Flucht nach Europa: “Auf dieser Route kümmert es niemanden, ob du lebst oder stirbst”

Wer sich auf den Weg nach Europa macht, um dort Schutz oder Zukunftsperspektiven zu finden, geht dabei in der Regel durch die Hölle – oder stirbt. Das zeigt ein neuer Bericht des UNHCR, Mixed Migration Centre und der Internationalen Organisation für Migration (IOM)

Dafür wurden von 2020 bis 2023 mehr als 31.000 Menschen in Italien und mehreren afrikanischen Ländern dazu befragt, was sie auf der Flucht nach Europa erleben mussten. An der Tagesordnung: Folter, körperliche Gewalt, sexuelle Gewalt und Ausbeutung, Versklavung, willkürliche Inhaftierung, Tod, Entführung zur Erpressung von Lösegeld, Menschenhandel, Zwangsarbeit, Organentnahme, Raub, kollektive Ausweisung und Abschiebungen. 

Extreme Gewalt: Es ist schlimmer als je zuvor

Die Daten zeigen, dass sich die Lage im Vergleich zum ersten Bericht von 2020 noch deutlich verschlimmert hat. Schutzsuchende sind auf dem Mittelmeer und der Flucht dorthin weiterhin extremer Gewalt ausgesetzt. Neue Konflikte in der Sahelzone haben die Zahl der Vertriebenen in der Region verdoppelt, insbesondere der Krieg im Sudan. Extreme Armut und die durch den Klimawandel verursachten Naturkatastrophen im Osten und am Horn von Afrika tun ihr Weiteres. In den Transitländern fallen außerdem immer mehr Flüchtende einem starken Anstieg von Rassismus zum Opfer, oft ausgelöst von politischen Entscheidungsträger:innen wie dem tunesischen Autokraten Saied, der gerne gegen Geflüchtete hetzt.

Wenig Schutz entlang der Fluchtrouten, dafür anhaltende Straflosigkeit

Ein riesiges Problem sind mangelnde Sicherheitsnetze entlang der Routen nach und durch Nordafrika. Schutzsuchende sind dort in der Regel völlig auf sich gestellt. Sie müssen Gebiete durchqueren, in denen bewaffnete Gruppierungen und kriminelle Banden sie ausbeuten, missbrauchen, verschleppen. Wird eine Fluchtroute unpassierbar, zum Beispiel, weil sie durch Konfliktzonen führt oder Grenzbeamte dort stärker kontrollieren, verlagern sich die Wege in noch entlegenere Gebiete. Dort sind die Menschen dann wiederum noch größeren Risiken ausgesetzt. Gleichzeitig herrscht faktisch vollständige Straflosigkeit für Schmuggler und andere bewaffnete Gruppen. Im schlimmsten Fall werden sie noch von Regierungen unterstützt, wie zum Beispiel in Libyen.

Wir dürfen uns an diese Geschichten niemals gewöhnen

Organisationen und Staaten entlang der Routen scheinen sich laut des Berichts fast schon an den Missbrauch gewöhnt zu haben, der dort alltäglich stattfindet. Von einem “gefährlichen Gefühl der Resignation” und einem unaufhaltsamen Verlust von Hoffnung ist die Rede. Dabei gibt es sehr wohl Lösungen und Schutzmaßnahmen; mal ganz abgesehen davon, dass sich Staaten im Rahmen des Völkerrechts und anderer Instrumente dazu verpflichtet haben, Leben zu retten und Menschenrechte zu achten. 

Es braucht Friedensanstrengungen, Armutsbekämpfung, konkrete Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels. Und für diejenigen, die ihr Zuhause verlassen müssen, braucht es sichere Fluchtrouten, humanitäre Visa und Solidarität. In anderen Worten: Wir müssen dringend handeln. 

Aber die “Angst” vor irregulärer Migration und der Unwillen von Regierungen verhindert, dass klar benannt wird, welcher Horror auf den Migrationsrouten geschieht. Mit welchen Akteur:innen man zusammenarbeitet, um Menschen daran zu hindern, nach Europa zu kommen. Und wie lieber weiter Menschen sterben sollen, bevor man hierzulande seiner Verantwortung nachkommt. Spätestens nach diesem Bericht kann niemand mehr sagen, man hätte es nicht gewusst.

In der FR: EU-Grenzen sind „Orte des Unrechts“

Schwere Menschenrechtsverletzungen an den EU-Grenzen sind laut der EU-Grundrechteagentur (FRA) keine Seltenheit und bleiben in der Regel ohne Konsequenzen. Für mich ist das das Ergebnis der „Je-härter-desto-besser-Politik“ konservativer Regierungen, die statt der versprochenen Ordnung und Kontrolle nur Chaos und Leid verursacht. Ein Umdenken in der Asyl- und Migrationspolitik ist notwendig, um die Rechte und Würde aller Menschen zu schützen.

