Ein Europa für alle?

Europapolitische Gespräche in gemütlicher Atmosphäre

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, in diesem Jahr bereits mehr als 2000 Tote im Mittelmeer, eine hohe Inflation, die das Leben für viele unbezahlbar macht, die massiven Folgen der Klimakrise, ein Rechtsruck in Europa: die Liste der Herausforderungen der Europäischen Union ist lang und wir müssen aufpassen, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in Europa nicht zu kurz kommt. 

Ist europäische Solidarität der Schlüssel, um aus den Krisen zu kommen? Ist ein Europa für alle machbar?

Der Europaabgeordnete Erik Marquardt ist in der Grünen Fraktion zuständig für die Themen Flucht, Migration und Menschenrechte. Er wird zum aktuellen Stand des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems berichten und der Frage nachgehen, welche Schritte auf dem Weg zu einem humanitären und menschenrechtsbasierten Asylsystem notwendig sind.

Rasmus Andresen ist Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Haushalts- sowie Finanzausschuss. Bei ihm wird es um soziale Fragen in der aktuellen Krisenpolitik und die Folgen der jetzigen Wirtschafts- und Finanzpolitik gehen.

Wir laden herzlich ein zu europapolitischen Gesprächen bei leckerem Essen und Getränken

Ein Europa für alle?

Am 14. September um 19:00 Uhr

im Baumhaus Berlin

Gerichtstr. 23, 13347 Berlin-Wedding

Anmeldung: 

Bitte meldet euch unter folgendem Formular an, da wir nur begrenzte Kapazitäten vor Ort haben.

Für alle Menschen, die nicht vor Ort teilnehmen können, wird es eine Möglichkeit geben, über einen Live-Stream zuzuhören. Den Link werdet ihr kurz vor Veranstaltungsbeginn per Mail erhalten, bitte meldet euch hierfür auch an. 

Die Paneldiskussion der Veranstaltung wird aufgezeichnet. 

Wie nimmst du teil?(erforderlich)

Video: Vorstellung der Studie zur Kriminalisierung von Geflüchteten

Am 06. Juli haben wir die Ergebnisse der Studie “Ein rechtsfreier Raum – die systematische Kriminalisierung von Geflüchteten für das Fahren eines Autos oder Bootes nach Griechenland” vorgestellt. Falls ihr die Veranstaltung verpasst habt, könnt ihr sie hier nochmal anschauen. 

Die vorgestellte Studie findet ihr auf Deutsch, Englisch und Griechisch hier

Borderline Europe hat sich in meinem Auftrag angeschaut, wie in Griechenland der Kampf gegen mutmaßliche Schleuser geführt wird und ist dabei zu erschreckenden Ergebnissen gekommen. Die Untersuchungen zeigen einen rechtsfreien Raum auf, in dem Willkürjustiz an der Tagesordnung ist, um andere Menschen vor der Flucht abzuschrecken. 

Ergebnisse

Schmuggler stellen die zweitgrößte Gruppe an Insassen in griechischen Gefängnissen dar, über 90% davon sind Drittstaatsangehörige. In den allermeisten Fällen, sind es jedoch keinen Menschenschmuggler die damit Geld verdienen sondern einfach nur Geflüchtete, die des Schmuggels beschuldigt werden; und dies nur weil ihnen vorgeworfen wird, die Grenze mit einem Auto oder eine Boot überquert zu haben. 

Die meisten Personen werden auf Grundlage der Aussage einer Person aus Polizei oder Küstenwache verurteilt, die in 68 Prozent der Fälle noch nicht einmal während des Verfahrens anwesend ist. Ein Verfahren dauert im Schnitt 37 Minuten, wobei die durchschnittliche Gefängnisstrafe bei 46 Jahren liegt. Aufgrund fehlender Übersetzung verstehen die Verurteilten oft noch nicht einmal direkt, wozu und weswegen sie da gerade verurteilt wurden. Angesichts der Schwere und des Ausmaßes der Kriminalisierung und der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen ist es dringend erforderlich, dieses Problem anzugehen und an eine breite Öffentlichkeit zu tragen.

Deswegen haben wir uns am 06. Juli 2023 im projecttogether getroffen, um über die Kriminalisierung von Geflüchteten zu sprechen. 

