitsgruppe „Externe Aspekte der Asyl‐ und Migrationspolitik“ des Rates vorgestellt. Bei diesen Aktionsplänen handelt es sich um dynamische Dokumente, die mit der Zeit weiterentwickelt werden. Sie sind für den internen Gebrauch der EU und ihrer Mitgliedstaaten gedacht und sollen zur Entwicklung eines gemeinsamen strategischen Ansatzes für die Zusammenarbeit mit den Partnerländern beitragen. Mit diesem spezifischen Aktionsplan wird das Ziel verfolgt, die Maßnahmen zu verstärken, die zur Unterstützung der afghanischen Bevölkerung bzw. gemeinsam mit den Nachbarländern Afghanistans ergriffen werden sollen. In Afghanistan besteht großer Bedarf an humanitärer Hilfe, und die eigenen Ressourcen des Landes sind begrenzt. Die humanitäre Hilfe der EU in Afghanistan läuft bereits und wird im Einklang mit den Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit geleistet.

2. Die Kommission ist entschlossen, das Europäische Parlament auch weiterhin umfassend über alle Aspekte der Migrationspolitik zu informieren, auch in Bezug auf ihre Maßnahmen in Afghanistan und der Region. Die Kommission wird das Parlament weiterhin über die Entwicklung der humanitären Lage vor Ort und die Anpassung der humanitären Maßnahmen der EU unterrichten.

3. Die Zusagen, die die Mitgliedstaaten bezüglich gefährdeter Afghanen für den Zeitraum 2021-2022 gemacht haben, sind dem Anhang zu entnehmen. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission gemeldet, dass bis April 2022 fast 28 700 Personen aus humanitären Gründen aufgenommen wurden, die Neuansiedlung jedoch noch nicht begonnen hat.

Anfrage: Bericht der griechischen Transparenzbehörde

Ich habe die EU-Kommission am 25.05.2022 gefragt, wie sie dazu steht, dass die griechischen Behörden ankommende Schutzsuchende sofort in Abschiebehaft nimmt und in ein Gefängnis sperrt, dass sie nicht verlassen dürfen. Die Kommission antwortet, dass ihr diese Praxis bekannt ist und diese rechtlich auch zu rechtfertigen sei, wenn weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirken. Diese „weniger einschneidenden Maßnahmen“ werden aber nicht angewandt und müssten auch einer Einzefallprüfung unterliegen – was sie derzeit nicht tun.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Die nationale Transparenzbehörde Griechenlands veröffentlichte am 10. Mai 2022 einen Untersuchungsbericht zu mutmaßlichen Zurückweisungen, in dem unter anderem das Verfahren für die Bewältigung des Stroms von Asylsuchenden beschrieben wird, die das griechische Hoheitsgebiet auf dem Land- oder Seeweg erreichen.

  • Wie beurteilt die Kommission – unter Berücksichtigung von Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta und Artikel 8 und 9 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen – das Vorgehen Griechenlands, Neuankömmlinge bis zu ihrer Überstellung in ein Aufnahme- und Identifizierungszentrum in der Region Evros in Abschiebehaft zu nehmen (S. 23/24)?
  • Wie beurteilt sie – unter Berücksichtigung von Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta und Artikel 8 und 9 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen – die Praxis, dass Antragsteller während der Aufnahme- und Identifizierungsverfahren ab der Registrierung bis zu 25 Tage lang in der Einrichtung untergebracht sind, diese jedoch nicht verlassen dürfen, da sie sich in Gewahrsam befinden (S. 29)?
  • Wie werden Statistiken zur „Prävention“ (S. 56) erhoben und wie viele Fälle von Prävention wurden 2021 von den griechischen Behörden verzeichnet? Bitte geben Sie eine Aufschlüsselung nach Polizeidirektion (Alexandroúpoli, Orestiada, nördliche Ägäis und Dodekanes) an.

