Anfrage: Zurückweisungen an der griechisch-türkischen Landgrenze

Um als Europaabgeordneter meine parlamentarische Kontrollfunktion ausüben zu können, habe ich die Möglichkeit, Anfragen an die EU-Kommission stellen. Die Kommission muss diese Fragen beantworten.
Am 23.03.2020 habe ich von der Kommission Antworten auf folgende Fragen bekommen:

Anfrage zur schriftlichen Beantwortung E-004588/2019 an die Kommission

Betrifft: Zurückweisungen an der griechisch-türkischen Landgrenze

Am 12. Dezember 2019 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein Video, das illegale Zurückweisungen an der griechisch-türkischen Landgrenze in der Region Evros dokumentiert [1] . Dieses Video stellt den bislang eindeutigsten Beweis für die Durchführung derartiger Zurückweisungen dar. Der griechischen Regierung wurde wiederholt vorgeworfen, Asylsuchende auf illegale Weise wieder in die Türkei verbracht zu haben. In einem Bericht vom November 2018 brachte die Kommissarin für Menschenrechte des Europarats ihre tiefe Besorgnis über anhaltende und dokumentierte Vorwürfe von Sammelabschiebungen in die Türkei zum Ausdruck. Regierungsunabhängige Organisationen haben eine Vielzahl von Aussagen von Personen veröffentlicht, die in der Region Evros abgeschoben wurden. Beim UNHCR gehen weiterhin zahlreiche glaubwürdige Berichte über mutmaßliche Zurückweisungen ein. Obwohl sich dokumentierte Zurückweisungen an der griechisch-türkischen Landgrenze häufen, weisen die griechischen Behörden die Vorwürfe zurück.

  1. Derartige Zurückweisungen stellen einen rechtswidrigen Verstoß gegen die Genfer Konvention, die Charta der Grundrechte der EU und das europäische Asylrecht dar. Was hat die Kommission bislang unternommen, um derartige Verstöße an der griechisch-türkischen Grenze zu verhindern?
  2. Wird die Kommission das vom Nachrichtenmagazin Der Spiegel veröffentlichte Video als handfesten Beweis für die Zurückweisungen berücksichtigen?
  3. Erwägt die Kommission, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, da die griechischen Behörden offenbar nicht die Absicht haben, eine ordnungsgemäße Untersuchung durchzuführen?
[1]     https://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-videos-zeigen-mutmasslich-illegale-abschiebung-von-migranten-a-1300891.html

E-004588/2019
Antwort von Kommissarin Ylva Johansson
im Namen der Europäischen Kommission:

Gemäß Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie nach Maßgabe des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet.

Drittstaatsangehörigen, die bei ihrer Ankunft an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten die Einreisevoraussetzungen nicht erfüllen und keinen Asylantrag stellen, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten, kann von den EU-Mitgliedstaaten die Einreise verweigert werden. Hierbei gelten jedoch die Modalitäten und Bedingungen des Schengener Grenzkodexes[1] sowie der Grundsatz der Nichtzurückweisung. Darüber hinaus muss die Rückführung irregulärer Migranten durch die nationalen Behörden auf der Grundlage individueller Rückkehrentscheidungen und unter uneingeschränkter Achtung des EU-Rechts und des Völkerrechts erfolgen. Gemäß Artikel 19 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind Kollektivausweisungen nicht zulässig.

Der Kommission sind Vorwürfe über Zurückweisungen von Griechenland in die Türkei bekannt. Im November 2019 hatte sich die Generaldirektorin der Generaldirektion Migration und Inneres in einem Schreiben an die griechischen Behörden gewandt und um aktuelle Informationen über den Stand der laufenden Untersuchungen, u. a. durch den griechischen Bürgerbeauftragten, sowie über andere allgemeine Maßnahmen seitens der griechischen Behörden gebeten. Die Kommission beobachtet die Lage genau.


[1] Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen.