Meine Anfrage zu EU-Mitteln für die ägyptische Küstenwache

Die Kommission hat hier erklärt wie sie in den kommenden beiden Jahren die ägyptische Küstenwache mit 80 Millionen € finanzieren will, damit sie Menschen ins Land zurückschleppt, obwohl die Menschenrechtslage katastrophal ist. Die Kommission bezeichnet dies beschönigend als „Verhinderung irregulärer Migration auf dem Seeweg“.

Die Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr hier.

Meine Anfrage

Kommissionsmitglied Várhelyi hat kürzlich bestätigt, dass die Kommission Ägypten langfristige und kurzfristige finanzielle Unterstützung in Höhe von fast 300 Mio. EUR zugesagt hat. Laut Nachrichtenberichten sind 80 Mio. EUR der Mittel für die ägyptische Küstenwache für den „Grenzschutz“ und für die Verhinderung der Flucht von Ägyptern vorgesehen. Das Parlament hat mehrfach seine Besorgnis über die katastrophale Menschenrechtslage in Ägypten zum Ausdruck gebracht, und seit Januar 2021 sind 3 500 Ägypter aus dem Land per Boot nach Italien geflohen, was sie zur zweitgrößten Gruppe der dort ankommenden Menschen aus den Mittelmeerländern macht.

  • Kann die Kommission einen Überblick über alle an die ägyptischen Behörden und die Küstenwache, insbesondere für den Grenzschutz, gelieferten Ausrüstungsgegenstände oder Dienstleistungen geben, und wie sieht der Zeitplan für die künftige Verteilung aus?
  • Anhand welcher Indikatoren wird die Kommission sicherstellen, dass die migrationspolitische Zusammenarbeit zwischen der EU und Ägypten im Einklang mit Artikel 3 Absatz 5 des Vertrags über die Europäische Union steht, d. h. dass die Menschenrechte gewahrt und gefördert werden, z. B. durch die Gewährleistung der Rechenschaftspflicht bei möglichen Menschenrechtsverletzungen?
  • Welche Folgen- oder Risikobewertung in Bezug auf Menschenrechte wurde (oder wird) bei dieser finanziellen Unterstützung durchgeführt, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Leistungen Menschenrechtsverletzungen nicht erleichtern oder für solche genutzt werden?

Antwort von Olivér Várhelyi im Namen der Europäischen Kommission am 25.08.2022

Die Kommission ist bereit, Ägypten bei der Aufrechterhaltung seiner Kapazitäten zur Verhinderung irregulärer Migration auf dem Seeweg und bei der verstärkten Kontrolle seiner Grenze zu Libyen und Sudan zu unterstützen. Angesichts der Tatsache, dass die irregulären Einreisen ägyptischer Staatsangehöriger in die EU (über 90 % nach Italien, hauptsächlich über Libyen) sich im Jahr 2021 (auf 9219) versechsfacht haben, ist dies von besonderer Bedeutung.

Vor diesem Hintergrund entwickelt die Kommission derzeit in enger Abstimmung mit den ägyptischen Behörden eine Maßnahme zur Unterstützung des Grenzmanagements (Such‐ und Rettungsmaßnahmen sowie Grenzüberwachung an Land‐ und Seegrenzen). Insgesamt sind Mittel in Höhe von 80 Mio. EUR vorgesehen, die in zwei Phasen umgesetzt werden sollen: 23 Mio. EUR im Jahr 2022 und 57 Mio. EUR im Jahr 2023. Da die Maßnahme noch nicht angenommen wurde, liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Überblick über die Ausrüstungsgegenstände oder Dienstleistungen vor, die den ägyptischen Behörden in diesem Rahmen zur Verfügung gestellt werden.

Zu der Maßnahme wird eine Ex-ante-Risikobewertung durchgeführt, und während der gesamten Laufzeit sind Monitoringmaßnahmen vorgesehen, um sicherzustellen, dass durch die Maßnahme die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsnormen und der Schutz von Flüchtlingen und Migranten nicht gefährdet wird.

Anfrage: EU-Aktionsplan als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan

Nach der Übernahme Afghanistans durch die Taliban im August 2021 setzte die Kommission die meisten ihrer Abkommen mit dem Land aus und stellte die Zusammenarbeit mit Afghanistan weitgehend ein. Seitdem hat sie als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan einen Aktionsplan ausgearbeitet, der den Medien zugespielt wurde. Dazu habe ich folgende Fragen gestellt:

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Fragen

  • Wurde der Aktionsplan bereits angenommen? Wenn ja, wird es Berichte über die Umsetzung geben und werden die Maßnahmen öffentlich zugänglich gemacht?
  • Wird das Parlament über die Umsetzung des Aktionsplans informiert?
  • Wird die Kommission ihre Zusage, 38 000 besonders schutzbedürftige Afghanen aufzunehmen nach Mitgliedstaaten und Programmen (Neuansiedlung, humanitäre Aufnahme usw.) aufschlüsseln und mitteilen sowie bekannt geben, wie viele Afghanen derzeit sowohl über die offiziellen Evakuierungsrouten als auch über die Programme für gefährdete Afghanen nach Europa kommen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.08.2022