Anhaltendes Leid an der EU-Außengrenze Polens

Seit fast drei Jahren befinden sich Schutzsuchende im Wald an der polnisch-belarussischen Grenze in einem Limbo von Pushbacks und Gewalt. Mit dem Machtwechsel in Polen hatten viele gehofft, dass der neue Ministerpräsident Donald Tusk die menschenunwürdige Behandlung von Asylsuchenden im Grenzwald zu Belarus beenden wird. Stattdessen fordert er nun eine Stärkung des Grenzzauns, der zum Teil mit EU-Geldern finanziert werden soll, und schürt die Angst vor Belarus und den Schutzsuchenden, die zwischen den beiden Ländern festsitzen. Tusk will nun über zwei Milliarden € in die Sicherung der östlichen Landesgrenze stecken und sagt offen, dass es sich um ein „Element der Abschreckung“ handele.  

2021: Eine neue Fluchtroute nach Europa

Die neue Route entstand auch, weil der belarussische Machthaber Lukaschenko als Reaktion auf EU-Sanktionen im August 2021 damit angefangen hat, Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Ländern nach Belarus einreisen zu lassen, damit sie an die EU-Außengrenze kommen. Lukaschenko hat die leidenden Menschen missbraucht, um Druck auf die EU auszuüben. Polen wirft Belarus eine “Instrumentalisierung” der Schutzsuchenden vor und erklärt die Geflüchteten zur Waffe eines “hybriden Krieges”. Damit rechtfertigt die Regierung in Warschau die anhaltende Militarisierung der Grenze und die menschenrechtswidrigen Pushbacks, die dort stattfinden. In diesem Zusammenhang wurde auch eine militärische Sperrzone errichtet, in der die Schutzsuchenden festsitzen und in der jede Hilfe von außen, egal ob von NGOs oder lokalen Anwohner:innen, verhindert oder kriminalisiert wird.

Nach wie vor viele Ankünfte

Auch wenn es weniger sind als 2021, fliehen bis heute Schutzsuchende über Belarus nach Polen. Lokale Aktivist:innen von Grupa Granica helfen vor Ort und dokumentieren Menschenrechtsverletzungen. Bei einem Treffen diese Woche haben sie berichtet, dass jetzt vor allem im Frühjahr und Sommer die meisten Menschen versuchen, die Grenze im Białowieża-Wald zu überqueren. Der ist auch durch seine vielen Sümpfe und Moore gefährlich; im Winter wird es außerdem so kalt, dass viele Menschen erfrorene Gliedmaßen aufweisen oder gänzlich erfrieren. 

Seit Beginn der Krise sind mindestens 60 Menschen gestorben. Die Zivilgesellschaft geht allerdings von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Allein im Zeitraum von Dezember 2023 bis April 2024 hat allein die Grupa Granica mehr als 1.700 illegale Pushbacks, fünf Tote und 25 vermisste Menschen dokumentiert. Es wurde auch ein Kind von einer Mutter geboren, die versucht hat, aus Eritrea in die EU zu flüchten.

Pushbacks sind die Realität

Viele dieser Menschen äußern an der Grenze den Wunsch nach Asyl, wonach ihnen nach europäischem und internationalem Recht ein rechtsstaatliches Asylverfahren zusteht, in dem ihr Schutzanspruch geprüft wird. In der Realität berichten die meisten stattdessen davon, dass sie gewaltsam zurückgewiesen werden, manche Betroffene bereits mehrfach. Dabei werden von Behörden auf beiden Seiten oft mutwillig Handys zerstört und Tränengas, Schlagstöcke und sogar Gewehre eingesetzt – auch gegenüber Kindern und Jugendlichen. Im Herbst 2023 hat ein heute 23-jähriger syrischer Schutzsuchender mit seinen Freunden versucht, von Belarus nach Polen zu fliehen. Ihm wurde dabei von einem polnischen Grenzschutzbeamten in den Rücken geschossen, “versehentlich”.

Neue Regierung, alte Taktiken?

Mit dem Regierungswechsel in Polen haben einige auch auf eine menschlichere Migrationspolitik an der Grenze zu Belarus gehofft, vor allem weil Donald Tusk ja eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet hat. Leider gilt diese Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit offensichtlich nicht für Schutzsuchende. Stattdessen hat Tusk diese Woche die Grenzregion zwischen Polen und Belarus besucht und eine Verstärkung des 2022 gebauten Grenzzauns versprochen. Der ist bereits jetzt 180 Kilometer lang und 5,5 Meter hoch, mit Stacheldraht verstärkt und elektronisch überwacht. Vor der anstehenden Europawahl bleibt Polen trotz neuer Regierung also bei einer restriktiven Migrationspolitik, ausgetragen auf dem Rücken von schutzsuchenden Menschen im Wald zu Belarus.

Ein Blick in die Zukunft

Hinzu kommt die endgültige Verabschiedung der sogenannten GEAS-Reform (mehr dazu hier auf meiner Website), in der zum Beispiel die Krisenverordnung Asylrechtsverschärfungen im Falle einer “Instrumentalisierung” ermöglicht. Beispielsweise können Grenzverfahren ausgeweitet oder Registrierungsfristen verlängert werden. Asylsuchende können in solchen Fällen unabhängig von der Schutzbedürftigkeit über viele Monate an den Außengrenzen inhaftiert werden. Viele Regeln des neuen GEAS bieten den Behörden der Mitgliedstaaten mehr Spielraum, undokumentiert gegen das EU-Recht zu verstoßen. So können längere Registrierungsfristen etwa dazu beitragen, dass Personen noch Wochen nach der Ankunft gepushbacked werden, ohne dass ihre Einreise jemals dokumentiert werden musste. Auch wenn sich erst zeigen muss, wie diese Verordnung in der Praxis umgesetzt wird, laufen wir damit Gefahr, das Asylrecht weiter zu schwächen und anderen Mitgliedstaaten eine noch bessere Grundlage für Menschenrechtsverletzungen an unseren Außengrenzen zu liefern.

Studie zeigt: Deutsche Binnengrenzkontrollen teilweise EU-rechtswidrig

Ich habe für die grüne Europafraktion eine kritische Analyse der deutschen Binnengrenzkontrollen in Auftrag gegeben, um zu sehen, ob diese mit EU-Recht vereinbar sind. Die ganze Studie könnt ihr hier auf Deutsch und Englisch lesen.

Die aktuelle Lage im Schengenraum

Die Abwesenheit von Kontrollen an den Binnengrenzen ist ein wesentlicher Grundsatz des Europäischen Rechts und das Grundprinzip des freien Schengenraums. Obwohl Binnengrenzkontrollen im Schengenraum also grundsätzlich eine strenge Ausnahme sein sollten, gibt es seit 2015 in Deutschland und anderen Mitgliedstaaten eine massive Zunahme dieser Kontrollen. Gründe dafür sind laut der deutschen Bundesregierung vor allem mehr irreguläre Migration, Terrorismusgefahr und die Corona-Pandemie. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern die Wiedereinführung dieser Binnengrenzkontrollen mit den unionsrechtlichen Verpflichtungen vereinbar ist.

Wann Binnengrenzkontrollen erlaubt sind

Der Schengener Grenzkodex erlaubt Kontrollen an den Binnengrenzen nur in Ausnahmesituationen, zum Beispiel wenn Gefahr für die Sicherheit und Ordnung eines Mitgliedstaates droht. Dabei dürfen Binnengrenzkontrollen jedoch nur als letztes Mittel angewendet und nur vorübergehend wieder eingeführt werden, wie auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigt hat.

Die Praxis in Deutschland

Deutschland scheint sich an diese Regelungen nicht immer zu halten. Die unterschiedlichen Bundesregierungen haben die Binnengrenzkontrollen, vor allem an der Grenze zu Österreich, seit 2015 immer wieder verlängert. Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen EU-Recht. Das von mir in Auftrag gegebene Gutachten kommt nämlich zu dem Schluss, dass es keine Rechtsgrundlage für die Kontrollen an der Grenze zu Österreich gibt, die seit November 2017 “aus migrations- und sicherheitspolitischen Gründen” stattfinden. Damit sind diese Kontrollen seit diesem Zeitpunkt rechtswidrig. 

Problematisch ist dabei vor allem, dass sich die deutsche Bundesregierung auf zunehmend vage Risikosituationen beruft, anstatt auf tatsächliche Gefahrenlagen, wie vom Schengener Grenzkodex verlangt. Zudem sind die Grenzkontrollen oftmals unverhältnismäßig.

Binnengrenzkontrollen sind politisch motiviert

Insgesamt scheinen Grenzkontrollen zunehmend eine gesellschaftspolitische Symbolwirkung zu haben. Gleichzeitig tut sich die Europäische Kommission schwer, diese strukturelle Aushöhlung des Schengener Grenzkodex aufzuhalten und wird ihrem Mandat und ihrer Rolle als “Hüterin der Verträge” nur unzureichend gerecht. 

Ähnlich problematisch ist der Umgang der deutschen Verwaltungsgerichte mit Klagen gegen diese Binnengrenzkontrollen. Hier werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen so eng ausgelegt, dass Klagen gegen Binnengrenzkontrollen als unzulässig abgewiesen werden. Betroffene haben aktuell also keinen effektiven Rechtsschutz gegen rechtswidrige Binnengrenzkontrollen. Das betrifft in erster Linie EU-Bürger:innen.

Die Reform als Antwort – Wirksamkeit abzuwarten

Nach jahrelanger systematischer Fehlanwendung des Schengener Grenzkodexes wurde die Reform bestimmter Teile des Gesetzes vor kurzem abgeschlossen. Mehr dazu könnt ihr hier in meinem Briefing nachlesen. Die aktuelle Reform des Schengener Grenzkodex ist deshalb eine Reaktion auf diese Herausforderungen. Sie erweitert einerseits den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten, zum Beispiel bei verstärkten Migrationskontrollen an Binnengrenzen. Andererseits werden die Anforderungen an die mitgliedstaatlichen Binnengrenzkontrollen verschärft. Ob dies in der Praxis zu einem Rückgang der Binnengrenzkontrollen führen wird, hängt vor allem von der Bereitschaft der Kommission ab, die neuen Regeln des Schengener Grenzkodex auch durchzusetzen.

