Wie viele EU-Gelder sind nach Griechenland für den Bereich Migration geflossen?

Seit dem Jahr 2015 hat die Europäische Union Griechenland insgesamt 3,38€ Milliarden für die Bewältigung von Migrations- und Grenzaufgaben zur Verfügung gestellt. 2,53€ Milliarden wurden bisher von Griechenland abgerufen. 

Die Unterstützung Griechenlands durch die Europäische Union erfolgt durch drei Töpfe: den Asylum, Migration and Integration Fund (AMIF), der Internal Security Fund (ISF) und das  Emergency Support Instrument (ESI). Der größte Topf ist der AMIF über den insgesamt 328,3€ Milliarden zur Verfügung gestellt wurden. Über diesen Haushaltsposten werden EU-Mitgliedstaaten unterstützt zum Zweck des effizienten Managements von Migration und der Implementierung und Stärkung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Der ISF stellt Geld für das Management von Visum und Einreise, Kontrolle der Außengrenzen, aber auch Rückführungen, beispielsweise durch Frontex, bereit. Hier wurde Griechenland 320€ Millionen bereitgestellt. Das ESI dient der Unterstützung für Notlagen und gibt Geld für humanitäre Hilfe, der Anteil betrug 668,9€ Millionen. Der Großteil der regulären Gelder aus AMIF, ISF und ESI fließt an die nationalen Behörden, also an die griechischen Behörden, die sich mit Migration und Asyl befassen, so beispielsweise das griechische Ministerium für Migration und Asyl. 


Neben den regulär vorgesehenen Bedarfen können zusätzlich für weitere kurzfristige Notfallbedarfe (“Emergency Assistance”) Gelder aus AMIF und ISF mobilisiert werden. Die geflossenen Gelder aus der Emergency Assistance stellen im Fall von Griechenland die größte Summe alle geflossenen Gelder, insgesamt 1,54€ Milliarden. Zwei Drittel aller Gelder der Emergency Assistance sind an internationale Organisationen geflossen, das letzte Drittel an die griechischen Behörden. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass insgesamt 2,06€ Milliarden bereitgestellt worden, Griechenland aber nicht alles abgerufen hat.

Politischer Wille für eine gute Versorgung fehlt

Tatsächlich erhielten die griechischen Behörden 2,53€ Milliarden, um die erhöhten Ankunftszahlen der letzten Jahre zu bewältigen. Dabei ist es besonders wichtig, anzumerken, dass 3,38€ Milliarden zugesprochen wurden, aber ein Großteil davon nicht ausgegeben wurde. Dies zeigt deutlich, dass die Gelder vorhanden sind, um die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und auf dem Festland angemessen und würdig zu versorgen, jedoch der politische Wille fehlt, dies auch so umzusetzen. 

Noch werden in Griechenland grundlegende Anforderungen der EU-Aufnahmerichtlinie nicht eingehalten wie zum Beispiel das Recht auf Bildung der Kinder. Auch die Essensversorgung ist nach wie vor problematisch und ungenügend. Genug Geld wäre tatsächlich da, um die Probleme nachhaltig zu lösen. Selbst der Europäische Rechnungshof als EU-eigene Behörde kam in seinem Jahresbericht 2019 zu ähnlichen Schlussfolgerungen, ohne sie explizit so zu benennen. Es kam nicht zu expliziten Veruntreuungen der Gelder, jedoch wurden einige Gelder aus der Emergency Assistance für längerfristige Projekte und Strukturen zweckentfremdet, obwohl diese nur flexibel für kurzfristige Notfallbedarfe eingesetzt werden dürfen. Außerdem bemängelte der Rechnungshof die ineffiziente Nutzung der Gelder und somit die Diskrepanz zwischen den EU-Zielen und den tatsächlichen Ergebnissen – sprich das Fehlen des politischen Willens. Nun fließen die Gelder aber nicht nur an die griechischen Behörden, sondern auch an internationale Organisationen. Aber auch mehr Gelder an internationale Organisationen sind nicht zwingend hilfreich, wenn die griechische Regierung deren Arbeit blockiert und kriminalisiert, wie es vor allem auf den griechischen Inseln der Fall ist. 

Wer sich genauer mit den veranschlagten und geflossenen Geldern befassen möchte, findet hier eine Übersicht von der Europäischen Kommission. Sie stellt auch dar, wie viele Gelder an die unterschiedlichen internationalen Organisation sowie an welche griechischen Behörden sie geflossen sind. 

Eine Betrachtung der Zahlen macht eines nochmal sehr deutlich. Die staatlichen Behörden und Organisationen haben eigentlich genügend Mittel, um Menschen würdig zu behandeln. Aber es scheint politisch nicht gewünscht zu sein.

Kommission ignoriert Dienstanweisung für Pushbacks in Kroatien

Die kroatische Polizei hat von offizieller Stelle Dienstanweisungen für Pushbacks erhalten. In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen. In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Dort wo es Probleme gibt, erklärt sich die Kommission einfach für nicht zuständig. Die Kommission verschließt also weiterhin die Augen vor den systematischen Menschenrechtsverletzungen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier

Unsere Anfrage

Betrifft: Pushbacks durch die kroatische Polizei

Wie das kroatische Portal Index.hr berichtet, erhalten kroatische Grenzbeamte Dienstanweisungen für Pushbacks. Sie befolgen also Befehle und führen die Pushbacks nicht nach eigenem Ermessen durch, wie die kroatische Regierung bislang behauptete. Die entsprechende Anweisung ist eine Reaktion auf ein vom Spiegel und der ARD im Oktober veröffentlichtes Video, in dem kroatische Grenzbeamte bei gewaltvollen Pushbacks gefilmt wurden. Auf die Antwort der Kommission auf meine Anfrage bezüglich der Videos warte ich seit fast vier Monaten.