Die Vortragenden

Lotta Mayr und Julia Winkler von Borderline Europe haben die Ergebnisse der Studie vorgestellt. Anschließend ist die griechische Anwältin Natasha Dailiani vom Legal Centre Lesvos nochmal explizit auf den griechischen Rechtsrahmen eingegangen. Mahtab Sabetara hat die Geschichte ihres Vaters erzählt, der in Griechenland im Gefängnis sitzt und zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde, weil er das Auto, in dem alle geflohen sind, gefahren hat. Wie ihr mehr über den Fall erfahren könnt und sie dabei unterstützen, ihren Vater wieder freigelassen zu bekommen, könnt ihr hier oder auf Instagram erfahren. Zum Schluss haben Petar Rosandić von SOS Balkanroute und Roswitha Feige vom österreichischen Pfarrnetzwerk Asyl geschildert, wie sie es geschafft haben, in Bosnien das Gefängnis-Camp Lipa zu verhindern. 

Veranstaltung zum Thema „Kein Hunger bis 2030?“

Seit drei Jahren steigt die Zahl der Menschen, die weltweit an Hunger und Mangelernährung leiden, wieder dramatisch an. Betroffen sind derzeit 828 Millionen Menschen, 10% der Weltbevölkerung. Obwohl weltweit genug Lebensmittel zur Verfügung stehen, führen zahlreiche Faktoren dazu, dass das Recht auf Nahrung momentan in vielen Ländern nicht gewährt werden kann. Dazu gehören der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und daraus resultierende gestörte Handelsketten und Preisanstiege; die gravierenden Folgen des Klimawandels, wie Dürre oder schwere Unwetter und daraus resultierende Ernteausfälle; und nicht zuletzt gewaltsame Konflikte. Betroffen sind vor allem die Länder des globalen Südens. Schädliche Praktiken wie Nahrungsmittelspekulationen feuern die globale Ernährungsunsicherheit zusätzlich an. Die Umsetzung langfristiger Strategien in Partnerländern, Unterstützung nachhaltiger landwirtschaftlicher Praktiken aber auch die Bereitstellung von ausreichend Ressourcen für Nothilfe in Krisenregionen können hierbei entscheidende Hebel sein bei der Bewältigung des globalen Hungers. 

Angesichts der anhaltenden Krisen, mit denen das globale Ernährungssystem konfrontiert ist, ist der Beitrag der EU zur Förderung der Ernährungssicherheit wichtiger denn je. Aber wie übernimmt Europa globale Verantwortung für die Welternährung? Welche Herausforderungen und Konflikte stehen einer globalen grünen und gerechten Zukunft ohne Hunger im Weg? Und wie können wir Einflüsse durch Lebensmittelspekulationen auf eine bereits angespannte Lage reduzieren? 

Um auf diese Fragen Antworten zu suchen, wollen wir uns am 02. Juni dem aktuellen Stand der Ernährungssicherheit, den Herausforderungen für das globale Ernährungssystem und der Rolle der politischen Entscheidungsträger in der EU bei der Bewältigung dieser Herausforderungen widmen. 

Programm: 

17:00 – 18:30

  • Begrüßung durch MdEP Martin Häusling (Agrarpolitischer Sprecher für die Grünen/EFA) und MdEP Erik Marquardt (Vizevorsitzender des Entwicklungsausschusses)
  • Input von Tobias Reichert – Germanwatch: Einfluss von Lebensmittelspekulation auf Ernährungssicherheit
  • Input von Sigrid Müller – World Food Programme: Wie weit bis zum Ziel Kein Hunger bis 2030?
  • Diskussion und Austausch mit dem Publikum

18:30 – 19:00

  • Ausklang bei kleinem Empfang

Moderation: Susan Zare, Moderatorin, Journalistin & Sprecherin

Ort der Veranstaltung: 

Spielfeld Digital Hub, Skalitzer Straße 85/86 – 10997 Berlin

Datum und Uhrzeit: 

02.06.2023 

17 – 19 Uhr 

Anmeldung: 

ANMELDUNG GESCHLOSSEN

Für alle Menschen, die nicht vor Ort teilnehmen können, wird es eine Möglichkeit geben, über einen Live-Stream zuzuhören. Den Link werdet ihr kurz vor Veranstaltungsbeginn per Mail erhalten.

