Anfrage: Pushbacks durch Frontex in der Ägäis

Um als Europaabgeordneter meine parlamentarische Kontrollfunktion ausüben zu können, habe ich die Möglichkeit, Anfragen an die EU-Kommission stellen. Die Kommission muss diese Fragen beantworten.
Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten habe ich der Kommission folgende Fragen gestellt:

Betrifft: Illegale Zurückweisungen durch Frontex in der Ägäis

Das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ veröffentlichte heute eine Recherche mit dem Titel „Frontex in illegale Pushbacks verwickelt“. Die Recherche belegt detailliert, dass Beamte der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) von den illegalen Praktiken der griechischen Grenzschutzbehörden wissen – und zum Teil selbst in illegale Zurückweisungen in der Ägäis verwickelt sind. Auch wenn die systematischen Rechtsbrüche durch griechische Behörden seit Monaten bekannt oder zumindest offensichtlich sind, hat Frontex zumeist abgestritten, überhaupt von diesen illegalen Zurückweisungen auf offener See zu wissen.

Durch die im Artikel beschriebenen Aktivitäten von Frontex und der griechischen Küstenwache werden die Aussagen der griechischen Regierung widerlegt, dass der Grenzschutz im Einklang mit internationalem Recht geschehe. Nun ist offenbar auch Frontex zunehmend in die illegalen Aktivitäten involviert.

1.    Seit wann hat die Kommission Informationen über die illegalen Praktiken der griechischen Grenzschutzbehörden oder von Frontex bei Einsätzen an der griechischen EU-Außengrenze?

2.    Welche Maßnahmen gedenkt die Kommission zu treffen, um diese Fälle aufzuklären und sicherzustellen, dass Völkerrecht und Unionsrecht durch ihre eigene Agentur eingehalten werden?

3.    Ist der Kommission bekannt, dass EU-Mitgliedstaaten spätestens seit März 2020 an den EU-Außengrenzen systematisch Unionsrecht brechen und dort Menschen misshandelt und in Lebensgefahr gebracht werden, oder wird auch in der Antwort auf diese Frage geschickt um die Realität herumgeredet?

Antwort von Kommissarin Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 11.02.2021:

Die Kommission nimmt die Pushback-Vorwürfe sehr ernst. Vorbehaltlich der Zuständigkeiten der Europäischen Kommission als Hüterin der Verträge sind in erster Linie die nationalen Behörden für die korrekte Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts zuständig. Die Kommission hat wiederholt ihre Besorgnis bezüglich solcher Berichte geäußert. Dabei hat sie klargestellt, dass die Mitgliedstaaten Grenzüberwachungsaufgaben gemäß dem Schengener Grenzkodex[1] unter uneingeschränkter Achtung der Grundrechte durchführen, den Zugang zu internationalem Schutz sicherstellen und den Schutz vor Zurückweisung gemäß dem Unionsrecht und dem Völkerrecht gewährleisten müssen. In diesem Zusammenhang hat die Kommission die griechischen Behörden auch nachdrücklich aufgefordert, gemäß ihrer Zuständigkeit jegliches mutmaßliche Fehlverhalten zu untersuchen. Vor diesem Hintergrund sei an das von der Kommission vorgeschlagene neue Migrations- und Asylpaket erinnert, das vorsieht, dass alle Mitgliedstaaten einen unabhängigen Überwachungsmechanismus einrichten, der den Schutz der Grundrechte an den Außengrenzen gewährleistet. Auf förmliches Ersuchen der Kommission wurde am 10. November 2020 eine dringende außerordentliche Sitzung des Verwaltungsrats der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) einberufen, um Vorwürfe über Pushback-Aktionen im östlichen Mittelmeer zu erörtern. Der Verwaltungsrat teilte die Auffassung, dass dringend alle Aspekte dieser Angelegenheit untersucht werden müssen. Auf der Sitzung des Verwaltungsrats vom 25./26. November 2020 wurde der Sachverhalt weiter erörtert, und es wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um den Sachverhalt gemäß der in der Verordnung[2] festgelegten Verteilung der Zuständigkeiten weiter zu prüfen. Eine zweite außerordentliche Sitzung des Verwaltungsrats wurde am 9. Dezember 2020 einberufen, um die schriftlichen Antworten des Exekutivdirektors auf die Fragen mehrerer Mitglieder des Verwaltungsrats – darunter der Kommission – zu prüfen und allgemein die Fortschritte bei der internen Untersuchung mutmaßlicher Zurückweisungen von Migranten in der Ägäis zu überwachen.[3] Der Ausschuss des Europäischen Parlaments für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres und das Generalsekretariat des Europäischen Parlaments sind eng in diesen laufenden Prozess eingebunden und haben auch mündliche und schriftliche Anfragen an den Exekutivdirektor der Agentur gerichtet. Ferner hat Frontex Maßnahmen ergriffen, um die in der Gründungsverordnung der Agentur vorgesehenen Posten des Grundrechtsbeauftragten und der Grundrechtebeobachter schneller zu besetzen.


[1] Verordnung (EU) 2016/399 über einen Unionskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1).

[2] Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache (ABl. L 295 vom 14.11.2019, S. 1).

[3] https://ec.europa.eu/home-affairs/news/extraordinary-meeting-frontex-management-board-9-december-2020_en