Anhaltendes Leid an der EU-Außengrenze Polens

Seit fast drei Jahren befinden sich Schutzsuchende im Wald an der polnisch-belarussischen Grenze in einem Limbo von Pushbacks und Gewalt. Mit dem Machtwechsel in Polen hatten viele gehofft, dass der neue Ministerpräsident Donald Tusk die menschenunwürdige Behandlung von Asylsuchenden im Grenzwald zu Belarus beenden wird. Stattdessen fordert er nun eine Stärkung des Grenzzauns, der zum Teil mit EU-Geldern finanziert werden soll, und schürt die Angst vor Belarus und den Schutzsuchenden, die zwischen den beiden Ländern festsitzen. Tusk will nun über zwei Milliarden € in die Sicherung der östlichen Landesgrenze stecken und sagt offen, dass es sich um ein „Element der Abschreckung“ handele.  

2021: Eine neue Fluchtroute nach Europa

Die neue Route entstand auch, weil der belarussische Machthaber Lukaschenko als Reaktion auf EU-Sanktionen im August 2021 damit angefangen hat, Menschen aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Ländern nach Belarus einreisen zu lassen, damit sie an die EU-Außengrenze kommen. Lukaschenko hat die leidenden Menschen missbraucht, um Druck auf die EU auszuüben. Polen wirft Belarus eine “Instrumentalisierung” der Schutzsuchenden vor und erklärt die Geflüchteten zur Waffe eines “hybriden Krieges”. Damit rechtfertigt die Regierung in Warschau die anhaltende Militarisierung der Grenze und die menschenrechtswidrigen Pushbacks, die dort stattfinden. In diesem Zusammenhang wurde auch eine militärische Sperrzone errichtet, in der die Schutzsuchenden festsitzen und in der jede Hilfe von außen, egal ob von NGOs oder lokalen Anwohner:innen, verhindert oder kriminalisiert wird.

Nach wie vor viele Ankünfte

Auch wenn es weniger sind als 2021, fliehen bis heute Schutzsuchende über Belarus nach Polen. Lokale Aktivist:innen von Grupa Granica helfen vor Ort und dokumentieren Menschenrechtsverletzungen. Bei einem Treffen diese Woche haben sie berichtet, dass jetzt vor allem im Frühjahr und Sommer die meisten Menschen versuchen, die Grenze im Białowieża-Wald zu überqueren. Der ist auch durch seine vielen Sümpfe und Moore gefährlich; im Winter wird es außerdem so kalt, dass viele Menschen erfrorene Gliedmaßen aufweisen oder gänzlich erfrieren. 

Seit Beginn der Krise sind mindestens 60 Menschen gestorben. Die Zivilgesellschaft geht allerdings von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus. Allein im Zeitraum von Dezember 2023 bis April 2024 hat allein die Grupa Granica mehr als 1.700 illegale Pushbacks, fünf Tote und 25 vermisste Menschen dokumentiert. Es wurde auch ein Kind von einer Mutter geboren, die versucht hat, aus Eritrea in die EU zu flüchten.

Pushbacks sind die Realität

Viele dieser Menschen äußern an der Grenze den Wunsch nach Asyl, wonach ihnen nach europäischem und internationalem Recht ein rechtsstaatliches Asylverfahren zusteht, in dem ihr Schutzanspruch geprüft wird. In der Realität berichten die meisten stattdessen davon, dass sie gewaltsam zurückgewiesen werden, manche Betroffene bereits mehrfach. Dabei werden von Behörden auf beiden Seiten oft mutwillig Handys zerstört und Tränengas, Schlagstöcke und sogar Gewehre eingesetzt – auch gegenüber Kindern und Jugendlichen. Im Herbst 2023 hat ein heute 23-jähriger syrischer Schutzsuchender mit seinen Freunden versucht, von Belarus nach Polen zu fliehen. Ihm wurde dabei von einem polnischen Grenzschutzbeamten in den Rücken geschossen, “versehentlich”.

Neue Regierung, alte Taktiken?