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 3.08.2022

Der Kommission ist bekannt, dass Personen, die irregulär über die Landgrenze mit der Türkei bei Evros ankommen, in das Aufnahme‐ und Identifizierungszentrum in Fylakio überstellt werden, wo sie dem Aufnahme‐ und Identifizierungsverfahren unterliegen und sich einer ärztlichen Untersuchung, der Registrierung personenbezogener Daten, der Abnahme von Fingerabdrücken und einer Befragung unterziehen müssen; anschließend werden sie in die Folgeverfahren (Asyl für Personen, die internationalen Schutz beantragen, oder Rückführung von Personen, die auf einen solchen Antrag verzichten), geleitet werden.

In Bezug auf die Verwaltungshaft während des Aufnahme‐ und Identifizierungsverfahrens enthält Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen[1] im Einklang mit Artikel 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2] eine erschöpfende Liste der Gründe, aus denen ein Antragsteller in Haft genommen werden kann, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Zu den dort aufgeführten Haftgründen zählt die Notwendigkeit, die Identität oder Staatsangehörigkeit der Person festzustellen oder zu überprüfen. Solche Entscheidungen müssen jedoch auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung getroffen werden. Die Kommission verfolgt die Lage vor Ort aufmerksam und steht im Dialog mit den griechischen Behörden. Sie erhebt jedoch keine Statistiken über „Präventionen“ und verfügt nicht über die vom Herrn Abgeordneten angeforderten Informationen.

Anfrage: Schutz für staatenlose Geflüchtete aus Ukraine

Gemeinsam mit neun anderen Abgeordneten aus vier Fraktionen habe ich eine Anfrage zur Anwendung der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes auf staatenlose Flüchtlinge aus der Ukraine gestellt. Die Anfrage und die Antwort findet ihr in mehreren Sprachen auch hier.

Unsere Anfrage vom 20. Mai 2022

Die Mitgliedstaaten der EU sind nicht verpflichtet, die Gewährung vorübergehenden Schutzes auf die meisten staatenlosen Flüchtlinge aus der Ukraine auszudehnen. Die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes gilt nur für Staatenlose, die in der Ukraine internationalen Schutz (oder einen gleichwertigen Status) genießen. Staatenlose, die nachweisen können, dass sie sich vor dem 24. Februar 2022 dauerhaft in der Ukraine aufgehalten haben und nicht sicher in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können, haben ebenfalls Anspruch auf Schutz, aber die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob sie die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes anwenden oder einen „angemessenen Schutz nach nationalem Recht“ gewähren wollen. Die Mitgliedstaaten können den Schutz auf andere Personen einschließlich Staatenlose, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten, ausdehnen.

  • Wie gedenkt die Kommission sicherzustellen, dass die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Einklang mit den im Völkerrecht und im Unionsrecht verankerten Grundsätzen des Diskriminierungsverbots und der Wahrung der Rechte Staatenloser durch die Mitgliedstaaten in allen Bereichen umgesetzt wird?
  • Gedenkt die Kommission, erstens die operativen Leitlinien für die Umsetzung der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes so zu ändern, dass sie auch für Staatenlose mit Wohnsitz in der Ukraine, die keine Belege für ihre Bindung zu diesem Land haben, gelten, zweitens klarzustellen, dass der gleichwertige nationale Schutz auch den Schutz als Staatenloser im Sinne des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 umfasst, und drittens Flexibilität bei den Beleganforderungen einzuführen, um den inhärenten Schwierigkeiten beim Nachweis der Staatenlosigkeit durch Dokumente Rechnung zu tragen?
  • Gedenkt die Kommission, in den Vorsorge- und Krisenplan der EU für Migration Informationen über Staatenlosigkeit aufzunehmen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission vom 3. August 2022

1. Der Schutz all jener, die staatenlos oder von Staatenlosigkeit bedroht sind, ist ein Anliegen der Kommission. Der einschlägige Ratsbeschluss vom 4. März 2022[1] zur Einführung des vorübergehenden Schutzes im Rahmen der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz[2] erstreckt sich auch auf bestimmte Gruppen Staatenloser, die unter jene Kategorien fallen, die nach nationalem Recht Anspruch auf vorübergehenden Schutz oder einen anderen angemessenen Schutz haben. Die Mitgliedstaaten können den Schutz auf alle anderen Staatenlosen ausdehnen. Die Mitgliedstaaten mussten die Mindestnormen und Rechte der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz bis zum 31. Dezember 2002[3] oder anlässlich des Beitritts zur EU in innerstaatliches Recht umsetzen. Diese Bestimmungen wurden durch den Beschluss des Rates vom 4. März 2022 aktiviert. Die Kommission hat die Mitgliedstaaten auf verschiedene Weise (operative Leitlinien, eigene Tagesordnungspunkte, Missionen usw.) und in vielen Gremien (Solidaritätsplattform, Blaupause, Arbeitsgruppen des Rates usw.) aufgefordert, diese Vorschriften angemessen auf alle unter die Richtlinie fallenden Personen anzuwenden, einschließlich Staatenloser, die insbesondere mit besonderen Herausforderungen in Bezug auf Nachweise und Statusfeststellung konfrontiert sind.

2. Die operativen Leitlinien der Kommission für die Umsetzung des Ratsbeschlusses[4], die bereits Kapitel über Nachweise und Statusfeststellungen enthalten, werden aktualisiert, um der Lage vor Ort und dem sich wandelnden Bedarf gebührend Rechnung zu tragen.

3. Die Kommission aktualisiert die im Rahmen des Vorsorge‐ und Krisenplans der EU erhobenen Informationen regelmäßig und passt sie entsprechend den Entwicklungen und der Verfügbarkeit von Daten an. Darüber hinaus war Staatenlosigkeit ein spezieller Tagesordnungspunkt für die Solidaritätsplattform, die zur Umsetzung des vorübergehenden Schutzes eingerichtet wurde.

  • [1] Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. L 71 vom 4.3.2022, S. 1).
  • [2] Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12).
  • [3] Artikel 32 der Richtlinie 2001/55/EG.
  • [4] Mitteilung der Kommission zu operativen Leitlinien für die Umsetzung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. C 126I vom 21.3.2022, S. 1).

Wie viele EU-Gelder sind nach Griechenland für den Bereich Migration geflossen?

Seit dem Jahr 2015 hat die Europäische Union Griechenland insgesamt 3,38€ Milliarden für die Bewältigung von Migrations- und Grenzaufgaben zur Verfügung gestellt. 2,53€ Milliarden wurden bisher von Griechenland abgerufen. 

Die Unterstützung Griechenlands durch die Europäische Union erfolgt durch drei Töpfe: den Asylum, Migration and Integration Fund (AMIF), der Internal Security Fund (ISF) und das  Emergency Support Instrument (ESI). Der größte Topf ist der AMIF über den insgesamt 328,3€ Milliarden zur Verfügung gestellt wurden. Über diesen Haushaltsposten werden EU-Mitgliedstaaten unterstützt zum Zweck des effizienten Managements von Migration und der Implementierung und Stärkung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Der ISF stellt Geld für das Management von Visum und Einreise, Kontrolle der Außengrenzen, aber auch Rückführungen, beispielsweise durch Frontex, bereit. Hier wurde Griechenland 320€ Millionen bereitgestellt. Das ESI dient der Unterstützung für Notlagen und gibt Geld für humanitäre Hilfe, der Anteil betrug 668,9€ Millionen. Der Großteil der regulären Gelder aus AMIF, ISF und ESI fließt an die nationalen Behörden, also an die griechischen Behörden, die sich mit Migration und Asyl befassen, so beispielsweise das griechische Ministerium für Migration und Asyl. 


Neben den regulär vorgesehenen Bedarfen können zusätzlich für weitere kurzfristige Notfallbedarfe (“Emergency Assistance”) Gelder aus AMIF und ISF mobilisiert werden. Die geflossenen Gelder aus der Emergency Assistance stellen im Fall von Griechenland die größte Summe alle geflossenen Gelder, insgesamt 1,54€ Milliarden. Zwei Drittel aller Gelder der Emergency Assistance sind an internationale Organisationen geflossen, das letzte Drittel an die griechischen Behörden. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass insgesamt 2,06€ Milliarden bereitgestellt worden, Griechenland aber nicht alles abgerufen hat.

