NOZ: Kommission baut Luftschloss aus Abschreckung

Nachdem bereits Länder wie Dänemark und Großbritannien am Ruanda-Modell gescheitert sind, will jetzt auch die EU-Kommission Asylsuchende in sichere Drittstaaten abschieben, zu denen sie keine persönliche Verbindung haben. Im Gespräch mit Katrin Pribyl konnte ich erklären, warum wir nicht ständig neue, schärfere Gesetze brauchen, sondern endlich die bestehenden Regeln umsetzen und Solidarität in Europa ernst nehmen müssen.

EU-Vorstoß zu sicheren Drittstaaten: „Exportierte Verantwortung, importierter Zynismus“ 

Die EU-Kommission hat am 20.05.2025 einen Vorschlag vorgelegt, der es Mitgliedstaaten ermöglicht, Asylsuchende auch ohne jegliche persönliche Verbindung in sogenannte sichere Drittstaaten abzuschieben. Bereits eine bloße Durchreise oder ein bilaterales Abkommen soll künftig ausreichen, um das Asylverfahren vollständig außerhalb der EU zu führen. Dabei sind genauere Regeln bislang unklar, da die Kommission zwar eine Pressemitteilung, aber keinen Gesetzesvorschlag vorgelegt hat.

Der Vorschlag schwächt das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS), hebelt menschenrechtliche Standards aus und fördert eine Wettbewerbslogik, in der Staaten um die konsequenteste Abschreckung buhlen – statt um faire Verantwortungsteilung.

In einer Pressemeldung habe ich diesen Kurs entschieden kritisiert:

„Dieser Vorschlag steht in großem Widerspruch zum ausgegebenen Ziel der EU-Asylpolitik. Mit der Reform des EU-Asylsystems wollte man, dass EU-Staaten Verantwortung besser verteilen, jetzt will man ihnen die Möglichkeit geben, ihre Verantwortung komplett auszulagern. 

Wir brauchen aber keine immer neuen Wettbewerbe skurriler Grausamkeiten, sondern eine neue EU-Solidarität in der Asylpolitik. Dieser Kommissionsvorschlag trägt dazu nicht bei. Wer die EU-Asylreform ernsthaft umsetzen will, sollte sich jetzt darauf konzentrieren, statt neue Gesetzestexte zu überarbeiten, noch bevor sie überhaupt umgesetzt wurden. Dass die EU-Kommission selbst nicht glaubt, dass es ein menschenwürdiger Vorschlag ist, sieht man schon daran, dass unbegleitete Minderjährige ausgenommen werden sollen.

Dazu kommen viele praktische Fragen und Probleme. Besonders EU-Staaten, die ohnehin schon kaum Asylsuchende aufnehmen, werden davon leichter Gebrauch machen können, während ein Drittstaatsmodell für Einwanderungsländer wie Deutschland praktisch nie funktionieren wird. So trägt dieser Vorschlag vor allem zu mehr Ungleichgewicht bei, statt Solidarität zu fördern. Das belegt auch der vernichtende Abschlussbericht des Bundesinnenministeriums zum Drittstaatsmodell.

Wer Schutzsuchende in Länder schicken will, in denen sie nie waren, exportiert Verantwortung und importiert empathielosen Zynismus. Der Vorschlag klingt im ersten Moment sehr bequem für Regierungen. Seit Jahren wird über Drittstaatenmodelle diskutiert und sie werden immer wieder als ‚Lösung‘ verkauft. Dabei sind alle vergleichbaren Versuche katastrophal gescheitert. Im Ergebnis wurden in die Idee bereits hunderte Millionen Euro investiert, aber funktioniert hat das weder in Ruanda noch in Albanien. Europa sollte kein Kontinent werden, der seine Verantwortung an Drittstaaten auslagert. Es ist ein Armutszeugnis, dass man in Europa mehr Energie darauf verwendet, Schutz zu umgehen, als ihn zu gewährleisten.”