Mit dem Regierungswechsel in Polen haben einige auch auf eine menschlichere Migrationspolitik an der Grenze zu Belarus gehofft, vor allem weil Donald Tusk ja eine Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet hat. Leider gilt diese Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit offensichtlich nicht für Schutzsuchende. Stattdessen hat Tusk diese Woche die Grenzregion zwischen Polen und Belarus besucht und eine Verstärkung des 2022 gebauten Grenzzauns versprochen. Der ist bereits jetzt 180 Kilometer lang und 5,5 Meter hoch, mit Stacheldraht verstärkt und elektronisch überwacht. Vor der anstehenden Europawahl bleibt Polen trotz neuer Regierung also bei einer restriktiven Migrationspolitik, ausgetragen auf dem Rücken von schutzsuchenden Menschen im Wald zu Belarus.

Ein Blick in die Zukunft

Hinzu kommt die endgültige Verabschiedung der sogenannten GEAS-Reform (mehr dazu hier auf meiner Website), in der zum Beispiel die Krisenverordnung Asylrechtsverschärfungen im Falle einer “Instrumentalisierung” ermöglicht. Beispielsweise können Grenzverfahren ausgeweitet oder Registrierungsfristen verlängert werden. Asylsuchende können in solchen Fällen unabhängig von der Schutzbedürftigkeit über viele Monate an den Außengrenzen inhaftiert werden. Viele Regeln des neuen GEAS bieten den Behörden der Mitgliedstaaten mehr Spielraum, undokumentiert gegen das EU-Recht zu verstoßen. So können längere Registrierungsfristen etwa dazu beitragen, dass Personen noch Wochen nach der Ankunft gepushbacked werden, ohne dass ihre Einreise jemals dokumentiert werden musste. Auch wenn sich erst zeigen muss, wie diese Verordnung in der Praxis umgesetzt wird, laufen wir damit Gefahr, das Asylrecht weiter zu schwächen und anderen Mitgliedstaaten eine noch bessere Grundlage für Menschenrechtsverletzungen an unseren Außengrenzen zu liefern.

Geplanter Migrationsdeal mit dem Libanon ist “unwürdige Geldkoffer-Politik”

Ich habe bei DW das geplante Migrationsabkommen der Europäischen Kommission mit dem Libanon kritisiert. Die EU macht sich mit solchen Deals von nicht verlässlichen Partnern erpressbar.

Außerdem ist die Lage für geflüchtete Menschen im Libanon extrem schwierig. Wir sollten dafür sorgen, dass Geflüchtete dort besser integriert werden und zudem Umsiedlung nach Europa ermöglichen. Bei der Zusammenarbeit muss die Menschenwürde im Mittelpunkt stehen.

Zum DW-Artikel geht’s hier.

Syrien: Die aktuelle humanitäre Lage und mögliche EU-Maßnahmen

In Syrien herrscht seit 13 Jahren Krieg. Im Jahr 2011 wurde die syrische Revolution im Rahmen des Arabischen Frühlings von Diktator Bashar al-Assad gewaltsam niedergeschlagen. Der Iran und Russland unterstützen das Assad-Regime, das für brutale Menschenrechtsverbrechen international geächtet wird. Eine halbe Million Menschen wurden bereits getötet, 13 Millionen Menschen wurden vertrieben – mehr als die Hälfte von ihnen lebt außerhalb Syriens. Der Großteil syrischer Geflüchteter hat in Nachbarländern wie der Türkei (3,1 Millionen Menschen), dem Libanon (785.000 Menschen) und in Jordanien (640.000 Menschen) Zuflucht gefunden. Der Konflikt ist in den letzten Jahren zunehmend in Vergessenheit geraten.

Zweifach heimatvertrieben: Das Erdbeben 2023

Durch das heftige Erdbeben am 6. Februar 2023 hat sich die Lage im Nordwesten des Landes  dramatisch verschlechtert. Mehr als 56.000 Menschen starben in Syrien und der Türkei, über zwei Millionen Menschen wurden über Nacht obdachlos. Insgesamt waren mehr als 22 Millionen Menschen betroffen, davon allein 9 Millionen in Syrien. 

Bis heute fehlt es an Grundversorgung, Unterkünften, Strom und Zugang zu Gesundheitsversorgung. Die meisten betroffenen Familien leben noch immer in zerstörten Häusern oder in Zelten. Die Katastrophe hat auch die psychische Gesundheit vieler Menschen stark beeinträchtigt. Viele haben Familienangehörige und Freund:innen verloren. Die ohnehin prekäre humanitäre Situation hat sich weiter verschärft: Mehr als 15 Millionen Menschen in Syrien, darunter 7 Millionen Kinder, sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind fünf Prozent mehr als im Jahr 2022. Gleichzeitig fehlt es massiv an humanitärer Hilfe und Finanzierung, während Assad versucht, durch Hilfslieferungen wieder das Ansehen seines Regimes zu rehabilitieren und die internationale Isolation Syriens zu beenden – mit Erfolg. Wer mehr dazu wissen möchte, kann gerne in meinen Artikel von November reinschauen.