Briefing: Reform des Schengener Grenzkodex

Worum geht es?

Der Schengener Grenzkodex regelt die Einreisebedingungen und Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen und Binnengrenzen. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage, unter welchen Bedingungen Binnengrenzkontrollen möglich sind.

Der Grenzkodex ist ein wichtiges Instrument, um die Freizügigkeit in Europa zu gewährleisten; allerdings halten sich die Mitgliedstaaten oft nicht an den Kodex. Beispielsweise führen sie Kontrollen an den Binnengrenzen ein und missachten die Rechtsgrundlagen dafür. Diese Kontrollen gefährden den Schengen-Raum, indem sie den freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehr behindern, der für das Funktionieren der EU und ihrer assoziierten Länder (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) so wichtig ist. Besonders in Grenzregionen kosten die Kontrollen an den Binnengrenzen nicht nur viel Geld, sondern schränken das Leben der Menschen ein. Dabei führen sie oft nicht dazu, selbstgesteckte Ziele zu erreichen, beispielsweise weil sie Asylanträge gar nicht verhindern können, obwohl das immer wieder behauptet wird.

Die Reform

Die Europäische Kommission hat 2017 versucht, den Schengener Grenzkodex zu reformieren, aber die Mitgliedstaaten konnten sich nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt einigen.

Nachdem die Mitgliedstaaten während der Corona-Pandemie die Binnengrenzen ohne Koordinierung auf EU-Ebene geschlossen hatten, schlug die Kommission eine neue Reform vor, die unter anderem auch Bestimmungen für gesundheitliche Notfälle größeren Ausmaßes – wie eben Pandemien – enthält.
Der Kommissionsvorschlag vom Dezember 2021 war gelinde gesagt umstritten, gefolgt von einer noch problematischeren Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten. Trotz der oft betonten großen Bedeutung des Schengen-Raums für die Verwirklichung der Freizügigkeit in der EU hätten diese Texte dazu geführt, dass Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen endlose Binnengrenzkontrollen einführen können. Das Europäische Parlament hingegen fand mit seiner Verhandlungsposition einen Kompromiss, der den Schengen-Raum schützt.

EuGH-Urteil zu Grenzkontrollen

Parallel zum Reformprozess des Schengener Grenzkodexes hat der Europäische Gerichtshof in einem Grundsatzurteil nicht nur die Dauer der Binnengrenzkontrollen nach dem aktuellen Kodex sehr streng ausgelegt, sondern auch klar festgestellt, dass endlose Binnengrenzkontrollen gegen die im EU-Recht verankerte Freizügigkeit verstoßen. Damit stand fest: Freizügigkeit ist ein Recht, dass die EU-Staaten nicht unbegrenzt einschränken dürfen. Die Mitgesetzgeber (Rat und Parlament) müssen also ein Gleichgewicht zwischen “Freiheit” und “Sicherheit” finden, das nur mit einer festgelegten Befristung der Binnengrenzkontrollen im reformierten Schengener Grenzkodex funktioniert.

Der finale Kompromiss

Die interinstitutionellen Verhandlungen führten zu einem Kompromiss, zu dem wir im Europäischen Parlament in der letzten Plenarwoche der Legislaturperiode (Ende April 2024) abstimmen werden.
Wir sehen das Verhandlungsergebnis kritisch, denn: Die maximale Dauer von Binnengrenzkontrollen wird von derzeit 6 Monaten auf 3 Jahre erhöht. Allerdings haben Mitgliedstaaten eine neue, detailliertere Berichtspflicht, wenn sie Binnengrenzkontrollen einführen. Die Kommission hat im Gegenzug etwas mehr Pflichten und Befugnisse, um die Anwendung zu kontrollieren. Ob das dazu führt, dass die Grenzkontrollen nun stärker beschränkt werden, wird von Expert*innen bezweifelt.

Es wird außerdem zusätzliche Gründe geben, die Binnengrenzkontrollen erlauben. Darunter fällt sinnvollerweise eine gesundheitliche Notlage in großem Umfang, allerdings auch der sehr umstrittene Grund der unerlaubten Sekundärmigration von Drittstaatsangehörigen in großem Umfang. Damit wird die seit 2015 herrschende Praxis, dass Mitgliedstaaten Binnengrenzkontrollen einführen, um “irreguläre” Migration “einzudämmen”, quasi legalisiert.

Das Verhandlungsergebnis beinhaltet außerdem ein neues Verfahren für die interne Überstellung von Drittstaatsangehörigen ohne Bleiberecht zwischen den Mitgliedstaaten. Dieses Verfahren wird wahrscheinlich dazu führen, dass vermehrt “Racial Profiling” und im schlimmsten Fall sogar Kettenabschiebungen stattfinden können.