1. Die Aktionspläne zur Stärkung umfassender Migrationspartnerschaften mit vorrangigen Herkunfts‐ und Transitländern, einschließlich des als Reaktion auf die Ereignisse in Afghanistan angenommenen Aktionsplans, wurden gemeinsam von der Kommission und vom Europäischen Auswärtigen Dienst gemäß den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Juni 2021 entwickelt und anschließend den Mitgliedstaaten auf den Sitzungen der Arbeitsgruppe „Externe Aspekte der Asyl‐ und Migrationspolitik“ des Rates vorgestellt. Bei diesen Aktionsplänen handelt es sich um dynamische Dokumente, die mit der Zeit weiterentwickelt werden. Sie sind für den internen Gebrauch der EU und ihrer Mitgliedstaaten gedacht und sollen zur Entwicklung eines gemeinsamen strategischen Ansatzes für die Zusammenarbeit mit den Partnerländern beitragen. Mit diesem spezifischen Aktionsplan wird das Ziel verfolgt, die Maßnahmen zu verstärken, die zur Unterstützung der afghanischen Bevölkerung bzw. gemeinsam mit den Nachbarländern Afghanistans ergriffen werden sollen. In Afghanistan besteht großer Bedarf an humanitärer Hilfe, und die eigenen Ressourcen des Landes sind begrenzt. Die humanitäre Hilfe der EU in Afghanistan läuft bereits und wird im Einklang mit den Grundsätzen der Menschlichkeit, Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit geleistet.

2. Die Kommission ist entschlossen, das Europäische Parlament auch weiterhin umfassend über alle Aspekte der Migrationspolitik zu informieren, auch in Bezug auf ihre Maßnahmen in Afghanistan und der Region. Die Kommission wird das Parlament weiterhin über die Entwicklung der humanitären Lage vor Ort und die Anpassung der humanitären Maßnahmen der EU unterrichten.

3. Die Zusagen, die die Mitgliedstaaten bezüglich gefährdeter Afghanen für den Zeitraum 2021-2022 gemacht haben, sind dem Anhang zu entnehmen. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission gemeldet, dass bis April 2022 fast 28 700 Personen aus humanitären Gründen aufgenommen wurden, die Neuansiedlung jedoch noch nicht begonnen hat.

Anfrage: Bericht der griechischen Transparenzbehörde

Ich habe die EU-Kommission am 25.05.2022 gefragt, wie sie dazu steht, dass die griechischen Behörden ankommende Schutzsuchende sofort in Abschiebehaft nimmt und in ein Gefängnis sperrt, dass sie nicht verlassen dürfen. Die Kommission antwortet, dass ihr diese Praxis bekannt ist und diese rechtlich auch zu rechtfertigen sei, wenn weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirken. Diese „weniger einschneidenden Maßnahmen“ werden aber nicht angewandt und müssten auch einer Einzefallprüfung unterliegen – was sie derzeit nicht tun.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Die nationale Transparenzbehörde Griechenlands veröffentlichte am 10. Mai 2022 einen Untersuchungsbericht zu mutmaßlichen Zurückweisungen, in dem unter anderem das Verfahren für die Bewältigung des Stroms von Asylsuchenden beschrieben wird, die das griechische Hoheitsgebiet auf dem Land- oder Seeweg erreichen.

  • Wie beurteilt die Kommission – unter Berücksichtigung von Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta und Artikel 8 und 9 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen – das Vorgehen Griechenlands, Neuankömmlinge bis zu ihrer Überstellung in ein Aufnahme- und Identifizierungszentrum in der Region Evros in Abschiebehaft zu nehmen (S. 23/24)?
  • Wie beurteilt sie – unter Berücksichtigung von Artikel 6 der EU-Grundrechtecharta und Artikel 8 und 9 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen – die Praxis, dass Antragsteller während der Aufnahme- und Identifizierungsverfahren ab der Registrierung bis zu 25 Tage lang in der Einrichtung untergebracht sind, diese jedoch nicht verlassen dürfen, da sie sich in Gewahrsam befinden (S. 29)?
  • Wie werden Statistiken zur „Prävention“ (S. 56) erhoben und wie viele Fälle von Prävention wurden 2021 von den griechischen Behörden verzeichnet? Bitte geben Sie eine Aufschlüsselung nach Polizeidirektion (Alexandroúpoli, Orestiada, nördliche Ägäis und Dodekanes) an.

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 3.08.2022

Der Kommission ist bekannt, dass Personen, die irregulär über die Landgrenze mit der Türkei bei Evros ankommen, in das Aufnahme‐ und Identifizierungszentrum in Fylakio überstellt werden, wo sie dem Aufnahme‐ und Identifizierungsverfahren unterliegen und sich einer ärztlichen Untersuchung, der Registrierung personenbezogener Daten, der Abnahme von Fingerabdrücken und einer Befragung unterziehen müssen; anschließend werden sie in die Folgeverfahren (Asyl für Personen, die internationalen Schutz beantragen, oder Rückführung von Personen, die auf einen solchen Antrag verzichten), geleitet werden.

In Bezug auf die Verwaltungshaft während des Aufnahme‐ und Identifizierungsverfahrens enthält Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie über Aufnahmebedingungen[1] im Einklang mit Artikel 6 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2] eine erschöpfende Liste der Gründe, aus denen ein Antragsteller in Haft genommen werden kann, wenn sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Zu den dort aufgeführten Haftgründen zählt die Notwendigkeit, die Identität oder Staatsangehörigkeit der Person festzustellen oder zu überprüfen. Solche Entscheidungen müssen jedoch auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung getroffen werden. Die Kommission verfolgt die Lage vor Ort aufmerksam und steht im Dialog mit den griechischen Behörden. Sie erhebt jedoch keine Statistiken über „Präventionen“ und verfügt nicht über die vom Herrn Abgeordneten angeforderten Informationen.