Die aktuelle europäische Syrien-Politik

Während die Arabische Liga und andere Staaten wie die Türkei ihre Beziehungen zu Syrien schrittweise normalisieren, basiert die europäische Syrienpolitik weiterhin auf Sanktionen gegen das Assad-Regime und direkter humanitärer Unterstützung für die syrische Zivilbevölkerung. Letztere wird beispielsweise durch Instrumente wie das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI), den MADAD Fonds und die Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei zur Verfügung gestellt. Im Rahmen der Überarbeitung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR), also des langfristigen EU-Haushaltsplans bis 2027, hat die Kommission beispielsweise zusätzliche 5,2 Milliarden zur Unterstützung syrischer Geflüchteter in Syrien, der Türkei, Jordanien und dem Libanon vorgeschlagen. Darüber hinaus sind Ausnahmeregelungen für vertrauenswürdige internationale humanitäre Hilfsorganisationen notwendig, damit diese in Syrien schnell und effektiv helfen können. Wir setzen uns dafür ein, dass Sanktionen die Bereitstellung lebenswichtiger humanitärer Hilfe nicht behindern, sondern zielgerichtet die Eliten und Kriegsverbrecher treffen. Der wissenschaftliche Dienst des Europaparlaments hat die Auswirkungen der Sanktionen hier analysiert.

Außerdem haben wir im Außenausschuss einer Empfehlung an den Rat, die Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD)  zur Lage in Syrien zugestimmt. Darin betonen wir noch einmal die schweren Menschenrechtsverbrechen des Assad-Regimes und die Pflicht der EU, von jeglicher Normalisierung mit ihm abzusehen, solange es keine tiefgreifenden und überprüfbaren Veränderungen durch die Umsetzung der Resolution 2254(2015) des UN-Sicherheitsrats gibt. Dazu gehören die Freilassung politischer Gefangener, Informationen über das Schicksal von Vermissten und Opfern von gewaltsamem Verschwindenlassen sowie die Beendigung aller Angriffe auf und Behinderungen von humanitärer Hilfe. Das ist insbesondere wichtig, weil immer noch im ganzen Land eine erhebliche Gefahr für Menschen besteht, wie vertrauliche Quellen aus dem Auswärtigen Amt nahelegen. Außerdem nehmen in letzter Zeit die Kampfhandlungen in Syrien wieder zu, weswegen die Vereinten Nationen einen Waffenstillstand anmahnen.

Weitere Vorschläge der UN-Resolution betreffen die verstärkte Bekämpfung russischer und iranischer Desinformation über Syrien, den Kampf gegen die anhaltende Straffreiheit in Syrien und eine stärkere Unterstützung der Zivilgesellschaft sowie der angestrebten Demokratisierungsprozesse.

Europaparlament fordert Seenotrettungsmission im Mittelmeer

Endlich! Das EU-Parlament hat sich in einer Resolution klar für eine EU-Seenotrettungsmission ausgesprochen. Außerdem fordern wir unter anderem, dass Informationen über Seenotrettungsfälle sofort geteilt werden, dass die Kriminalisierung von Seenotrettungsorganisationen unterlassen wird und Schiffe nach Seenotrettungen in den nächsten sicheren Hafen gelassen werden.
Ich habe die Resolution für unsere Fraktion verhandelt und auch wenn wir die Mitgliedstaaten nicht sofort zwingen können, die Maßnahmen umzusetzen, ist es ein klares Zeichen, wo die Mehrheit in Europa steht.

Das Sterben im Mittelmeer darf nicht weiter hingenommen werden.

