500 € für Aufnahme von Geflüchteten

Weil viele Kommunen derzeit an ihren Kapazitätsgrenzen arbeiten, habe ich im Spiegel vorgeschlagen, dass Privatleute 500 € für die Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine erhalten sollten.

SPIEGEL: Herr Marquardt, vor allem wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine sind wieder Hunderttausende Menschen nach Deutschland geflohen. Wie gut funktioniert die Unterbringung?

Marquardt: Sie funktioniert, aber die Unterkünfte sind voll und es funktioniert auch deshalb, weil viele Geflüchtete privat unterkommen. Es gibt da eine große Bereitschaft, zu helfen. So wird aufgefangen, dass der Staat in den letzten Jahren angefangen hat, Unterkünfte abzubauen oder Personalkosten zu reduzieren.

SPIEGEL: Der Krieg wird mutmaßlich noch andauern, keiner kann sagen, wie lange. Wie kann der Staat dafür sorgen, dass alle Geflüchteten gut versorgt sind?

Marquardt: Grundsätzlich ist die Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten eine staatliche Aufgabe. Das muss sie auch bleiben. Aber es ist auch nicht verkehrt, wenn man wegkommt von zentralen Unterkünften – da helfen die privaten Zimmer und das sollte der Staat ruhig auch fördern.

SPIEGEL: Wie meinen Sie das?

Marquardt: Ich könnte mir gut vorstellen, dass man 500 Euro bekommt, wenn man zum Beispiel einer ukrainischen Frau mit Kind oder einem Geflüchteten ein Zuhause anbietet. Es gibt ja reichlich große Häuser mit freien Zimmern, viele Menschen haben Platz, sie wollen helfen, aber sie müssen auch die Kosten decken. Das fällt momentan vielen Menschen schwer und die Betreiber von Unterkünften bekommen ja auch viel Geld dafür vom Staat.

SPIEGEL: Gäbe es für eine vierköpfige Familie dann 2000 Euro? Da wären dann gewerbsmäßige Zustände schnell erreicht, wahrscheinlich nicht zum Vorteil der Geflüchteten.

Marquardt: Das müsste man im Detail klären, es gibt da sowieso ein paar Detailfragen zur Ausgestaltung im Mietrecht, die man lösen muss, aber auch lösen kann. Wahrscheinlich hinge es davon ab, wie viele Zimmer man zur Verfügung stellt. Klar ist für mich: Es darf nicht zum Geschäft werden und nicht zulasten der Geflüchteten gehen.

SPIEGEL: Wie wollen Sie das verhindern?

Marquardt: Die Zimmer sollten nicht auf einer Plattform direkt angeboten, sondern mit staatlicher Unterstützung vermittelt werden. Da könnte man dann ausschließen, dass Menschen in unwürdigen Zuständen hausen oder ausgenutzt werden, aber zum Beispiel auch darauf achten, dass Menschen mit einer gewissen Sprachgrundlage zusammenfinden, sei es Ukrainisch, Russisch, Englisch, Französisch oder Deutsch. Außerdem sollte es eine Stelle geben, die bei Problemen vermittelt und Lösungen findet. Privatpersonen sollten auch nicht mehr als eine Familie aufnehmen und das Programm sollte zeitlich begrenzt werden. Sonst hat ja auch niemand was davon.

SPIEGEL: Wer hätte überhaupt was davon?

Marquardt: Alle, ehrlich gesagt. Die Menschen, die gern helfen wollen, aber sich fragen, ob sie sich das leisten können oder ob es dafür einen guten Rahmen gibt. Die Geflüchteten, die oft in überfüllten Massenunterkünften wohnen müssen. Sie hätten mehr Ruhe, mehr Hilfe bei der Jobsuche oder der Bürokratie und könnten sich leichter in die Gesellschaft einfinden. Und auch die Allgemeinheit hätte etwas davon, denn der Staat würde sogar Geld sparen.

SPIEGEL: Würde er?

Marquardt: Betreiber von Unterkünften bekommen pro Person und Nacht viel mehr Geld, oft über 1000 Euro pro Monat. Die Unterbringung kostet also momentan deutlich mehr Geld als die vorgeschlagene Unterstützung der privaten Unterbringung. Natürlich entstünden weitere Kosten für die Organisation und Verwaltung, es wäre aber immer noch viel günstiger. Wenn die Geflüchteten privat auch bei der Jobsuche besser unterstützt werden, würde es auch schneller gar kein Geld mehr kosten, sondern Steuereinnahmen bringen. Es bräuchte auch eine Beschwerdestelle, damit schnell reagiert werden kann, wenn irgendwo Probleme entstehen und alle Seiten wissen, dass sie nicht feststecken. Dann könnte das sehr gut funktionieren.

SPIEGEL: Sehen Sie darin eine Dauerlösung oder ein Mittel für die aktuelle Lage in der Ukraine?

Marquardt: Wie gesagt, prinzipiell bleibt die Versorgung von Geflüchteten eine staatliche Aufgabe. Geflüchtete sollten auch schnell Teil der Gesellschaft werden und eigene Wohnungen finden. Ich würde das Programm nicht nach Nationalität beschränken, sondern für alle anerkannten Geflüchteten öffnen, aber halte es erst einmal für eine rundum vorteilhafte Möglichkeit, so ein Programm über ein Jahr zu testen. Danach kann man prüfen, ob daraus mehr wird – hoffentlich ja sogar europaweit.