In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen.

1. Wie gedenkt die Kommission diese staatlich angeordneten Pushbacks zu untersuchen, und welche Bedeutung gedenkt sie den Ergebnissen dieser Untersuchung im Hinblick auf das Verfahren des Beitritts Kroatiens zum Schengen-Raum beizumessen?

2. Erwartet die Kommission Änderungen am „unabhängigen Überwachungsmechanismus“ an der Außengrenze, nachdem die kroatische Regierung offensichtlich kein Interesse daran, hat Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die sie selbst verantwortet?

3. Hält die Kommission die Ausführungen des kroatischen Innenministeriums für glaubwürdig, laut denen die kroatische Regierung nichts mit den Pushbacks zu tun habe und es sich um das Fehlverhalten einzelner Beamter handele?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 29.4.2022

1. Die Untersuchung von mutmaßlichen strafbaren Handlungen nationaler Behörden liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Die Kommission hat die kroatischen Behörden immer wieder aufgefordert, mutmaßliche Misshandlungen von Migranten zu untersuchen. Der vollumfängliche Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen erfordert einen einstimmigen Beschluss des Rates, dessen Annahme noch aussteht. Der Rat (Justiz und Inneres) hat auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021 festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt. Die Kommission ist der Auffassung, dass Kroatien die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für die Anwendung
des Schengen-Besitzstands
erfüllt sind und erfüllt bleiben.

2. Auch wenn die Kommissionsdienststellen in Zusammenarbeit mit den kroatischen Behörden sicherzustellen suchen, dass der „unabhängige Überwachungsmechanismus“ Kroatiens wirksam funktioniert, bleiben die Einrichtung des Mechanismus und insbesondere seine Zusammensetzung doch in kroatischer Hand. Im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus wurde im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher Halbjahres-(Zwischen-)Bericht erstellt. Die kroatischen Behörden teilten der Kommission und dem Parlament mit, wie sie die ersten Empfehlungen umsetzen. Der Beratende Ausschuss – dem die Kommission und einschlägige Interessenträger angehören (und der nicht Bestandteil des Mechanismus ist) – wird Empfehlungen abgeben, wie die Funktionsweise des Mechanismus für die unabhängige Überwachung verbessert werden kann. Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin darüber wachen, dass geltendes EU-Recht eingehalten wird.

3. Die Kommission vermag die Glaubwürdigkeit der Ausführungen, auf die der Herr Abgeordnete Bezug nimmt, nicht zu beurteilen. Die Haltung der Kommission in Sachen Grundrechte ist jedoch klar: Jegliche Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten das unbefugte Überschreiten der EU-Außengrenzen verhindern oder davor abschrecken wollen, müssen voll und ganz mit dem einschlägigen EU-Recht, insbesondere auch mit der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union
in Einklang stehen. Jegliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist rechtswidrig. Von daher sollte jedes Fehlverhalten einzelner Grenzschutzbeamter Gegenstand einer Untersuchung durch die zuständigen Behörden sein und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden.

So funktioniert die Regelung, mit der die EU Geflüchtete aus der Ukraine aufnimmt

Alle 27 EU-Staaten sind bereit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Nach einem Treffen der EU-Innenminister:innen am 03. März 2022 wurde bekannt gegeben, dass die EU eine Richtlinie aktivieren wird, die Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz in der EU garantiert – ohne aufwendige Asylverfahren. Es ist großartig, dass Europa bei der Aufnahme von Geflüchteten endlich zusammenhält. Durch die Aktivierung der Richtlinie wird den Geflüchteten aus der Ukraine unbürokratisch Schutz und Perspektive geboten. Die Richtlinie sagt auch klar, dass die Geflüchteten ein Recht darauf haben zu arbeiten und sich selbstständig zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass die Geflüchteten entweder eine angemessene Unterkunft erhalten oder Mittel bekommen, um sich selbst um so eine Unterkunft zu kümmern. Auch medizinische Versorgung und der Zugang zum Bildungssystem müssen gewährleistet werden. 

Aktuelle Fluchtbewegungen aus der Ukraine

Polen, Ungarn, die Slowakei und Rumänien haben ihre Grenzen geöffnet und lassen alle Menschen aus der Ukraine einreisen. Dafür brauchen die Flüchtenden auch keinen Reisepass, den viele Ukrainer:innen nicht haben. Auch das Nicht-EU-Land Republik Moldau lässt Flüchtende einreisen. Aufgrund der Generalmobilmachung können aber ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren in den meisten Fällen nicht aus der Ukraine ausreisen. Bislang sind laut UNHCR (Stand 11.03.2022) über 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, hinzukommen noch mehr als eine Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine. Putins Angriffskrieg hat zur größten Fluchtbewegung seit dem Ende des zweiten Weltkriegs in Europa geführt.

Die rechtliche Grundlage 

Die rechtliche Grundlage für dieses Handeln ist die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG. Dänemark ist der einzige EU-Staat, der sich außerhalb des Geltungsbereichs der Direktive befindet. Die Richtlinie bietet einen Mechanismus für die EU-weit koordinierte Aufnahme einer großen Zahl von Geflüchteten jenseits des individuellen Asylverfahrens und jenseits des Dublin-Systems. Zuständig dafür, einen “Massenzustrom” festzustellen, ist der Rat der Europäischen Union. Das Parlament wird nur über die Entscheidung informiert, darf sich aber nicht vorab dazu äußern. 

