Anfrage: Neue Belege für Push-Backs an der kroatischen Grenze
Es gibt immer neue Beweise für die unrechtmäßige und gewaltvolle Zurückweisung von Asylsuchenden an der kroatisch-bosnischen Grenze. Zusammen mit anderen Abgeordneten habe ich die EU-Kommission gefragt, wann sie endlich reagiert.
Betrifft: Neue Belege für Push-Back-Maßnahmen an der kroatischen Grenze – wird die Kommission nun endlich reagieren?
Am 18. November 2020 veröffentlichte die deutsche Wochenzeitschrift Der Spiegel einen Bericht über illegale Rückführungen an der kroatischen Grenze. In dem Bericht wird dokumentiert, wie kroatische Grenzbeamte Asylsuchende unter Anwendung von Gewalt über die Grenze nach Bosnien und Herzegowina abschieben. Darüber hinaus hat Frontex Videos an der kroatischen Außengrenze aufgezeichnet, wo Push-back-Maßnahmen und schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen stattgefunden haben.
1. Wird die Kommission angesichts der Zuverlässigkeit der Quelle und des vorgelegten Videomaterials unverzüglich eine Untersuchung der Vorwürfe gegen kroatische Grenzbeamte und Frontex einleiten und dabei die vorhandenen Aufzeichnungen von Frontex berücksichtigen?
2. Die kroatischen Grenzbeamten handeln offensichtlich nicht im Einklang mit dem Schengener Grenzkodex. Was bedeutet das für einen künftigen Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum?
3. Kroatische Grenzbeamte haben gegen internationales und EU-Recht verstoßen. Zu diesen Verstößen gehören unter anderem Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union, Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 und Artikel 21 der Richtlinie 2011/95/EU. Welche Schritte wird die Kommission angesichts dieser Verstöße – neben der möglichen Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die kroatische Regierung – als Reaktion auf diese Ereignisse ergreifen?
Antwort von Kommissarin Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 19.4.2021:
Die Kommission nimmt alle Berichte über mutmaßliche Zurückweisungen von Migranten sehr ernst. Sie ist zwar nicht befugt, mutmaßliches Fehlverhalten der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten zu untersuchen, überwacht jedoch aufmerksam, in welchem Maße die Grundrechte eingehalten werden, und erwartet von den Mitgliedstaaten, dass sie Untersuchungen durchführen und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen. An den Landaußengrenzen Kroatiens werden weder Personal noch Einsatzmittel von Frontex eingesetzt.
Die Achtung der Grundrechte ist ein wichtiger Bestandteil des Schengen-Besitzstands. In ihrer Mitteilung[1] von 2019 gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass Kroatien die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die für die Anwendung des Schengen-Besitzstands erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Damit dies auch weiterhin der Fall ist, sollte Kroatien weiterhin konsequent an der Umsetzung aller laufenden Maßnahmen arbeiten. Am 17. November 2020 führte die Kommission gemeinsam mit der Agentur für Grundrechte einen Kontrollbesuch in Kroatien durch. Dessen Hauptzweck bestand darin, die derzeitige Lage zu bewerten und die Einrichtung eines wirksamen und unabhängigen Überwachungsmechanismus zu erörtern, mit dem auf kohärente und transparente Weise gegen gemeldete und mögliche künftige Grundrechtsverletzungen an der Grenze vorgegangen werden soll.
Darüber hinaus unterhält die Kommission regelmäßige bilaterale Kontakte mit Kroatien, um Informationen über die Vorwürfe und die von den Behörden durchzuführenden Untersuchungen einzuholen. Ferner finden regelmäßige Treffen mit der kroatischen Bürgerbeauftragten sowie internationalen und nichtstaatlichen Organisationen statt, um aktuelle Informationen über Zwischenfälle zu erhalten.
Die Kommission führt intensive Gespräche mit Kroatien und den einschlägigen Akteuren über die Einrichtung eines unabhängigen Überwachungsmechanismus und um für mehr Transparenz bei der Weiterverfolgung von Vorfällen zu sorgen.
[1] COM(2019) 497 vom 22. Oktober 2019, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM:2019:0497:FIN.