Frontex zeigt kein Interesse an Crotone-Aufklärung

Aus gemeinsamen Recherchen von Lighthouse Reports, El País, Sky News, Le Monde, Süddeutsche Zeitung und Domani geht hervor, dass die italienische Regierung gelogen hat, was ihre Rolle bei dem Bootsunglück von Crotone betrifft, bei dem 94 Menschen, darunter 35 Kinder, ums Leben kamen, und dass Frontex geholfen hat, den Vorfall zu vertuschen. Ich habe mit 25 Abgeordneten aus vier Fraktionen eine Anfrage an die Kommission gesendet, welche am 3. August beantwortet wurde.

Kein Interesse an Aufklärung

Nun hat auch Frontex auf unsere Frage geantwortet. Konkret haben wir gefragt:

Wie bewertet Frontex die Enthüllungen, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass sie nicht mit den vor dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres abgegebenen Erklärungen ihres Exekutivdirektors Hans Leijtens vom 23. Mai 2023 im Einklang stehen?

Aus der Antwort von Frontex geht leider kein großes Interesse an einer Aufarbeitung aus. Der Exekutivdirektor behauptet lediglich, das Schiff habe sich in keiner Notsituation befunden, als es sechs stunden vor dem Vorfall von Frontex gesichtet wurde. Außerdem behauptet er, Frontex habe die italienischen Behörden korrekt informiert.

Auch der Presse werden Informationen vorenthalten

Frontex weigert sich zudem der Presse relevante Informationen über den Fall zu geben. So hat die Agentur bislang nur eine E-Mail veröffentlicht, die direkt nach dem Unglück versendet wurde. Dutzende weitere Dokumente bleiben unter Verschluss. Frontex begründet dies damit, dass es sich um wichtige Informationen zu laufenden Operationen handele. Außerdem behauptet die Agentur die Informationen könnten von Schleppern genutzt werden. Diese Argumente sind wenig überzeugend, weil Schlepper sich nicht primär danach richten, wo sich Frontex geade aufhält. Die Aufklärung des Unglücks, dass zu so vielen Toen führte, sollte hier Vorrang haben.

Anfrage: Ist Kommission bereit, nach der Vertuschung des Unglücks von Crotone tätig zu werden?

Am 14. Juni habe ich eine Anfrage an die EU-Kommission gesendet, die von 25 Abgeordneten aus vier Fraktionen unterstützt wurde. Die Kommission beantwortet meine Fragen nicht und redet sich damit heraus, dass sie zu laufenden Untersuchunge keine Stellung nehmen will.

Meine Anfrage

Aus gemeinsamen Recherchen von Lighthouse Reports, El País, Sky News, Le Monde, Süddeutsche Zeitung und Domani geht hervor, dass die italienische Regierung gelogen hat, was ihre Rolle bei dem Bootsunglück von Crotone betrifft, bei dem 94 Menschen, darunter 35 Kinder, ums Leben kamen, und dass Frontex geholfen hat, den Vorfall zu vertuschen. In ihrer Antwort auf unsere vorangegangene Anfrage zur schriftlichen Beantwortung erklärte die Kommission, dass „Such‐ und Rettungseinsätze […] eine völkerrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten sind“. Ferner wies die Kommission darauf hin, dass sie einen von der Union koordinierten Such- und Rettungsmechanismus nicht für erforderlich halte.

  • 1)Wie gedenkt die Kommission nach dieser Kette katastrophaler Fehler zu handeln, und mit welchen Folgen haben Italien und Frontex zu rechnen?
  • 2)Was hat die Kommission im Verwaltungsrat von Frontex unternommen, um dieses Fehlverhalten von Frontex aufzuklären?


Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Union (3.08.2023)

1. Der Kommission ist bekannt, dass die italienischen Behörden eine Untersuchung eingeleitet haben, um sachdienliche Informationen über den Schiffbruch zu erhalten. Auch wenn die Kommission weder zu einer laufenden Untersuchung Stellung nehmen noch deren Ergebnis vorwegnehmen kann, fordert sie alle an Such- und Rettungseinsätzen beteiligten Akteure weiterhin auf, rechtmäßig, rasch und koordiniert zu handeln, um sicherzustellen, dass Menschen in Seenot so schnell wie möglich in Sicherheit gebracht werden.