Durch die Einführung des Begriffs “Instrumentalisierung” können Mitgliedstaaten die Zahl der Grenzübergangsstellen und deren Öffnungszeiten begrenzen sowie die Grenzüberwachung intensivieren, wenn sie sich von einer Instrumentalisierung betroffen fühlen. Welche Fälle genau als Instrumentalisierung gelten, ist aber überhaupt nicht festgelegt und damit der Willkür der Mitgliedstaaten überlassen. Zusätzlich wurden die Möglichkeiten für polizeiliche Kontrollen und die allgemein im Hoheitsgebiet eingesetzten Kontroll- und Überwachungstechnologien erweitert. Diese zusätzlichen Vorschriften treten unmittelbar nach der Veröffentlichung in Kraft, wenn Parlament und Rat zugestimmt haben.

In der Praxis bleibt aber trotzdem abzuwarten, ob die Mitgliedstaaten diese neuen Vorschriften auch tatsächlich einhalten werden und ob die Kommission ihre Befugnisse als Hüterin der Verträge wahrnehmen wird, um dafür zu sorgen, dass sie dies tun.

Studie: Beyond borders, beyond boundaries

Meine niederländische Kollegin Tineke Strik und Ich haben für die grüne Europafraktion eine kritische Analyse der finanziellen Unterstützung der EU für Grenzregime in Tunesien und Libyen in Auftrag gegeben.

Die gesamte Studie findet ihr hier auf Deutsch, Englisch und Französisch.

Eine zweiseitige Zusammenfassung gibt es auf Deutsch, Englisch, Italienisch, Französisch und Arabisch.

Klare Versäumnisse der Kommission 

Bei den von der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten mitfinanzierten Grenzschutzmaßnahmen kommt es regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehören der Einsatz von physischer Gewalt oder absichtlichen Kollisionen durch die tunesische Küstenwache bzw. das Abfangen und Freiheitsentzug von Migrant*innen, Versklavung, Zwangsarbeit, Inhaftierung, Erpressung und Schmuggel durch die libysche Küstenwache. 

Es handelt sich dabei um enorme Summen, jeweils über 70 Mio € für Libyen und Tunesien für die Zeiträume von 2018 -2022, eine detaillierte Übersicht findet sich im ersten Kapitel der Studie.

Bei der Zuweisung von Mitteln wird das Risiko von Menschenrechtsverstößen nicht hinreichend beachtet, trotz entsprechender Bestimmungen u.a. in der Verordnung des NDICI, worüber die meisten Maßnahmen seit 2021 finanziert werden. Auch während der Projektlaufzeit ist unklar, wie die Projekte überwacht werden, da die Europäische Kommission unter Berufung auf Vertraulichkeit keine Dokumente zur Verfügung stellt.

Nächste Schritte

Gelder sollten nur dann ausgezahlt werden, wenn sichergestellt werden kann, dass damit keine Maßnahmen unterstützt werden, die mit Menschenrechtsverletzungen einhergehen. Eine menschenrechtliche Folgenabschätzung muss nicht lediglich am Anfang des Projekts durchgeführt werden, auch während der Laufzeit müssen Programme überprüft und ggf. angepasst oder unterbrochen werden. Dafür ist es wichtig, dass dem Europäischen Parlament ausreichend Dokumente zur Verfügung gestellt werden. Auch der Zivilgesellschaft kommt dabei eine wichtige Rolle zu, es ist wichtig, dass zivilgesellschaftliche Organisationen bei Finanzierungsentscheidungen mit konsultiert werden.

Weiterführende Informationen

Um die Studie vorzustellen, haben wir am gleichen Tag in einer Veranstaltung mit Seawatch, den Autorinnen der Studie und DG NEAR besonders die menschenrechtlichen Aspekte diskutiert, auf Anfrage kann eine Aufzeichnung der Veranstaltung zur Verfügung gestellt werden.

Ihr könnt die Zusammenfassung (EN/DE/FR/IT/AR) und die gesamte Studie (DE/EN/FR) hier herunterladen. Die SZ hat ebenfalls berichtet.

Parlament verurteilt Angriffe auf Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit in Griechenland

Wir Mitglieder des Europäischen Parlaments haben heute (Mittwoch, 7. Februar) für eine Resolution zu Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Griechenland gestimmt. Die Christdemokraten hatten gemeinsam mit den Rechtsextremen versucht, die Abstimmung und klare Forderungen zu Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit zu verhindern. Das genaue Abstimmungsverhalten findet ihr hier. In Griechenland häufen sich Fälle der Bespitzelung und Schikane von Journalistinnen und Journalisten, Politikerinnen und Politikern der Opposition und von Beamtinnen und Beamten sowie Versuche der Einschüchterung unabhängiger Medien durch gezielte strategische Klagen. Im vergangenen Jahr verweigerten der christdemokratische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis und Mitglieder der griechischen Regierung einer offiziellen Delegation des Europäischen Parlaments ein Treffen.

