Anfrage: Rückübernahmen zwischen der Türkei und Griechenland

Griechenland weist Asylanträge von Schutzsuchenden ab und erlässt Ausreisebeschlüsse in die Türkei. Die Türkei lässt jedoch schon seit über einem Jahr keine Rückübernahmen mehr zu – die Menschen müssen ausreisen, können es aber nicht. Das führt zu einer Situation „ewiger Geflüchteter“, die in Griechenland unter elendigen Bedingungen leben, weil sie keine Leistungen mehr bekommen.

Ich habe die EU-Kommission gefragt, ob diese Praxis mit EU-Recht vereinbar ist. In ihrer Antwort sagt die Kommission, dass die Praxis der verwehrten Leistungen europäischem Recht widerspricht. Nun muss die griechische Regierung sich endlich auch an die EU-Richtlinie und somit an geltendes Recht halten. Leider haben wir derzeit aber sowohl in den Lagern als auch an den Außengrenzen eine Situation, in der die griechische Regierung offensichtlich Recht bricht und damit durchkommt.


Meine Komplette Anfrage und die Antwort der Kommission findet ihr hier:

Meine Anfrage

Betrifft: Rückübernahmen zwischen Griechenland und der Türkei

Obwohl die Türkei seit März 2020 keine Rückübernahmen mehr zulässt, erlassen die griechischen Behörden Beschlüsse über die freiwillige Ausreise syrischer Staatsangehöriger, deren Antrag in einem endgültigen Beschluss als unzulässig abgelehnt wurde (die Türkei gilt für sie als „sicherer Drittstaat“). Diese Personen müssen Griechenland innerhalb von 10, 15 oder 30 Tagen verlassen, obwohl ihre Anträge nicht auf ihre Begründetheit geprüft wurden. Sie dürfen jedoch nicht in die Türkei einreisen und können aufgrund des anhaltenden Konflikts nicht nach Syrien zurückkehren. Dies hat zu einer Situation von „ewigen Flüchtlingen“ geführt. Gleichzeitig haben sie keinen Zugang zu den im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen mehr und sind vor dem Hintergrund einer zweiten Welle der COVID-19-Pandemie in Griechenland, die zu strengen Ausgangsbeschränkungen geführt hat, prekären Lebensumständen ausgesetzt.

1.    Ist diese Praxis mit Artikel 38 Absatz 4 der Richtlinie 2013/32/EU vereinbar?

2.    Ist sie mit den Artikeln 13 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie mit den Artikeln 4 und 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar?

3.    Ist die Ausweisung dieser Personen und ihr Ausschluss von den im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen mit Artikel 3 der EMRK sowie Artikel 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 01.06.2021

Die Kommission hat Kenntnis von der steigenden Zahl syrischer Staatsangehöriger auf den griechischen Inseln, deren Asylanträge vom griechischen Asyldienst endgültig negativ beschieden wurden, nachdem diese Anträge aufgrund der Tatsache, dass die Türkei als sicherer Drittstaat im Sinne der Erklärung EU-Türkei[1] betrachtet wird, für unzulässig erklärt wurden.

Die Türkei hat die Rückführungen aus Griechenland im März 2020 im Zusammenhang mit COVID-19-Beschränkungen ausgesetzt, und obwohl Griechenland und die Kommission wiederholt dazu aufgefordert haben, die Rückführungen gemäß der Erklärung EU-Türkei wieder aufzunehmen, ist die Türkei dieser Aufforderung bisher nicht nachgekommen.

In Artikel 38 Absatz 4 der Asylverfahrensrichtlinie[2] heißt es: „Erlaubt der Drittstaat dem Antragsteller nicht, in sein Hoheitsgebiet einzureisen, so müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Zugang zu einem [Asyl-] Verfahren gewährt wird“. Im Einklang mit dieser Bestimmung können Antragsteller, deren Antrag für unzulässig erklärt wurde, daher erneut einen Antrag stellen[3]. Bei der erneuten Prüfung und Entscheidung über diese Anträge muss Griechenland die Umstände zum Zeitpunkt der (erneuten) Prüfung der einzelnen Anträge berücksichtigen, auch im Hinblick auf die Rückkehraussichten im Einklang mit der Erklärung EU-Türkei. In der Zwischenzeit haben die Antragsteller Zugang zu den im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen nach Maßgabe der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, des EU-Rechts und des nationalen Rechts[4].

Die Kommission steht in Bezug auf die vom Herrn Abgeordneten aufgeworfenen Frage in engem Kontakt mit den griechischen Behörden. Die EU setzt sich weiterhin für die vollständige Umsetzung der Erklärung EU-Türkei ein, die den wichtigsten Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei in Migrationsfragen darstellt. Diese Partnerschaft beruht auf gegenseitigem Vertrauen und Handeln, das Engagement und kontinuierliche Anstrengungen von allen Seiten erfordert.


[1] Siehe https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/03/18/eu-turkey-statement/

[2] Siehe Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 60).

[3] Siehe verbundene Rechtssachen C-924/19 PPU und C-925/19 PPU, Absatz 175ff.

[4] Siehe Richtlinie 2013/33/EU.