Anfrage: Schutz für staatenlose Geflüchtete aus Ukraine

Gemeinsam mit neun anderen Abgeordneten aus vier Fraktionen habe ich eine Anfrage zur Anwendung der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes auf staatenlose Flüchtlinge aus der Ukraine gestellt. Die Anfrage und die Antwort findet ihr in mehreren Sprachen auch hier.

Unsere Anfrage vom 20. Mai 2022

Die Mitgliedstaaten der EU sind nicht verpflichtet, die Gewährung vorübergehenden Schutzes auf die meisten staatenlosen Flüchtlinge aus der Ukraine auszudehnen. Die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes gilt nur für Staatenlose, die in der Ukraine internationalen Schutz (oder einen gleichwertigen Status) genießen. Staatenlose, die nachweisen können, dass sie sich vor dem 24. Februar 2022 dauerhaft in der Ukraine aufgehalten haben und nicht sicher in ihr Herkunftsland oder ihre Herkunftsregion zurückkehren können, haben ebenfalls Anspruch auf Schutz, aber die Mitgliedstaaten können entscheiden, ob sie die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes anwenden oder einen „angemessenen Schutz nach nationalem Recht“ gewähren wollen. Die Mitgliedstaaten können den Schutz auf andere Personen einschließlich Staatenlose, die sich rechtmäßig in der Ukraine aufhielten, ausdehnen.

  • Wie gedenkt die Kommission sicherzustellen, dass die Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Einklang mit den im Völkerrecht und im Unionsrecht verankerten Grundsätzen des Diskriminierungsverbots und der Wahrung der Rechte Staatenloser durch die Mitgliedstaaten in allen Bereichen umgesetzt wird?
  • Gedenkt die Kommission, erstens die operativen Leitlinien für die Umsetzung der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes so zu ändern, dass sie auch für Staatenlose mit Wohnsitz in der Ukraine, die keine Belege für ihre Bindung zu diesem Land haben, gelten, zweitens klarzustellen, dass der gleichwertige nationale Schutz auch den Schutz als Staatenloser im Sinne des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 umfasst, und drittens Flexibilität bei den Beleganforderungen einzuführen, um den inhärenten Schwierigkeiten beim Nachweis der Staatenlosigkeit durch Dokumente Rechnung zu tragen?
  • Gedenkt die Kommission, in den Vorsorge- und Krisenplan der EU für Migration Informationen über Staatenlosigkeit aufzunehmen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission vom 3. August 2022

1. Der Schutz all jener, die staatenlos oder von Staatenlosigkeit bedroht sind, ist ein Anliegen der Kommission. Der einschlägige Ratsbeschluss vom 4. März 2022[1] zur Einführung des vorübergehenden Schutzes im Rahmen der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz[2] erstreckt sich auch auf bestimmte Gruppen Staatenloser, die unter jene Kategorien fallen, die nach nationalem Recht Anspruch auf vorübergehenden Schutz oder einen anderen angemessenen Schutz haben. Die Mitgliedstaaten können den Schutz auf alle anderen Staatenlosen ausdehnen. Die Mitgliedstaaten mussten die Mindestnormen und Rechte der Richtlinie über den vorübergehenden Schutz bis zum 31. Dezember 2002[3] oder anlässlich des Beitritts zur EU in innerstaatliches Recht umsetzen. Diese Bestimmungen wurden durch den Beschluss des Rates vom 4. März 2022 aktiviert. Die Kommission hat die Mitgliedstaaten auf verschiedene Weise (operative Leitlinien, eigene Tagesordnungspunkte, Missionen usw.) und in vielen Gremien (Solidaritätsplattform, Blaupause, Arbeitsgruppen des Rates usw.) aufgefordert, diese Vorschriften angemessen auf alle unter die Richtlinie fallenden Personen anzuwenden, einschließlich Staatenloser, die insbesondere mit besonderen Herausforderungen in Bezug auf Nachweise und Statusfeststellung konfrontiert sind.

2. Die operativen Leitlinien der Kommission für die Umsetzung des Ratsbeschlusses[4], die bereits Kapitel über Nachweise und Statusfeststellungen enthalten, werden aktualisiert, um der Lage vor Ort und dem sich wandelnden Bedarf gebührend Rechnung zu tragen.

3. Die Kommission aktualisiert die im Rahmen des Vorsorge‐ und Krisenplans der EU erhobenen Informationen regelmäßig und passt sie entsprechend den Entwicklungen und der Verfügbarkeit von Daten an. Darüber hinaus war Staatenlosigkeit ein spezieller Tagesordnungspunkt für die Solidaritätsplattform, die zur Umsetzung des vorübergehenden Schutzes eingerichtet wurde.

  • [1] Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. L 71 vom 4.3.2022, S. 1).
  • [2] Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12).
  • [3] Artikel 32 der Richtlinie 2001/55/EG.
  • [4] Mitteilung der Kommission zu operativen Leitlinien für die Umsetzung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. C 126I vom 21.3.2022, S. 1).

Wie viele EU-Gelder sind nach Griechenland für den Bereich Migration geflossen?

Seit dem Jahr 2015 hat die Europäische Union Griechenland insgesamt 3,38€ Milliarden für die Bewältigung von Migrations- und Grenzaufgaben zur Verfügung gestellt. 2,53€ Milliarden wurden bisher von Griechenland abgerufen. 

Die Unterstützung Griechenlands durch die Europäische Union erfolgt durch drei Töpfe: den Asylum, Migration and Integration Fund (AMIF), der Internal Security Fund (ISF) und das  Emergency Support Instrument (ESI). Der größte Topf ist der AMIF über den insgesamt 328,3€ Milliarden zur Verfügung gestellt wurden. Über diesen Haushaltsposten werden EU-Mitgliedstaaten unterstützt zum Zweck des effizienten Managements von Migration und der Implementierung und Stärkung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Der ISF stellt Geld für das Management von Visum und Einreise, Kontrolle der Außengrenzen, aber auch Rückführungen, beispielsweise durch Frontex, bereit. Hier wurde Griechenland 320€ Millionen bereitgestellt. Das ESI dient der Unterstützung für Notlagen und gibt Geld für humanitäre Hilfe, der Anteil betrug 668,9€ Millionen. Der Großteil der regulären Gelder aus AMIF, ISF und ESI fließt an die nationalen Behörden, also an die griechischen Behörden, die sich mit Migration und Asyl befassen, so beispielsweise das griechische Ministerium für Migration und Asyl. 


Neben den regulär vorgesehenen Bedarfen können zusätzlich für weitere kurzfristige Notfallbedarfe (“Emergency Assistance”) Gelder aus AMIF und ISF mobilisiert werden. Die geflossenen Gelder aus der Emergency Assistance stellen im Fall von Griechenland die größte Summe alle geflossenen Gelder, insgesamt 1,54€ Milliarden. Zwei Drittel aller Gelder der Emergency Assistance sind an internationale Organisationen geflossen, das letzte Drittel an die griechischen Behörden. Dabei ist wichtig festzuhalten, dass insgesamt 2,06€ Milliarden bereitgestellt worden, Griechenland aber nicht alles abgerufen hat.

Politischer Wille für eine gute Versorgung fehlt

Tatsächlich erhielten die griechischen Behörden 2,53€ Milliarden, um die erhöhten Ankunftszahlen der letzten Jahre zu bewältigen. Dabei ist es besonders wichtig, anzumerken, dass 3,38€ Milliarden zugesprochen wurden, aber ein Großteil davon nicht ausgegeben wurde. Dies zeigt deutlich, dass die Gelder vorhanden sind, um die Flüchtlinge auf den griechischen Inseln und auf dem Festland angemessen und würdig zu versorgen, jedoch der politische Wille fehlt, dies auch so umzusetzen. 

Noch werden in Griechenland grundlegende Anforderungen der EU-Aufnahmerichtlinie nicht eingehalten wie zum Beispiel das Recht auf Bildung der Kinder. Auch die Essensversorgung ist nach wie vor problematisch und ungenügend. Genug Geld wäre tatsächlich da, um die Probleme nachhaltig zu lösen. Selbst der Europäische Rechnungshof als EU-eigene Behörde kam in seinem Jahresbericht 2019 zu ähnlichen Schlussfolgerungen, ohne sie explizit so zu benennen. Es kam nicht zu expliziten Veruntreuungen der Gelder, jedoch wurden einige Gelder aus der Emergency Assistance für längerfristige Projekte und Strukturen zweckentfremdet, obwohl diese nur flexibel für kurzfristige Notfallbedarfe eingesetzt werden dürfen. Außerdem bemängelte der Rechnungshof die ineffiziente Nutzung der Gelder und somit die Diskrepanz zwischen den EU-Zielen und den tatsächlichen Ergebnissen – sprich das Fehlen des politischen Willens. Nun fließen die Gelder aber nicht nur an die griechischen Behörden, sondern auch an internationale Organisationen. Aber auch mehr Gelder an internationale Organisationen sind nicht zwingend hilfreich, wenn die griechische Regierung deren Arbeit blockiert und kriminalisiert, wie es vor allem auf den griechischen Inseln der Fall ist. 

Wer sich genauer mit den veranschlagten und geflossenen Geldern befassen möchte, findet hier eine Übersicht von der Europäischen Kommission. Sie stellt auch dar, wie viele Gelder an die unterschiedlichen internationalen Organisation sowie an welche griechischen Behörden sie geflossen sind. 

Eine Betrachtung der Zahlen macht eines nochmal sehr deutlich. Die staatlichen Behörden und Organisationen haben eigentlich genügend Mittel, um Menschen würdig zu behandeln. Aber es scheint politisch nicht gewünscht zu sein.

Kommission ignoriert Dienstanweisung für Pushbacks in Kroatien

Die kroatische Polizei hat von offizieller Stelle Dienstanweisungen für Pushbacks erhalten. In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen. In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Dort wo es Probleme gibt, erklärt sich die Kommission einfach für nicht zuständig. Die Kommission verschließt also weiterhin die Augen vor den systematischen Menschenrechtsverletzungen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier

Unsere Anfrage

Betrifft: Pushbacks durch die kroatische Polizei

Wie das kroatische Portal Index.hr berichtet, erhalten kroatische Grenzbeamte Dienstanweisungen für Pushbacks. Sie befolgen also Befehle und führen die Pushbacks nicht nach eigenem Ermessen durch, wie die kroatische Regierung bislang behauptete. Die entsprechende Anweisung ist eine Reaktion auf ein vom Spiegel und der ARD im Oktober veröffentlichtes Video, in dem kroatische Grenzbeamte bei gewaltvollen Pushbacks gefilmt wurden. Auf die Antwort der Kommission auf meine Anfrage bezüglich der Videos warte ich seit fast vier Monaten.

In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen.

1. Wie gedenkt die Kommission diese staatlich angeordneten Pushbacks zu untersuchen, und welche Bedeutung gedenkt sie den Ergebnissen dieser Untersuchung im Hinblick auf das Verfahren des Beitritts Kroatiens zum Schengen-Raum beizumessen?

2. Erwartet die Kommission Änderungen am „unabhängigen Überwachungsmechanismus“ an der Außengrenze, nachdem die kroatische Regierung offensichtlich kein Interesse daran, hat Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die sie selbst verantwortet?

3. Hält die Kommission die Ausführungen des kroatischen Innenministeriums für glaubwürdig, laut denen die kroatische Regierung nichts mit den Pushbacks zu tun habe und es sich um das Fehlverhalten einzelner Beamter handele?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 29.4.2022

1. Die Untersuchung von mutmaßlichen strafbaren Handlungen nationaler Behörden liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Die Kommission hat die kroatischen Behörden immer wieder aufgefordert, mutmaßliche Misshandlungen von Migranten zu untersuchen. Der vollumfängliche Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen erfordert einen einstimmigen Beschluss des Rates, dessen Annahme noch aussteht. Der Rat (Justiz und Inneres) hat auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021 festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt. Die Kommission ist der Auffassung, dass Kroatien die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für die Anwendung
des Schengen-Besitzstands
erfüllt sind und erfüllt bleiben.

2. Auch wenn die Kommissionsdienststellen in Zusammenarbeit mit den kroatischen Behörden sicherzustellen suchen, dass der „unabhängige Überwachungsmechanismus“ Kroatiens wirksam funktioniert, bleiben die Einrichtung des Mechanismus und insbesondere seine Zusammensetzung doch in kroatischer Hand. Im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus wurde im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher Halbjahres-(Zwischen-)Bericht erstellt. Die kroatischen Behörden teilten der Kommission und dem Parlament mit, wie sie die ersten Empfehlungen umsetzen. Der Beratende Ausschuss – dem die Kommission und einschlägige Interessenträger angehören (und der nicht Bestandteil des Mechanismus ist) – wird Empfehlungen abgeben, wie die Funktionsweise des Mechanismus für die unabhängige Überwachung verbessert werden kann. Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin darüber wachen, dass geltendes EU-Recht eingehalten wird.

3. Die Kommission vermag die Glaubwürdigkeit der Ausführungen, auf die der Herr Abgeordnete Bezug nimmt, nicht zu beurteilen. Die Haltung der Kommission in Sachen Grundrechte ist jedoch klar: Jegliche Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten das unbefugte Überschreiten der EU-Außengrenzen verhindern oder davor abschrecken wollen, müssen voll und ganz mit dem einschlägigen EU-Recht, insbesondere auch mit der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union
in Einklang stehen. Jegliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist rechtswidrig. Von daher sollte jedes Fehlverhalten einzelner Grenzschutzbeamter Gegenstand einer Untersuchung durch die zuständigen Behörden sein und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden.

So funktioniert die Regelung, mit der die EU Geflüchtete aus der Ukraine aufnimmt

Alle 27 EU-Staaten sind bereit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Nach einem Treffen der EU-Innenminister:innen am 03. März 2022 wurde bekannt gegeben, dass die EU eine Richtlinie aktivieren wird, die Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine Schutz in der EU garantiert – ohne aufwendige Asylverfahren. Es ist großartig, dass Europa bei der Aufnahme von Geflüchteten endlich zusammenhält. Durch die Aktivierung der Richtlinie wird den Geflüchteten aus der Ukraine unbürokratisch Schutz und Perspektive geboten. Die Richtlinie sagt auch klar, dass die Geflüchteten ein Recht darauf haben zu arbeiten und sich selbstständig zu machen. Die Mitgliedstaaten müssen auch sicherstellen, dass die Geflüchteten entweder eine angemessene Unterkunft erhalten oder Mittel bekommen, um sich selbst um so eine Unterkunft zu kümmern. Auch medizinische Versorgung und der Zugang zum Bildungssystem müssen gewährleistet werden. 

Aktuelle Fluchtbewegungen aus der Ukraine

Polen, Ungarn, die Slowakei und Rumänien haben ihre Grenzen geöffnet und lassen alle Menschen aus der Ukraine einreisen. Dafür brauchen die Flüchtenden auch keinen Reisepass, den viele Ukrainer:innen nicht haben. Auch das Nicht-EU-Land Republik Moldau lässt Flüchtende einreisen. Aufgrund der Generalmobilmachung können aber ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren in den meisten Fällen nicht aus der Ukraine ausreisen. Bislang sind laut UNHCR (Stand 11.03.2022) über 2,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, hinzukommen noch mehr als eine Millionen Binnenflüchtlinge in der Ukraine. Putins Angriffskrieg hat zur größten Fluchtbewegung seit dem Ende des zweiten Weltkriegs in Europa geführt.

Die rechtliche Grundlage 

Die rechtliche Grundlage für dieses Handeln ist die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie 2001/55/EG. Dänemark ist der einzige EU-Staat, der sich außerhalb des Geltungsbereichs der Direktive befindet. Die Richtlinie bietet einen Mechanismus für die EU-weit koordinierte Aufnahme einer großen Zahl von Geflüchteten jenseits des individuellen Asylverfahrens und jenseits des Dublin-Systems. Zuständig dafür, einen “Massenzustrom” festzustellen, ist der Rat der Europäischen Union. Das Parlament wird nur über die Entscheidung informiert, darf sich aber nicht vorab dazu äußern. 