Schlusslicht bei der Pressefreiheit

Alle Regierungen, auch konservative, müssen sich an Recht und Gesetz und an die Menschenrechte halten. In Griechenland gehören Attacken auf Demokratie, Grundrechte und Medienfreiheit zum Alltag. Bei der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Griechenland auf Rang 107 absolutes Schlusslicht in der EU und schneidet selbst schlechter ab als Katar. Die Kriminalisierung und Einschüchterung von Schutzsuchenden, von Menschen, die Geflüchteten Hilfe anbieten, und von Journalistinnen und Journalisten, die über Flucht berichten, ist beschämend und muss ein Ende haben.

Der mangelnde Willen der griechischen Regierung an Aufklärung des Schiffsunglücks von Pylos mit über 600 Toten ist bezeichnend für eine Politik, die die EU verurteilen muss. Es darf nicht sein, dass die griechische Regierung mit offensichtlichen Rechtsbrüchen davonkommt, weil sie von ihren konservativen Parteifreunden gedeckt wird. Es ist wichtig, dass das Europäische Parlament heute eine klare Position bezogen hat, auch wenn die konservativen und rechten Fraktionen versucht haben, die Realität in Griechenland mit ihren Anträgen weiter zu verschleiern.

Was steht in der Resolution

In der Entschließung des Europäischen Parlaments werden erhebliche Bedenken hinsichtlich der Pressefreiheit in Griechenland geäußert. Es wird auf die Bedrohungen durch physische Angriffe, verbale Attacken, einschließlich solcher von hochrangigen Politikern und Ministern, die Verletzung ihrer Privatsphäre durch Spyware und strategische Klagen (SLAPPs) hingewiesen. Die griechische Regierung wird aufgefordert, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und wieder eine sichere Umgebung für alle Journalisten zu schaffen.

Systematische Pushbacks

Bezüglich der systematischen Pushbacks und der Behandlung von Geflüchteten und Asylsuchenden drückt das Europäische Parlament seine schwere Besorgnis aus. Es wird der Mangel an Fortschritten bei der Untersuchung des Schiffsunglücks vom 14. Juni 2023 hervorgehoben, bei dem ein Fischerboot in der Ionischen See vor der Küste von Pylos, sank und mehr als 600 Personen an Bord ums Leben kamen. Die Entschließung verurteilt systematische Pushbacks und Gewalt gegen Schutzsuchende, ihre willkürliche Inhaftierung und den Diebstahl ihrer Habseligkeiten. Es wird Kritik an den Bedingungen in den Aufnahmezentren ausgedrückt, insbesondere in Bezug auf den Schutz der Individuen vor Verbrechen und den Zugang zu grundlegender sanitärer Versorgung.

Kommission soll Recht durchsetzen

Das Parlament fordert die Kommission auf, die Einhaltung des EU-Rechts bei der Überwachung der Grenzen und der Finanzierung durch die EU zu bewerten und verurteilt das dramatische Versagen der Kommission, EU-Gesetze hinsichtlich der Aufnahmebedingungen, Pushbacks und Menschenrechte durchzusetzen. Statt Griechenland zu loben, sollte die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Wir fordern die Europäische Kommission auf, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die europäischen Werte und die Rechtsstaatlichkeit zu wahren.

Hintergrund

Von mir in Auftrag gegebene Studie: „Ein rechtsfreier Raum – die systematische Kriminalisierung von Geflüchtete für das Steuern eines Bootes oder Autos nach Griechenland

Die Plenardebatte „Rechtsstaatlichkeit und Medienfreiheit in Griechenland” mit Redebeitrag von mir fand bereits in der Plenarsitzung im Januar statt und kann hier nachverfolgt werden.

GEAS: Kein guter Tag für das Europäische Asylrecht

Rat und Parlament haben sich auf eine Reform hin zu einem gemeinsamen europäischen Asylsystem geeinigt. Hier findet ihr eine Kurzübersicht zu zentralen Ergebnissen der Verhandlungen des GEAS-Pakets.

In fast allen relevanten Punkten hat sich der Rat mit seiner Position gegenüber dem Parlament durchgesetzt. Mit dieser Reform wurde so die Chance verpasst, die EU-Asylpolitik auf das richtige Gleis zu setzen. Stattdessen sollen bürokratische Verfahren und harte Asylrechtsverschärfungen Menschen jetzt plötzlich von der Flucht nach Europa abschrecken. Dieser Weg ist bereits in den letzten Jahren gescheitert. Uns droht nun mehr irreguläre Migration und eine Desintegrationskultur gegenüber Schutzsuchenden. Diese Abschreckungspolitik schwächt den Rechtspopulismus ja offensichtlich nicht, sondern stärkt ihn. 

Haftähnliche Bedingungen

Es wird ein System geschaffen, in dem sehr viele Menschen während ihrer Asylverfahren in haftähnlichen Bedingungen eingesperrt werden sollen, viel zusätzliche Bürokratie entsteht und deutlich längere Asylverfahren drohen. Der neue Solidaritätsmechanismus wird das dadurch entstehende zusätzliche Chaos und Leid nicht aufwiegen können.


