Der Ruf nach neuen Zäunen ist die Kapitulation vor den echten Herausforderungen
Der Europäische Rat befasste sich bei seiner Sondertagung mit Flucht und Migration. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht zum ersten Mal auf Maßnahmen zur Symptombekämpfung, Abschottung und Externalisierung. Die Verhandlungen zum neuen Europäischen Asylpakt erwecken derweil weiterhin nicht den Eindruck, am Ende eine Lösung für die Misshandlungen von Geflüchteten an den Außengrenzen und die mangelnde Solidarität unter den Mitgliedstaaten anzubieten. Mein Briefing zum aktuellen Verhandlungsstand des Asylpaktes im Kontext des EU-Sonderrates findet ihr hier.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten setzen in der Migrationspolitik vor allem auf Symbole und Symptombekämpfung. Die Folgen sind Chaos an den Außengrenzen, Menschenrechtsverletzungen und ein ungeordnetes, unwürdiges Asylsystem in weiten Teilen Europas. Statt die Zahl der Geflüchteten durch ernsthafte Fluchtursachenbekämpfung zu reduzieren, wird auf Abschottung, Abschiebung und Abschreckung gesetzt. Das führt in mehreren EU-Staaten inzwischen zu systematischen Verbrechen gegen Geflüchtete.
Zäune halten niemanden davon ab zu fliehen
Insbesondere die Konservativen sollten sich nicht in Scheindebatten verlieren. Der Ruf nach immer neuen Zäunen gegen eine angeblich ungeschützte Außengrenze verunsichert die Bevölkerung. Zäune halten niemanden davon ab zu fliehen. Wer schutzberechtigt ist oder nicht, sollte kein Stacheldrahtzaun entscheiden, sondern ein rechtsstaatliches Verfahren. Wer nach neuen Zäunen ruft, sollte dabei auch erklären, dass Zäune nicht dazu beitragen, dass die EU-Staaten weiterhin Asylanträge von Menschen an Zäunen entgegennehmen müssen. Wenn wir wissen wollen, wer zu uns kommt, sollten zuerst die Pushbacks aufhören, denn sie führen dazu, dass kaum jemand registriert wird.
Weder neue Zäune noch der Migrationspakt werden die EU-Staaten davor bewahren, ihre Verantwortung für eine humane und geordnete Asylpolitik endlich ernst zu nehmen. Wer nur nach neuen Zäunen ruft, kapituliert vor den eigentlichen Herausforderungen unserer Zeit. Statt den Kampf gegen Asylsuchende auf immer unmenschlichere Ebenen zu heben, müssen die EU-Staaten endlich Verantwortung übernehmen – bei der Verteilung von Schutzsuchenden in Europa, bei der Seenotrettung im Mittelmeer und bei der Fluchtursachenbekämpfung.