Entstanden ist dieses Gesetz zur Schutzgewährung nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren, kam aber bislang nicht zum Einsatz. 2015 wurde es nicht angewendet, weil nicht absehbar war, ob der notwendige EU-Beschluss zustanden kommen würde.

Wie geht es jetzt weiter?

Grundsätzlich steht in der Richtlinie erstmal ein Jahr als Mindestdauer, aber diese kann verlängert werden. Die konkrete Umsetzung der Richtlinie liegt bei den Mitgliedstaaten. Diese müssen nun Zusagen darüber machen, wie viele Geflüchtete sie konkret aufnehmen wollen. Die ukrainischen Geflüchteten können sich selbst einen EU-Mitgliedsstaat aussuchen in dem sie Schutz nach dieser Richtlinie erhalten.

Dabei lässt die Richtlinie leider einen wichtigen Punkt offen, den  Umgang mit Drittstaatsangehörigen. Deutschland will alle Geflüchteten aus der Ukraine unabhängig von ihrer Nationalität aufnehmen. Eine Obergrenze werde es auch nicht geben, sagte Innenministerin Faeser.

Herausforderungen 

Aktuell stehen die Mitgliedsstaaten, vor allem jene an der Grenze zur Ukraine, vor sehr großen Herausforderungen. Bislang gibt es nicht ausreichend Angebote für vulnerable Gruppen wie beispielsweise Kinder. Die Lage an den Grenzen und die Erstaufnahme ist nicht gut und muss schnell besser werden. Wichtig ist auch, dass der Zugang zu staatlichen Leistungen – Schulbildung, medizinische Versorgung – schnell und unkompliziert gewährleistet wird.  

Meine Forderungen und Vorschläge 

Es ist wichtig, dass die Kommission nun koordiniert, dass Geflüchtete, die kein konkretes Zielland haben, Mitgliedstaaten zugeordnet werden, damit wir zu einer fairen Verteilung kommen. Mitgliedstaaten, die viele Geflüchtete aufnehmen, sollten dabei von der EU finanzielle Unterstützung erhalten. Das wichtigste ist aber, dass die Mitgliedstaaten die Richtlinie offen und angemessen umsetzen und dabei auch Drittstaatsangehörigen Zugang gewähren und nicht jene Menschen aussortieren, die zwar aus der Ukraine fliehen mussten, aber keine ukrainischen Staatsbürger:innen sind.  

In den vergangenen Jahren wurden Geflüchtete aus Kriegsgebieten immer wieder zurückgewiesen, obwohl das verboten und unmenschlich war. Man kann nur hoffen, dass die aktuelle Krise dazu beiträgt, dass sich die EU-Staaten an das geltende Recht halten und den heutigen Beschluss schnell umsetzen. Unabhängig von der Richtlinie und den festgelegten Kriterien haben alle Schutzsuchenden das Recht auf einen Zugang zum Asylverfahren. Zurückweisungen darf es nicht geben.

Kommission weigert sich auf Pushbacks durch Kroatien zu reagieren

Gemeinsam mit anderen Abgeordneten meiner Fraktion habe ich am 11. Oktober 2021 eine Anfrage an die Kommission eingereicht, in der es um die systematischen Pushbacks durch kroatische Polizeibeamte geht. Hintergrund der Anfrage ist, dass Spiegel und Tagesschau Videomaterial veröffentlichten, auf denen zu sehen ist, wie kroatische Grenzbeamte Schutzsuchende mit brachialer Gewalt illegal abschieben. Schutzsuchende werden in dem Video dazu aufgefordert loszurennen und dann im Lauf mit Schlagstöcken verprügelt. Aus den Beiträgen geht auch hervor, dass diese Praxis auf Anordnung des kroatischen Innenministeriums geschieht. Systematische Gewalt gegen Geflüchtete ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat. Inzwischen wissen wir auch, dass kroatische Grenzbeamte eine dienstliche Anweisung erhalten haben, Schutzsuchende weiterhin illegal abzuschieben, dabei aber darauf achten sollen, sich nicht mehr dabei filmen zu lassen. Von den vier Polizisten, die auf dem Videos zu erkennen sind, wurden drei kurzfristig suspendiert, sind jetzt aber wieder im Dienst.

In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Die Kommission will kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Kroatien einleiten und weist darauf hin, dass sie Kroatien wiederholt aufgefordert hat die Vorwürfe zu untersuchen und dass Kroatien einen Überwachungsmechanismus für solche Fälle eingerichtet hat. Diese Haltung ist zynisch, weil die kroatische Regierung und die kroatischen Behörden sich selber kontrollieren sollen, wobei sie es doch sind, die für die systematischen Pushbacks verantwortlich sind. Der Überwachungsmechanismus ist nicht unabhängig und er funktioniert offensichtlich nicht.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Gewaltsame Zurückschiebungen und Prügelattacken an den Außengrenzen Kroatiens

Am 6. Oktober 2021 veröffentlichten mehrere Medien, darunter der Spiegel, die ARD und RTL Croatia, die Ergebnisse ihrer Recherchen über die rechtswidrigen und mit brachialer Gewalt durchgeführten Zurückschiebungen an den kroatischen Außengrenzen, die auf das Konto von Polizeibeamten des Landes gehen sollen, die auf Anordnung des Innenministeriums handeln. Systematische Gewalt gegen Flüchtlinge ist in Kroatien seit Jahren dokumentiert, und die Kommission hat bislang nicht in angemessener Weise auf die begangenen Straftaten reagiert. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf den Missbrauch von EU-Mitteln, die die Kommission dem kroatischen Innenministerium im Rahmen der Soforthilfevereinbarung zur Unterstützung der Bewältigung der Lage an den Grenzen des Landes bereitgestellt hat.

