Anfrage an die Kommission zu Pushbacks von Italien nach Griechenland

Vor einer Woche hat Lighthouse Reports einen Bericht veröffentlicht, in dem es um die Ergebnisse ihrer Recherche zu Pushbacks auf Touristenfähren von Italien nach Griechenland geht. Sie fanden Beweise, dass Asylsuchende, darunter auch Kinder, in inoffiziellen Gefängnissen – zum Teil mit Handschellen – während der Überfahrt im Bauch von Passagierschiffen festgehalten werden. SRF und ARD Monitor waren auch an der Recherche beteiligt und haben darüber in Fernsehbeiträgen berichtet. 

Am 25. Januar habe ich, gemeinsam mit fünf anderen grünen Abgeordneten, der Europäischen Kommission eine schriftliche Anfrage dazu gestellt. Ich möchte erfahren, inwieweit diese illegalen Pushbacks von Italien nach Griechenland mit dem EU-Asylrecht vereinbar sind, und welche Nachuntersuchungen von der Kommission aus geplant sind, um diesem Tatbestand nachzugehen. Eine weitere Frage geht um das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen Italien und Griechenland aus dem Jahr 1999 und ob dieser Vertrag überhaupt dem EU Besitzstand entspricht. 

Meine gesammelten schriftlichen Anfragen an die Kommission und die Antworten findet ihr hier.

Meine Anfrage

Lighthouse Reports hat zusammen mit SRF, ARD Monitor, Al Jazeera, Il Domani und Solomon am 18. Januar 2023 einen Bericht veröffentlicht, der die Praktik der illegalen Pushbacks auf Passagierschiffen von Italien nach Griechenland dokumentiert. Beweise zeigen, dass Asylsuchende, die von italienischen Behörden in adriatischen Häfen aufgegriffen werden, bei ihrer Ankunft kein Asyl beantragen können, sondern im Hafen festgehalten und dann nach Griechenland zurückgeschoben werden. Berichten von Personen afghanischer, syrischer oder irakischer Herkunft zufolge wurden sie während ihrer Abschiebung von Italien nach Griechenland in abgetrennten Einrichtungen auf Passagierschiffen inhaftiert, mit Handschellen gefesselt und auf engem Raum eingesperrt. 

  1. Inwiefern ist diese Praxis nach Ansicht der Europäischen Kommission mit dem asylrechtlichen EU acquis vereinbar?
  2. Ist das bilaterale Rückübernahmeabkommen zwischen IT und GR mit dem EU acquis vereinbar?
  3. Welche Folgemaßnahmen gedenkt die Europäische Kommission im Anschluss an den oben genannten Bericht zu ergreifen?

Kommission ignoriert Dienstanweisung für Pushbacks in Kroatien

Die kroatische Polizei hat von offizieller Stelle Dienstanweisungen für Pushbacks erhalten. In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen. In ihrer Antwort weigert sich die Kommission auch nur anzuerkennen, dass Kroatien systematisch Pushbacks durchführt, obwohl diese tausendfach und seit über vier Jahren dokumentiert sind. Die Kommission hält auch an ihrer Empfehlung fest, Kroatien den Beitritt in den Schengenraum zu ermöglichen, obwohl Kroatiens Praxis an den Außengrenzen klar gegen den Schengener Grenzkodex verstößt. Dort wo es Probleme gibt, erklärt sich die Kommission einfach für nicht zuständig. Die Kommission verschließt also weiterhin die Augen vor den systematischen Menschenrechtsverletzungen.

Die gesamte Anfrage mit Antworten in mehreren Sprachen findet ihr auch hier

Unsere Anfrage

Betrifft: Pushbacks durch die kroatische Polizei

Wie das kroatische Portal Index.hr berichtet, erhalten kroatische Grenzbeamte Dienstanweisungen für Pushbacks. Sie befolgen also Befehle und führen die Pushbacks nicht nach eigenem Ermessen durch, wie die kroatische Regierung bislang behauptete. Die entsprechende Anweisung ist eine Reaktion auf ein vom Spiegel und der ARD im Oktober veröffentlichtes Video, in dem kroatische Grenzbeamte bei gewaltvollen Pushbacks gefilmt wurden. Auf die Antwort der Kommission auf meine Anfrage bezüglich der Videos warte ich seit fast vier Monaten.