Entstanden ist dieses Gesetz zur Schutzgewährung nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, kam aber bislang nicht zum Einsatz. 2015 wurde es nicht angewendet, weil nicht absehbar war, ob der notwendige EU-Beschluss zustanden kommen würde.

Wie geht es jetzt weiter?

Grundsätzlich steht in der Richtlinie erstmal ein Jahr als Mindestdauer, aber diese kann verlängert werden. Die konkrete Umsetzung der Richtlinie liegt bei den Mitgliedstaaten. Diese müssen nun Zusagen darüber machen, wie viele Geflüchtete sie konkret aufnehmen wollen. Die ukrainischen Geflüchteten können sich selbst einen EU-Mitgliedsstaat aussuchen in dem sie Schutz nach dieser Richtlinie erhalten.

Dabei lässt die Richtlinie leider einen wichtigen Punkt offen, den  Umgang mit Drittstaatsangehörigen. Deutschland will alle Geflüchteten aus der Ukraine unabhängig von ihrer Nationalität aufnehmen. Eine Obergrenze werde es auch nicht geben, sagte Innenministerin Faeser.

Herausforderungen 

Aktuell stehen die Mitgliedsstaaten, vor allem jene an der Grenze zur Ukraine, vor sehr großen Herausforderungen. Bislang gibt es nicht ausreichend Angebote für vulnerable Gruppen wie beispielsweise Kinder. Die Lage an den Grenzen und die Erstaufnahme ist nicht gut und muss schnell besser werden. Wichtig ist auch, dass der Zugang zu staatlichen Leistungen – Schulbildung, medizinische Versorgung – schnell und unkompliziert gewährleistet wird.  

Meine Forderungen und Vorschläge 

Es ist wichtig, dass die Kommission nun koordiniert, dass Geflüchtete, die kein konkretes Zielland haben, Mitgliedstaaten zugeordnet werden, damit wir zu einer fairen Verteilung kommen. Mitgliedstaaten, die viele Geflüchtete aufnehmen, sollten dabei von der EU finanzielle Unterstützung erhalten. Das wichtigste ist aber, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie offen und angemessen umsetzen und dabei auch Drittstaatsangehörigen Zugang gewähren und nicht jene Menschen aussortieren, die zwar aus der Ukraine fliehen mussten, aber keine ukrainischen Staatsbürger:innen sind.  

In den vergangenen Jahren wurden Geflüchtete aus Kriegsgebieten immer wieder zurückgewiesen, obwohl das verboten und unmenschlich war. Man kann nur hoffen, dass die aktuelle Krise dazu beiträgt, dass sich die EU-Staaten an das geltende Recht halten und den heutigen Beschluss schnell umsetzen. Unabhängig von der Richtlinie und den festgelegten Kriterien haben alle Schutzsuchenden das Recht auf einen Zugang zum Asylverfahren. Zurückweisungen darf es nicht geben.

Kommission weigert sich auf Pushbacks durch Kroatien zu reagieren

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion habe ich am 11. Oktober 2021 eine Anfrage an die Kommission eingereicht, in der es um die systematischen Pushbacks durch kroatische Polizeibeamte geht. Hintergrund der Anfrage ist, dass Spiegel und Tagesschau Videomaterial veröffentlichten, auf denen zu sehen ist, wie kroatische Grenzbeamte Schutzsuchende mit brachialer Gewalt illegal abschieben. Schutzsuchende werden in dem Video dazu aufgefordert loszurennen und dann im Lauf mit Schlagstöcken verprügelt. Aus den Beiträgen geht auch hervor, dass diese Praxis auf Anordnung des kroatischen Innenministeriums geschieht. Systematische Gewalt gegen Geflüchtete ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat. Inzwischen wissen wir auch, dass kroatische Grenzbeamte eine dienstliche Anweisung erhalten haben, Schutzsuchende weiterhin illegal abzuschieben, dabei aber darauf achten sollen, sich nicht mehr dabei filmen zu lassen. Von den vier Polizisten, die auf dem Videos zu erkennen sind, wurden drei kurzfristig suspendiert, sind jetzt aber wieder im Dienst.

In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Die Kommission will kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Kroatien einleiten und weist darauf hin, dass sie Kroatien wiederholt aufgefordert hat die Vorwürfe zu untersuchen und dass Kroatien einen Überwachungsmechanismus für solche Fälle eingerichtet hat. Diese Haltung ist zynisch, weil die kroatische Regierung und die kroatischen Behörden sich selber kontrollieren sollen, wobei sie es doch sind, die für die systematischen Pushbacks verantwortlich sind. Der Überwachungsmechanismus ist nicht unabhängig und er funktioniert offensichtlich nicht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Gewaltsame Zurückschiebungen und Prügelattacken an den Außengrenzen Kroatiens

Am 6. Oktober 2021 veröffentlichten mehrere Medien, darunter der Spiegel, die ARD und RTL Croatia, die Ergebnisse ihrer Recherchen über die rechtswidrigen und mit brachialer Gewalt durchgeführten Zurückschiebungen an den kroatischen Außengrenzen, die auf das Konto von Polizeibeamten des Landes gehen sollen, die auf Anordnung des Innenministeriums handeln. Systematische Gewalt gegen Flüchtlinge ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat.