1. Wie wird die Kommission die vom Staat angeordneten Zurückschiebungen untersuchen, und welche Rolle werden die Ergebnisse der Untersuchung beim Weg Kroatiens zur Schengen-Mitgliedschaft spielen, der kürzlich von der Kommission unterstützt wurde?

2. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus ergriffen, den Kroatien mit EU-Mitteln an seiner Grenze eingerichtet hat, und wie gedenkt die Kommission, die Überwachung transparenter und wirksamer zu gestalten und glaubwürdige Akteure einzubeziehen, wie es in den Pariser Grundsätzen verankert ist?

3. Welchen Zeitplan sieht die Kommission für die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Kroatien wegen der Praktiken des Landes an seinen Außengrenzen vor, die unter anderem gegen den Besitzstand der EU im Asylbereich verstoßen?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 17.2.2022

Nach einer fast vierjährigen Evaluierung der Umsetzung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass das Land alle erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des Schengen-Besitzstands nachhaltig erfüllt werden. Am 22. Oktober 2019 erließ die Kommission eine Mitteilung[1], in der dies bestätigt wurde, was am 2. Juni 2021 in der Mitteilung über die Schengen-Strategie[2] erneut bekräftigt wurde. Ferner hat der Rat (Justiz und Inneres) auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021[3] festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt.

Was die Vorwürfe der Misshandlung von Migranten betrifft, so hat die Kommission die kroatischen Behörden wiederholt aufgefordert, diesbezüglich Untersuchungen durchzuführen. In Kroatien wurde ein unabhängiger Überwachungsmechanismus eingerichtet, in dessen Rahmen im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher halbjährlicher (Zwischen-)Bericht und anschließend ein Aktionsplan zur Umsetzung der ursprünglichen Empfehlungen veröffentlicht wurde. Während die Kommission dabei Unterstützung geleistet hat, liegt die Zuständigkeit für die Einrichtung des Mechanismus, einschließlich der Zusammensetzung des betreffenden Gremiums, bei den kroatischen Behörden. Der Abschlussbericht des Mechanismus soll im Juni 2022 vorgelegt werden. Der Beratende Ausschuss, der sich aus Vertretern der Kommission und von Interessenträgern im Bereich der Grundrechte zusammensetzt, wird Empfehlungen zur Verbesserung der Funktionsweise des Mechanismus abgeben. Kroatien hat auch sein internes Untersuchungssystem ausgebaut.

Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin die Einhaltung des EU-Besitzstands überwachen.

Für Fälle mutmaßlichen Missbrauchs von EU-Mitteln ist das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung zuständig. Bei hinreichendem Verdacht auf Betrug oder Missbrauch von EU-Mitteln kann das Amt Untersuchungen einleiten. Die Kroatien aus den drei einschlägigen EU-Instrumenten in den letzten vier Jahren bereitgestellte Finanzierung wurde im Rahmen unabhängiger Audits geprüft und nicht beanstandet.


[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Überprüfung der vollständigen Anwendung des Schengen-Besitzstands durch Kroatien (COM(2019) 497 final vom 22.10.2019).

[2] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat „Strategie für einen reibungslos funktionierenden und resilienten Schengen-Raum“ (COM(2021) 277 final vom 2.6.2021).

[3] Ratsdokument 14883/21 vom 9.12.2021.

Kommission hält griechische Bearbeitung von Asylanträgen für europarechtswidrig

Griechenland lehnt Asylanträge mit der Begründung ab, die Türkei sei ein „sicherer Drittstaat“, doch die Türkei lässt diese nicht einreisen. Aus einer Anfrage von mir geht nun hervor, dass die EU-Kommission dieses Vorgehen als europarechtswidrig einstuft. Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“ Die Kommission informiert in ihrer Antwort an mich auch darüber, dass sie der griechischen Regierung bereits erklärt haben, „dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.“

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Meine Anfrage

Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen akzeptiert, lehnt Griechenland die Anträge syrischer, afghanischer, somalischer, pakistanischer und bangladeschischer Staatsangehöriger auf der Grundlage ab, die Türkei stelle für ebendiese einen „sicheren Drittstaat“ dar. Gleichzeitig hat die Kommission in ihrer Antwort auf die Anfrage zur schriftlichen Beantwortung P-000604/2021 jedoch erneut darauf hingewiesen, dass es „in Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie heißt […]: ‚Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird‘. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen.“

1. Wie viele Folgeanträge wurden von Personen gestellt, deren ursprünglicher Asylantrag auf der Grundlage abgelehnt wurde, die Türkei sei für sie ein sicherer Drittstaat?

2. In wie vielen dieser Fälle brachte Griechenland Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie zur Anwendung? Ist Artikel 23 des griechischen Gesetzes 4825/2021, dem zufolge für die Einreichung eines zweiten Antrags eine Gebühr von 100 EUR entsteht, mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar?

3. Ist es mit Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie vereinbar, solche Folgeanträge mit der Begründung als unzulässig abzulehnen, der Antragsteller habe keine neuen Elemente in Bezug auf die Türkei als sicheren Drittstaat geltend gemacht?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 25.1.2022

1. Die Kommissionsdienststellen leiteten die Frage des Herrn Abgeordneten zur Beantwortung an die nationalen Behörden weiter, die ihm die Antwort wird so bald wie möglich übermitteln werden.