Politischer Wille für eine gute Versorgung fehlt

Tatsächlich erhielten die griechischen Behörden 2,53€ Milliarden, um die erhöhten Ankunftszahlen der letzten Jahre zu bewältigen. Dabei ist es besonders wichtig, anzumerken, dass 3,38€ Milliarden zugesprochen wurden, aber ein Großteil davon nicht ausgegeben wurde. Dies zeigt deutlich, dass die Gelder vorhanden sind, um die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und auf dem Festland angemessen und würdig zu versorgen, jedoch der politische Wille fehlt, dies auch so umzusetzen. 

Noch werden in Griechenland grundlegende Anforderungen der EU-Aufnahmerichtlinie nicht eingehalten wie zum Beispiel das Recht auf Bildung der Kinder. Auch die Essensversorgung ist nach wie vor problematisch und ungenügend. Genug Geld wäre tatsächlich da, um die Probleme nachhaltig zu lösen. Selbst der Europäische Rechnungshof als EU-eigene Behörde kam in seinem Jahresbericht 2019 zu ähnlichen Schlussfolgerungen, ohne sie explizit so zu benennen. Es kam nicht zu expliziten Veruntreuungen der Gelder, jedoch wurden einige Gelder aus der Emergency Assistance für längerfristige Projekte und Strukturen zweckentfremdet, obwohl diese nur flexibel für kurzfristige Notfallbedarfe eingesetzt werden dürfen. Außerdem bemängelte der Rechnungshof die ineffiziente Nutzung der Gelder und somit die Diskrepanz zwischen den EU-Zielen und den tatsächlichen Ergebnissen – sprich das Fehlen des politischen Willens. Nun fließen die Gelder aber nicht nur an die griechischen Behörden, sondern auch an internationale Organisationen. Aber auch mehr Gelder an internationale Organisationen sind nicht zwingend hilfreich, wenn die griechische Regierung deren Arbeit blockiert und kriminalisiert, wie es vor allem auf den griechischen Inseln der Fall ist. 

Wer sich genauer mit den veranschlagten und geflossenen Geldern befassen möchte, findet hier eine Übersicht von der Europäischen Kommission. Sie stellt auch dar, wie viele Gelder an die unterschiedlichen internationalen Organisation sowie an welche griechischen Behörden sie geflossen sind. 

Eine Betrachtung der Zahlen macht eines nochmal sehr deutlich. Die staatlichen Behörden und Organisationen haben eigentlich genügend Mittel, um Menschen würdig zu behandeln. Aber es scheint politisch nicht gewünscht zu sein.

Kommission ignoriert Dienstanweisung für Pushbacks in Kroatien

Die kroatische Polizei hat von offizieller Stelle Dienstanweisungen für Pushbacks erhalten. In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen. In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Dort wo es Probleme gibt, erklärt sich die Kommission einfach für nicht zuständig. Die Kommission verschließt also weiterhin die Augen vor den systematischen Menschenrechtsverletzungen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier

Unsere Anfrage

Betrifft: Pushbacks durch die kroatische Polizei

Wie das kroatische Portal Index.hr berichtet, erhalten kroatische Grenzbeamte Dienstanweisungen für Pushbacks. Sie befolgen also Befehle und führen die Pushbacks nicht nach eigenem Ermessen durch, wie die kroatische Regierung bislang behauptete. Die entsprechende Anweisung ist eine Reaktion auf ein vom Spiegel und der ARD im Oktober veröffentlichtes Video, in dem kroatische Grenzbeamte bei gewaltvollen Pushbacks gefilmt wurden. Auf die Antwort der Kommission auf meine Anfrage bezüglich der Videos warte ich seit fast vier Monaten.

In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen.

1. Wie gedenkt die Kommission diese staatlich angeordneten Pushbacks zu untersuchen, und welche Bedeutung gedenkt sie den Ergebnissen dieser Untersuchung im Hinblick auf das Verfahren des Beitritts Kroatiens zum Schengen-Raum beizumessen?