1. Wie wird die Kommission die vom Staat angeordneten Zurückschiebungen untersuchen, und welche Rolle werden die Ergebnisse der Untersuchung beim Weg Kroatiens zur Schengen-Mitgliedschaft spielen, der kürzlich von der Kommission unterstützt wurde?

2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus ergriffen, den Kroatien mit EU-Mitteln an seiner Grenze eingerichtet hat, und wie gedenkt die Kommission, die Überwachung transparenter und wirksamer zu gestalten und glaubwürdige Akteure einzubeziehen, wie es in den Pariser Grundsätzen verankert ist?

3. Welchen Zeitplan sieht die Kommission für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Kroatien wegen der Praktiken des Landes an seinen Außengrenzen vor, die unter anderem gegen den Besitzstand der EU im Asylbereich verstoßen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.2.2022

Nach einer fast vierjährigen Evaluierung der Umsetzung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das Land alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands nachhaltig erfüllt werden. Am 22. Oktober 2019 erließ die Kommission eine Mitteilung[1], in der dies bestätigt wurde, was am 2. Juni 2021 in der Mitteilung über die Schengen-Strategie[2] erneut bekräftigt wurde. Ferner hat der Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021[3] festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt.

Was die Vorwürfe der Misshandlung von Migranten betrifft, so hat die Kommission die kroatischen Behörden wiederholt aufgefordert, diesbezüglich Untersuchungen durchzuführen. In Kroatien wurde ein unabhängiger Überwachungsmechanismus eingerichtet, in dessen Rahmen im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher halbjährlicher (Zwischen-)Bericht und anschließend ein Aktionsplan zur Umsetzung der ursprünglichen Empfehlungen veröffentlicht wurde. Während die Kommission dabei Unterstützung geleistet hat, liegt die Zuständigkeit für die Einrichtung des Mechanismus, einschließlich der Zusammensetzung des betreffenden Gremiums, bei den kroatischen Behörden. Der Abschlussbericht des Mechanismus soll im Juni 2022 vorgelegt werden. Der Beratende Ausschuss, der sich aus Vertretern der Kommission und von Interessenträgern im Bereich der Grundrechte zusammensetzt, wird Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise des Mechanismus abgeben. Kroatien hat auch sein internes Untersuchungssystem ausgebaut.

Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin die Einhaltung des EU-Besitzstands überwachen.

Für Fälle mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Mitteln ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung zuständig. Bei hinreichendem Verdacht auf Betrug oder Missbrauch von EU-Mitteln kann das Amt Untersuchungen einleiten. Die Kroatien aus den drei einschlägigen EU-Instrumenten in den letzten vier Jahren bereitgestellte Finanzierung wurde im Rahmen unabhängiger Audits geprüft und nicht beanstandet.


[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der vollständigen Anwendung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien (COM(2019) 497 final vom 22.10.2019).

[2] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Strategie für einen reibungslos funktionierenden und resilienten Schengen-Raum“ (COM(2021) 277 final vom 2.6.2021).

[3] Ratsdokument 14883/21 vom 9.12.2021.

Kommission hält griechische Bearbeitung von Asylanträgen für europarechtswidrig

Griechenland lehnt Asylanträge mit der Begründung ab, die Türkei sei ein „sicherer Drittstaat“, doch die Türkei lässt diese nicht einreisen. Aus einer Anfrage von mir geht nun hervor, dass die EU-Kommission dieses Vorgehen als europarechtswidrig einstuft. Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“ Die Kommission informiert in ihrer Antwort an mich auch darüber, dass sie der griechischen Regierung bereits erklärt haben, „dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.“

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“

1. Wie viele Folgeanträge wurden von Personen gestellt, deren ursprünglicher Asylantrag auf der Grundlage abgelehnt wurde, die Türkei sei für sie ein sicherer Drittstaat?

2. In wie vielen dieser Fälle brachte Griechenland Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie zur Anwendung? Ist Artikel 23 des griechischen Gesetzes 4825/2021, dem zufolge für die Einreichung eines zweiten Antrags eine Gebühr von 100 EUR entsteht, mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar?

3. Ist es mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar, solche Folgeanträge mit der Begründung als unzulässig abzulehnen, der Antragsteller habe keine neuen Elemente in Bezug auf die Türkei als sicheren Drittstaat geltend gemacht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 25.1.2022

1. Die Kommissionsdienststellen leiteten die Frage des Herrn Abgeordneten zur Beantwortung an die nationalen Behörden weiter, die ihm die Antwort wird so bald wie möglich übermitteln werden.

2. Gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie „müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird“. Obschon in Kapitel II der Asylverfahrensrichtlinie die Gebührenfrage nicht geregelt ist, hat die Kommission die griechischen Behörden darauf hingewiesen, dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.

3. Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie ist, dass der Drittstaat dem Antragsteller die Einreise in sein Hoheitsgebiet nicht erlaubt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Zugang zu einem Verfahren in der Sache gewährt wird. Sie dürfen den Folgeantrag auf der Grundlage des Konzepts des sicheren Drittstaats daher nicht als unzulässig ablehnen.

Anfrage: Griechisches Gesetz zu Rückführungsverfahren

Die griechische Regierung treibt die Abschottung Europas weiter voran und verabschiedete im September ein Gesetz, das Seenotrettung und generell die Einhaltung von Menschenrechten weiter erschwert und daher im Widerspruch zu europäischem Recht steht. Gemeinsam mit Abgeordneten meiner Fraktion, Linken und Sozialdemokraten haben wir die EU-Kommission dazu befragt – die Kommission weicht in ihrer Antwort allerdings allen Fragen aus und verweigert eine Bewertung der Gesetze. Man muss diese „Antwort“ daher als Billigung des griechischen Vorgehens gegen Schutzsuchende interpretieren.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Neues Gesetz über Ausweisungen und Rückführungsverfahren in Griechenland

Am 3. September 2021 verabschiedete das griechische Parlament ein Reformgesetz über Ausweisungen und Verfahren zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen, das ausschließlich von einer Mehrheit der Regierungspartei verabschiedet wurde.

