Anfrage zur Verwicklung von Frontex in illegale Pushbacks
Gemeinsam mit weiteren Abgeordneten habe ich der EU-Kommission folgende Fragen gestellt, die sie am 14.04.2021 beantwortet hat:
Betrifft: Mutmaßliche Verwicklung von Frontex in illegale Zurückweisungen von Asylbewerbern
Am 23. Oktober 2020 veröffentlichte Der Spiegel seine Untersuchung mit dem Titel „Frontex in illegale Pushbacks von Flüchtlingen verwickelt“. In der Sitzung des LIBE-Ausschusses vom 6. Juli 2020 bestritt Fabrice Leggeri jegliche Kenntnis von Zurückweisungen durch die griechischen Behörden, mit Ausnahme eines Vorfalls, den er als „Missverständnis“ bezeichnete. Im Gegensatz dazu zeigt der Artikel jedoch auf, dass Frontex-Beamte über mindestens sechs Vorfälle informiert waren, bei denen die griechischen Behörden Zurückweisungen vorgenommen hatten, ohne Migranten in Not zu helfen, und obwohl die Beamten durch den Verhaltenskodex für Frontex-Beamte dazu verpflichtet waren, Zurückweisungen zu verhindern. Dazu gehört auch ein Vorfall, der am 8. Juni 2020 stattfand, bei dem das Frontex-Schiff MAI 1103 ein Migrantenboot blockierte, bewusst gefährliche Wellen erzeugte, um die Vorwärtsbewegung des Bootes zu stoppen, und den Standort verließ, nachdem die griechischen Behörden eingetroffen waren und das Boot zurückgedrängt hatten.
1. Welche Maßnahmen erwägen die Kommission und Frontex, um sicherzustellen, dass sich die genannten Vorfälle nicht wiederholen?
2. Ist der Kommission bekannt, ob Fabrice Leggeri bei seinem Erscheinen vor dem LIBE-Ausschuss tatsächlich keine Kenntnis von den genannten Vorfällen hatte?
3. Welchen Standpunkt vertritt die Kommission vor diesem Hintergrund hinsichtlich der sich aus den Vorfällen ergebenden politischen Verantwortung, die Frontex zu tragen hat?
Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 14.04.2021:
Die Kommission nimmt die Vorwürfe über Zurückweisungen sehr ernst. Im Einklang mit dem EU-Recht und der EU-Charta der Grundrechte muss der Grundsatz der Nichtzurückweisung beim Grenzmanagement gewahrt werden.
Um die Vorwürfe zu erörtern, ersuchte die Kommission den Verwaltungsrat von Frontex zusätzlich zu zwei ordentlichen Verwaltungsratssitzungen im November 2020 und im Januar 2021 um weitere, außerordentliche Verwaltungsratssitzungen. Diese wurden am 10. November 2020, am 9. Dezember 2020 und am 5. März 2021 einberufen.
In der Sitzung vom 10. November 2020 beschloss der Verwaltungsrat, eine eigene Arbeitsgruppe einzurichten, um weitere Untersuchungen in dieser Angelegenheit gemäß der in der Verordnung (EU) 2019/1896 festgelegten Verteilung der Zuständigkeiten durchzuführen.[1] Die Kommission war in dieser Arbeitsgruppe vertreten und legte dem Exekutivdirektor eine Reihe von Fragen vor, um weitere Klarstellungen zu erhalten. Auf Einladung nahm auch ein Vertreter des Europäischen Parlaments an den einschlägigen Sitzungen des Verwaltungsrats teil.
Der Exekutivdirektor von Frontex informierte die Kommission mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 über die vorläufigen Ergebnisse der internen Untersuchungen zu den Vorfällen, über die in den Medien berichtet worden war. Er betonte, das Frontex bisher keine Dokumente oder andere Materialen gefunden habe, mit denen die Vorwürfe über Grundrechtsverletzungen oder Verletzungen des Frontex-Verhaltenskodex durch entsandte Beamte belegt werden könnten. Der Abschlussbericht der Arbeitsgruppe und die am 5. März 2021 vom Verwaltungsrat angenommenen Schlussfolgerungen wurden auf der Website der Agentur veröffentlicht.[2]
Eine effektive und gut funktionierende Agentur für das Außengrenzmanagement, die den Schutz der Grundrechte bei der Ausübung ihrer Funktionen garantiert, gehört zu den Prioritäten der Kommission. Zu diesem Zweck wird die Kommission Frontex weiterhin unterstützen und beraten, um die wirksame Erfüllung des Mandats der Agentur sicherzustellen.
[1] Verordnung (EU) 2019/1896 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2019 über die Europäische Grenz- und Küstenwache (ABl. L 295 vom 14.11.2019, S. 1).
[2] https://frontex.europa.eu/media-centre/management-board-updates/conclusions-of-the-management-board-s-meeting-on-5-march-2021-on-the-report-of-its-working-group-on-fundamental-rights-and-legal-operational-aspects-of-operations-in-the-aegean-sea-aFewSI