Griechenland: Unmenschliche Zustände in Abschiebegefängnis

Im nordgriechischen Abschiebegefängnis Paranesti sind elf Geflüchtete in den Hungerstreik getreten, um so auf die katastrophalen und unmenschlichen Zustände im Lager aufmerksam zu machen.

Die systematische und willkürliche Inhaftierung von Menschen auf der Flucht in Griechenland wurde in zwei Untersuchungen des Border Violence Monitoring Network und von Mobile Info Team dokumentiert. In den Berichten schildern Betroffene von körperlichen Misshandlungen und gewalttätigen Praktiken in den Gefängnissen, sowie miserablen hygienischen Zuständen und fehlendem Zugang zu ausreichend medizinischer Versorgung und rechtlicher Beratung. Gemeinsam mit Abgeordneten der Sozialdemokratischen und der Linken Fraktion fordere ich die Freilassung aller minderjährigen Geflüchteten und aller Geflüchteten, deren Haftdauer über den legalen Limit liegt, ein Ende der Gewalt und eine sofortige Verbesserung der Bedingungen im Gefängnis. Den Brief findet ihr hier.

Wir brauchen einen koordinierten EU-Mechanismus für russische Dissidenten und Überläufer

In meinem Brief an die Kommission fordere ich gemeinsam mit 34 weiteren Europaabgeordneten aus vier Fraktionen, dass die EU einen koordinierten Mechanismus für russische Dissidenten und Überläufer einführt. Den Brief im englischen Original mit allen Unterschriften findet ihr hier.


Sehr geehrte Kommissionspräsidentin von der Leyen

Sehr geehrter Vizepräsident Schinas,

Sehr geehrter Kommissarin Johansson,


nach der jüngsten Ankündigung einer militärischen Mobilmachung in Russland wenden wir uns als Mitglieder des Europäischen Parlaments an die Europäische Kommission mit der Bitte, umgehend koordinierte Lösungen auf EU-Ebene zu erarbeiten, die den Mitgliedstaaten vorgeschlagen werden, um Dissidenten und Personen, die vor der Zwangseinberufung zum russischen Militär fliehen, einen effektiven Zugang zu Asyl zu gewährleisten. Die Flucht vor der verpflichtenden Einberufung zum Militär ist weltweit, auch in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ein weithin akzeptierter Asylgrund. Die Beibehaltung dieser Praxis ist insbesondere in einer Situation von so großer geographischer Nähe zu den Kriegsparteien angebracht. Seit Beginn von Putins Angriffskrieg wurde über zahlreiche Gräueltaten und Kriegsverbrechen der russischen Armee berichtet, und auch Nachrichten über falsch informierte und desillusionierte russische Soldaten sind weit verbreitet.
Die Europäische Union wurde auf der Grundlage der Werte der Demokratie und der Grundrechte und mit dem Ziel gegründet, den Frieden in Europa zu sichern. Es muss daher im Interesse aller Mitgliedstaaten liegen, die Menschenrechte russischer Überläufer zu wahren, in der EU Asyl zu suchen, anstatt gezwungen zu sein, unsere ukrainischen Verbündeten zu bekämpfen und zu töten. Daher wenden wir uns an die Europäische Kommission, damit sie schnell einen Mechanismus vorschlägt, der es Deserteuren ermöglicht, in die EU zu fliehen. Nur eine gute Koordinierung und schnelles Handeln auf EU-Ebene kann viele Menschen in Sicherheit bringen, die sich weigern, sich an Russlands mörderischem Krieg in der Ukraine zu beteiligen, da sie die komplizierte Sicherheitslage und die geopolitische Sensibilität dieser Frage kennen. Die rasche Aktivierung der Richtlinie über temporären Schutz für Ukrainer:innen hat gezeigt, dass Einigkeit und Koordinierung zu Ergebnissen führen. Diesem großartigen Beispiel folgend, hoffen wir auf Vorschläge im gleichen Sinne und versprechen die aktive Mitarbeit des Europäischen Parlaments. Mit diesem Schreiben möchten wir uns auch den Aufrufen des Ratspräsidenten Charles Michel und des tschechischen Premierministers Fiala von Anfang März anschließen, russischen Soldaten, die nicht bereit sind, weiter in diesem Krieg zu kämpfen, Asyl zu gewähren.