In der Entwurfsphase äußerte die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, ernsthafte Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf und forderte gewissermaßen dessen Rücknahme, da er „nicht im Einklang mit den Menschenrechtsnormen steht“ und dadurch „die lebensrettende Tätigkeit nichtstaatlicher Organisationen und ihre Fähigkeit zur Überwachung der Menschenrechte in der Ägäis ernsthaft behindern würden“.

1. Ist die Kommission der Auffassung, dass dieses neue Gesetz und insbesondere dessen Paragraph 40, mit dem Beschränkungen eingeführt werden, die im Wesentlichen nichtstaatlichen Organisationen verbieten, Rettungsmaßnahmen auf See durchzuführen oder zu unterstützen, und diese unter Strafe stellen, mit der Verpflichtung der griechischen Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte und den einschlägigen Leitlinien der Kommission vereinbar ist?

2. Billigt die Kommission die tendenziöse Methode, mit der Paragraph 40 nach Ablauf des Zeitraums der öffentlichen Konsultation eingeführt wurde?

3. Ist die Kommission der Auffassung, dass die griechische Regierung durch die Einschränkung aller maßgeblichen Tätigkeiten nichtstaatlicher Organisationen das Recht auf Asyl, die Gewährleistung eines Rechtswegs für alle Rückführungsverfahren, die Nichtzurückweisung und die Unterbindung einer automatischen, rechtswidrigen Masseninhaftierung beschneidet?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 6.1.2022

Die Kommission erkennt die aufrichtigen Bemühungen nichtstaatlicher Organisationen (NGO) zur Rettung von Menschenleben auf See an und fordert die Mitgliedstaaten und andere beteiligte Akteure unablässig auf, den einschlägigen rechtlichen Rahmen und humanitäre Grundsätze einzuhalten.

In Hinblick auf eine mögliche Sanktionierung nichtstaatlicher Organisationen, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, weist die Kommission darauf hin, dass die Hilfeleistung für Personen oder Schiffe, die sich in Seenot befinden, eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt und dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe nicht unter Strafe gestellt werden kann. Gleichzeitig obliegt es den Behörden der Mitgliedstaaten, Such- und Rettungseinsätze im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des internationalen Seerechts und der internationalen Menschenrechtsnormen zu koordinieren. Es ist wichtig, dass NGO, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten.

Die Kommission hat wiederholt die Schlüsselrolle gewürdigt, die der Zivilgesellschaft bei der Wahrung der gemeinsamen Werte und der Grundrechte zukommt. Während es die Aktivitäten privatrechtlicher Einrichtungen, auch diejenigen nichtstaatlicher Organisationen, zu regulieren gilt, um volle Transparenz zu gewährleisten, müssen alle als Voraussetzung für ein Tätigwerden in Griechenland auferlegten Beschränkungen notwendig, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Umsetzung und Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über Asyl und Rückkehr weiterhin überwachen. Die Kommission bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten in vollem Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des Völkerrechts und des EU-Rechts, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, handeln müssen.

Anfrage: Gefängnis für Solidarität mit Geflüchteten

Domenico Lucano wurde aus fadenscheinigen Gründen zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er als Bürgermeister Geflüchtete willkommen geheißen hat. Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten meiner Fraktion habe ich die EU-Kommission gefragt, wie die EU-Kommission mit der Verurteilung des ehemaligen Bürgermeisters Domenico Lucano für seine Aufnahme von Schutzsuchenden und generell mit der zunehmenden Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivist:innen unter dem Deckmantel der Bekämpfung von Schleuser-Kriminalität umgeht. Wie gewohnt geht die Antwort der Kommission nicht auf unsere konkreten Fragen ein, sondern betont allgemeine hehre Grundsätze – ohne aktiv zu werden, wenn diese Grundsätze verletzt werden.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Umsetzung der Schleuser-Richtlinie und humanitäre Hilfe

Domenico Lucano, ehemaliger Bürgermeister von Riace, einer Stadt in der süditalienischen Region Kalabrien, wurde wegen Beihilfe zur irregulären Migration und wegen „Unregelmäßigkeiten“ bei der Betreuung von Asylbewerbern zu mehr als 13 Jahren Haft verurteilt.

Während seiner Amtszeit als Bürgermeister erlangte Riace wegen der mustergültigen Aufnahme und Integration von Migranten Berühmtheit. Das Gerichtsurteil ist schockierend, da dabei das von den Staatsanwälten geforderte Strafmaß von sieben Jahren und elf Monaten fast verdoppelt wurde. Dies ist ein weiteres Beispiel für die mangelnde Einheitlichkeit bei der Umsetzung der Schleuser-Richtlinie in den EU-Mitgliedstaaten und für die besorgniserregende Kriminalisierung der humanitären Hilfe.

