Das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungs- und Internationale Zusammenarbeit wird auf den Weg gebracht

Ich bin Schattenberichterstatter für das zukünftige Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungs- und Internationale Zusammenarbeit. NDICI steht für Neighbourhood, Development and International Cooperation Instrument. Mit einem Gesamtvolumen von knapp 80 Milliarden Euro, gekoppelt an den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021 – 2027, wird über das Instrument ein Großteil der externen Finanzierungsmittel der EU verwaltet werden. 

Am Donnerstag, dem 18. März 2021, wurde bei einer gemeinsamen Abstimmung des Ausschusses für Entwicklung und des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten der Weg für das Finanzinstrument mit einer komfortablen Mehrheit geebnet. Auch ich habe nach längerem Abwägen für die Annahme gestimmt, wenn auch mit Vorbehalten. Der letzte Schritt für die Annahme wird die Abstimmung im Plenum im Juni oder Juli sein, womit unter aller Voraussicht ein drei Jahre andauernder Verhandlungsprozess zu Ende gebracht werden wird – der erste Entwurf der Kommission für die Verordnung wurde bereits am 14. Juni 2018 veröffentlicht.

Politische Einigung 

Eine politische Einigung erzielten wir bereits im letzten Trilog am 15. Dezember 2020, bei dem jeweils die zuständigen Abgeordneten, der Rat der Europäischen Union, vertreten durch die jeweilige Ratspräsidentschaft (zu diesem Zeitpunkt die deutsche) und die Europäische Kommission, vertreten durch die Kommissarin für internationale Partnerschaften Jutta Urpilainen, zusammentrafen, um einen Kompromiss zwischen den verschiedenen Mandaten zu verhandeln. 

NDICI – Global Europe besteht aus drei Säulen. Die größte ist die geografische Säule, welche 60 Mrd. € umfasst. Sie soll für die Erreichung langfristiger Ziele genutzt werden, um die Bedürfnisse und Prioritäten von Drittländern im Einklang mit den Prioritäten des Instruments zu unterstützen. Die zweite, thematische Säule, besteht aus dem Menschenrechts- und Demokratieprogramm, und den Programmen für Zivilgesellschaft, für Frieden, Stabilität und Konfliktprävention sowie für globale Herausforderungen. Die dritte, “Rapid-Response-Säule”, soll die Kontinuität der humanitären Programme gewährleisten, indem eine Brücke zu den langfristigen Entwicklungsbemühungen geschlagen wird. Weitere Gelder können über ein Flexibilitätspolster für unvorhergesehene Herausforderungen auf die Säulen verteilt werden. 

Lange Verhandlungen 

Nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission, das externe Handeln durch die Schaffung dieses globalen Fonds für Entwicklungszusammenarbeit und Außenpolitik zu bündeln, war es für das Parlament sehr wichtig, sowohl die Unterstützung für thematische Prioritäten wie Klima und Gender als auch die Zuweisung von Mitteln für Regionen wie Subsahara-Afrika, die Nachbarschaft der EU oder den Karibischen und Pazifischen Raum sicherzustellen. Die Verhandlungen haben ungewöhnlich lange gedauert. Nach Verabschiedung einer ersten Position des Parlaments, bei der sich die Grünen enthalten hatten, wurde in regelmäßig stattfindenden Treffen an einem Kompromiss gearbeitet. 

Uneinigkeit zwischen Rat, Parlament und Kommission herrschte vor allem bezüglich Governance des Instruments, spezifischen Haushaltszuweisungen für Regionen und dem kontroversen Thema Migration. Die Priorität lag für uns dabei, eine parlamentarische Kontrollfunktion bei der Zuteilung und Prüfung von EU-Mitteln zu gewährleisten, um ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit einer demokratischen, transparenten Finanzierung und dem Ziel, unsere Partner schnell und flexibel unterstützen zu können, herzustellen. Dies ist schlussendlich gelungen, das Parlament wird künftig ein Mitspracherecht bei Kooperation und Intervention sowie der Festlegung von Prioritäten hinsichtlich der geografischen Säulen haben. Zudem wird zweimal jährlich ein geopolitischer Dialog zwischen dem Vizepräsidenten/Hohen Vertreter, den anderen zuständigen Kommissionsmitgliedern und dem EP über die strategischen Ausrichtungen der NDICI, einschließlich der Programmierung, des Polsters, zu Migration und den Mittelzuweisungen stattfinden. Der erste im September 2021. Es bleibt abzuwarten, wie Kontrollfunktion des Parlaments in der Praxis ausgestaltet wird, auch bezüglich der Kompetenzaufteilung zwischen den beiden zuständigen Ausschüssen. 

