Gericht kassiert Zurückweisungen: Bundesregierung tritt EU-Recht mit Füßen
Das Berliner Verwaltungsgericht hat heute ein deutliches Urteil gefällt: Die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den deutschen Binnengrenzen verstoßen gegen geltendes Recht. Menschen, die bei Grenzkontrollen auf deutschem Staatsgebiet um Asyl bitten, dürfen nicht ohne ein ordnungsgemäßes Dublin-Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgewiesen werden. Es gibt keine rechtliche Grundlage für eine pauschale Ausnahme gemäß Artikel 72 AEUV – eine nationale Notlage liegt nicht vor.
Als asylpolitischer Sprecher und Delegationsleiter der deutschen Grünen im Europäischen Parlament habe ich das in einer Pressemitteilung deutlich kritisiert:
„Dieses Urteil ist eine schallende Ohrfeige des Rechtsstaats für die Bundesregierung. Gegen jeglichen Sachverstand wurde immer wieder populistisch behauptet, dass man das geltende Recht nicht beachten muss.
Es ist gut, dass hier ein rechtliches Stopp-Schild gesetzt wurde und dieser Angriff auf das EU-Recht nicht folgenlos bleibt. Wir haben schon lange davor gewarnt, dass dieser Rechtsbruch den Populisten weiter Auftrieb geben wird. Außerdem werden hier Polizeibeamte verheizt und potentiell zu Straftaten angehalten, für die sie wiederum verurteilt werden können.
Dass Spitzenfunktionäre der Deutschen Polizeigewerkschaft wie Manuel Ostermann diese Rechtsbrüche eingefordert haben und ihre Kollegen in rechtliche Gefahr gebracht haben, sollte aber ein ausreichender Rücktrittsgrund sein.
Alexander Dobrindt ist noch keine vier Wochen im Amt und ist bereits in einem zentralen Vorhaben vor Gericht gescheitert. Früher hätte man erwartet, dass für so eine Missachtung des Rechts jemand sofort politische und eigenständig Verantwortung übernimmt. Bei Alexander Dobrindt und seiner Geschichte ist aber vermutlich auszuschließen, dass er Verantwortung für sein Handeln übernimmt.
Statt Lösungen zu schaffen, betreibt die Regierung bislang offensichtlich rechtswidrige Symbolpolitik auf Kosten Schutzsuchender, der EU und des Rechtsstaats. Ein solches Verhalten ist unwürdig und untergräbt das Vertrauen in Deutschland als verlässlichen Partner in Europa.
Es braucht einen Sondergipfel zur Aufarbeitung dieses offensichtlich rechtswidrigen Vorgehens, bei dem ein rechtsstaatlicher Neustart der Asylpolitik dieser Regierung erarbeitet wird. Es kann nicht sein, dass Merz und seine Regierung sich folgenlos über das Recht stellen. Es wird aufzuarbeiten sein, wer hier die Verantwortung trägt und sich fahrlässig über die einhellige juristische Meinung hinweggesetzt hat.“