Ich kritisiere zudem die Vorgehensweise der Kommission, die der Öffentlichkeit lediglich eine Pressemitteilung präsentiert anstelle eines konkreten Gesetzesvorschlags:

„So sollte man mit dem Parlament und der Öffentlichkeit nicht umgehen, wenn man will, dass sich die Bevölkerung eine anständige Meinung über solch wichtige Vorschläge bildet.“

SZ: Am Rande der Legalität und jenseits unserer Werte

Die neue Bundesregierung plant, Asylsuchende an den Binnengrenzen ohne rechtsstaatliches Verfahren zurückzuweisen und stellt damit offen europäisches Recht infrage. Im Interview warne ich: Wenn das größte EU-Land ungestraft solche Schritte geht, setzt das einen gefährlichen Präzedenzfall. Die EU-Kommission muss jetzt genau hinschauen – und notfalls Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Sonst stehen wir bald ohne funktionierendes EU-Recht da.

RBB: Diplomatie mit der Türkei ist zu still geworden

Seit Wochen demonstrieren in der Türkei tausende Menschen gegen die autoritäre Politik von Präsident Erdoğan – die Polizei reagiert mit teils massiver Gewalt. Im RBB habe ich betont: Die EU-Kommission muss das antidemokratische Vorgehen Erdoğans klar verurteilen. Menschenrechtsverletzungen dürfen nicht hinter stiller Diplomatie verschwinden. Aus Angst vor neuen Fluchtbewegungen wegzusehen, wäre fatal – denn die Türkei entfernt sich zunehmend von rechtsstaatlichen Grundsätzen.

NDR: Lage in der Türkei – Leise Diplomatie ist gescheitert

Die Türkei entwickelt sich unter Präsident Erdoğan zunehmend in Richtung Autokratie – zuletzt sichtbar an der Verhaftung von Oppositionsführer İmamoğlu. Wir dürfen einer Regierung, die systematisch Oppositionelle ausschaltet, nicht weiterhin Blankoschecks in Millionenhöhe als Beitrittshilfe ausstellen. Stattdessen müssen wir Wege finden, gezielt die Zivilgesellschaft zu unterstützen – das habe ich im Interview mit dem NDR betont.

ZDF: Lieber Haftlager als humane Lösungen

Die Kommission will mit ihrem neuen Vorschlag zur Rückführungsverordnung “härter abschieben” – durch mehr Haft, Abschiebungen in Drittstaaten und weniger Einspruchsmöglichkeiten. Im Interview mit dem ZDF habe ich davor gewarnt, dass dies zur massenhaften Inhaftierung von Geflüchteten durch die Mitgliedstaaten führen könnte.

NDR: Kommissionsvorschlag ist “Ausverkauf der Menschenrechte”

Laut Kommissionsvorschlag für eine Rückführungsverordnung sollen EU-Mitgliedstaaten ihre Verantwortung für Asylsuchende an Drittstaaten auslagern. Dass andere unsere humanitären Verpflichtungen übernehmen, ist aber unrealistisch und gefährdet grundlegende Menschenrechtsstandards. Im NDR durfte ich erklären, warum wir lieber selbst Verantwortung übernehmen sollten – insbesondere bei wichtigen Aufgaben wie der Integration.

WELT: Einstufung sicherer Herkunftsländer gehört in den öffentlichen Raum

Die deutsche Innenministerin Faeser möchte bei der Einstufung sicherer Herkunftsländer den Bundesrat umgehen. Das ist ein Versuch, diesen Prozess zu entdemokratisieren. Der WELT habe ich gesagt, dass die Bundesregierung nicht hinter verschlossenen Türen entscheiden kann, wer in Deutschland noch wirksam gegen Behördenentscheidungen vorgehen kann und wer nicht, vor allem, weil es hier ganz klar um den Schutz von Minderheiten geht.

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