Errungenschaften des Parlaments 

Weitere wichtige Errungenschaften des Parlaments bei den Verhandlungen sind die Festlegung eines festen Prozentsatzes von 93% des Instruments für öffentliche Entwicklungshilfe (official development assistance, ODA), die gemäß den relevanten Codes des OECD-Entwicklungshilfeausschusses gemeldet wird, sowie eine Reihe weiterer fester Prozentsätze, die größtenteils den vertraglichen Verpflichtungen der EU entsprechen. Das bedeutet, dass in Übereinstimmung mit dem Beschluss über den mehrjährigen Finanzrahmen 30 % dieses Instruments für den Klimawandel und weitere 10 % schrittweise für die biologische Vielfalt und Maßnahmen in Zusammenhang mit Entwaldung verwendet werden. 85 % der von diesem Instrument unterstützten Projekte werden Gender als Kriterium haben, weitere 5 % der Projekte als primäres Ziel. 20 % des Instruments werden die menschliche Entwicklung unterstützen, während 10 % Projekte im Zusammenhang mit Migration zugewiesen werden. Einzelne Projekte können auch  mehrere Ziele unterstützen.  Für das Parlament und insbesondere uns Grüne wäre eine höhere Zuweisung für Klima und Umwelt wünschenswert gewesen, allerdings konnten wir eine Klausel verankern die dafür sorgt, dass Maßnahmen nicht die Ziele des Pariser Abkommens unterlaufen können.  Auch bei anderen Themen, wie dem Gesamtvolumen des Instruments und der Mitwirkungsrolle des Parlaments, hätten wir uns mehr gewünscht. 

Entwicklungszusammenarbeit sollte der Bekämpfung von Armut dienen, nicht der Migrationsabwehr 

Besonders kritisch, und der Grund für meine Vorbehalte bei der Zustimmung zu diesem Finanzinstrument, ist jedoch die Widerspiegelung der migrationspolitischen Ziele der EU, die oft entwicklungspolitischen Zielen entgegenstehen. Knackpunkt ist hier vor allem die Migrationskonditionalität, also die Verknüpfung von Zusammenarbeit der Drittstaaten im Bereich der Migration mit Mittelzuweisungen für andere Prioritäten. In der ursprünglichen Stellungnahme des Parlaments konnte eine Mehrheitsposition gegen diese Konditionalität erreicht werden, dies war die Verhandlungsbasis für die Triloge. 

Entwicklungszusammenarbeit soll laut Definition nicht den strategischen Interessen der Geberländer dienen, sondern der Bekämpfung von Armut. Leider war der Rat als Vertreter der Mitgliedsstaaten hier zu wenig Zugeständnissen bereit, zudem wurde die Verhandlungsposition des Europäischen Parlaments durch die konservativen Kräfte im Parlament torpediert, die eine solche Konditionalität befürworten. Nur durch die unermüdlichen Bemühungen einer Gruppe von Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen ist es zu verdanken, dass größtmögliche Schadensbegrenzung stattgefunden hat. In der finalen Fassung besteht zwar eine Verknüpfung zwischen der Zusammenarbeit im Bereich Migration und Entwicklungshilfegeldern, zumindest jedoch nur innerhalb der 10%, die dem Thema Migration zugewiesen werden. Außerdem haben wir es geschafft, den Begriff der „Migration“ möglichst weit zu fassen, damit es möglich ist, dass Projekte eher auf eine Bekämpfung von Migrationsursachen abzielen als auf Migrationsmanagement. 

In den Bestimmungen zu Migration wird außerdem ein „flexibler Finanzierungsmechanismus“ erwähnt, der zur Unterstützung der Ziele der EU-Migrationspolitik eingesetzt werden kann, was bedeutet, dass migrationsbezogene Treuhandfonds eingerichtet/erweitert werden können. Hier werde ich mich bemühen, die aktuellen Treuhandfonds, die im Dezember 2021 auslaufen sollen genau im Auge zu behalten und eine klare Aufsicht und Kontrolle durch das EP sicherstellen. 

Ein schwieriger Kompromiss 

Dies ist kein Kompromiss in meinem Sinne, ich hätte mir keine Konditionalität und eine geringere Mittelzuweisung für Migration, die sich an tatsächlichen Bedürfnissen misst, gewünscht. Trotzdem habe ich mich dafür entschieden, letzten Endes für das Instrument zu stimmen. Der fehlende politische Wille zu einer progressiven Ausgestaltung des Instruments lässt sich nicht erzwingen, nur dank des Einsatzes des Parlaments ist es überhaupt gelungen, wesentliche Verbesserungen im Vergleich zu den Vorschlägen von Kommission und Rat zu erzielen. Jetzt eine Verabschiedung des Instruments und ein möglichst schnelles Anlaufen von Projekten zu verhindern, wäre ein falsches Signal. Vor allem in Zeiten einer globalen Pandemie, unter der vor allem die Menschen im globalen Süden noch lange leiden werden.