Das Titelfoto habe ich auf einer Seenotrettungsmission gemacht, nachdem wir den Menschen Schwimmwesten gegeben haben. Oft sieht man auf den überfüllten Schlauchbooten kaum ein Stück Boot – nur dutzende Menschen in akuter Lebensgefahr. Diese Realität, dass jeden Tag über Leben oder Tod von vielen Menschen an unseren Außengrenzen entschieden wird und die Entscheidung allzu oft ist, dass Menschen im Zweifelsfall eben sterben müssen, das darf nie normal werden. Doch es ist normal geworden und das müssen wir wieder ändern. Mit der Entscheidung des Parlaments ist leider keine konkrete Veränderung verbunden, da das Parlament nicht über Einsätze entscheiden kann und in diesem Bereich nur sehr begrenzte Kompetenzen hat. Es erhöht aber den Druck auf die Staats- und Regierungschefs und setzt ein klares Signal gegen rechten Populismus.

Hier sind einige der Forderungen aus der Resolution

  • Wir fordern eine EU-Seenotrettungsmission.
  • Die Mitgliedstaaten und die EU sollen sich endlich an geltendes internationales Recht halten und Menschen in Seenot zur Hilfe kommen.
  • Wir fordern, dass die Kommission ein neuen, verlässlichen und nachhaltigen Ansatz schafft, der Seenotrettung gewährleistet und wir nicht mehr ständig auf ad-hoc Lösungen angewiesen sind. Die Kommission sollte dafür materielle, finanzielle und operative Unterstützung leisten.
  • Die Mitgliedstaaten und Frontex sollen proaktiv Such- und Rettungsmissionen betreiben und alle notwendigen und verfügbaren Boote und Ausrüstung bereitstellen bzw. einsetzen, um Menschenleben zu retten.
  • Alle Mittelmeeranrainerstaaten und Frontex sollten Informationen über Seenotfälle miteinander teilen bzw. bereitstellen um eine Rettung gewährleisten zu können.
  • Gerettete sollen den nächsten sicheren Hafen zugewiesen bekommen.
  • Die Kommission soll eine Seenotrettungs-Kontaktgruppe einsetzen, um Missionen von Frontex und Mitgliedstaaten miteinander koordinieren zu können und das Parlament regelmäßig darüber informieren.
  • Frontex soll Informationen über seine Einsätze teilen und ebenso wie die Mitgliedstaaten das Unionsrecht einhalten.
  • Die Kommission muss sicherstellen, dass Frontex und die Mitgliedstaaten nach der Rettung nur sichere Häfen anlaufen und Asylbewerber:innen keinen Gefahren aussetzen.
  • Die Toten von Pylos sollen geborgen, identifiziert, ihre Angehörigen informiert und nach weiteren Leichen gesucht werden. Die Überlebenden müssen solidarisch in der EU verteilt werden.
  • Wir sprechen uns dafür aus, dass sichere Fluchtwege der beste Weg zur Vermeidung von Toten sind und fordern daher humanitäre Korridore.

Hier findet ihr den vollständigen Text auf deutsch und englisch.

Was passiert mit Geld, das die EU Bosnien-Herzegowina für Geflüchtete bereitstellt?

Seit Anfang 2018 hat die EU Bosnien-Herzegowina insgesamt rund 89 Millionen € für Flucht und Migration zur Verfügung gestellt. Mit dem Geld soll laut EU-Kommission humanitäre Hilfe für Flüchtende bereitgestellt und die bosnischen Behörden im Migrationsmanagement unterstützt werden. 

Von diesen Geldern kamen über 75 Millionen € aus den sogenannten Instrument for Pre-accession Assistance (IPA). Dabei handelt es sich um Heranführungshilfen der EU, um Reformen in potentiellen Beitrittsländern der EU zu fördern. Mit den Geldern soll Staaten dabei geholfen werden, fit für die EU zu werden. Weitere 13,8 Millionen € kamen aus dem ECHO-Topf, welcher Gelder für humanitäre Nothilfe bereit stellt. 

Zu diesem Geld gehören auch 3,5 Millionen €, die von der EU-Kommission Anfang Januar zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden, nachdem das Camp in Lipa abbrannte und Hunderte Menschen obdachlos dem Winter im bosnischen Gebirge ausgeliefert waren. Das Geld soll für warme Kleidung, Decken, Essen und Gesundheitsversorgung eingesetzt werden. Mit diesem Geld werden vor allem Hilfsorganisationen wie Save the Children oder das Danish Refugee Council unterstützt. Das Danish Refugee Council beispielsweise nutzte Teile der Mittel, um wichtige Berichte über die gewaltvollen und illegalen Pushbacks durch Kroatien nach Bosnien-Herzegowina zu erstellen. 