2. Erwartet die Kommission Änderungen am „unabhängigen Überwachungsmechanismus“ an der Außengrenze, nachdem die kroatische Regierung offensichtlich kein Interesse daran, hat Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die sie selbst verantwortet?

3. Hält die Kommission die Ausführungen des kroatischen Innenministeriums für glaubwürdig, laut denen die kroatische Regierung nichts mit den Pushbacks zu tun habe und es sich um das Fehlverhalten einzelner Beamter handele?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 29.4.2022

1. Die Untersuchung von mutmaßlichen strafbaren Handlungen nationaler Behörden liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Die Kommission hat die kroatischen Behörden immer wieder aufgefordert, mutmaßliche Misshandlungen von Migranten zu untersuchen. Der vollumfängliche Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen erfordert einen einstimmigen Beschluss des Rates, dessen Annahme noch aussteht. Der Rat (Justiz und Inneres) hat auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021 festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt. Die Kommission ist der Auffassung, dass Kroatien die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für die Anwendung
des Schengen-Besitzstands
erfüllt sind und erfüllt bleiben.

2. Auch wenn die Kommissionsdienststellen in Zusammenarbeit mit den kroatischen Behörden sicherzustellen suchen, dass der „unabhängige Überwachungsmechanismus“ Kroatiens wirksam funktioniert, bleiben die Einrichtung des Mechanismus und insbesondere seine Zusammensetzung doch in kroatischer Hand. Im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus wurde im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher Halbjahres-(Zwischen-)Bericht erstellt. Die kroatischen Behörden teilten der Kommission und dem Parlament mit, wie sie die ersten Empfehlungen umsetzen. Der Beratende Ausschuss – dem die Kommission und einschlägige Interessenträger angehören (und der nicht Bestandteil des Mechanismus ist) – wird Empfehlungen abgeben, wie die Funktionsweise des Mechanismus für die unabhängige Überwachung verbessert werden kann. Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin darüber wachen, dass geltendes EU-Recht eingehalten wird.

3. Die Kommission vermag die Glaubwürdigkeit der Ausführungen, auf die der Herr Abgeordnete Bezug nimmt, nicht zu beurteilen. Die Haltung der Kommission in Sachen Grundrechte ist jedoch klar: Jegliche Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten das unbefugte Überschreiten der EU-Außengrenzen verhindern oder davor abschrecken wollen, müssen voll und ganz mit dem einschlägigen EU-Recht, insbesondere auch mit der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union
in Einklang stehen. Jegliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist rechtswidrig. Von daher sollte jedes Fehlverhalten einzelner Grenzschutzbeamter Gegenstand einer Untersuchung durch die zuständigen Behörden sein und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden.

So funktioniert die Regelung, mit der die EU Geflüchtete aus der Ukraine aufnimmt

Alle 27 EU-Staaten sind bereit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Nach einem Treffen der EU-Innenminister:innen am 03. März 2022 wurde bekannt gegeben, dass die EU eine Richtlinie aktivieren wird, die Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz in der EU garantiert – ohne aufwendige Asylverfahren. Es ist großartig, dass Europa bei der Aufnahme von Geflüchteten endlich zusammenhält. Durch die Aktivierung der Richtlinie wird den Geflüchteten aus der Ukraine unbürokratisch Schutz und Perspektive geboten. Die Richtlinie sagt auch klar, dass die Geflüchteten ein Recht darauf haben zu arbeiten und sich selbstständig zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass die Geflüchteten entweder eine angemessene Unterkunft erhalten oder Mittel bekommen, um sich selbst um so eine Unterkunft zu kümmern. Auch medizinische Versorgung und der Zugang zum Bildungssystem müssen gewährleistet werden. 