2. Gemäß Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie „müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass im Einklang mit den Grundsätzen und Garantien nach Kapitel II Zugang zu einem Verfahren gewährt wird“. Obschon in Kapitel II der Asylverfahrensrichtlinie die Gebührenfrage nicht geregelt ist, hat die Kommission die griechischen Behörden darauf hingewiesen, dass die bedingungslose Erhebung einer Gebühr von 100 EUR für Folgeanträge hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Asylverfahren problematisch ist.

3. Voraussetzung für die Anwendung des Artikels 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie ist, dass der Drittstaat dem Antragsteller die Einreise in sein Hoheitsgebiet nicht erlaubt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der Zugang zu einem Verfahren in der Sache gewährt wird. Sie dürfen den Folgeantrag auf der Grundlage des Konzepts des sicheren Drittstaats daher nicht als unzulässig ablehnen.

Anfrage: Griechisches Gesetz zu Rückführungsverfahren

Die griechische Regierung treibt die Abschottung Europas weiter voran und verabschiedete im September ein Gesetz, das Seenotrettung und generell die Einhaltung von Menschenrechten weiter erschwert und daher im Widerspruch zu europäischem Recht steht. Gemeinsam mit Abgeordneten meiner Fraktion, Linken und Sozialdemokraten haben wir die EU-Kommission dazu befragt – die Kommission weicht in ihrer Antwort allerdings allen Fragen aus und verweigert eine Bewertung der Gesetze. Man muss diese „Antwort“ daher als Billigung des griechischen Vorgehens gegen Schutzsuchende interpretieren.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier.

Unsere Anfrage

Betrifft: Neues Gesetz über Ausweisungen und Rückführungsverfahren in Griechenland

Am 3. September 2021 verabschiedete das griechische Parlament ein Reformgesetz über Ausweisungen und Verfahren zur Rückführung von Drittstaatsangehörigen, das ausschließlich von einer Mehrheit der Regierungspartei verabschiedet wurde.

In der Entwurfsphase äußerte die Menschenrechtskommissarin des Europarates, Dunja Mijatović, ernsthafte Vorbehalte gegen den Gesetzesentwurf und forderte gewissermaßen dessen Rücknahme, da er „nicht im Einklang mit den Menschenrechtsnormen steht“ und dadurch „die lebensrettende Tätigkeit nichtstaatlicher Organisationen und ihre Fähigkeit zur Überwachung der Menschenrechte in der Ägäis ernsthaft behindern würden“.

1. Ist die Kommission der Auffassung, dass dieses neue Gesetz und insbesondere dessen Paragraph 40, mit dem Beschränkungen eingeführt werden, die im Wesentlichen nichtstaatlichen Organisationen verbieten, Rettungsmaßnahmen auf See durchzuführen oder zu unterstützen, und diese unter Strafe stellen, mit der Verpflichtung der griechischen Regierung zur Einhaltung der Menschenrechte und den einschlägigen Leitlinien der Kommission vereinbar ist?

2. Billigt die Kommission die tendenziöse Methode, mit der Paragraph 40 nach Ablauf des Zeitraums der öffentlichen Konsultation eingeführt wurde?

3. Ist die Kommission der Auffassung, dass die griechische Regierung durch die Einschränkung aller maßgeblichen Tätigkeiten nichtstaatlicher Organisationen das Recht auf Asyl, die Gewährleistung eines Rechtswegs für alle Rückführungsverfahren, die Nichtzurückweisung und die Unterbindung einer automatischen, rechtswidrigen Masseninhaftierung beschneidet?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 6.1.2022

Die Kommission erkennt die aufrichtigen Bemühungen nichtstaatlicher Organisationen (NGO) zur Rettung von Menschenleben auf See an und fordert die Mitgliedstaaten und andere beteiligte Akteure unablässig auf, den einschlägigen rechtlichen Rahmen und humanitäre Grundsätze einzuhalten.

In Hinblick auf eine mögliche Sanktionierung nichtstaatlicher Organisationen, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, weist die Kommission darauf hin, dass die Hilfeleistung für Personen oder Schiffe, die sich in Seenot befinden, eine völkerrechtliche Verpflichtung darstellt und dass die gesetzlich vorgeschriebene humanitäre Hilfe nicht unter Strafe gestellt werden kann. Gleichzeitig obliegt es den Behörden der Mitgliedstaaten, Such- und Rettungseinsätze im Einklang mit den geltenden Bestimmungen des internationalen Seerechts und der internationalen Menschenrechtsnormen zu koordinieren. Es ist wichtig, dass NGO, die an Such- und Rettungseinsätzen teilnehmen, bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten.

Die Kommission hat wiederholt die Schlüsselrolle gewürdigt, die der Zivilgesellschaft bei der Wahrung der gemeinsamen Werte und der Grundrechte zukommt. Während es die Aktivitäten privatrechtlicher Einrichtungen, auch diejenigen nichtstaatlicher Organisationen, zu regulieren gilt, um volle Transparenz zu gewährleisten, müssen alle als Voraussetzung für ein Tätigwerden in Griechenland auferlegten Beschränkungen notwendig, gerechtfertigt und verhältnismäßig sein. In diesem Zusammenhang wird die Kommission die Umsetzung und Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über Asyl und Rückkehr weiterhin überwachen. Die Kommission bekräftigt, dass die Mitgliedstaaten in vollem Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des Völkerrechts und des EU-Rechts, einschließlich der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, handeln müssen.

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