Viele wichtige Details stehen schlicht noch nicht fest. Es fehlte die Zeit, alle Artikel zu verhandeln. Aufgrund der politischen Vorgabe, bis Ende des Jahres ein Ergebnis zu erlangen, wurde der Inhalt dem Ziel einer schnellen Einigung untergeordnet. So sollte Gesetzgebung nicht stattfinden.


Besonders in der polarisierten Diskussion um die Asylpolitik hätte Europa verdient, dass Rat und Parlament sich ausgeruht beraten und nicht übermüdet in Nachtsitzungen Stichpunkte beschließen, die viele Fragen offen lassen.

Spielräume für Verbesserungen


Parlament und Rat müssen noch über die Rechtsakte abstimmen. Wir werden uns dann für eine möglichst vernünftige Umsetzung der Rechtsakte einsetzen. Außerdem gilt es nun umso mehr, Spielräume für Verbesserungen abseits der aktuellen Reform zu nutzen, denn sie enthält viele Lücken. 

Fragen der Integration, der Zusammenarbeit mit Drittstaaten oder der Arbeitsmigration spielen in der aktuellen Asylreform keine Rolle. Wir werden  weiter für verbindliche Verteilung, bessere Standards an den Außengrenzen und effizientiere Asylverfahren streiten. Nur so wird eine faire Verteilung der Verantwortung für die großen Herausforderungen der Asyl- und Migrationspolitik gelingen. Zudem gilt, dass Menschenrechte und die Genfer Flüchtlingskonvention weiterhin auch in Europa gelten. Für einen Abgesang auf das Asylrecht ist es heute zu früh, auch wenn das kein guter Tag für das Asylrecht ist.

Anfrage an die Kommission zu EU-finanziertem Haftlager in Bosnien

Am 19. April habe ich folgende Anfrage an die Kommission gesendet. Die Kommission hat sich mit der Beantwortung wieder mehr Zeit gelassen, als sie sollte. Inzwischen haben bosnische Politiker das Aus der Gefängnisanlage verkündet, weil es keine gesetzliche Grundlage für diese gebe. Meine Nachfrage nach der problematischen Formulierung des Kommissars Olivér Várhelyi wird von diesem schlicht ignoriert.

Meine Anfrage

Im November 2022 besuchte Kommissar Olivér Várhelyi Bosnien und Herzegowina und verkündete, dass zusätzliche 500 000 EUR für das Lager Lipa und die dortige Haftanstalt verwenden werden, damit „fake asylum seekers“ inhaftiert werden können[1], bis sie in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden. Der Sonderbeauftragte der EU in Bosnien und Herzegowina, Johann Sattler, sagte hingegen vergangene Woche, dass Menschen maximal bis zu 72 Stunden dort inhaftiert werden dürfen. Die EU‑Gelder für Lipa kommen aus dem Instrument für Heranführungshilfe (IPA).

Die kantonalen Behörden in Bosnien und Herzegowina geben an, dass die Baugenehmigung für das Haftlager im Lager Lipa nie erteilt wurde. Der Premierminister des Kantons Una-Sana äußert sich öffentlich besorgt über den Mangel an Informationen über das Objekt. Bitte beantworten Sie die folgenden Fragen einzeln.

  • 1.Was soll mit dem Begriff „fake asylum seekers“ (dt. falsche Asylantragsteller) aus Sicht der Kommission zum Ausdruck gebracht werden, und wie unterscheiden sich diese von „richtigen“ Asylantragstellern?
  • 2.Wie viele Personen können im Lager Lipa zu welchem Zweck inhaftiert werden, und wie wird sichergestellt, dass das Geld nicht für die Inhaftierung von zuvor illegal durch kroatische Behörden aus der EU verschleppten Personen genutzt wird?
  • 3.Ist die Behandlung von Personen im Lager Lipa aus Sicht der Kommission im Einklang mit EU-Recht und internationalem Recht?

Antwort von Olivér Várhelyi im Namen der Europäischen Kommission (2.08.2023)

Es zählt zu den Prioritäten der EU, im Einklang mit dem Völkerrecht, den Prinzipien und Werten der EU sowie dem Schutz der Grundrechte entsprechend den Ausführungen in den Schreiben der Kommissionspräsidentin an den Rat, den jüngsten Schlussfolgerungen des Europäischen Rates und dem EU-Aktionsplan für den Westbalkan das Grenzmanagement zu verbessern, schnellere Asylverfahren sicherzustellen, gegen Migrantenschleusung vorzugehen und die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme sowie die Rückkehr zu fördern, um so der irregulären Migration über die Westbalkanroute entgegenzuwirken.

Das multifunktionale Aufnahme- und Identifizierungszentrum in Lipa dient mehreren Zwecken: Die Migranten werden dort registriert, ihr Status wird bestimmt und ihre Identität bei der Ankunft und beim Verlassen des Zentrums geprüft. Durch das Zentrum konnten die Bedingungen für Migranten wesentlich verbessert und eine erneute humanitäre Krise, wie jene im Winter 2020–2021, abgewendet werden. Damals saßen etliche Migranten ohne Obdach unter verheerenden Bedingungen fest. Das Zentrum untersteht der Ausländerbehörde des Sicherheitsministeriums von Bosnien und Herzegowina (BiH) und kann bis zu 1500 Personen aufnehmen.

