Keine weiteren EU-Fördermittel für Zwangsarbeit in Eritrea

Mit dem sogenannten „Notfalltreuhandfonds für Afrika“ hat die EU 2015 ein Instrument geschaffen, um „die Ursachen von Instabilität, Vertreibung und irregulärer Migration zu beseitigen und zu einem besseren Migrationsmanagement beizutragen“. Dieser Fond, der außerhalb des EU-Budgets angesiedelt ist und deswegen kaum einer parlamentarischen Kontrolle unterliegt, wurde vom Europäischen Parlament wiederholt kritisiert – auch wegen der Verwendung von Mitteln zur Finanzierung der libyschen Küstenwache.

EU-finanzierter Straßenbau setzt Zwangsarbeiter*innen ein

Die New York Times berichtete in einem Artikel vom Januar 2020, wie 20 Millionen Euro aus dem Fond für ein mit Zwangsarbeit in Verbindung gebrachtes Straßenbauprojekt in Eritrea ausgegeben wurden. Zwar dienten die Mittel ausschließlich der Beschaffung von Material und Ausrüstung für den Wiederaufbau von Straßen, doch für die Bauarbeiten im Zusammenhang mit dem Projekt wurden von der Regierung Eritreas Arbeiter*innen über den Nationaldienst einberufen. Der verpflichtende, unbefristete Nationaldienst (Wehrdienst), zu dem alle Eritreer*innen einberufen werden können, kann als Zwangsarbeit oder moderne Form der Sklaverei eingestuft werden. Direkt nach Veröffentlichung des Artikels stellte ich eine schriftliche Anfrage an die Kommission mit Bitte um Kommentar zu dem Sachverhalt, dass mit Fördermitteln der EU mittelbar Zwangsarbeit finanziert wird.

Ausflüchte durch die Kommission

Wie so oft, war die Antwort sehr ausweichend. So wurde einerseits auf strenge Überwachungs- und Bewertungsverfahren verwiesen und angegeben, dass die EU-Delegation und UNOPS (Büro für Projektdienste der Vereinten Nationen, welches mit der Durchführung beauftragt war), regelmäßig Besuche vor Ort durchführten um „die gelieferten Materialien zu überprüfen, sich beim Bauunternehmen über die Durchführung des Projekts zu informieren und ähnliche relevante Fragen zu erörtern.“ Gleichzeitig wurde Verantwortung weggeschoben, mit der Aussage, dass das von der EU finanzierte Projekt lediglich für die Beschaffung und Lieferung von Material und Ausrüstung aufkomme; die EU aber nicht für Arbeitskräfte bezahle – was ironischerweise genau das Problem darstellt.

Umwidmung der für weitere Projekte vorgesehenen Gelder

Auch bei verschiedenen Ausschusssitzungen machte ich danach weiter auf das Thema aufmerksam, während Kommissionsvertreter*innen Ausflüchte lieferten. Aus diesem Grund schlugen wir Grünen Abgeordneten aus dem Entwicklungsausschuss auch eine Ausschussreise nach Eritrea vor, u.a. um uns vor Ort selbst ein Bild von der Lage zu machen. Wegen der Coronapandemie wurde die Reise leider abgesagt. Umso überraschter war ich, als die Kommissarin für internationale Partnerschaften, Jutta Urpilainen, den Ausschuss im April dieses Jahrs informierte, dass die Gelder, die für die zweite Tranche des Projekts vorgesehen waren, sowie alle weiteren für Eritrea vorgesehenen Fonds für andere Prioritäten im Horn von Afrika umgewidmet werden sollen. Dies wurde offiziell mit dem mangelnden Interesse der eritreischen Regierung an den Förderprojekten begründet.

Fehlende Informationsrechte des Europäischen Parlaments

Die Entscheidung wurde im Mai 2021 durch den operativen Ausschuss bestätigt. Da das Europäische Parlament keinen Sitz in dem Ausschuss hat und auch nicht über dessen Entscheidungen informiert wird – was wir Abgeordneten auch kürzlich noch einmal im Implementierungsbericht zu den Treuhandsfonds und der Türkeifazilität kritisiert haben – konnte ich diese Bestätigung erst einige Monate später in Erfahrung bringen. Ich begrüße die Entwicklung jedoch ausdrücklich.