Angesichts der furchtbaren Lage in Bosnien fragen sich nun manche, was mit dem Geld geschehen sei. Auch die Deutsche Welle berichtete über das Thema.

Hierhin fließt das Geld  

Das meiste Geld geht aber an IOM in Bosnien-Herzegowina. IOM erhielt seit Juni 2018 insgesamt 76,8 Millionen € von der EU, von denen bis Ende 2020 51,6 Millionen € abgerufen wurden. Somit waren Ende des Jahres noch 25,3 Millionen € übrig. Auf der Homepage der IOM ist die Vergabe der Mittel auch aufgelistet. Ich werde hier nochmal die wichtigsten Punkte aufzählen.

Auf dieser Grafik sieht man, dass ein Großteil der Mittel aus dem IPA.Topf kommt. Außerdem wurden Gelder für eine Antwort auf Covid-19 in Bosnien-Herzegowina auch für Geflüchtete bereitgestellt, damit diese dem Virus nicht schutzlos ausgeliefert sind. Angesichts der räumlichen Enge in den bestehenden Lagern und sehr nah beieinander stehenden Etagenbetten muss aber bezweifelt werden, dass diese Strategie des IOM ausreichend ist. 

Wie setzt IOM die Gelder ein

In dieser Grafik listet IOM auf, wie die Gelder in Bosnien-Herzegowina bislang verteilt wurden. 

14 % der Mittel wurden für die Schaffung beziehungsweise die Renovierung von insgesamt sieben Camps im Kanton Una-Sana und der Umgebung um Sarajevo ausgegeben. Dazu gehören die Installierung von 562 Containern in den Lagern Ušivak, Blažuj, Lipa, Bira, Sedra, Borici und Miral sowie der Umbau des ehemaligen Studierendenwohnheims in Borici. Außerdem wurden rund 5900 Etagenbetten, über 10.000 Matratzen, 1300 Heizungen, 45 Industriewaschmaschinen und weiteres Equipment für die Camps gekauft. Rund 2 % werden für die Verwaltung, Räume und Mitarbeiter des IOM in den Büros in Sarajevo und Bihać ausgegeben.

Intransparenz bei Mittelverwendung durch bosnische Behörden

Mit 3,4 Millionen € gingen rund sieben Prozent der Gelder direkt an die Institutionen Bosnien-Herzegowinas. Von dem Geld erhielt die Polizei neue Fahrzeuge, Drohnen, Wärmebildkameras und schwere Schutzausrüstung zur Aufstandsbekämpfung. Nachdem ich mit eigenen Augen gesehen habe, mit welcher Brutalität die Polizei des Kantons gegen Geflüchtete vorgeht, habe ich aber Zweifel daran, ob das wirklich der beste Einsatz für die Gelder ist. Außerdem werden aus den Mitteln 25 Mitarbeiter der bosnischen Ausländerbehörde finanziert. 

Eine genaue Aufstellung der Nutzung der Mittel durch die bosnischen Behörden ist derzeit leider nicht zu bekommen. Die bosnischen Behörden geben dazu keinen vollumfänglichen Bericht ab und ignorieren Anfragen von Journalist:innen. Das ist kein sehr transparenter Umgang, der hier mit den Mitteln der europäischen Steuerzahler:innen betrieben wird. 

Die Vergabe der Mittel wird von einem Ausschuss kontrolliert, dem Vertreter der EU-Delegation in Bosnien-Herzegowina, das bosnische Sicherheitsministerium, die Grenzpolizei, die Ausländerämter und mehrere Hilfsorganisationen angehören. Insbesondere die bosnischen Behörden müssen darlegen, wo die Gelder hinfließen, wenn sie Zweifel an einer korrekten Mittelvergabe ausräumen wollen.

Gelder für humanitäre Hilfe

77 % der bislang vom IOM ausgegeben Mittel gingen in den Bereich Humanitäre Hilfe. Bei den über 16 Millionen € sind Ausgaben für Heizung, Wasser, Müllabfuhr, Wartung enthalten, sowie die Kosten für die Mitarbeiter des IOM. Insgesamt beschäftigt IOM aktuell 423 Mitarbeiter:innen in den Lagern, von denen 421 bosnische Staatsangehörige sind. 