Die neue Hafteinrichtung in Lipa wird eine separate und vollkommen eigenständige Einrichtung sein, in der bis zu zwölf Personen untergebracht werden können. In bestimmten Fällen können hier, im Einklang mit internationalen Standards und dem EU-Besitzstand, vorübergehende Beschränkungen der Freizügigkeit und Inhaftierungsmaßnahmen eingeführt werden, bevor die betroffenen Personen in das Einwanderungszentrum in Lukavica (Ost-Sarajewo) überstellt werden. Im Ausländergesetz („Zakon o strancima“) von BiH sind die Umstände festgelegt, unter denen die Beschränkung der Freizügigkeit genehmigt werden kann. Da Einwanderungszentren der Gesetzgebung von BiH sowie internationalen humanitären Standards entsprechen müssen, holt die EU bei Behörden und Partnern regelmäßig Informationen über die Verwaltung der Zentren ein und führt häufig Besuche vor Ort durch.

Europaparlament fordert Seenotrettungsmission im Mittelmeer

Endlich! Das EU-Parlament hat sich in einer Resolution klar für eine EU-Seenotrettungsmission ausgesprochen. Außerdem fordern wir unter anderem, dass Informationen über Seenotrettungsfälle sofort geteilt werden, dass die Kriminalisierung von Seenotrettungsorganisationen unterlassen wird und Schiffe nach Seenotrettungen in den nächsten sicheren Hafen gelassen werden.
Ich habe die Resolution für unsere Fraktion verhandelt und auch wenn wir die Mitgliedstaaten nicht sofort zwingen können, die Maßnahmen umzusetzen, ist es ein klares Zeichen, wo die Mehrheit in Europa steht.

Das Sterben im Mittelmeer darf nicht weiter hingenommen werden.

Das Titelfoto habe ich auf einer Seenotrettungsmission gemacht, nachdem wir den Menschen Schwimmwesten gegeben haben. Oft sieht man auf den überfüllten Schlauchbooten kaum ein Stück Boot – nur dutzende Menschen in akuter Lebensgefahr. Diese Realität, dass jeden Tag über Leben oder Tod von vielen Menschen an unseren Außengrenzen entschieden wird und die Entscheidung allzu oft ist, dass Menschen im Zweifelsfall eben sterben müssen, das darf nie normal werden. Doch es ist normal geworden und das müssen wir wieder ändern. Mit der Entscheidung des Parlaments ist leider keine konkrete Veränderung verbunden, da das Parlament nicht über Einsätze entscheiden kann und in diesem Bereich nur sehr begrenzte Kompetenzen hat. Es erhöht aber den Druck auf die Staats- und Regierungschefs und setzt ein klares Signal gegen rechten Populismus.

Hier sind einige der Forderungen aus der Resolution

  • Wir fordern eine EU-Seenotrettungsmission.
  • Die Mitgliedstaaten und die EU sollen sich endlich an geltendes internationales Recht halten und Menschen in Seenot zur Hilfe kommen.
  • Wir fordern, dass die Kommission ein neuen, verlässlichen und nachhaltigen Ansatz schafft, der Seenotrettung gewährleistet und wir nicht mehr ständig auf ad-hoc Lösungen angewiesen sind. Die Kommission sollte dafür materielle, finanzielle und operative Unterstützung leisten.
  • Die Mitgliedstaaten und Frontex sollen proaktiv Such- und Rettungsmissionen betreiben und alle notwendigen und verfügbaren Boote und Ausrüstung bereitstellen bzw. einsetzen, um Menschenleben zu retten.
  • Alle Mittelmeeranrainerstaaten und Frontex sollten Informationen über Seenotfälle miteinander teilen bzw. bereitstellen um eine Rettung gewährleisten zu können.
  • Gerettete sollen den nächsten sicheren Hafen zugewiesen bekommen.
  • Die Kommission soll eine Seenotrettungs-Kontaktgruppe einsetzen, um Missionen von Frontex und Mitgliedstaaten miteinander koordinieren zu können und das Parlament regelmäßig darüber informieren.
  • Frontex soll Informationen über seine Einsätze teilen und ebenso wie die Mitgliedstaaten das Unionsrecht einhalten.
  • Die Kommission muss sicherstellen, dass Frontex und die Mitgliedstaaten nach der Rettung nur sichere Häfen anlaufen und Asylbewerber:innen keinen Gefahren aussetzen.
  • Die Toten von Pylos sollen geborgen, identifiziert, ihre Angehörigen informiert und nach weiteren Leichen gesucht werden. Die Überlebenden müssen solidarisch in der EU verteilt werden.
  • Wir sprechen uns dafür aus, dass sichere Fluchtwege der beste Weg zur Vermeidung von Toten sind und fordern daher humanitäre Korridore.

Hier findet ihr den vollständigen Text auf deutsch und englisch.

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