2. Die Kommission und die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) tauschen sich regelmäßig aus, auch über die Kommissionsvertreter im Verwaltungsrat der Agentur. Die Kommission erinnert daran, dass der Exekutivdirektor von Frontex in der gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter und des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am 24. Mai 2023 die Maßnahmen von Frontex im Zusammenhang mit dem tragischen Vorfall von Crotone eingehend erläutert hat. In dieser Sitzung hat ferner die italienische Küstenwache erklärt, dass die Untersuchung des Vorfalls noch nicht abgeschlossen sei. Die Kommission geht davon aus, dass die Ergebnisse der Untersuchungen dem Verwaltungsrat mitgeteilt werden, sobald sie vorliegen.

3. Da die dritte Frage, die zur Beurteilung des Sachverhalts durch Frontex, gänzlich in die Zuständigkeit der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) fällt, hat die Kommission die Agentur gebeten, die von den Damen und Herren Abgeordneten erbetenen Informationen zu übermitteln. Die Kommission wird den Damen und Herrn Abgeordneten die Antwort der Agentur so rasch wie möglich zukommen lassen.

Anfrage an die Kommission zu Pushbacks von Italien nach Griechenland

Vor einer Woche hat Lighthouse Reports einen Bericht veröffentlicht, in dem es um die Ergebnisse ihrer Recherche zu Pushbacks auf Touristenfähren von Italien nach Griechenland geht. Sie fanden Beweise, dass Asylsuchende, darunter auch Kinder, in inoffiziellen Gefängnissen – zum Teil mit Handschellen – während der Überfahrt im Bauch von Passagierschiffen festgehalten werden. SRF und ARD Monitor waren auch an der Recherche beteiligt und haben darüber in Fernsehbeiträgen berichtet. 

Am 25. Januar habe ich, gemeinsam mit fünf anderen grünen Abgeordneten, der Europäischen Kommission eine schriftliche Anfrage dazu gestellt. Ich möchte erfahren, inwieweit diese illegalen Pushbacks von Italien nach Griechenland mit dem EU-Asylrecht vereinbar sind, und welche Nachuntersuchungen von der Kommission aus geplant sind, um diesem Tatbestand nachzugehen. Eine weitere Frage geht um das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und Griechenland aus dem Jahr 1999 und ob dieser Vertrag überhaupt dem EU Besitzstand entspricht. 

Meine gesammelten schriftlichen Anfragen an die Kommission und die Antworten findet ihr hier.

Meine Anfrage

Lighthouse Reports hat zusammen mit SRF, ARD Monitor, Al Jazeera, Il Domani und Solomon am 18. Januar 2023 einen Bericht veröffentlicht, der die Praktik der illegalen Pushbacks auf Passagierschiffen von Italien nach Griechenland dokumentiert. Beweise zeigen, dass Asylsuchende, die von italienischen Behörden in adriatischen Häfen aufgegriffen werden, bei ihrer Ankunft kein Asyl beantragen können, sondern im Hafen festgehalten und dann nach Griechenland zurückgeschoben werden. Berichten von Personen afghanischer, syrischer oder irakischer Herkunft zufolge wurden sie während ihrer Abschiebung von Italien nach Griechenland in abgetrennten Einrichtungen auf Passagierschiffen inhaftiert, mit Handschellen gefesselt und auf engem Raum eingesperrt. 

  1. Inwiefern ist diese Praxis nach Ansicht der Europäischen Kommission mit dem asylrechtlichen EU acquis vereinbar?
  2. Ist das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen IT und GR mit dem EU acquis vereinbar?
  3. Welche Folgemaßnahmen gedenkt die Europäische Kommission im Anschluss an den oben genannten Bericht zu ergreifen?
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