  1. Wie gedenkt die Kommission vor diesem Hintergrund sicherzustellen, dass der Fall Lucano und ähnliche Fälle von Strafverfolgung und Schuldsprüchen nicht gegen den Geist der Schleuser-Richtlinie verstoßen?
  2. Wie wird die Kommission dafür sorgen, dass die jüngsten Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Schleuser-Richtlinie befolgt werden?
  3. Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um sicherzustellen, dass private Akteure gerettete Migranten an Land bringen können, ohne befürchten zu müssen, strafrechtlich verfolgt zu werden?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021)

In den Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Schleuser-Richtlinie wird klargestellt, dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe niemals unter Strafe gestellt werden darf, und die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, falls noch nicht geschehen, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, zwischen (nicht gesetzlich vorgeschriebenen) Handlungen mit dem Ziel der humanitären Unterstützung und Handlungen mit dem Ziel der Beihilfe zur unerlaubten Einreise oder Durchreise zu unterscheiden und erstere von der Kriminalisierung auszunehmen.

Ein Jahr nach der Annahme der Leitlinien wird im Rahmen des erneuerten EU-Aktionsplans gegen die Schleusung von Migranten die Überwachung der Umsetzung der Schleuser-Richtlinie intensiviert. Bei Verstößen gegen das EU-Recht behält sich die Kommission das Recht vor, von ihren Befugnissen gemäß den Verträgen Gebrauch zu machen, um Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Die Kommission wird 2023 über die Umsetzung des Schleuser-Pakets und der Leitlinien von 2020 Bericht erstatten und erforderlichenfalls eine Überarbeitung vorschlagen, um sicherzustellen, dass die EU angemessen gerüstet ist, um auf die sich wandelnden Herausforderungen in diesem Bereich zu reagieren.

Die Koordinierung von Such- und Rettungseinsätzen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten; die Kommission hat diesbezüglich keine operativen Aufgaben. Dennoch hat die Kommission wiederholt alle beteiligten Akteure aufgefordert, den einschlägigen Rechtsrahmen einzuhalten, und im Zusammenhang mit dem neuen Migrations- und Asylpaket ein besser koordiniertes EU-Konzept für Such- und Rettungseinsätze vorgeschlagen, einschließlich der Einsetzung der ersten Europäischen Kontaktgruppe zu diesem Thema.

Anfrage: Unrechtmäßige Rückführung von Geflüchteten nach Libyen

Dass Libyen kein sicherer Ort für Menschen ist, haben Studien und Gerichtsurteile immer wieder bestätigt. Diese Tatsache ignoriert die EU-Kommission seit Jahren und unterstützt die Libysche Küstenwache dabei, Menschen auf der Flucht nach Libyen zurückzuführen. In ihrer Antwort auf eine gemeinsame Anfrage mehrerer Abgeordneter verweigert die EU-Kommission konkrete Schritte und betont allgemeine Grundsätze – die allerdings im Konflikt mit dem tatsächlichen Vorgehen stehen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Urteil eines Gerichts von Neapel zur Rückführung von Migranten nach Libyen

Libyen ist kein sicherer Einreiseort für Menschen. Zu diesem Schluss kam ein Gericht von Neapel in seinem Urteil und verurteilte einen italienischen Schiffskapitän zu einem Jahr in Haft, weil er 101 gerettete Migranten mithilfe der libyschen Küstenwache (LCG) zurück nach Libyen gebracht hatte. Dies sollte ein klarer Hinweis sein, dass die Rückführung von Migranten nach Libyen nicht annehmbar ist, und zwar nicht nur für gewerbliche Schiffe, die im zentralen Mittelmeer tätig sind, sondern auch für Mitgliedstaaten, deren Such- und Rettungsstrategie auf der Zusammenarbeit mit der sogenannten LCG aufbaut. Trotz eindeutiger Beweise für menschenunwürdige Behandlung und für die Gefahren für Migranten in Libyen wurden Unionsmittel für die Ausbildung und Ausstattung der LCG zugewiesen, und die EU hat Libyen darin unterstützt, eine unverhältnismäßig große Such- und Rettungszone auszuweisen, was zahlreiche Todesopfer zur Folge hatte.

1. Welche Maßnahmen ergreift die Kommission, um die Zusammenarbeit von Mitgliedstaaten mit Libyen zu kontrollieren und die Unterstützung der EU für eine Zusammenarbeit, die zur Zwangsrückführung von Menschen führt, zurückzuziehen?

2. Wie trägt die Kommission gemeinsam mit dem Verwaltungsrat von Frontex dafür Sorge, dass die Agentur nicht mehr zu Zwangsrückführungen beiträgt, indem die LCG an Rettungsmissionen beteiligt wird?

3. In wie vielen Fällen hat Frontex die LCG über ein Boot mit Migranten oder ein Boot in Seenot informiert, was dann zur Rückführungen nach Libyen führte, und werden diese Fälle rückwirkend untersucht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021:

Bei der Zusammenarbeit mit Libyen setzt die EU u. a. folgende Prioritäten: Förderung wirksamer Such‐ und Rettungseinsätze unter Einhaltung von Menschenrechtsnormen; Bemühungen um Beendigung willkürlicher Festnahmen von Migranten; Unterstützung der Internationalen Organisation für Migration bei der freiwilligen Rückkehr und Wiedereingliederung und des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen bei der Evakuierung schutzbedürftiger Flüchtlinge und Asylsuchenden aus Hafteinrichtungen in Libyen. Zum diesem Zweck finanziert die EU Projekte, von denen manche von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Die Kommission überprüft ihre eigenen Maßnahmen in Libyen regelmäßig, indem sie die Berichte ihrer Durchführungspartner überwacht und gezielte Prüfungen durchführt. Angesichts der besonderen Herausforderungen im Zusammenhang mit den Rahmenbedingungen in Libyen hat die Kommission zudem eine Überwachung der Maßnahmen in Libyen durch Dritte im Rahmen des EU-Treuhandfonds für Afrika eingerichtet.

Die Rettung des Lebens von Menschen an Bord von Schiffen in Seenot ist eine absolute Priorität und die Übermittlung von Informationen an die zuständige Seenotrettungsleitstelle (MRCC) stellt eine völkerrechtliche Verpflichtung dar. Wie jede andere Organisation (einschließlich Nichtregierungsorganisationen) meldet die Europäische Agentur für die Grenz‐ und Küstenwache (Frontex) Vorfälle, die einen Such‐ und Rettungseinsatz auf See erforderlich machen, an die international anerkannte libysche Seenotrettungsleitstelle, wenn ein Flugzeug eine Notlage auf See in der libyschen Such‐ und Rettungszone entdeckt. Um Leben in unmittelbarer Gefahr zu retten, ist es zwar notwendig, die zuständige MRCC zu benachrichtigen, doch müssen gemäß den Einsatzplänen von Frontex alle Schiffe den Grundsatz der Nichtzurückweisung in Übereinstimmung mit der Verordnung (EU) Nr. 656/2014 einhalten. Bisher ist keine Ausschiffung durch ein Frontex-Schiff in Libyen durchgeführt worden.

Die Kommission hat Frontex gebeten, die dritte Frage der Damen und Herren Abgeordneten zu beantworten. Die Kommission wird den Damen und Herren Abgeordneten die Antwort der Agentur so rasch wie möglich zukommen lassen.

Anfrage: Ablehnung von Asylanträgen syrischer Staatsangehöriger in Griechenland

Griechenland lehnt Asylanträge syrischer Geflüchteter mit der Begründung ab, sie könnten ja zurück in die Türkei gehen, weil die Türkei ein sicherer Drittstaat sei. In der Realität akzeptiert die Türkei aber schon länger keine Rückführungen mehr, die Betroffenen sitzen also fest und können weder vor noch zurück. Dessen ungeachtet will Griechenland diese Praxis nun auf weitere Herkunftsländer ausweiten. Gemeinsam mit Abgeordneten mehrerer Fraktionen haben wir die EU-Kommission gefragt, wie sie sicherstellen will, dass die Betroffenen erneut einen Antrag stellen können, der die reale Situation in die Beurteilung einbezieht. Die Kommission weigert sich in ihrer Antwort nun, konkrete Schritte dafür zu gehen. Tatsächlich weiß sie nicht einmal, ob und wie viele abgelehnte Antragsteller:innen einen erneuten Antrag stellen können. Die Kommission antwortet, dass sie die Auffassung vertritt, dass syrische Antragsteller, deren Anträge für unzulässig erklärt und nicht in die Türkei abgeschoben wurden, erneut einen Antrag stellen können sollten. Allerdings scheint die Kommission auch keinerlei Konsequenzen ziehen zu wollen, wenn Griechenland das nicht macht. Außerdem betont die Kommission, dass sie sich eine Wiederaufnahme von Rückführungen in die Türkei wünscht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Unzulässigkeit von Asylanträgen syrischer Staatsangehöriger in Griechenland

In ihrem Schreiben vom 26. Juli 2021 erklärte die Kommission, dass syrische Staatsangehörige, deren Asylanträge mit der Begründung für unzulässig erklärt worden seien, dass die Türkei als sicheres Drittland angesehen werde, und die jedoch nicht wieder in die Türkei einreisen dürfen, in Griechenland erneut Asyl beantragen können sollten.

Im März 2020 setzte die Türkei alle Rückübernahmen aus Griechenland aus. Ungeachtet dessen werden seitdem auch weiterhin Asylanträge syrischer Staatsangehöriger endgültig abgelehnt, mit der Begründung, dass die Türkei als sicheres Drittland gelte.

  • Haben alle syrischen Staatsangehörigen auf den griechischen Inseln, deren Anträge für unzulässig erklärt wurden, die Möglichkeit erhalten, erneut Asyl zu beantragen? Wenn nicht: Welche Maßnahmen wird die Kommission ergreifen, um sicherzustellen, dass sie diese Möglichkeit erhalten?
  • Am 7. Juni 2021 schlug die griechische Regierung vor, die Türkei zum sicheren Drittland für Asylbewerber aus Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia zu erklären, was bedeuten würde, dass auch deren Anträge als unzulässig betrachtet würden.
  • Wie wird die Kommission sicherstellen, dass Asylanträge dieser Staatsangehörigen nicht unter der falschen Annahme für unzulässig erklärt werden, dass die Antragsteller von der Türkei zurückgenommen werden können? Welche Schritte wird die Kommission ergreifen, um sicherzustellen, dass die griechische Regierung die Asylverfahrensrichtlinie in dieser Hinsicht einhält?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 21.12.2021

Die Kommission hat in ihrer Antwort auf die schriftliche Anfrage P-000604/2021 betont, dass die griechischen Behörden gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie sicherstellen sollten, dass syrische Antragsteller, deren Anträge für unzulässig erklärt und nicht in die Türkei abgeschoben wurden, erneut einen Antrag stellen können. Die Kommissionsdienststellen haben die griechischen Behörden um die entsprechenden Daten zu Asylanträgen syrischer Staatsangehöriger ersucht, die den Abgeordneten so bald wie möglich übermittelt werden.