Mit freundlichen Grüßen,


MEP Erik Marquardt (Greens/EFA)
MEP Rasmus Andresen (Greens/EFA)
MEP Malin Björk (GUE/NGL)
MEP Micha Bloss (Greens/EFA)
MEP Saskia Bricmont (Greens/EFA)
MEP Delara Burkhardt (S&D)
MEP Anna Cavazzini (Greens/EFA)
MEP Clare Daly (GUE/NGL)
MEP Gwendoline Delbos-Corfield (Greens/EFA)
MEP Anna Deparnay-Grunenberg (Greens/EFA)
MEP Cornelia Ernst (GUE/NGL)
MEP Daniel Freund (Greens/EFA)
MEP Malte Gallée (Greens/EFA)
MEP Alexandra Geese (Greens/EFA)
MEP Claude Gruffat (Greens/EFA)
MEP Bernard Guetta (Renew)
MEP Henrike Hahn (Greens/EFA)
MEP Morten Helveg Petersen (Renew)
MEP Dietmar Köster (S&D)
MEP Philippe Lamberts (Greens/EFA)
MEP Pierre Larrouturou (S&D)
MEP Karen Melchior (Renew)
MEP Tilly Metz (Greens/EFA)
MEP Hannah Neumann (Greens/EFA)
MEP Niklas Nienaß (Greens/EFA)
MEP Jan-Christoph Oetjen (Renew)
MEP Younous Omarjee (GUE/NGL)
MEP Jutta Paulus (Greens/EFA)
MEP Terry Reintke (Greens/EFA)
MEP Helmut Scholz (GUE/NGL)
MEP Jordi Solé (Greens/EFA)
MEP Tineke Strik (Greens/EFA)
MEP Yana Toom (Renew)
MEP Miguel Urbán Crespo (GUE/NGL)
MEP Nils Ušakovs (S&D)
MEP Viola von Cramon-Taubadel (Greens/EFA)

Resilienz und Widerstand – Studie zur Kriminalisierung von Solidarität

Diese Studie im Auftrag der Grünen Europafraktion analysiert den Stand bei der Kriminalisierung von Solidarität mit Geflüchteten in der Europäischen Union. 

Menschen werden vor Gericht gestellt, weil sie anderen Menschen auf der Flucht humanitär helfen. Das soll abschrecken und dafür sorgen, dass die Flucht nach Europa lebensgefährlich und menschenunwürdig bleibt. Seit 2015 erleben wir in Europa wie immer mehr Menschen, in immer mehr EU-Staaten, kriminalisiert werden, weil sie solidarisch mit Geflüchteten waren. Selbst für die Rettung von Menschen in Seenot müssen sich derzeit Menschen in Italien und Griechenland vor Gericht verantworten und ihnen drohen lange Gefängnisstrafen. 

Diese neue Studie von Picum und der grünen Europafraktion zeigt dabei neue Trends der Kriminalisierung von Solidarität auf und gibt Ratschläge, was man dagegen tun kann. Konkret blickt die Studie auf 89 Personen die in der EU zwischen Januar 2021 und März 2022 kriminalisiert wurden, weil sie Menschen auf der Flucht geholfen haben. In den allermeisten Fällen ging es darum, dass sie Menschen auf der Flucht Nahrung, Unterkunft, medizinische Hilfe oder Transportmittel zur Verfügung stellten oder ihnen bei ihren Asylanträgen halfen. 

Viele Fälle bleiben aber unentdeckt, weil 

  • befürchtet wird, dass die Aufmerksamkeit der Medien die Beziehungen zu den Behörden weiter gefährden und den Zugang zu Grenzgebieten oder Aufnahmezentren einschränken könnte;
  • das Recht auf Privatleben der Freiwilligen zu wahren und sie und ihre Familien nicht zu gefährden wichtiger sei;
  • einige Menschenrechtsverteidiger*innen es vorziehen, sich während laufender Verfahren nicht zu äußern.

In der überwiegenden Mehrheit der in der Studie untersuchten Fälle (88 %) wurden die Menschenrechtsverteidiger:innen der Beihilfe zur Einreise, zur Durchreise oder zum Aufenthalt oder der Schleusung von Migranten*innen angeklagt.

