Ukrainekrieg und globale Ernährungssicherheit
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist nicht nur für die direkt Betroffenen eine Gefahr, er veschlimmert auch den Hunger in der Welt.
Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fallen fast 30% des weltweit gehandelten Weizens weg. Das liegt daran, dass in der Ukraine die Ernte nicht eingefahren werden und neues Saatgut nicht auf die Felder gebracht werden kann. Putin setzt Hunger als Kriegswaffe ein und der Konflikt hat bereits jetzt starke Auswirkungen auf die gesamte Welt und die Ernährungssicherheit von großen Bevölkerungsgruppen.
Aufgrund von lang anhaltenden Krisen und dem Klimawandel leiden immer mehr Menschen an Hunger, zusätzlich hat die Corona-Pandemie weitere 141 Millionen Menschen in akuten Hunger getrieben. Der Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms, David Beasly, hat uns im Entwicklungsausschuss Ende Juni über seine neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen unterrichtet. Er sagt ganz deutlich, dass wir uns derzeit in einer beispiellosen Ernährungskrise befinden, die nur durch gemeinsame Anstrengungen aller relevanten Akteure abgefedert werden kann. Derzeit arbeitet David Beasly u.a gemeinsam mit den G7 an einer Lösung für den Transport des Weizens aus der Ukraine. In diesem Zusammenhang betonte er auch, dass durch den Wegfall der Lieferungen aus der Ukraine und Russland die Situation sich insbesondere auch im Libanon verschärfen würde.
Libanon: Meine Eindrücke vor Ort
Ende Februar leitete ich eine Delegation von fünf weiteren Abgeordneten im Libanon. Ziel der Reise war es, sich einen konkreten Überblick über die aktuelle Lage im Land zu verschaffen. Die sozioökonomische Krise im Libanon hat sich weiter zugespitzt – es mangelt nach wie vor an einem ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung, Strom, Wasser und Nahrung, 74% der Menschen leben in Armut.
Die Krisen im Libanon haben sich in den letzten Jahren regelrecht kumuliert. Das Land versinkt in Korruption und Armut. Durch den Krieg in der Ukraine spitzt sich die Lage im Libanon weiter zu. Der Libanon bezieht 80% seines Weizens aus der Ukraine. Expert:innen gehen davon aus, dass das Land innerhalb von kürzester Zeit nicht mehr ausreichend Nahrung für seine Bevölkerung haben wird. Seit der Explosion im Hafen im Jahr 2020 fehlt der Getreidespeicher, der bis heute nicht wieder aufgebaut wurde.
Das tut die EU
Die EU hat Anfang April diesen Jahres die sogenannte “Food and Resilience Facility”-Initiative ins Leben gerufen, um unsere südlichen Nachbarländer zu unterstützen bei dem Kampf gegen den Hunger. Insgesamt wird die EU dafür 225 Millionen Euro zur Verfügung stellen, von denen 25 Mio. € für den Libanon avisiert sind. Ziel ist es, die Konsequenzen der weltweit steigenden Lebensmittelpreise soweit wie möglich abzufedern.
Kurzfristig zielt die Initiative darauf ab, auf Notfälle von Rohstoffknappheit zu reagieren, zur Stabilisierung der Zahlungsbilanz beizutragen und lokale Sozialschutz- und soziale Sicherheitsnetze zu unterstützen, die mit einer zusätzlichen akuten Krise konfrontiert sind.
Mittel- bis längerfristig soll die Initiative dazu beitragen, die lokalen Agrarsysteme zu erhalten und die Entwicklung von weniger input-intensiven und klimarelevanteren landwirtschaftlichen Praktiken zu unterstützen. Die Initiative soll auch zur Nachhaltigkeit der lokalen Agrarnahrungsmittelsysteme beitragen und die südlichen Nachbarländer bei der Diversifizierung und Abkehr von ihrer übermäßigen Abhängigkeit von Getreideeinfuhren unterstützen, unter anderem durch die Umstellung auf weniger wasserintensive Sorten, Kulturen und landwirtschaftliche Verfahren.