„Partnerschaft auf Augenhöhe“ bei EU-Afrika-Gipfel in weiter Ferne
Am 17 und 18. Februar fand der sechste und coronabedingt lang erwartete EU-Afrika-Gipfel statt, bei dem sich die Spitzen der Afrikanischen Union und der Europäischen Union alle drei Jahre abwechselnd in Europa und Afrika treffen. Organisiert war der Gipfel um sieben verschiedene “Roundtables”. Doch die meisten Ergebnisse wurden bereits vorher hinter verschlossenen Türen festgelegt, ohne wesentliche Beratung mit Zivilgesellschaft oder Einbindung der parlamentarischen Ebene. Das ist umso besorgniserregender, weil diese Beschlüsse weitreichende Folgen haben. Hier bewerte ich, was der Gipfel für Fragen der Migration, globalen Impfgerechtigkeit und Zusammenarbeit mit den Staaten Afrikas bedeutet.
Welche Fragen wurden verhandelt?
Die offizielle Liste der Themen erstreckt sich über Wachstumsfinanzierung, Impfstoffherstellung, Landwirtschaft, Bildung, Kultur, Klimawandel, Digitalisierung und vieles mehr: Überall sollen die Staaten Afrikas gefördert werden, um auf Augenhöhe und als “engste Partner und Nachbarn” gemeinsam Richtung “Solidarität, Sicherheit, Frieden und Nachhaltigkeit” zu marschieren – soweit vollmundige Anspruch. Aber eine wirkliche Partnerschaft auf Augenhöhe gibt es leider nicht. Ich möchte zur Beurteilung ein Schlaglicht auf zwei zentrale Punkte des Gipfels werfen:
Spenden statt Selbstbestimmung: Absage an Globale Impfgerechtigkeit
Die Bekämpfung der Corona-Pandemie hätte eine historische Chance geboten, mit alten Mustern der Abhängigkeit zu brechen. Schon jetzt hat die Pandemie globale Ungleichheiten massiv verschärft. Diese Spaltung wird weiter zunehmen: Während die Impfquote in Europa bei rund 70% liegt, und auch deutlich höher sein könnte, wenn es eine ausreichende Impfbereitschaft gebe, hatten in der Afrikanischen Union erst 12% der Menschen Zugang zu Impfstoffen. Es wird wahrscheinlich Jahre dauern diese Lücke zu schließen. Eine Freigabe der Impfpatente wäre ein Wendepunkt: Der Aufbau unabhängiger Impfstoffproduktion ist nach der erteilten Freigabe eine Frage von Monaten, nicht Jahren. Entsprechend vehement wurde die Patent-Freigabe von den afrikanischen Staaten eingefordert. Die EU lehnt das jedoch weiter kategorisch ab und verteilt stattdessen Almosen: Bis Mitte 2022 sollen 450 Millionen Dosen ausgeliefert werden, dazu gibt es Unterstützungszahlungen für die Verteilung und Verabreichung der Impfdosen in der Bevölkerung. Die Abhängigkeit der Staaten der AU von Europa, und von internationalen Pharmakonzernen, wird damit weiter zementiert.
Europäische Grenzen in Afrika: Migrationsbekämpfung wird ausgebaut
Auch im Bereich Flucht und Migration liegt eine “Partnerschaft auf Augenhöhe” in weiter Ferne. Tatsächlich geht es in aktuellen Abkommen mit afrikanischen Staaten nur sehr abstrakt um Fluchtursachenbekämpfung, aber sehr konkret um die Bekämpfung von Flucht und Migration selbst. Es gibt Versuche, diese noch stärker an die Vergabe von Geldern zu knüpfen. Damit werden Staaten in Afrika gezwungen, sich zu Komplizen zu machen beim von der EU vorangetriebenen Bau von Grenzen und dem Begrenzen der globalen Freizügigkeit. Inzwischen wird immer offener über einen Einsatz von Frontex in Afrika nachgedacht und verhandelt, obwohl die europäische Grenzschutzagentur es derzeit auch in Europa nicht schafft, geltendes Recht anzuwenden.
Insgesamt fehlt es in der EU seit Langem an einem umfassenden Ansatz, der über das Schlagwort “Fluchtursachenbekämpfung” hinausgeht. Zunehmende Fluchtursachen lassen sich nicht dauerhaft mit höheren Zäunen und restriktiveren Abkommen kompensieren, und schon gar nicht lässt sich diese Politik in Einklang bringen mit Europäischen Werten und grundlegenden Menschenrechten.
Fazit des Gipfels: Alte Abhängigkeiten statt “New Deals”
Die schönen Worte der gemeinsamen Abschlusserklärung können kaum verbergen, dass hinter der Fassade des Aufbruchs in eine gemeinsame und gleichberechtigte Zukunft wenig steckt, was diesem Anspruch gerecht werden kann: In vielen Fällen werden angebliche neue Investitionssummen lediglich aus bereits gemachten Zusagen umgewidmet. An anderen Stellen werden verheißungsvolle Vorzeigeprojekte präsentiert, die allerdings kaum in der Breite wirken können. Während in der Schlusserklärung durchaus begrüßenswerte Passagen unter anderem zur Bildungsfinanzierung und der Übertragung zu Sonderziehungsrechten zu finden sind – die Umsetzung bleibt abzuwarten – gibt es andere Abschnitte, die deutlich kritischer zu sehen sind und deshalb obenstehend näher beleuchtet wurden. Auch wenn es also punktuelle Verbesserungen gibt: In der Summe ist das Ergebnis statt des bemühten “New Deals” leider an vielen Stellen ein Festschreiben alter Abhängigkeiten und Ungleichheiten. Es wird leider noch lange dauern, bis “Solidarität, Gleichheit und Frieden” ihren Weg von blumigen Abschlusserklärungen in die reale Welt finden.