Nach der Annahme des Gemeinsamen Ministerbeschlusses vom 7. Juni 2021 betrachtet Griechenland die Türkei als sicheren Drittstaat für Personen, die internationalen Schutz beantragen und aus Syrien, Afghanistan, Bangladesch, Pakistan und Somalia stammen. Soweit unzulässige Antragsteller nicht in die Türkei einreisen dürfen, sollte nach Auffassung der Kommission auch Artikel 38 Absatz 4 der Richtlinie auf diese Anträge angewandt werden und der Zugang zum Asylverfahren auf der Grundlage ihrer Begründetheit gewährt werden.

Die EU setzt sich weiterhin für die vollständige Umsetzung der Erklärung EU-Türkei aus dem Jahr 2016 ein, die den wichtigsten Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei in Migrationsfragen darstellt. Diese Partnerschaft beruht auf gegenseitigem Vertrauen und Handeln, das Engagement und kontinuierliche Anstrengungen von allen Seiten erfordert. Die Kommission hat wiederholt die Wiederaufnahme der Rückführungen aus Griechenland in die Türkei gefordert.

Anfrage: Vorläufige Maßnahmen zu Asylbewerbern in Polen, Lettland und Litauen

Gemeinsam mit sieben anderen Abgeordneten aus unserer Fraktion haben ich die Kommission am 1. Oktober 2021 gefragt, ob sie das Verhängen eines Ausnahmezustandes durch Polen und die Weigerung Asylverfahren an der Grenze zu ermöglichen, für kompatibel mit EU-Recht hält. Außerdem fragten wir, welche Maßnahmen die Kommission bezüglich illegaler Pushbacks ergreift und ob sie prüfe, ob der Einsatz von EU-Agenturen in Lettland und Litauen mit dem Rechtsrahmen vereinbar sind. Die Kommission antwortet, dass sie das Vorgehen Belarus verurteile, was aber gar nicht in Frage stand. Außerdem erklärt die Kommission, dass sich die Mitgliedsstaaten natürlich an EU-Recht halten müssten, die Kommission aber nicht befugt sei, bei Verstößen gewisse Maßnahmen auch durchzusetzen. Eine Verurteilung der klaren Menschenrechtsverstoße durch Mitgliedsstaaten durch die Kommission findet nicht statt, aber zumindest erklärt Frau Johansson, dass der Grundsatz der Nichtzurückweisung gilt, auch wenn nicht ausgesprochen wird, dass Staaten wie Polen sich offensichtlich nicht daran halten.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Vorläufige Maßnahmen in Bezug auf die Lage der Asylbewerber in Polen, Lettland und Litauen

Nach einer Reihe von Gesetzesänderungen in Polen, Lettland und Litauen haben die dortigen Sicherheitskräfte Berichten zufolge Dutzende von Asylsuchenden an der EU-Grenze zu Belarus daran gehindert, in diese Länder einzureisen und Asylanträge zu stellen, was zu mehreren Todesfällen geführt hat. Am 8. September 2021 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine vorläufige Entscheidung, in dem Litauen aufgefordert wurde, fünf afghanische Asylbewerber nicht nach Belarus zurückzuführen. Laut Reuters wurde gegen diese Entscheidung am 9. September 2021 verstoßen. Am 27. September 2021 weitete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine vorangegangenen einstweiligen Anordnungen aus, indem Polen und Lettland verpflichtet wurden, den betroffenen Personen Nahrung, Betreuung und eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen sowie ihnen den Zugang zu Rechtsanwälten zu ermöglichen.

1.    Ist die Kommission der Auffassung, dass der in den jeweiligen Ländern verhängte Ausnahmezustand, die Gesetzesänderungen und die anschließenden von Polen, Lettland und Litauen ergriffenen Maßnahmen mit dem Schengen-Besitzstand und dem EU-Asylrecht und insbesondere mit den Bestimmungen in Einklang stehen, nach denen die Mitgliedstaaten auch an der Grenze Zugang zu Asylverfahren gewähren müssen?

2.    Welche Maßnahmen hat die Kommission im Anschluss an die einstweiligen Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Zurückschiebung von Personen durch die litauischen Behörden am 9. September 2021, ergriffen?

3.    Hat die Kommission geprüft, ob die Präsenz von EU-Agenturen in Lettland und Litauen mit den Rechtsrahmen vereinbar ist, denen gemäß die Agenturen tätig sein müssen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 3.12.2021:

Die Kommission verurteilt aufs Schärfste die Instrumentalisierung von Migranten für politische Zwecke durch Belarus. Sie steht im kontinuierlichen Dialog mit den nationalen Behörden Litauens, Lettlands und Polens, unter anderem über die nationalen Notstandsgesetze und deren Vereinbarkeit mit dem EU-Recht.

Der Kommission sind verschiedene einstweilige Maßnahmen bekannt, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit der außergewöhnlichen Lage an der Grenze zu Belarus in mehreren Fällen gegen Litauen, Lettland und Polen erlassen hat.

Die Kommission ist nicht befugt, einstweilige Maßnahmen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte durchzusetzen. Beim Management der Außengrenzen und bei der Anwendung der Bestimmungen des Schengener Grenzkodexes[1] sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, das Recht auf Zugang zu einem Verfahren des internationalen Schutzes zu gewährleisten und den Grundsatz der Nichtzurückweisung im Einklang mit dem Besitzstand der Union im Asylbereich und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu achten.

Die Kommission steht zudem in engem Kontakt mit internationalen Menschenrechtsorganisationen und den EU-Agenturen, um sicherzustellen, dass jede Agentur im Rahmen ihres jeweiligen Mandats den betroffenen Mitgliedstaaten die erforderliche Unterstützung leistet.


[1] Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

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