Aktuelle Fluchtbewegungen aus der Ukraine

Polen, Ungarn, die Slowakei und Rumänien haben ihre Grenzen geöffnet und lassen alle Menschen aus der Ukraine einreisen. Dafür brauchen die Flüchtenden auch keinen Reisepass, den viele Ukrainer:innen nicht haben. Auch das Nicht-EU-Land Republik Moldau lässt Flüchtende einreisen. Aufgrund der Generalmobilmachung können aber ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren in den meisten Fällen nicht aus der Ukraine ausreisen. Bislang sind laut UNHCR (Stand 11.03.2022) über 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, hinzukommen noch mehr als eine Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine. Putins Angriffskrieg hat zur größten Fluchtbewegung seit dem Ende des zweiten Weltkriegs in Europa geführt.

Die rechtliche Grundlage 

Die rechtliche Grundlage für dieses Handeln ist die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG. Dänemark ist der einzige EU-Staat, der sich außerhalb des Geltungsbereichs der Direktive befindet. Die Richtlinie bietet einen Mechanismus für die EU-weit koordinierte Aufnahme einer großen Zahl von Geflüchteten jenseits des individuellen Asylverfahrens und jenseits des Dublin-Systems. Zuständig dafür, einen “Massenzustrom” festzustellen, ist der Rat der Europäischen Union. Das Parlament wird nur über die Entscheidung informiert, darf sich aber nicht vorab dazu äußern. 

Entstanden ist dieses Gesetz zur Schutzgewährung nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, kam aber bislang nicht zum Einsatz. 2015 wurde es nicht angewendet, weil nicht absehbar war, ob der notwendige EU-Beschluss zustanden kommen würde.

Wie geht es jetzt weiter?

Grundsätzlich steht in der Richtlinie erstmal ein Jahr als Mindestdauer, aber diese kann verlängert werden. Die konkrete Umsetzung der Richtlinie liegt bei den Mitgliedstaaten. Diese müssen nun Zusagen darüber machen, wie viele Geflüchtete sie konkret aufnehmen wollen. Die ukrainischen Geflüchteten können sich selbst einen EU-Mitgliedsstaat aussuchen in dem sie Schutz nach dieser Richtlinie erhalten.

Dabei lässt die Richtlinie leider einen wichtigen Punkt offen, den  Umgang mit Drittstaatsangehörigen. Deutschland will alle Geflüchteten aus der Ukraine unabhängig von ihrer Nationalität aufnehmen. Eine Obergrenze werde es auch nicht geben, sagte Innenministerin Faeser.

Herausforderungen 

Aktuell stehen die Mitgliedsstaaten, vor allem jene an der Grenze zur Ukraine, vor sehr großen Herausforderungen. Bislang gibt es nicht ausreichend Angebote für vulnerable Gruppen wie beispielsweise Kinder. Die Lage an den Grenzen und die Erstaufnahme ist nicht gut und muss schnell besser werden. Wichtig ist auch, dass der Zugang zu staatlichen Leistungen – Schulbildung, medizinische Versorgung – schnell und unkompliziert gewährleistet wird.  

Meine Forderungen und Vorschläge 

Es ist wichtig, dass die Kommission nun koordiniert, dass Geflüchtete, die kein konkretes Zielland haben, Mitgliedstaaten zugeordnet werden, damit wir zu einer fairen Verteilung kommen. Mitgliedstaaten, die viele Geflüchtete aufnehmen, sollten dabei von der EU finanzielle Unterstützung erhalten. Das wichtigste ist aber, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie offen und angemessen umsetzen und dabei auch Drittstaatsangehörigen Zugang gewähren und nicht jene Menschen aussortieren, die zwar aus der Ukraine fliehen mussten, aber keine ukrainischen Staatsbürger:innen sind.  

In den vergangenen Jahren wurden Geflüchtete aus Kriegsgebieten immer wieder zurückgewiesen, obwohl das verboten und unmenschlich war. Man kann nur hoffen, dass die aktuelle Krise dazu beiträgt, dass sich die EU-Staaten an das geltende Recht halten und den heutigen Beschluss schnell umsetzen. Unabhängig von der Richtlinie und den festgelegten Kriterien haben alle Schutzsuchenden das Recht auf einen Zugang zum Asylverfahren. Zurückweisungen darf es nicht geben.

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