Kriminalisierung von Geflüchteten

Zudem ist weiterhin besorgniserregend dass die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger:innen, die selber Geflüchtete sind, noch weniger bekannt ist, wie die Studie hervorhebt. Diese Personen befinden sich in einer besonders gefährdeten Situation, da ihnen Abschiebung, Zurückschiebung, willkürliche Inhaftierung und Verlust ihres Status drohen. Vielen drohen harte finanzielle, soziale und wirtschaftliche Konsequenzen.

Die Europäische Union muss unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um gegen das harte Vorgehen gegen die Solidarität vorzugehen und die Kriminalisierung der humanitären Hilfe zu verhindern. Angesichts der wachsenden Kriminalisierung von Helferinnen und Menschen auf der Flucht brauchen wir unabhängige Überwachungsmechanismen an den Außengrenzen, eine besseren Schutz von Helferinnen und Helfern und eine klare Verurteilung der Kriminalisierung von Geflüchtetens selbst. 

Wenn die Helferinnen und Helfer schon Aufgaben übernehmen, für die sich die Staaten nicht mehr verantwortlich fühlen, dann sollten sie dafür staatliche Gelder dafür erhalten. Die aktuelle Bundesregierung sollte hier humanitäre Projekte an den Außengrenzen unterstützen.

EU zahlt 80 Millionen € an ägyptische Küstenwache

Als Antwort auf meine Anfrage hat die Kommission erklärt, dass sie in den kommenden beiden Jahren die ägyptische Küstenwache mit 80 Millionen € unterstützen will, um Flüchtende zurückzuschleppen. Meine Frage und die Antwort findet ihr hier. Den gesamten Artikel von Statewatch, basierend auf der Anfrage, findet ihr hier.

Der humanitäre Korridor nach Syrien wurde verlängert – mit Zugeständnissen an Russland

Am Sonntag ist das Mandat für den letzten verbliebenen Grenzübergang für humanitäre Hilfe nach Syrien ausgelaufen. Nachdem Russland am Freitag die Resolution Irlands und Norwegens zur  Offenhaltung des Grenzübergangs für ein weiteres Jahr mit einem Veto verhindert hatte, wurde am Dienstag  ein “Kompromisstext” angenommen. Dieser verlängert die humanitäre Unterstützung über den Grenzübergang für weitere sechs Monate. Nach Annahme der Resolution fielen laut der syrischen Zivilschutzeinheit White Helmets russische Bomben u.a. auf Idlib – die Region, für welche die humanitäre Hilfe dieses Grenzübergangs bestimmt ist. 

Durch den humanitären Korridor Bab al-Hawa, der die Türkei mit der Idlib-Provinz verbindet, können nun also weiterhin internationale Hilfsgüter aus der Türkei nach Syrien transportiert werden. 2014 wurden vier solcher humanitären Grenzübergänge durch den UN-Sicherheitsrat beschlossen, in den letzten Jahren sind jedoch bereits drei von ihnen durch Vetos von Russland und China geschlossen worden. Russland hatte immer wieder damit gedroht, auch den letzten verbleibenden Grenzübergang nicht zu verlängern. Dann könnte humanitäre Unterstützung nur noch über Damaskus erfolgen. Syrische wie internationale Organisationen warnen  immer wieder davor, dass eine solche Entscheidung das Leid der syrischen Zivilbevölkerung weiter verstärken würde. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte die Mitglieder des Sicherheitsrates dazu aufgerufen, die Laufzeit für den humanitären Korridor zu verlängern.

Warum braucht es diese Grenzübergänge für humanitäre Güter? 

Die Folgen des jahrelangen Krieges, Wirtschaftskrise, COVID-19 Pandemie: Nach UN-Schätzungen sind derzeit 14,6 Millionen Syrer:innen auf humanitäre Hilfe angewiesen. So viele wie nie zuvor. 12 Millionen Menschen in Syrien sind  von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, 90 Prozent leben in Armut. Die Bereitstellung und Verteilung von Grundgütern ist in Syrien jedoch eine komplexe Angelegenheit, wenn sie die gesamte Zivilbevölkerung erreichen soll: Hilfsgüter werden vom Kriegsverbrecher Bashar Al-Assad für seine eigenen politischen Zwecke missbraucht. Verschiedene Gebiete Syriens stehen weiter unter Kontrolle verschiedener Parteien und Gruppen, auch wenn das syrische Regime weite Teile zurückerobert hat. Humanitäre Unterstützung ist insbesondere in Gebieten außerhalb der Regimekontrolle schwierig, da das syrische Regime Hilfsgüter dort oft nicht verteilt oder durchlässt. Daher ist es für die Grundversorgung der Zivilbevölkerung unerlässlich, dass Hilfsgüter auch von außerhalb in das Landesinnere gebracht werden können. Etwa 60% der Menschen im Nordwesten Syriens, davon mehr als die Hälfte Binnenvertriebene, sind auf humanitäre und medizinische Unterstützung über den Grenzübergang angewiesen. 

Stärkung des Regimes durch Hilfsgüter?

In der Studie Rescuing Aid in Syria argumentiert Natasha Hall vom Center for Strategic & International Studies, dass Hilfsgelder an das syrische Regime keine bessere Versorgung der syrischen Zivilbevölkerung, sondern eine Stärkung des syrischen Regimes zur Folge hätten. Humanitäre Unterstützung würde vom Regime abgefangen und insbesondere in vom Regime kontrollierte Gebiete weitergeleitet werden. Syrische zivilgesellschaftliche Organisationen fordern daher seit Jahren von der UN, keine Kooperationen mit dem syrischen Regime einzugehen und humanitäre Versorgung losgelöst davon zu organisieren. Das Syrian Legal Development Programme und Human Rights Watch kritisieren, dass die UN bei ihrer Zusammenarbeit mit Partnern in Syrien nicht hinreichend auf menschenrechtliche Garantien achteten und so riskierten, Akteure zu finanzieren, die in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Bereits 2016 haben über 50 Organisationen den Bericht The United Nations’ Loss Of Impartiality, Independence And Neutrality In Syria unterstützt. In diesem kritisiert the Syria Campaign die UN scharf: Durch Zusammenarbeit mit dem syrischen Regime verstoße die UN in Syrien gegen die drei humanitären Grundsätze der Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität.

Was hat das mit uns in Europa zu tun?

Die EU und insbesondere Deutschland sind Hauptgeldgeber für humanitäre Unterstützung in Syrien. Wir müssen uns kritisch mit der momentanen Art der humanitären Unterstützung vor Ort auseinandersetzen und die Kritik der syrischen Zivilbevölkerung ernst nehmen. Denn unsere Gelder dürfen nicht dafür sorgen, die Macht von Bashar Al-Assad zu zementieren. Unsere Verantwortung ist es sicherzustellen, dass die humanitäre und medizinische Unterstützung alle Bedürftigen erreicht und nicht in die Hände des syrischen Regime fällt. Dafür sind Grenzübergänge für humanitäre Güter unerlässlich. Nur so kann humanitäre und medizinische Unterstützung an dem syrischen Regime vorbei ins Landesinnere gebracht werden.

Die Verlängerung des Grenzkorridors Bab al-Hawa für weitere sechs Monate lässt viele zwar für einen Moment aufatmen, jedoch ist die humanitäre Situation in Syrien schon jetzt katastrophal. In einem halben Jahr wird das Bangen um die Offenhaltung des Grenzübergangs von neuem beginnen und Assads Verbündeter Putin wird wieder zeigen, dass er die syrische Zivilbevölkerung eher als geopolitischen Spielball sieht und Menschen und ihr Leid für seinen Machterhalt missbraucht.

Mein Brief an die Kommission zu griechischen Pushbacks

Am Dienstag war der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis bei uns im Parlament zu Besuch. Unter seiner Verantwortung werden Geflüchtete entrechtet, erpresst und gepushbackt. In Griechenland werden inzwischen Geflüchtete versklavt, um andere Geflüchtete zu misshandeln und illegal zurück in die Türkei zu bringen. Leider hat Mitsotakis uns Abgeordnete angelogen und so getan, als gebe es keine systematischen Pushbacks in Griechenland und erhielt dafür Unterstützung von Konservativen und Rechten im Parlament. 

Als Reaktion auf diese Lügen habe ich diesen Brief an Kommissionspräsidentin von der Leyen geschrieben, in dem ich sie frage, wann die Kommission als Hüterin der Verträge endlich tätig werden will. Der Brief wurde von 42 Abgeordnete aus vier Fraktionen, von Linken bis zu Konservativen, mitgezeichnet. Konkret fragen wir, inwiefern die Kommission der Ausführungen der griechischen Regierung Glauben schenkt und ob sie endlich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten wird. 