In der nun bekannt gewordenen Anweisung werden die kroatischen Grenzbeamten ermahnt, sich bei Pushbacks künftig nicht mehr filmen zu lassen und vor der Durchführung der Pushbacks die Umgebung nach versteckten Kameras zu durchsuchen. Die Pushbacks selbst sollen wie gewohnt weiterlaufen.

1. Wie gedenkt die Kommission diese staatlich angeordneten Pushbacks zu untersuchen, und welche Bedeutung gedenkt sie den Ergebnissen dieser Untersuchung im Hinblick auf das Verfahren des Beitritts Kroatiens zum Schengen-Raum beizumessen?

2. Erwartet die Kommission Änderungen am „unabhängigen Überwachungsmechanismus“ an der Außengrenze, nachdem die kroatische Regierung offensichtlich kein Interesse daran, hat Menschenrechtsverletzungen aufzuklären, die sie selbst verantwortet?

3. Hält die Kommission die Ausführungen des kroatischen Innenministeriums für glaubwürdig, laut denen die kroatische Regierung nichts mit den Pushbacks zu tun habe und es sich um das Fehlverhalten einzelner Beamter handele?

Antwort von Ylva Johansson im Namen der Europäischen Kommission am 29.4.2022

1. Die Untersuchung von mutmaßlichen strafbaren Handlungen nationaler Behörden liegt in der Verantwortung der Mitgliedstaaten. Die Kommission hat die kroatischen Behörden immer wieder aufgefordert, mutmaßliche Misshandlungen von Migranten zu untersuchen. Der vollumfängliche Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen erfordert einen einstimmigen Beschluss des Rates, dessen Annahme noch aussteht. Der Rat (Justiz und Inneres) hat auf seiner Tagung vom 9./10. Dezember 2021 festgestellt, dass Kroatien die erforderlichen Voraussetzungen für die Anwendung aller Teile des Schengen-Besitzstands erfüllt. Die Kommission ist der Auffassung, dass Kroatien die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für die Anwendung
des Schengen-Besitzstands
erfüllt sind und erfüllt bleiben.

2. Auch wenn die Kommissionsdienststellen in Zusammenarbeit mit den kroatischen Behörden sicherzustellen suchen, dass der „unabhängige Überwachungsmechanismus“ Kroatiens wirksam funktioniert, bleiben die Einrichtung des Mechanismus und insbesondere seine Zusammensetzung doch in kroatischer Hand. Im Rahmen des unabhängigen Überwachungsmechanismus wurde im Dezember 2020 ein öffentlich zugänglicher Halbjahres-(Zwischen-)Bericht erstellt. Die kroatischen Behörden teilten der Kommission und dem Parlament mit, wie sie die ersten Empfehlungen umsetzen. Der Beratende Ausschuss – dem die Kommission und einschlägige Interessenträger angehören (und der nicht Bestandteil des Mechanismus ist) – wird Empfehlungen abgeben, wie die Funktionsweise des Mechanismus für die unabhängige Überwachung verbessert werden kann. Als Hüterin der Verträge wird die Kommission weiterhin darüber wachen, dass geltendes EU-Recht eingehalten wird.

3. Die Kommission vermag die Glaubwürdigkeit der Ausführungen, auf die der Herr Abgeordnete Bezug nimmt, nicht zu beurteilen. Die Haltung der Kommission in Sachen Grundrechte ist jedoch klar: Jegliche Maßnahmen, mit denen die Mitgliedstaaten das unbefugte Überschreiten der EU-Außengrenzen verhindern oder davor abschrecken wollen, müssen voll und ganz mit dem einschlägigen EU-Recht, insbesondere auch mit der Charta
der Grundrechte der Europäischen Union
in Einklang stehen. Jegliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ist rechtswidrig. Von daher sollte jedes Fehlverhalten einzelner Grenzschutzbeamter Gegenstand einer Untersuchung durch die zuständigen Behörden sein und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden.

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