Knapp 10,9 Millionen € hat das IOM für die Verteilung von mehr als 8,2 Millionen Mahlzeiten ausgegeben. Dabei hat IOM mit der NGO Pomozi.ba im Kanton Sarajevo und dem roten Kreuz im Kanton Una-Sana zusammengearbeitet. 

Für die Anschaffung von Waren des täglichen Bedarfs hat das IOM für 1,6 Millionen Gegenstände insgesamt über 4,7 Millionen € ausgegeben. Dabei handelt es sich um Hygieneartikel wie Seife und Zahnbürsten, aber auch um Schlafsäcke, Winterkleidung oder Schutzmasken. 

Nochmal rund 4,7 Millionen € wurden für den Bereich Gesundheit und Bildung aufgewendet. In diesen Bereich fallen medizinische Versorgung und Transport, sowie besonderer Schutz für minderjährige Geflüchtete und ihre Schulbildung. 

Weitere knapp 3,7 Millionen € wurden für den Bereich Sicherheit ausgegeben. Das Geld ging auch an private Sicherheitsunternehmen, an denen es vonseiten der Bewohner:innen und NGOs viel Kritik gab, weil diese die Geflüchteten schlecht behandelten oder aber schlicht ihre Arbeit nicht machen. So wurde, trotz der Anwesenheit der Sicherheitsleute, im Mai ein Mann im Camp Ušivak getötet. Außerdem wurden Gelder verwendet für Feueralarme, Feuerlöscher und Erste-Hilfe Equipment. 

Die politischen Probleme lassen sich nicht mit mehr Geld lösen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei der Transparenz der Verwendung der Mittel noch Luft nach oben ist. Allerdings handelt es sich bei der Unterbringung für Geflüchtete in Bosnien-Herzegowina nicht in erster Linie um ein finanzielles Problem, sondern um ein politisches. Die Entitäten und Kantone in Bosnien-Herzegowina wollen keine Geflüchteten aufnehmen, schieben die Verantwortung hin und her und benutzen die Geflüchteten für ein politisches Blame Game, um den jeweils anderen ethnischen Gruppen oder Parteien in Bosnien-Herzegowina die Schuld in die Schuhe zu schieben. Eine Übersicht über die politischen Herausforderungen habe ich in einem Text auf meiner Homepage und auch in meinem Podcast beschrieben. 

Bei aller berechtigten Kritik an Bosnien-Herzegowina dürfen wir aber nicht vergessen, warum dort überhaupt tausende Menschen festsitzen. Die meisten von ihnen waren zuvor bereits in EU-Staaten wie Griechenland, wo sie auch unmenschlich behandelt wurden. Und sie wollen weiter, doch werden sie von den kroatischen Behörden brutal und rechtswidrig zurück geprügelt. Die aktuell furchtbare Lage für Geflüchtete in Bosnien-Herzegowina ist also auch Schuld der EU-Staaten und vor allem die Kommission muss dafür sorgen, dass sich diese endlich an geltendes Recht halten. 

Auf kurze Sicht müssen in Bosnien-Herzegowina bessere Bedingungen für Flüchtende geschaffen werden und es kann darüber geredet werden, ob sich an der einen oder anderen Stelle auch mit mehr Geld helfen lässt. Aber das grundsätzliche politische Problem wird sich nicht unter höheren Geldsummen verstecken lassen. Wir als Bürger:innen der Europäischen Union dürfen nicht akzeptieren, dass Bosnien-Herzegowina als Abladeplatz für Geflüchtete missbraucht wird und diese immer wieder dorthin zurück geprügelt werden. 

Gutachten belegt: Bundesländer dürfen eigenständig Geflüchtete aufnehmen!

Ich habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, dass unter dem Titel: „Aufnahme von Flüchtenden aus den Lagern auf den griechischen Inseln durch die deutschen Bundesländer-Rechtliche Voraussetzungen und Grenzen“ erschienen ist. Es legt dar, dass die Bundesregierung die Aufnahme von einigen geflüchteten Kindern durch die Bundesländer nicht ablehnen darf. Die Regierung lehnt vorhandene Angebote also rechtswidrig ab. Das heißt nicht, dass die Bundesländer oder Kommunen hier jetzt in der Verantwortung sind. Vor allem die Bundesregierung und andere EU-Staaten müssen mit der EU-Kommission jetzt schnell handeln! Das Gutachten ist schon lange geplant und jetzt fertig geworden.

Ihr findet das Gutachten unter diesem Link.

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