Ukrainekrieg und globale Ernährungssicherheit

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist nicht nur für die direkt Betroffenen eine Gefahr, er veschlimmert auch den Hunger in der Welt.

Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fallen fast 30% des weltweit gehandelten Weizens weg.  Das liegt daran, dass in der Ukraine die Ernte nicht eingefahren werden und neues Saatgut nicht auf die Felder gebracht werden kann. Putin setzt Hunger als Kriegswaffe ein und der Konflikt hat bereits jetzt starke Auswirkungen auf die gesamte Welt und die Ernährungssicherheit von großen Bevölkerungsgruppen.

Aufgrund von lang anhaltenden Krisen und dem Klimawandel leiden immer mehr Menschen an Hunger, zusätzlich hat die Corona-Pandemie weitere 141 Millionen Menschen in akuten Hunger getrieben. Der Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms, David Beasly, hat uns im Entwicklungsausschuss Ende Juni über seine neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen unterrichtet. Er sagt ganz deutlich, dass wir uns derzeit in einer beispiellosen Ernährungskrise befinden, die nur durch gemeinsame Anstrengungen aller relevanten Akteure abgefedert werden kann. Derzeit arbeitet David Beasly u.a gemeinsam mit den G7 an einer Lösung für den Transport des Weizens aus der Ukraine. In diesem Zusammenhang betonte er auch, dass durch den Wegfall der Lieferungen aus der Ukraine und Russland die Situation sich insbesondere auch im Libanon verschärfen würde. 

Libanon: Meine Eindrücke vor Ort 

Ende Februar leitete ich eine Delegation von fünf weiteren Abgeordneten im Libanon. Ziel der Reise war es, sich einen konkreten Überblick über die aktuelle Lage im Land zu verschaffen. Die sozioökonomische Krise im Libanon hat sich weiter zugespitzt – es mangelt nach wie vor an einem ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung, Strom, Wasser und Nahrung, 74% der Menschen leben in Armut. 

Die Krisen im Libanon haben sich in den letzten Jahren regelrecht kumuliert. Das Land versinkt in Korruption und Armut. Durch den Krieg in der Ukraine spitzt sich die Lage im Libanon weiter zu. Der Libanon bezieht 80% seines Weizens aus der Ukraine. Expert:innen gehen davon aus, dass das Land innerhalb von kürzester Zeit nicht mehr ausreichend Nahrung für seine Bevölkerung haben wird. Seit der Explosion im Hafen im Jahr 2020 fehlt der Getreidespeicher, der bis heute nicht wieder aufgebaut wurde. 

Das tut die EU 

Die EU hat Anfang April diesen Jahres die sogenannte “Food and Resilience Facility”-Initiative ins Leben gerufen, um unsere südlichen Nachbarländer zu unterstützen bei dem Kampf gegen den Hunger. Insgesamt wird die EU dafür 225 Millionen Euro zur Verfügung stellen, von denen 25 Mio. € für den Libanon avisiert sind. Ziel ist es, die Konsequenzen der weltweit steigenden Lebensmittelpreise soweit wie möglich abzufedern. 

Kurzfristig zielt die Initiative darauf ab, auf Notfälle von Rohstoffknappheit zu reagieren, zur Stabilisierung der Zahlungsbilanz beizutragen und lokale Sozialschutz- und soziale Sicherheitsnetze zu unterstützen, die mit einer zusätzlichen akuten Krise konfrontiert sind.

Mittel- bis längerfristig soll die Initiative dazu beitragen, die lokalen Agrarsysteme zu erhalten und die Entwicklung von weniger input-intensiven und klimarelevanteren landwirtschaftlichen Praktiken zu unterstützen. Die Initiative soll auch zur Nachhaltigkeit der lokalen Agrarnahrungsmittelsysteme beitragen und die südlichen Nachbarländer bei der Diversifizierung und Abkehr von ihrer übermäßigen Abhängigkeit von Getreideeinfuhren unterstützen, unter anderem durch die Umstellung auf weniger wasserintensive Sorten, Kulturen und landwirtschaftliche Verfahren.

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